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Von meiner wahren Liebe

Fortsetzung zu 'Von unserer Scherbenwelt'
von

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Von einer neuen Stadt, neuen Aufgaben, Sternbildern und von einem Mann voller potentieller Gemeinheiten

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1. Kapitel

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"Zu den Hauptaufgaben einer Lektorin bzw. eines Lektors gehört das Lesen, Prüfen und Redigieren von Manuskripten und die Pflege von Autoren- und Illustratorenkontakten. Neben der reinen Lesetätigkeit werden zunehmend Managementkompetenzen wie das Autorenmanagement und das Projektmanagement Teil des Berufbildes. Eigene Beiträge werden im Lektorat in der Regel nicht verfasst. Machen Sie sich das klar. Sie sind keine Autoren. Sie korrigieren deren Werke. Und es wird mehr von Ihnen verlangt als früher. Sie lesen nicht nur und kraulen sich danach den Bauch."
 

Ich lehnte mich zurück und unterdrückte ein Gähnen. Ich saß erst zehn Minuten in diesem Raum und schon war mir langweilig. Was der Dozent da vorne erzählte, war mir nicht neu.

Gestern war ich hierhergekommen, nach Morioka, einer Kleinstadt im Norden Honshus. Für eine Fortbildung zum Lektor hatte ich Sapporo verlassen. Mein Chef hielt offenbar doch etwas von mir. Überraschend hatte er mir diese Fortbildung angeboten. Die Kosten übernahm der Verlag. Wenn ich das Seminar erfolgreich hinter mich gebracht hatte, standen meine Aufstiegschancen im Verlag verdammt gut. Ich würde mehr Geld verdienen und meine Arbeitszeit würde sich nicht mal großartig verlängern. Das war der Wahnsinn. Endlich mal was Gutes. Dafür musste ich aber zwei Wochen in Morioka verbringen. Ich war in einem Hotel untergebracht, das äußerst angenehm war. Vier Sterne, großzügig ausgestattet, Schwimmbad, Wellness-Bereich, Restaurant, Bar, Souvenir Shops. Die Zimmer waren groß, das Bett auch. Durch eine große Fensterfront konnte man auf die Kleinstadt blicken. Es roch angenehm, war sauber. Alles perfekt. Ich war sehr zufrieden. Ich konnte mich abends entspannen, wenn ich aus dem Ausbildungszentrum zurückkam.
 

Mir war es schwer gefallen, meine Katze Amaya in Sapporo zurück zu lassen, aber ich hatte jemanden gefunden, der sich um sie und meine Wohnung kümmerte: ein Kollege, der selbst einmal eine Katze gehabt hatte, hatte sich bereit erklärt, in meine Wohnung zu ziehen und die Kleine zu versorgen und mit ihr zu spielen. Ich hatte einen Aushang am schwarzen Brett gemacht und nach nur einer Woche hatte er mich angerufen. Ich kannte ihn ein wenig, hatte ab und an mal kurz mit ihm gesprochen. Er war mir nicht unsympathisch. Und ich hatte nicht viel Zeit gehabt, und auch keine Auswahl, also hatte ich ihn mit der Arbeit betraut. Ich hatte ihn bezahlen wollen für die Zeit, aber er hatte abgelehnt. Das war das einzige, das mich etwas stutzig machte. Die Sache war eigentlich zu gut. Aber er hatte gesagt, dass es für ihn schon Belohnung genug wäre, für ein paar Tage Zeit mit einer Katze verbringen zu können. In seiner eigenen Wohnung waren Haustiere nicht erlaubt und er hatte kein Geld für einen Umzug. Ich hatte ihm das mal geglaubt. Er hatte mir auch versprochen, mich auf dem Laufenden zu halten, wie es der Katze ging und ob sie beide zurechtkamen. Noch wartete ich auf so eine Nachricht.
 

