Dreizehn Worte, einer Feststellung die mich überraschten (Killer/Kid)
Die Sonne ging langsam unter und auch die Meeresbrise, welche in regelmäßigen Abständen über das Deck fegte, wurde deutlich kühler. Als Killer ihn erreichte, lag Kid auf der Seite ausgestreckt auf den alten Holzplanken in der Nähe des Steuerrades. Den Pelzmantel nur notdürftig über den Körper gezogen, betrachtete der Käpt’n des Schiffes in aller Ruhe den Sonnenuntergang in all seiner Pracht, während Killer sich wortlos zu ihm setzte. Ausnahmsweise hatte der Blonde die Maske, welche sonst sein ständiger Begleiter war, in der Kajüte gelassen, wusste er schon seit jeher, dass Kid dieses Teil verabscheute.
„Heat wird dich in Stücke reißen, wenn er dich hier erwischt. Er meinte, du solltest dich noch die nächsten Tage ausgiebig schonen.“
Es lag kein Vorwurf in der Stimme, er wies mit diesen Worten nur auf eine einfache Tatsache hin, und dennoch war sich Killer nur zu gut bewusst, dass Kid diesen Hinweis bei vielen Menschen nicht einfach so hingenommen hätte.
„Heat soll seiner Hacken nachgehen und schauen, dass nicht weitere Männer verrecken“, grummelte Kid, während er weiterhin das Farbenspiel im Auge behielt. Killer seufzte nur und setze sich ein wenig bequemer. Es war ihm klar, dass der Jüngere das knappe Davonkommen mit dem Leben vor über einer Woche immer noch nicht ausreichend überwunden hatte, waren ihre Verluste trotz des taktischen Rückzuges recht hoch gewesen. Es lag schon eine ganze Weile zurück, dass Killer ihren Schiffsarzt mit der Menge Blut auf der Arbeitsschürze gesehen hatte. Wenn er ehrlich war, nur an dem Tag, an dem sie den Kerl kennen gelernt hatten. Mitten in einem Lazarett, auf einer Insel, wo seit Jahren ein äußert brutaler Bürgerkrieg geherrscht hatte. Er konnte sich noch gut an die Hoffnung in den toten Augen erinnern, als Heat die Chance gewittert hatte, dem Irrsinn seiner Heimat zu entfliehen, und das ausgerechnet durch ein paar schräge Gestalten, die unabsichtlich zwischen die Fronten gestolpert waren. Dabei musste sich der Vize eingestehen, dass Kid es seit ihrem endgültigen Entschluss das One Piece zu finden, geschafft hatte, einen recht schrägen Haufen um sich zu scharen, und bei dieser Einschätzung nahm er sich nicht heraus.
Die roten Farben der Sonne verschwanden zunehmend und der dunkle Mantel der Nacht zog sich unaufhaltsam über das Meer. Ein leises Klicken ließ Killers Aufmerksamkeit vom Naturschauspiel zu seinem Freund wandern. Die mechanischen Finger des metallenen Arms, welcher seit ihrer letzten unliebsamen Begegnung den aus Fleisch und Blut seines Käpt’n ersetzte, bewegten sich hölzern und noch recht eckig. Schuldgefühle kamen in dem Blonden hoch, als ihm wieder bewusst wurde, dass er die Tragödie einfach nicht zu verhindern gewusst hatte. Er war einfach zu langsam und zu spät bei Kid gewesen. Später hatte Heat ihm mehr als klar gemacht, dass es alleine Fortuna zu verdanken war, dass sein cholerischer Freund noch unter ihnen wandelte, wenn auch ohne linken Arm.
„Weißt du, was mir in den letzten Tagen aufgefallen ist?“
Die raue Stimme des Jüngeren brachte Killer in die Realität zurück. Kommentarlos schüttelte er den Kopf, wissend, dass dies dem anderen als Zeichen genügte.
„Ist lange her, dass du mich Kleiner nanntest…“
Erstaunt betrachtete Killer den Rotschopf eine Weile, verstehend, dass dieser in den nächsten Augenblicken keine Antwort erwartete, solange er sich gewiss sein konnte, dass er sie irgendwann mal bekam. Es stimmte, er hatte Kid schon lange nicht mehr mit diesem Spitznamen aus Kindheit und Jugendzeit gerufen, aber es war ihm selbst nicht aufgefallen. Er könnte nicht einmal sagen, wann es das letzte Mal war, dass er ihn so genannt hatte. Früher, als dieses Schwerkaliber neben ihm nur ein rothaariger Bengel mit Zahnlücken und äußert frechen Manieren gewesen war, hatte er ihn nur ganz selten Kid gerufen.
Doch nun war dieser kleine Junge verschwunden. Kid hatte nicht mehr die dürre Statur von einst. Dort, wo noch vor vielen Jahren jede Rippe einzeln leicht zu ertasten gewesen war, befanden sich ausgeprägte Muskeln. Die schmalen Schultern hatten sich in die Breite gezogen, während die Arme und Beine zeitgleich mit der Brust muskulöser geworden waren. Die einst helle Stimme, mit der Kid ihm früher regelrecht in den Ohren gelegen hatte, war abgesunken und hatte nun einen dunkleren Unterton. Gleichzeitig hatte der Jüngere Killer mit dem letzten Wachstumsschub beinahe in Größe eingeholt, wodurch es ein Hohn gewesen wäre ihn nun mit Kleiner zu betiteln. Einzig seine roten Haare blieben so unzähmbar wie zuvor. Mit dem ersten ehrlich gemeinten Lächeln seit Tagen, löste Killer seinen Blick von Kid und blickte zu den Sternen, welche wie überdimensionale Glühwürmchen begonnen hatten am Nachthimmel zu leuchten.
„Bist auch nicht mehr klein.“