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Der leere Hof meines Herzens

von

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1. Advent: Der Fund

Der Fund
 

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Kaum wurden diese Worte ausgesprochen, sahen sich die beiden Frischvermählten verliebt in die Augen und unter dem Jubel und dem Applaus aller Hochzeitsgäste küssten sie sich.

Die Kirche war erfüllt mit Glück und Liebe.

Einzig der Priester, der diese Worte soeben ausgesprochen hatte, empfand nicht so. Mit gleichgültigem Gesichtsausdruck sah er zu, wie das Brautpaar durch die Bankreihen nach draußen schritt, hinein in ihr neues, gemeinsames Leben.

Er musste an seine eigene Hochzeit zurückdenken. Damals hatte er gehofft, eine Ehe zu führen, würde etwas Normalität in sein sonst so chaotisches Leben bringen, dass sonst nur von Tod und Einsamkeit bestimmt war. Und das es ihn glücklich machen würde. Letztendlich hatte er sich nur seinen Irrtum eingestehen müssen. Claudia hatte ihn zwar geliebt, er sie aber nicht. Das zu erkennen, war sehr bitter gewesen.

Als sie dann nach langer Krankheit verstarb, erschrak er darüber, wie wenig ihn das kümmerte. Liebe und Familienleben hatten ihm nicht das erhoffte Glück gebracht. Vielleicht gab es für ihn einfach kein Glück? Keine Erlösung? Er musste sich wohl damit abfinden, dass er einsam und innerlich tot war.

Der Priester warf einen Blick in seine nun leere Kirche und stieß einen tiefen Seufzer aus. Was für einen Dreck die Hochzeitsgäste doch hinterlassen hatten. Jetzt war es wohl an ihm, hier aufzuräumen.

Er wollte sich gerade an die Arbeit machen, als eine hämische Stimme ihn davon abhielt.

„Was soll der Seufzer? Du klingst ja, wie ein alter Mann.“

Neben ihn, auf einer der Kirchenbänke, materialisierte sich in goldenem Licht ein junger, blonder Mann. Ein Bein über das andere geschlagen und die Arme über die Rücklehne gehängt, grinste er den Priester breit an. „Kirei… ich dachte eigentlich, dass eine Hochzeit ein fröhlicher Anlass wäre, aber wenn man dir ins Gesicht sieht… könnte man meinen, man wäre zu Gast auf einer Beerdigung. Obwohl du ja immer so ein Gesicht machst.“

Kirei ignorierte die boshafte Bemerkung und machte sich ungerührt ans Aufräumen.

Der blonde Mann sah ihm eine Weile zu, dann sah er hinauf zum Altar und betätigte sich weiter als Alleinunterhalter. „Ich muss zugeben, dass ich eure heutige Auffassung von der Ehe nicht verstehen kann. Eine Frau für ein ganzes Leben.“

„Die Männer von heute sind nun einmal der Auffassung, dass sie nur die Frau heiraten sollten, die sie lieben, Gilgamesh“, antwortete Kirei beiläufig.

Gilgamesh schnaubte verächtlich. „Ihr verbindet tatsächlich heiraten mit Liebe?“

„Du sagst das, als hättest du nie aus Liebe geheiratet.“

„Hab ich auch nicht.“

„Dann hast du deine Frau aus politischen Gründen geheiratet?“

Gilgamesh hob überrascht eine Augenbraue. „Ich war doch nie verheiratet. Ich hatte Frauen, die mir zu Diensten waren, aber eine Ehefrau hatte ich nie.“

Kirei nickte verstehend. Offenbar stimmte die Legende über den Heldenkönig von Babylon nicht in jedem Detail. Als er die Bilder über Gilgamesh in einem Buch sah, hätte er nie erwartet, dass es sich bei dem König von Uruk um einen blonden Schönling gehandelt hatte.

Der Priester räumte den restlichen Müll weg und antwortete dabei mal mehr, mal weniger auf Gilgamesh’s Äußerungen über die Ehe.

