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Early Endings

von

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Probieren geht über Studieren!

Als ich mit Marianne bei den Gärtners ankam, war Mike schon weg, aber zum Glück hatte er ja den alten Knochen mit, den er dreist "Handy" nannte. Nicht, dass meins bedeutend besser gewesen wäre, immerhin hatten meine Eltern ähnlich wenig Geld wie Mikes und zum Telefonieren und SMS-Schreiben reichte so ein Uraltmodel ja.
 

Per SMS fragte ich Mike, wo er sich denn mit Tobi und dessen Jungs treffen wollte, da ich "meine Meinung geändert" hatte. Mike schien das erwartungsgemäß gut zu gefallen, denn seine Antwort lautete: "Jau finnd ich gud. wia sint bei dem wk3dänkmal aufm schobelplaz". Dass dieser Kerl die Schule schmiss, war echt zum Heulen... Es wunderte mich allerdings, dass die Gruppe sich so öffentlich traf. Das Denkmal, das an den dritten Weltkrieg erinnerte, war im Grunde das Zentrum der Stadtaufteilung in die Ganggebiete. Das Denkmal selbst waren im Grunde vier schlichte Betonklötze, die einen geviertelten Kreis darstellten, wenn man sie von oben sah. Wie bei einem Amphitheater waren die einzelnen Klötze so gestaltet, dass sie zur Mitte des Kreises ebenerdig waren und dann in breiten Stufen immer höher wurden. Dadurch war das Denkmal zu einem beliebten Treffpunkt geworden, da man sich bequem in kleineren und größeren Gruppen sammeln konnte.
 

An diesem Denkmal trafen die Grenzen von allen vier Stadtgangs zusammen, da der Schobelplatz direkt an den Fluss grenzte, der die South- und Eastside-Gang vom Norden der Stadt abschnitten und die Westside damals noch größer war. Von jedem Betonklotz, der eine der vier Weltkriegsmächte darstellte, ging eine Gangzone aus und um den Platz des Denkmals hatte sich eine Fußgängerzone mit verschiedenen Einkaufspassagen entwickelt. Dass die zwielichte Gruppe um Tobi sich an einem so geschäftigen Ort trafen, erschien mir mehr als merkwürdig, allerdings sagte mir eine innere Stimme, dass selbst diese Typen sich ihre Zeit vermutlich nicht nur mit Drogendeals vertrieben. Das war allerdings nach wie vor das erste, was mir beim Gedanken an die Gruppe durch den Kopf schoss.
 

Ich machte mich also auf den Weg und schrieb meiner Mutter, dass ich erst später kommen würde. Gegessen hatte ich glücklicherweise in der Schule, sodass ich nicht noch nach Hause oder mir unterwegs etwas holen musste. Bald erhob sich vor mir die düstere graue Wand aus Beton aus dem Boden, die mir früher noch viel höher erschienen war. Ich war lange nah dem Krieg geboren worden, aber die Auswirkungen hatte ich noch mitbekommen. Die Armut, die um sich gegriffen hatte, zerstörte Städte und natürlich die vernichtende Wirtschaftskrise, die den USA schließlich den finanziellen Todesstoß gegeben hatten und vor dem meine Eltern damals mit mir hierher geflohen waren. Ich verband mit dem Denkmal die Folgen, nicht den Krieg selbst, aber als einen angenehmen und vor allem angemessenen Treffpunkt hatte ich es nie gehalten.
 

Natürlich saßen die Jungs auf den Stufen des USA-Klotzes, als ich durch den schmalen Abstand zwischen den Klötzen trat. Warum natürlich? Von diesem Klotz aus erstreckte sich das Gebiet der Westside-Gang, der Tobi und die anderen seiner Freunde angehörten. Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis Mike ihr beitreten würde und so wie ich uns kannten, würden Marianne und ich natürlich mitziehen. Ich konnte mich genauso gut mit dem Gedanken anfreunden.
 

"Dannyyyyyy!", begrüßte Mike mich überschwänglich. Unsere Meinungsverschiedenheit vom Morgen schien er schon völlig vergessen zu haben und bei dem tiefenentspannten Grinsen auf seinem Gesicht musste ich nicht lange rätseln, woran das wohl liegen konnte... Sofort richteten sich alle anwesenden Augen auf mich und ich hob zögerlich die Hand. "Hey...", sagte ich bloß und versuchte, gleichzeitig absolut selbstverständlich und selbstsicher die Stufen zu ihnen hochzusteigen, um mich neben Mike zu setzen und dabei allerdings niemandem in die Augen zu sehen, in der Hoffnung, mich dadurch niemandem erklären zu müssen.
 

