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Last Desire 9.5 Teil 2

Uncertain Desire
von

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Zwischen zwei Welten

Als Ezra am späten Nachmittag von seiner Mutter zurückgebracht wurde, ging er sofort rauf in sein Zimmer und legte sich ins Bett. Nastasja ging besorgt zu ihm rauf und fragte auch was los war, da erklärte der 16-jährige auch gleich „Mir ist schlecht und ich musste kotzen, als meine Mutter auf den Trichter kam, mich dazu zu bringen, Weinbergschnecken zu essen.“ „Igitt, das ist wirklich widerlich. Und das, obwohl du ihr gesagt hast, du wärst Vegetarier?“ Ezra nickte und zog die Decke über seinen Kopf. Sanft streichelte Nastasja seinen Kopf und fragte „Der Tag war wohl nicht sonderlich schön für dich, oder?“ Er schüttelte den Kopf und starrte nachdenklich ins Leere. „Am Anfang war es ja noch ganz okay gewesen“, murmelte er leise. „Aber irgendwie dreht sich bei ihr alles ums Shoppen und so. Wir haben nichts Passendes für die Party gefunden, weil alle Sachen zu groß oder zu weit waren. Und da hatte sie keine Lust mehr gehabt, woraufhin wir dann in eines dieser teuren Restaurants gegangen sind. Tja und da meinte sie eben, dass ich auch mal zumindest versuchen könnte, Tiere zu essen. Immerhin gibt sie sich solche Mühe mit mir, da kann ich ihr auch entgegenkommen.“

„Hast du das gesagt oder sie?“

„Ist doch eh egal. Ich will mich einfach nur etwas aufs Ohr hauen, dann geht es mir sicherlich morgen besser, damit ich auf die Party gehen kann.“

„Nun, wegen der Party“, sagte Nastasja langsam und zögerte noch. Immer noch streichelte sie dem angeschlagenen Ezra durchs Haar und sah ernst aus. „Ich möchte nicht, dass du da hingehst.“ „Wie?“ fragte der 16-jährige und setzte sich auf und sah sie verwundert an. „Warum das denn? Meine Mutter hat mich schon für diese Party angemeldet und rechnet fest mit mir. Wieso darf ich da auf einmal nicht mehr hingehen?“ „Weil es das Beste ist, glaub mir“, erklärte die Russin und sah ihn ernst durch ihre Brille an. „Weißt du, L und Oliver haben da so einige Dinge über deine Mutter erfahren, die nicht sehr schön sind. Und deshalb will ich dich auch ein Stück weit schützen.“

„Mich vor meiner Mutter beschützen?“ Ezra wurde misstrauisch, denn er wusste diese Situation überhaupt nicht einzuordnen und sah Nastasja fragend an. „Was meinst du damit?“ Die 30-jährige Russin rückte nicht sofort mit der Sprache raus, sondern ließ sich mit der Antwort etwas Zeit, bevor sie erklärte „Es gibt da etwas, das deine Mutter vor dir verschwiegen hat. Du musst wissen, dass sie gewisse Hintergedanken hatte, als sie zu dir Kontakt aufgenommen hat. L hat herausgefunden, dass deine Mutter eine Journalistin beauftragt hat, eine Biografie zu schreiben und dabei werden auch Dinge aus deiner Vergangenheit erwähnt. Zum Beispiel, dass dein Vater mit der Mafia Schwierigkeiten hatte, dich missbraucht und geschlagen hat und dass er durch deine Hand starb. Auch, dass du auf den Strich gegangen bist…“ Ezra sah sie an und sagte nichts. Es war auch schwer zu sagen, was er dachte und wahrscheinlich wusste er selber gerade nicht, was er denken sollte. „Ja und?“ begann er nach einer Weile zögernd. „Immerhin bin ich ihr Sohn, da ist es doch normal, dass ich auch in die Biografie reinkomme, oder etwa nicht? Und überhaupt: woher willst du das wissen? Habt ihr alle etwa meine Mutter ausspioniert?“