Ich hörte, wie die Tür des Raums aufging. Plötzlich stand jemand neben mir. Verwirrt blinzelte ich denjenigen an. Er war blond und hatte schokoladige, warme Augen, die mich bittend ansahen. "Bitte sagen Sie mir, dass der Platz neben Ihnen hier noch frei ist und ich mich setzen kann."

Verblüfft nickte ich. "Uhm...ja...."

"Danke!" Rasch setzte er sich und packte etwas zu schreiben aus. Da war wohl einer zu spät. Er sah mich lächelnd an. "Mein Name ist Satsuki."

"...Zero", murmelte ich und sah wieder geradeaus. Er hatte ein schönes Lächeln. Es munterte mich gleich auf und ich war nicht mehr kurz vorm Einschlafen.

"Hab ich etwas Wichtiges verpasst?", erkundigte er sich leise, woraufhin ich den Kopf schüttelte.

"Nein, nein. Nur bla bla...was uns als Lektor erwartet. Ich hoffe, Sie haben die Stellenbeschreibung gelesen."

Er grinste. "Ja, habe ich. Sonst wäre ich nicht hier." Er widmete seine Aufmerksamkeit dem Dozenten und auch ich versuchte, wieder zuzuhören.

Für ein paar Minuten hatte ich die Befürchtung, dass er eine Labertasche war und ich vom Seminar gar nichts mehr mitbekommen würde, aber er war erstaunlich ruhig.
 

Die nächsten 90 Minuten hörte ich gar nichts von ihm, bis wir Pause hatten. Da fragte er mich, ob wir unten im Café des Zentrums gemeinsam etwas trinken wollten. Einen Tee oder einen Kaffee.

Ich nickte. "Kaffee ist eine gute Idee."

Satsuki grinste leicht. "Ja, sonst schläft man bei der monotonen Stimme noch ein."

Ich winkte ab. "Das stimmt, doch zum Glück haben wir ja je nach Thema einen anderen Dozenten. Ich glaube, dieser hier ist nur für heute da und dann nochmal am letzten Tag, um Organisatorisches zu klären."

"Oh, Gott sei Dank." Wir gingen die Treppen hinab und betraten das kleine, gemütliche Kaffee, das im Erdgeschoss des Ausbildungszentrums aufgemacht hatte. Dort gönnte ich mir einen Cappuccino, Satsuki bestellte sich den Kaffee schwarz.

"Ist es so schlimm?", erkundigte ich mich schmunzelnd, woraufhin er leise seufzte und mich dann anlächelte.

"Oh ja, leider schon. Was glauben Sie, warum ich zu spät gekommen bin?"

"Eine lange Nacht gehabt?"

"Das kann man so sagen. Ich bin aus Tokyo hergekommen und es gab Probleme auf der Strecke... Sonst ist ja nie was, aber ausgerechnet wenn ich einmal reise... Der Zug hatte also Verspätung und ich bin erst weit nach Mitternacht hier angekommen. Es hat gedauert, bis ich mal ein Taxi fand...ich hab nicht viel schlafen können diese Nacht."

Neugierig sah ich ihn an. "Ich verstehe. Und Sie sind also aus Tokyo, ja? Wohnen Sie da? Ich habe da auch mal gelebt", erzählte ich ihm, woraufhin er mich anlächelte.
 

"Die Welt ist eben klein. Ich bin dort aufgewachsen und lebe praktisch schon mein ganzes Leben dort. Geboren wurde ich in der Präfektur Miyagi. Aber ich erinnere mich kaum noch an die Zeit, die ich dort verbracht habe."

Ich machte große Augen. "Wow...da bin ich auch geboren. Aber auch aufgewachsen. Fürs Studium zog ich nach Tokyo."

Satsuki lachte. "Zufälle gibt es."

Wir bekamen unsere Getränke und unterhielten uns über Miyagi und Tokyo. Es war schön, Erinnerungen und Eindrücke austauschen zu können. Satsuki wurde mir sympathisch.