Funktionierte natürlich nur mäßig gut. "Wer bist'n du?", fragte ein Junge mit dunkelblauem Sidecut mich, sobald ich mich hingesetzt hatte. "Ähm, ich...", begann ich, doch Mike nahm sich der Sache bereits an. Man mochte ihn für einen Schwachkopf halten, aber er war ein Schwachkopf, auf den ich mich immer verlassen konnte. "Das' Danny, 'n guter Kumpel von mir.", stellte er mich vor und ich sah vorsichtig in die Runde. Tobi lehnte sich vor. "Ah, stimmt, ich hab' dich -glaub' ich- schon in der Schule gesehen. Auch 6B, oder?" Ich nickte.
 

"Bist nich' so gesprächig, was?", grinste Tobi und ich räusperte mich, unsicher, ob ich jetzt etwas sagen sollte oder lieber nicht. "Ich, also... Nein, eigentlich nicht.", sagte ich schließlich kleinlaut, als die anderen mich weiterhin anstarrten. Tobi lachte und beugte sich zu mir, um mir auf die Schulter zu klopfen, was mich nur noch mehr verwirrte. "Is' schon in Ordnung, mir sind die Leute eh lieber, wenn sie nicht so gesprächig sind." Das war heute das zweite Mal, dass ich das Gefühl hatte, bedroht zu werden. Die "Gespräche" mit Marianne jetzt mal ganz außen vor, versteht sich. Ich meinte diese unterschwellige Drohung, die manchmal ganz harmlosen, vielleicht sogar freundlichen Sätzen anhaftete. Erst als ich das realisierte, bemerkte ich Luke Burton, der mit seinem zufriedenen Grinsen hinter Tobi saß.
 

Mike schien die Drohung auch bemerkt zu haben -was mich ernsthaft überraschte-, doch er nahm sie wohl anders war als ich. "Aaaaaach, Danny's voll in Ordnung.", sagte er, streckte sich und drehte sich zu mir. "Stimmt doch?" Ich seufzte und unterdrückte den Drang, ihn zu schlagen. "Ja, ich..." Man, war das blöd... "...schätze, ich bin ... wohl voll in Ordnung." Wieder begann Tobi, laut zu lachen und ein paar der Jungs um ihn ließen sich anstecken. "Schon gut, wenn Mike sagt, dass das klar geht, glauben wir das mal.", grinste Tobi und Mike spiegelte dieses Grinsen stolz wieder.
 

Ich wusste gar nicht, dass Mike schon so sehr dazugehörte, dass er für einen Neuling bürgen konnte, aber vielleicht hatte ich auch einfach ein viel zu verschärftes Mafia-Bild von den Jungs. Ich war ja auch noch nie wirklich mit den Gangs in Berührung gekommen und mit Drogen auch nicht. Klar, ich wusste, was die Gangs bewirken sollten und hatte auch das Prinzip der Leader verstanden, die im Normalfall die Söhne und Töchter der Reichen und Mächtigen waren, aber die Gangmitglieder waren alle älter als Mike und ich damals. Tätowiert werden durfte man auch erst mit 15 und das war noch ein bisschen hin. Dass sich an diese Altersgrenze nicht jeder hielt, war mir natürlich trotzdem klar.

Jedenfalls hatte ich mir die Gangs wohl etwas zu klischeehaft vorgestellt. Heute kann ich über das Bild, das ich von ihnen hatte, nur den Kopf schütteln. Ist fast peinlich…
 

Luke war aufgestanden und hatte sich zu mir rüber gesetzt, einen Joint in der Hand und ich schluckte nervös, als er mir das Teil vor die Nase hielt. „Wanna try?“ Ich schob seine Hand  von mir und grinste halbherzig. „Nah, thanks.“, sagte ich noch und der dunkelblaue Sidecut gab ein mitleidiges „Aww“ von sich. „Ein kleiner Feigling, hm?“ Ich sah ihn an so fest ich konnte. „Nee, ich steh nur nicht auf sowas.“, sagte ich und Luke stieß mir mit dem Ellbogen freundschaftlich in die Seite. „C’mon, Danny-Boy!“, ermutigte er mich und die Augen der anderen richteten sich nun auch wieder alle auf mich.
 

„Hast du’s denn schonmal probiert?“, hakte der blöde Sidecut wieder nach. Kurz wich mein Blick zu Mike aus, aber von ihm war hier wohl keine Hilfe zu erwarten. „Äh, nein. Hab‘ ich nicht.“, gab ich schließlich zu und zwei Jungs lachten. Tobi grinste und Mike sah erwartungsvoll zu mir. „Dann wird’s wohl mal Zeit, was? Vielleicht gefällt’s dir ja!“, sagte ein braungebrannter Typ auf der obersten Stufe, den ich von irgendwoher kannte, obwohl ich mir sicher war, dass er nicht auf unsere Schule ging.