„Nein, so ist es nicht“, erklärte Nastasja und blieb ruhig, während Ezra selbst langsam aggressiv wurde. „Deine Mutter war heute Morgen bei mir im Büro gewesen und hat mir Geld geboten, damit ich ihr das Sorgerecht für dich überlasse. Das kam mir irgendwie seltsam vor, deshalb habe ich L gebeten, mehr darüber herauszufinden, wieso Monica unbedingt das Sorgerecht haben will, obwohl sie sich doch vorher nie für dich interessiert hat.“

„Sie hat eben aus ihren Fehlern gelernt, klar? Sie hat mir alles erzählt. Mein Vater hat behauptet, sie würde mich misshandeln und sie durfte mich deshalb nicht mehr sehen.“

„Ezra, es tut mir Leid, aber das ist nicht so. Deine Mutter hat gelogen. Sie ist damals direkt vom Krankenhaus aus nach Frankreich abgereist und hat dich bei deinem Vater gelassen. Sie hatte schon vorher eine Affäre gehabt und hatte kein Interesse an einem Familienleben. Stattdessen wollte sie unbedingt ihren Traum verwirklichen und ist deshalb gegangen. Und der Grund, wieso sie Kontakt zu dir aufgenommen hat, war der, weil sie Publicity haben wollte. Verstehst du? Deshalb möchte ich dich vor ihr schützen. Ich mache mir Sorgen, dass sie dich noch enttäuschen könnte und sie deine Lage nutzt, um sich selbst ins Rampenlicht zu stellen.“

„Das ist doch Quatsch!“ rief Ezra und war nun deutlich aggressiver. Man sah ihm an, dass er sehr verunsichert war und nicht wusste, was er tun sollte. Und Nastasja hatte auch Verständnis für seine Lage, aber dennoch wollte sie an ihrem Entschluss festhalten, Ezra vor seiner Mutter zu schützen. „Warum sollte meine Mutter mich belogen haben? Sie kümmert sich um mich und sie will mir helfen, mich in ihrer Welt zurechtzufinden, damit ich zu einem Teil ihrer Familie werde. Und überhaupt: du kennst sie doch gar nicht, da kannst du dir ja wohl kaum ein Urteil bilden. Außerdem bist du nicht meine Mutter, verdammt. Du bist nur meine Pflegemutter und sonst nichts.“ Damit sprang er vom Bett auf und verließ das Zimmer. „Ezra!“ rief Nastasja und folgte ihm. Doch obwohl Ezra nicht gerade zu den Sportlichsten zählte, war er aus dem Haus gestürmt und verschwunden. Die 30-jährige ging noch zur Straße und suchte nach Ezra, fand ihn aber nicht. Dafür kam Sheol raus und fragte „Mum, was ist los?“ „Ezra ist gerade weggelaufen.“ „Wieso denn das?“

„Ich hab versucht, ihm das mit seiner Mutter beizubringen und ihm auch gesagt, dass ich nicht will, dass er zu dieser Party geht. Aber er ist weggerannt.“

„Willst du ihn suchen gehen?“

„Nein, er soll sich erst einmal beruhigen. Vielleicht braucht er auch erst einmal seine Ruhe, um das zu verarbeiten. Wenn er vor elf nicht zurück ist und sich nicht gemeldet hat, werde ich seine Mutter anrufen und fragen, ob er bei ihr ist. Und wo willst du hin?“

„Ich wollte gleich ein bisschen um die Häuser ziehen.“

„Okay, aber kommst spätestens um halb elf Uhr zurück und wenn ich merke, dass du getrunken hast, gibt es Ärger. Dann hagelt es nämlich Hausarrest und dein Taschengeld wird dann ebenfalls gestrichen.“

„Ja Mum…“, stöhnte er genervt und verdrehte dabei die Augen. „Ich hab’s kapiert.“
 