"Ich hab noch Lust auf ein Stück Kuchen", murmelte er irgendwann und blickte auf die Uhr. "Wann geht es nochmal weiter?"

"Uhm..." Ich starrte auch auf die Uhr und zuckte dann mit den Schultern. "Keine Ahnung, das hab ich...vergessen. Eine halbe Stunde hatten wir vielleicht ausgemacht?"

"Oder eine Stunde." Er grinste unbekümmert. Die Zeit sagte, dass wir hier schon 25 Minuten saßen. "Wollen Sie auch ein Stück Kuchen?"

Ich wusste es nicht so genau, und unter Umständen drängte die Zeit, aber Satsuki sah so sorglos drein, dass ich schließlich zusagte. "Ja, warum nicht."

Ich wählte den Erdbeerkuchen, er einen Apfelkuchen und wir ließen uns nochmals Kaffee bringen. Jetzt wirkte es eher, als wären wir zur Entspannung hier und nicht für ein Seminar...
 

Nach einer Dreiviertelstunde Pause gingen wir schnellen Schrittes zurück in den Seminarraum - alle anderen Teilnehmer waren bereits zurück. Wir kamen zu spät. Geduckt und ganz klein gingen wir zu unserem Platz und setzten uns leise. Der Dozent warf uns einen eindeutigen Blick zu, sagte aber nichts. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. "Wie viel wir wohl verpasst haben?", sagte ich leise an Satsuki gewandt, welcher mich beruhigend anlächelte. "Keine Sorge, das kriegen wir raus." Er beugte sich einfach zur Seite, überbrückte den halben Meter zum anderen Tisch und sprach mit der Frau, die dort saß. Offenbar machte er ihr schöne Augen, denn sie lächelte ganz entzückt und gab ihm ihren Block. Diesen legte er in die Mitte unseres Tisches. "Schnell abschreiben!", riet er mir und ich tat es sofort. Innerlich grinste ich breit. Ich mochte diesen Typen. Ich hatte jetzt schon den Eindruck, dass es für ihn keine Probleme ohne Lösung gab. Das fühlte sich gut an. Und er war hilfsbereit.
 

Gemeinsam verbrachten wir den ersten Seminartag samt Pausen, die noch eingelegt wurden - da kamen wir dann aber nicht zu spät. Weil wir jedes Mal unten Kaffee trinken gingen, mussten wir auch dementsprechend oft auf die Toilette - aber immer nur einer, damit der Andere aufpassen und mitschreiben konnte. Ein bisschen fühlte ich mich ja wie in der Schule. Oder wieder in der Uni.
 

Nach diesem Tag stand für mich fest, dass es harte zwei Wochen werden würden. Viel Stoff in wenig Zeit, und es gab zahlreiche Übungen, die wir durchführen mussten. Ich wagte noch nicht zu hoffen, dass ich die Tage immer mit Satsuki zusammen verbringen würde. Vielleicht hätte er nach drei Tagen schon die Nase voll von mir. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass man Interesse an mir verlor. Ich erhoffte mir nicht allzu viel. Aber wenigstens war dieser erste Tag am Ausbildungszentrum wunderbar gewesen.

Abends nach dem Unterricht standen wir im Halbdunkeln im Foyer des Zentrums. "Dann sehen wir uns morgen wieder", sagte Satsuki lächelnd. "Ich werd jetzt ins Hotel und mich ausschlafen."

"Das ist wohl die beste Idee."

"Ich sag dir, sonst bin ich nicht so! Ich bin keine Spaßbremse!", versicherte er mir leicht schmunzelnd. "Nur heute will ich ausnahmsweise mal früher ins Bett. Morgen können wir ja nach dem Unterricht noch was unternehmen. Zur Entspannung." Er grinste fröhlich und ich nickte nur. Ich wollte nicht wirklich allein sein, also was sprach gegen seine Gesellschaft? Ich würde sie genießen, solange ich sie hatte. „In welchem Hotel bist du eigentlich?"