„Ich will wirklich nicht, okay?“ Ausgerechnet Mike fiel mir in den Rücken. „Jetz‘ mach schon. Is‘ doch wirklich nix dabei.“ Wir hatten nicht oft darüber geredet, aber wenn, dann war das immer sehr ähnlich abgelaufen: Da ist doch nichts dabei – Doch, ist es – Nein, ist es nicht – Doch, ist es wohl! Das sollte ich mir jetzt vielleicht schenken. Ich sah in lauter gespannte Gesichter und ich schloss für einen Moment die Augen, bevor ich seufzend nach dem Joint griff. „Na gut…“, murmelte ich. Luke grinste zufrieden und wenigstens wirkte auch der Sidecut für’s erste besänftigt.
 

Am liebsten hätte ich das verdammte Ding auf dem Boden zertreten oder in den Fluss geworfen, aber das konnte ich mir nicht erlauben. Das einzige, was ich jetzt noch tun konnte, war daraus keine große Nummer zu machen und so zu tun, als sei ich wirklich einverstanden. Ich sparte es mir, noch einmal durchzuatmen, zog an dem Joint und wartete ab. Der Geschmack breitete sich in meinem Mund aus und ich merkte, dass ich mich mit meinem vorgetäuschten Selbstbewusstsein ein wenig überschätzt hatte. Hustend stieß ich den beißenden Rauch aus und schnappte nach Luft, was wohl direkt den nächsten Lacher wert war. Luke war wenigstens so freundlich, mir den Joint –wie immer grinsend natürlich- wieder abzunehmen, bevor er wieder aufstand und sich zurück auf eine höhere Stufe neben Tobi setzte. Mike klopfte mir auf den Rücken, während ich hustete, doch ich winkte ab.
 

„Danke.“, ächzte ich krächzend und vertrieb den Rauch vor meiner Nase mit der Hand. „Whouw…“, machte ich, um die Situation zu überspielen und Sidecut nahm das natürlich wieder mal als Anstoß. War der zu jedem so oder lag es daran, dass ich neu war?! „Und?“, fragte er neugierig. „War gar nicht so schlimm, oder?“ Ich schüttelte den Kopf und räusperte mich ein paar Mal. „Ich sag‘ ja: Ist nicht mein Ding…“, grinste ich heiser. Allmählich ging’s wieder und dieses Mal hatte ich das Gefühl, die Lacher auf meiner Seite zu haben.
 

Der Rest des Nachmittags verlief dann zum Glück entspannter und ich musste auch nicht nochmal etwas probieren. Ich war trotzdem sehr froh, als ich schließlich mit Mike auf dem Rückweg war, ihn bei Marianne abliefern und dann nach Hause gehen konnte, wo meine Mutter schon mit dem wohlverdienten Abendessen auf mich wartete. Lasagne, mhhh!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Okay, ich rechne nicht wirklich mit einem Shitstorm (bei vier Favoriten, von denen ich von zeien weiß, dass sie es wohl nicht besser wissen als ich ^^°), aber trotzdem:
Ich kann mir nicht im Geringsten vorstellen, wie es ist, an einem Joint zu ziehen. Ich habe weder so ein Teil, noch eine Zigarette auch nur angefasst und meine kurze Recherche gab mir keine wirklich konkrete Vorstellung. Wenn man "Mein erster Zug an einem Joint" googelt bekommt man hauptsächlich geraten, die Finger davon zu lassen und das half mir nun nur so so semi weiter.
Wenn sich hier jemand mit Ahnung befindet, stellt euch einfach das entsprechende vor oder klärt mich auf. ich finde das interessant, aber nicht interessant genug, um diese Erfahrung selbst zu machen.

Achja außerdem: Wer die Omoshiro!-Anspielung findet, bekommt einen Cameo-Auftritt geschenkt xD Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nikkz
2015-01-20T15:14:44+00:00 20.01.2015 16:14
Ich find zwar nicht die Omoshiro! Anspielung und hab auch noch nie einen Joint geraucht, aber:
Ich find das Kapitel wie immer sehr gut. Me gusta mucho, chico ♥ Bitte mehr. Ich will endlich, dass Andy auftaucht ;-;
Antwort von:  Shinosuke
20.01.2015 16:35
XD Geduld, junger Padawan. Ist nur noch eine Frage von wenigen Kapiteln xD Spätestens im 6. taucht er auf. Allerspätestens.
Und wie immer danke xD


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