Ezra war über den Zaun geklettert, um über ein paar Umwege zu flüchten und auf die Weise sicherzugehen, dass Nastasja ihm nicht folgte. Er hatte echt keine Lust darauf und konnte sich auch bei weitem was Besseres vorstellen. Jetzt brauchte er einfach mal etwas Ruhe und vor allem Abstand von dieser ganzen Sache, um irgendwie wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Inzwischen war es kühler geworden und die frische Luft half auch gegen seine Übelkeit, oder zumindest ein bisschen. Er steuerte instinktiv den Hafen an, wo er öfter hingegangen war, wenn er einfach mal diesen ganzen Mist vergessen wollte, der auf seinen Schultern lastete. Irgendwie war das alles momentan echt beschissen und er wusste nicht, was er tun sollte. Insbesondere stellte er sich die Frage, wem er glauben sollte. Zugegeben, seine Mutter hatte etwas eigenwillige Ansichten und die Kommunikation zwischen ihnen beiden stimmte auch nicht so wirklich. Aber würde sie deswegen gleich so etwas tun? Vielleicht hatte sie das ja auch nicht aus böser Absicht getan, als sie seine Lebensgeschichte in ihrer Biografie erwähnen wollte. Nun gut, sie hätte ihn wenigstens vorher fragen können, aber er konnte einfach nicht glauben, dass sie wirklich so abgebrüht war und nur deshalb nach Boston gekommen war, weil sie für Schlagzeilen sorgen wollte. Oder… wollte er es vielleicht nicht glauben? Er wusste es einfach nicht und als er den Park erreicht hatte, setzte er sich auf eine Bank, lehnte sich zurück und betrachtete das Rot der untergehenden Sonne. Während er die Wolken betrachtete, musste er wieder an das Gespräch mit Nastasja denken. Er hatte ihr vielleicht ziemlich vor den Kopf gestoßen als er ihr vorgehalten hatte, sie wäre nicht seine Mutter. Nun, es stimmte ja auch, aber sie war doch eigentlich genau das, was er sich unter einer guten Mutter vorstellte. Sie war liebevoll und bemühte sich sehr, ihn zu unterstützen. Sie war sehr tolerant, was seine Liebe zu Elion anging und war sogar selbst der Meinung, dass diese Beziehung ihm gut tat. Immer, wenn er Probleme oder Sorgen hatte, konnte er sich ihr anvertrauen und sie hatte zusammen mit den anderen eine Geburtstagsfeier für ihn organisiert. Sie hatte ihn in die Familie aufgenommen und ihm gut zugeredet, was seine Mutter anging. Und nun kam sie plötzlich damit an, ihn von ihr fernhalten zu wollen, weil sie der Meinung war, dass seine Mutter ein falsches Spiel trieb. Große Klasse. Was sollte er denn bitteschön denken und wem sollte er denn mehr glauben? Nastasja oder seiner eigenen Mutter? Zugegeben, es war nicht sonderlich nett, Nastasja an den Kopf zu werfen, dass er nur ihr Pflegekind war. Denn eigentlich hatte sie ihn immer wie ihr eigenes Kind behandelt und ihm auch nie das Gefühl gegeben, dass er nur ein Pflegekind war. Sie war ganz anders als seine anderen Pflegemütter. Anders als… Unfreiwillig musste er wieder an Audrey denken. Audrey… Lucy… Wieder wurde ihm schlecht bei den schrecklichen Bildern, die er vor seinem inneren Auge sah. Es gelang ihm nur mit Mühe, sie wieder aus seinem Kopf zu verbannen und sich nicht mehr zu erinnern. Es reichte schon, wenn sie ihn in seinen Träumen verfolgte. Da musste es nicht auch noch in der Realität sein. Ezra merkte, dass er langsam müde wurde. Es fiel ihm immer schwerer, die Augen offen zu halten und sich zu konzentrieren. Wahrscheinlich war das ganze Hin und Her doch etwas zu anstrengend gewesen und er brauchte einfach eine Mütze voll Schlaf. Aber so wirklich Lust, nach Hause zurückzugehen, hatte er nicht und er überlegte erst, ob er die Nacht nicht besser auf der Bank schlafen sollte. Er hatte schon zwischendurch auf der Straße gelebt, da war so etwas nicht sonderlich neu für ihn. Aber andererseits hatte er ja auch die Möglichkeit, seine Mutter anzurufen und sie zu fragen. Zum Glück hatte er sein Smartphone bei sich, da er seine Jacke noch gar nicht ausgezogen hatte. Er suchte die Telefonnummer heraus und rief Monica direkt an. Es dauerte eine Weile, bis sie endlich ranging und fragte auch sofort „Ja bitte?“ Ezra zögerte noch, wobei er sich aber auch selbst nicht erklären konnte, wieso er zögerte. Vielleicht, weil ihm die Sache mit den Schnecken noch zu schaffen machte? Nun, das war auch nicht gerade toll von ihr gewesen. Dann aber nahm er doch seinen Mut zusammen und fragte „Mum, wäre es möglich, die Nacht bei dir zu schlafen? Ich hatte etwas Zoff mit meiner Pflegemutter…“ „Tja Ezra, wie stellst du dir das vor? Ich wollte eigentlich gleich zu einem Clubbesuch gehen und bin deshalb nicht im Hotel. Aber du kannst gerne mitkommen und danach die Nacht im Penthouse verbringen. Damit kannst du auch dein unmögliches Benehmen im Restaurant wieder gut machen.“ Zwar hätte sich Ezra lieber hingelegt, aber er willigte ein. Einfach nur, weil seine Mutter ja Recht hatte. Im Restaurant hatte er sich nicht gerade gut benommen, aber ihm war wegen der Schnecken einfach nur schlecht gewesen und weil er ja so sehr dagegen war, Tiere zu essen, hatte sein Magen eben rebelliert. Nur hatte er damit seine Mutter blamiert und da war eben eine Wiedergutmachung fällig. „Okay, dann komme ich gleich vorbei.“