"Im City Hotel vor dem Bahnhof", antwortete ich und er bekam große Augen.

"Ich bin da auch untergebracht." Er grinste. "Wollen wir zusammen gehen?"

"Äh, ja...klar", antwortete ich nach ein paar Sekunden und wir setzten uns in Bewegung.

Er kramte in seiner Hosentasche. "Pass auf, und jetzt liegen unsere Zimmer noch genau nebeneinander." Er hielt seinen Schlüssel mit der Nummernplaquette hoch.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, tut mir leid. Ich bin ein Stockwerk höher."

"Höher?", wiederholter er begeistert, während er den Schlüssel wieder zurück steckte. "Dann musst du einen noch besseren Ausblick haben als ich."

"Auf jeden Fall ist er atemberaubend", erwiderte ich lächelnd. "Morioka ist zwar eine Kleinstadt, aber genau das macht den Charme aus. Es ist anders als in Tokyo...Dort blinkt alles und es ist so hell, dass man die Sterne kaum sehen kann..."

Satsuki nickte zustimmend. "Ja, bei auch nur halbwegs gutem Wetter kann man hier die Sterne funkeln sehen, den Mond hell leuchten...und tagsüber kann man so unglaublich weit schauen..."

"Auf dem Land ist die Smogbelastung eben deutlich geringer", meinte ich lachend, weswegen er schmunzelte.

"Ja, das genieße ich zur Abwechslung mal."
 

Wir verfielen in Schweigen. Es waren vielleicht noch zehn Minuten Fußweg bis zum Hotel. Ich hätte gern ein bisschen mehr über ihn erfahren, aber jetzt mit Hobbygesprächen anzufangen, kam mir auch merkwürdig vor. Es sollte sich alles auf zufällige und natürliche Weise ergeben. Das Schweigen, das sich nun ausbreitete, war die Art, die ich nicht mochte.

Ich kramte meine Packung Zigaretten hervor und zog mir eine heraus. Fragend sah ich Satsuki an. "Rauchst du? Möchtest du auch eine?"

Ein bisschen lange starrte er auf die Packung, dann zuckte er mit den Schultern und nickte. "Ja, warum nicht." Er nahm sich eine Kippe raus. "Ich bin eher Gelegenheitsraucher." Er warf mir einen Blick zu. "Hast du ein Problem damit?"

Ich zuckte zusammen und sah ihn entgeistert an. "Bitte was?" Hatte ich was getan?

"Na ja, viele Raucher sind ja der Meinung, dass es keine Gelegenheitsraucher gibt."

Ich hob nachdenklich die Schultern. "Na ja, entweder man rührt Zigaretten an oder eben nicht."

Er schnaubte. "Es ist nur eine Präzisierung mit der ich deutlich mache, nicht jeden Tag zu rauchen..."

Ich lächelte ihn schief an. "Okay. Das ist deine Sache. Mir ist es ja egal. Ich wollte einfach nur wissen, ob ich dir eine Kippe abgeben kann."

Er erwiderte mein Lächeln leicht und nahm das Feuerzeug entgegen, das ich ihm hinhielt.

So waren wir den restlichen Weg über mit rauchen beschäftigt. Im Fahrstuhl verabschiedeten wir uns schließlich und ich suchte mein Zimmer auf. Ich war todmüde.
 

Am späten Nachmittag des nächsten Tages saß ich zusammen mit Satsuki in der Caféteria und bearbeitete die erste "Hausaufgabe", die uns gegeben wurde.

"Das ist doch blöd. Eine total blöde Aufgabe", murrte ich und blätterte auf die nächste Seite, während Satsuki lachte.

"Freu dich doch einfach, dass es so schnell geht", meinte er und lächelte mich an. "Wir sind hier in zehn Minuten durch."