Nachdem er alles in Müllsäcke gestopft hatte, warf er sie sich über die Schulter und ging zur Tür. „Ich entsorge das hier und kaufe dann was zum Abendessen ein. Bin bald zurück“, sagte er und wollte gehen, als Gilgamesh neben ihm auftauchte.

„Willst du mich hier etwa allein lassen?“, murrte der Blonde.

Kirei musterte den Geist schweigend. Er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es nichts brachte, mit ihm zu diskutieren. Also ging er zur Tür hinaus, wissend, dass sein zweiter Schatten ihm folgte.
 

Auf dem Weg zur Müllsammelstelle schnatterte Gilgamesh unaufhörlich weiter. Kirei lief schweigend vorweg, sich darüber wundernd, wie dieser König die ganze Zeit weiterreden konnte, obwohl er keine Antwort erhielt. Offenbar liebte er es, sich selbst reden zu hören.

„Was kochst du heute eigentlich?“, fragte Gilgamesh schließlich.

Kirei warf die Müllsäcke zu den anderen und zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Warum fragst du überhaupt? Du isst es ja doch nicht.“

„Wie wäre es denn, wenn du mal was Richtiges kochst, statt immer dieses Fertigzeugs… Was ist los?“

Kirei stand wie versteinert da und sah recht verwundert aus.

„Ich bin nicht sicher…“, murmelte der Priester und beugte sich wieder zu den Müllsäcken hinunter. Vorsichtig schob er ein paar von ihnen zur Seite und dann sah er es diesmal deutlich: zwischen den Müllsäcken lag, eingewickelt in eine weiße Decke, ein kleines Baby! Kirei klappte der Mund auf. Er hatte sich tatsächlich nicht geirrt.

Sofort hob er das kleine Bündelchen vorsichtig hoch und drückte es an sich. Das arme, kleine Ding war ganz kalt.

„Lebt es noch?“, fragte Gilgamesh ebenso überrascht.

Kirei fühlte den Puls. „Ja, es lebt noch. Aber es ist ganz kalt.“ Sofort wickelte der Brünette das Baby halb aus und legte ihm eine Hand auf den Bauch. Ein grünes Licht strömte aus seiner Handfläche und nach einigen Sekunden regte sich das Kleine und schrie laut. Kirei seufzte erleichtert. „Zum Glück, die Heilmagie hat gewirkt. Das Baby hatte hier offenbar nicht allzu lange gelegen, sonst hätten wir es ins Krankenhaus bringen müssen. Trotzdem muss es dringend ins Warme. Hier.“ Er drückte das Baby dem Blonden in die Arme.

Der war reichlich verwirrt. „Was soll ich denn damit?!!“

„Bring es zurück in die Kirche! Da ziehst du ihm die Sachen aus und wickelst es in eine warme Decke ein. Setz dich dann vor den Kamin, damit es sich wärmen kann.“

Gilgamesh verzog wütend das Gesicht. „Du wagst es, mir Befehle zu erteilen?“

Kirei seufzte. „Um Himmels Willen! Jetzt ist wirklich nicht die Zeit dafür! Dieses Baby braucht jetzt wirklich Hilfe, also bitte mach das jetzt und ich koche dir dafür was Richtiges, okay?“

Gilgamesh musterte sein Gegenüber. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, sah er aufrichtige Sorge im Gesicht dieses Mannes. „Na gut, dieses eine Mal werde ich gnädig sein… Und was machst du?“

„Ich hole Babynahrung und Windeln. Für das Baby“, erwiderte Kirei und lief davon.

Gilgamesh runzelte die Stirn. Was für ein Tag! Jetzt musste er auch noch Babysitter spielen.

Seufzend kehrte er zur Kirche zurück, um die Anweisungen zu befolgen.
 

Einige Zeit später kehrte Kirei ebenfalls in die Kirche zurück, mit Windeln, Babymilch und Essen im Gepäck.