„Hast du wenigstens etwas Anständiges an?“

„Ich trag noch die Sachen vom Restaurant.“

„Nun gut, sie sind zumindest einigermaßen akzeptabel. Also gut, ich bin im Rose Diamond und werde Bescheid sagen, dass du kommst. Und ich hoffe, dass du dich dieses Mal anständiger benimmst.“

„Mach ich, keine Sorge.“ Damit war das Gespräch beendet und Ezra machte sich auf den Weg. Zuerst überlegte er, ob er Nastasja vielleicht Bescheid sagen sollte. Er wollte ja nicht, dass sie sich noch Sorgen machte, aber andererseits hatte er keine Lust, dass sie noch eine Szene machte, wenn er sich trotz ihres Verbots mit seiner Mutter traf. Die würde mit Sicherheit ganz schön sauer werden, wenn Nastasja im Club noch einen Streit anfing und sie blamierte. Hinterher würde die Schuld auf ihn zurückfallen und das wollte er ganz sicher nicht.

Da er kein Geld dabei hatte, musste er zu Fuß gehen und war gut eine halbe Stunde unterwegs. Als er schon fast da war, klingelte sein Handy und er sah, dass es Elion war. Zuerst überlegte er noch, ihn wegzudrücken, aber dann entschied er sich doch anders und nahm den Anruf an. „Elion, was gibt es?“ „Ich bin gerade nach Hause gekommen und Mum sagte, dass du weggegangen bist. Ich wollte mich nur erkundigen, ob ich zu dir kommen soll.“ „Nein, nicht nötig. Ich treffe mich mit meiner Mutter im Rose Diamond und ich hab keine Lust darauf, dass Nastasja noch irgendeine Szene macht, nachdem ich meine Mutter schon im Restaurant blamiert habe. Sag ihr einfach, dass alles in Ordnung ist und sie sich keine Sorgen zu machen braucht.“ Doch Elion schwieg und der 16-jährige ahnte, dass der Proxy sich schon wieder irgendwelche Sorgen machte. Also blieb er stehen und fragte direkt „Was hast du denn?“