Ich seufzte. "Aber dann bringt das Ganze doch nichts. Warum müssen wir diesen Stümpertext denn bearbeiten? Da ist jedes zweite Wort falsch und überall fehlt das Komma. Ich brauch schon nicht mehr hingucken und kann das blind korrigieren."

Schmunzelnd schüttelte er den Kopf. "Ich denke, sie lassen es ruhig angehen. Außerdem hat der Dozent doch gesagt, dass es mit jeder Aufgabe schwieriger wird. Irgendwann fallen dir die Fehler bestimmt nicht mehr auf, weil sie so gut versteckt sind", mutmaßte er und schlug den dünnen Reader zu, welcher aus mangelhaft verfassten Texten bestand.
 

Still arbeitete auch ich zu Ende, setzte noch ein paar Striche, dann war auch ich fertig. Kurz sah ich raus. "Es wird dunkel..."

Satsuki warf ebenfalls einen Blick hinaus und nickte leicht. "Na komm, lass uns gehen. Was hältst du davon, wenn wir uns hier noch ein wenig umschauen?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Meinetwegen." Meine Tasche war nicht sonderlich schwer und dann noch etwas zu spazieren, war schon in Ordnung. Hier in Morioka war es zum Glück auch etwas wärmer als in Sapporo.

Ich mochte es nicht sonderlich, in der Kälte umher zu wandern, aber hier war es in Ordnung. Zwar immer noch kälter als in Tokyo, aber eine Verbesserung allemal. Damit musste ich mich zufrieden geben.

Wie aufs Stichwort meldete sich Satsuki zu dem Thema. "Ist das kalt hier..", murmelte er, nachdem wir hinaus gegangen waren. "Ich hätte mir eine noch dickere Jacke einpacken sollen... Hier ist es ja wie Winter."

Ich musste schmunzeln. "Es ist aber nicht Winter. Es sind 15 Grad, das ist mild."

"Man merkt, dass du in Sapporo lebst." Er grinste mich an.

"Na ja...optimal finde ich es hier auch nicht", gab ich zu und sah die Straße hinab.

"Ich bin froh, wenn ich zurück in Tokyo bin."

Ich sah ihn schief lächelnd an. "Das kann ich verstehen. Ich würde auch lieber wieder dort leben." Seufzend sah ich kurz nach oben in den Himmel. "Eigentlich war es mal mein Wunsch, auf Okinawa zu leben..."

Satsuki machte große Augen. "Oh, da ist es ja das ganze Jahr über warm. Und im Sommer unglaublich heiß."

Unbekümmert zuckte ich die Schultern. "Ach, da gibt's Schatten unter Palmen...und zum Abkühlen das Meer und den Strand. Das wäre super." Ich war schon wieder kurz vorm Tagträumen.

"Du bist also ein Salamander?", erkundigte er sich schmunzelnd, woraufhin ich vage nickte.

"So in der Art. Mir ist die Hitze lieber als Kälte. Und auf Okinawa gibt es viele unglaublich schöne Orte."

"Du klingst, als wärst du schon einmal da gewesen."

Ich nickte. "Ja, ein paar Mal mit einem Freund. Wir haben da Urlaub gemacht."

"Ich beneide dich", gab Satsuki zu und lächelte mich leicht an. "Da möchte ich auch einmal hin. Aber ganz billig ist es nicht."

Ich nickte. "Das ist wahr... Ich hab auch nur Glück gehabt, dass ich mir das leisten konnte..."

Er sah mich an. "Und jetzt? Machst du da keinen Urlaub mehr?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich war schon lange nicht mehr da. Einerseits liegt es nun am Geld...aber ich müsste auch alleine hin. Und der Gedanke ist noch nichts für mich."

"Du bist nicht gern allein?", erkundigte er sich, woraufhin ich nur die Schultern hob. So ganz wollte ich mit ihm noch nicht darüber reden.