Er wurde bereits von einem genervten Gilgamesh erwartet. „Da bist du ja endlich!“, polterte er und hielt ihm das krähende Baby hin. „Ich habe getan, was du wolltest, aber es hört immer noch nicht auf, zu schreien! Mir platzt fast der Kopf! Stell das sofort ab!“

Der Priester stellte die Einkaufstüten ab und nahm das Baby in den Arm. Sanft wiegte er es hin und her und brachte es zur Überraschung des Heldenkönigs mit Leichtigkeit zur Ruhe.

„Siehst du? So einfach ist das. Und jetzt machen wir erst einmal ein leckeres Essen für dich“, sagte Kirei sanft.

„Das wird auch Zeit“, moserte Gilgamesh, schnappte sich die Tüten und ging in Richtung Küche. „Ich bin schon am Verhungern!“

Kirei hob eine Augenbraue. „Ich habe eigentlich mit dem Baby geredet.“

Wütend wirbelte Gilgamesh herum. „Soll das etwa heißen, dass ich getan habe, was du wolltest und bekomme dafür nicht einmal was zu Essen?!“, zischte er zornig.

„Natürlich bekommst du was“, beruhigte Kirei ihn. „Aber erst mache ich dem Baby etwas zu Essen. Wer weiß, wann es zuletzt gefüttert wurde?“

Gilgamesh verzog das Gesicht. „Ich wurde auch schon eine Weile nicht mehr gefüttert“, moserte er und trug die Tüten in die Küche.

„Daran bist du ja wohl selbst schuld“, gab Kirei kühl zurück.

„Wie kannst du es wagen?! Denk lieber daran, was du versprochen hast: heute bekomme ich etwas Richtiges zu Essen, klar?!“
 

Nachdem er das Baby – und Gilgamesh – gefüttert hatte, wechselte er dem Baby, das sich als Junge entpuppte, die Windeln und wickelte es in eine warme Decke. Nun lag es auf der Couch und schlief selig.

Kirei kniete neben der Couch und beobachtete es.

Gilgamesh beobachtete ihn eine Weile dabei, dann stieß er sich von der Wand, an der er gelehnt hatte, ab und sagte: „Wir sollten auch langsam mal schlafen gehen. Es ist schon spät.“

Kirei antwortete nicht, was den König ziemlich verärgerte. „Kirei! Hörst du?!“

Genervt legte der Priester einen Finger auf den Mund. „Sscht! Nicht so laut!“, flüsterte er. „Du weckst das Baby noch auf! Du kannst dich ja schlafen legen, wenn du so müde bist. Ich bleibe noch eine Weile hier.“

Zu Gilgamesh’s Verwunderung ignorierte Kirei ihn wieder und widmete sich dem kleinen Bündelchen. Unschlüssig stand der Blonde im Raum und wusste nicht recht, was er tun sollte.

„Keine Sorge, mir geht es gut“, fügte Kirei schließlich hinzu.

Der König seufzte und ging allein ins Schlafzimmer.

Der Priester faltete die Hände ineinander und stützte sein Kinn darauf, während er das Baby weiter beobachtete, wie es friedlich schlief. Ein sanftes Lächeln stahl sich auf sein sonst so ausdrucksloses Gesicht. „Mir geht es gut…“
 

~ to be continued ~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  kawaii_kamy
2018-02-13T19:06:57+00:00 13.02.2018 20:06
Um ehrlich zu sein glaube ich nicht das Kirei so sanft und Menschlich wäre. Aber so ist es natürlich sehr süß und nett zu lesen. Ich finde es ja generell schön was zu Gil und Kirei zu finden. ^^ mal sehen wie sich das noch entwickelt.
Von:  Rajani
2014-11-30T20:17:55+00:00 30.11.2014 21:17
Oooooooooooh :D auch wenn ich die Serie nicht kenne, das ist jetzt schon Zucker! Bin mal gespannt, was es mit dem Baby auf sich hat, wenn Gilgamesh da so misstrauisch sein soll.

Gefällt mir sehr :)


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