„Ich mache mir Sorgen um dich“, erklärte Elion mit etwas gedämpfter Stimme. „So wie ich gehört habe, scheint es im Restaurant nicht gut gelaufen zu sein und deine Mutter hat dich gezwungen, Fleisch zu essen.“ „Sie hat mich nicht gezwungen“, rief Ezra aber tief in seinem Inneren wusste er doch, dass es gelogen war. Doch er wollte es einfach nicht wahrhaben und es ging ihm einfach gegen den Strich, dass alle so auf seine Mutter herumhackten. „Sie macht sich eben Sorgen, weil ich so dünn und klein bin und wollte bloß helfen.“ Immer noch sagte Elion nichts und so langsam wurde der 16-jährige nervös. Was zum Teufel sollte dieses Schweigen und was ging Elion wohl gerade durch den Kopf? Schließlich aber sagte der Proxy „Ich will nicht auf dich einreden oder so, versteh mich da bitte nicht falsch. Aber findest du nicht auch, dass es nicht gerade in Ordnung von deiner Mutter war, dass sie dich dazu gebracht hat, Fleisch zu essen?“

„Sie hat es nur gut gemeint.“

„Mag sein, aber ich denke mir einfach, dass sie es auch hätte respektieren sollen, dass du Vegetarier bist.“ Elion hatte ja Recht, aber Ezra hatte keine Lust auf Diskussionen und wollte allein schon aus Trotz bei seiner Meinung bleiben. Natürlich sagte der logische Teil seines Verstandes, dass das Verhalten seiner Mutter unmöglich gewesen war. Er hatte noch daran zu knabbern, aber dennoch sagte der unreife Teenager in ihm, dass das alles Blödsinn war und dass das nicht stimmte. Ja er wollte aus bloßer Sturheit einfach nicht wahrhaben, dass seine Mutter sich absolut falsch verhalten hatte und wollte deshalb weder auf Nastasja, noch auf Elion hören. „Ja und? Es war zumindest mal einen Versuch wert und dass mir davon so schlecht wurde, dass ich kotzen musste, konnte keiner wissen. Jedenfalls habe ich meine Mutter blamiert und da ist es nur selbstverständlich, dass ich das wieder gut mache. Ich geh gleich zu ihr in den Club und versuche das wieder auszubügeln.“

„Du willst in einen Club gehen?“

„Wehe du sagst Nastasja etwas davon, kapiert? Sag auch nur einen Mucks und zwischen uns beiden ist es aus. Ich hab nämlich keine Lust, mich mit Ratten abzugeben.“

„Jetzt beruhige dich doch, Ezra. Ich will dich doch nicht einfach so verraten. Ich mach mir bloß Sorgen, dass irgendetwas passieren könnte.“

„Wird es aber nicht, weil ich bei meiner Mutter bin. Ernsthaft, ich bin kein Kleinkind mehr und ich kann auf mich selbst aufpassen. Echt Mann, ihr solltet das endlich mal schnallen, dass ich nicht aus Glas bin. Ich weiß mich schon durchzusetzen und zu wehren, immerhin bin ich schon 16 Jahre alt!“ Ezra wurde immer gereizter und lauter, während Elion ruhig blieb. Manchmal ging ihm das richtig auf die Nerven und insgeheim wünschte er sich auch mal, dass Elion laut wurde und auch mal schrie. Aber nein, der Kerl war nie aus seiner verdammten Ruhe zu bringen. Allerhöchstens wenn jemand, der ihm wichtig war, in Lebensgefahr schwebte. Wieso nur konnte er nicht auch mal so gereizt darauf reagieren, wenn man ihm irgendeine Beleidigung um die Ohren haute? Manchmal gab es Momente, in denen sich Ezra genau so etwas regelrecht wünschte. Aber selbst wenn er ihn einen Freak, einen Vollidioten und ein Arschloch nannte, wurde Elion nicht sauer. Wofür hält der mich überhaupt, fragte sich der 16-jährige. Für einen kleinen Jungen oder was? „Jetzt lass dir mal eines gesagt sein: ich bin kein kleines Kind, verdammt! Ich kann gut auf mich selbst aufpassen und du bist nicht mein Babysitter, klar? Wir beide sind zusammen.“

„Das weiß ich und ich sehe dich auch nicht als Kleinkind. Versteh das bitte nicht falsch. Aber es ist so, dass ich mir Sorgen mache und nicht nur ich. Sheol und Mum machen sich Sorgen, auch der Rest der Familie. Keiner will dich einsperren oder wie ein kleines Kind behandeln. Aber wir wollen eben auch nicht, dass du noch in irgendeine Situation gerätst, wo du nicht weiter weißt und dich vollkommen hilflos fühlst. Es mag für dich vielleicht dumm klingen, aber wir wollen nur dein Bestes. Ich weiß, dass du das von allen anderen auch gehört hast, die dir im Nachhinein nur geschadet und dich im Stich gelassen haben. Aber inzwischen müsstest du uns doch gut genug kennen, um zu wissen, dass wir das ehrlich meinen. Und ich habe dir doch versprochen, dass ich für dich da sein werde, wenn du in Schwierigkeiten stecken solltest und dass ich dich niemals verletzen werde. Ich halte meine Versprechen und das weißt du auch.“ Natürlich wusste Ezra das. Und gerne hätte er gesagt, dass er diese Oberflächlichkeit und dieses ganze Leben voller herabwürdigender Arroganz und übertriebenem Luxus hasste. Dass es ihm wehtat, wenn seine Mutter über sein Erscheinungsbild herzog und ihn oft als kleinwüchsiges und magersüchtiges Mädchen bezeichnete, nur weil er so dünn und klein geraten war und seine Haare lang gewachsen waren. Dass er am liebsten ausgerastet wäre, als sie meinte, dass sie das mit seiner Homosexualität schon irgendwie wieder hinbiegen würde, weil es in ihren Augen eine kranke Störung war. Oder dass sie die Tatsache nicht akzeptieren konnte, dass er Vegetarier war und es einfach nicht übers Herz brachte, Tiere zu essen. Er gab sich ja Mühe, sich besser in ihrer Welt zurechtzufinden und ihr zu zeigen, dass er sie glücklich machen wollte. Ja, er wollte doch, dass sie sagte, dass sie ihn so liebte wie er war. Aber sie selbst machte sich nicht die Mühe, seine Welt kennen zu lernen und sich mehr auf sein Level zu begeben. Wie würden es die anderen beschreiben? „Sie kommt dir nicht entgegen.“ Ja, sie kam ihm nicht entgegen und erwartete stattdessen, dass er sich auf ihr Niveau begab. Ganz egal wie viel sie dafür an ihm verändern musste. Und so langsam begann er sich ja auch zu fragen, was denn so falsch an seinem Äußeren war, dass sie ihn nicht so lieben konnte, wie er wirklich war. Und das gab ihm eben das beschissene Gefühl, er sei nicht liebenswert. Immerhin war sie doch seine Mutter und wenn sie ihn nicht liebte, wer denn dann? Nastasja hingegen hatte ihn so akzeptiert wie er war. Sie gab ihm die gleiche Aufmerksamkeit wie ihren anderen Kindern und sie veränderte ihn nicht. Stattdessen kam sie ihm entgegen, hörte ihm aufmerksam zu und gab ihm das, was er sich immer gewünscht hatte: eine liebevolle Familie. Okay, sie war streng und konsequent und sie stritten sich auch hin und wieder mal, aber am Ende vertrugen sie sich wieder und Nastasja sagte dann einfach „Lass uns das Kapitel abhaken und dafür sorgen, dass es beim nächsten Mal besser wird, okay?“ Und dann war sie ihm auch nicht nachtragend. Warum? Warum kann meine Mutter nicht mehr wie Nastasja sein? Nur ein kleines bisschen… „Ezra, was ist los? Weinst du?“

„Ach fahr doch zur Hölle.“ Damit legte der 16-jährige auf, steckte sein Handy wieder ein und lehnte sich gegen die Häuserwand. Er wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und nachdem er tief durchgeatmet hatte, betrat er den Club.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  pri_fairy
2014-12-22T09:53:41+00:00 22.12.2014 10:53
Super Kapitel !:)
Oh ich hoffe die beiden vertragen sich schnell wieder !:(
Von:  San-Jul
2014-12-21T13:23:16+00:00 21.12.2014 14:23
Also, da sind die beiden glücklich zusammen.alles erstmal gut und dann kommt DIE Mutter und störts. Musste ja so kommen! Ich bin übrigends der geichen meinung wie Nastasja.
Von: abgemeldet
2014-12-21T13:16:37+00:00 21.12.2014 14:16
Ein echt tolles Kapitel^^


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