"Ich bin etwas schwierig. Da kann ich dir keine klare Antwort geben", erwiderte ich nur und lächelte ihn schief an.

"Du kannst wahrscheinlich schon, aber du willst nicht." Ich hob eine Augenbraue. Was er sagte, war eine Feststellung, keine Frage. "Das ist ja in Ordnung, wir kennen uns erst seit gestern. Da erzählt man sich nicht gleich seine Lebensgeschichte." Unbekümmert zuckte er mit den Schultern und warf mir ein Lächeln zu, dann blieb er stehen. Nach nur einem Tag gaben wir zwar noch nicht unsere Geheimnisse preis, aber wir duzten uns schon mal. Den Fortschritt hatten wir schnell und spontan gemacht, als wir gemeinsam frühstücken gegangen waren, bevor das Seminar angefangen hatte.

Ich nickte nur und sah ihn fragend an, da er ja stehen geblieben war. "Schau mal den Tempel da an." Er deutete nach Westen.

Ich hob den Blick. Da war eine nicht enden wollende Treppe aus Steinstufen, gesäumt von Bäumen. Sie führte hoch hinauf und erst als ich den Kopf fast schon im Nacken hatte, entdeckte ich den Tempel von dem Satsuki sprach. "Wahnsinn...da die Stufen hochzulaufen muss lange dauern", meinte ich.

"Hmm... Aber da oben ist es stockfinster. Keine Laternen. Man kann von dort bestimmt wunderbar die Sterne sehen." Er grinste mich an und ging auf den Tempel zu. "Kommst du?"

Ich machte große Augen. "Du willst da jetzt hoch?! Bis wir da oben sind, geht die Sonne schon wieder auf.", wandte ich etwas übertrieben ein.

"Na dann sollten wir uns beeilen. Los!" Satsuki überquerte die Straße und lief zu der Treppe.

Ich sah ihm kurz hinterher, dann seufzte ich und setzte mich ebenfalls in Bewegung. Ich hatte nur eine vage Ahnung, wo wir waren und würde mich ohne Satsuki bestimmt verlaufen. Außerdem war der Abend noch jung und ich mochte nicht allein sein. Da ging ich ihm besser hinterher. Ich hatte die Hoffnung, dass er nach den ersten zwanzig Stufen sowieso die Lust verlieren würde.
 

Langsam ging ich ihm hinterher. Er war um einiges motivierter und schneller als ich. Selbst nach fünfzig Stufen verlor er nicht die Lust. Und ich war vollkommen aus der Puste. "Satsuki~...! Komm zurück!", rief ich ihm zu und blieb stehen. Ich hatte aufgehört, die Steinstufen zu zählen.

Er drehte sich zu mir um und winkte mich zu sich. "Es ist nicht mehr weit! Streng dich mal ein bisschen an, du bist doch noch jung. Vielleicht solltest du weniger rauchen!" Er streckte mir zu Zunge raus und lief weiter, während ich empört die Wangen aufplusterte.

"Na warte..", murmelte ich und rannte los, nahm drei Stufen auf einmal. Ich war vorsichtig, denn ich wollte nicht stolpern, ausrutschen, und diese ganzen hundert Stufen oder wie viel ich auch geschafft hatte, wieder hinunter purzeln. Das würde mir sicher nicht besonders gut tun.
 

Völlig am Ende und schnaufend nahm ich nach fünf Minuten die letzte Stufe. Satsuki hatte ich in der Zwischenzeit aus den Augen verloren. Er war viel schneller gewesen als ich und hatte einen guten Vorsprung gehabt. Kurz sah ich mich um. Ich war viel zu sehr aus der Puste, als dass ich nach ihm rufen konnte. Hier oben brannte tatsächlich keine Laterne. Es war recht dunkel. Ich stützte mich mit den Händen auf den Knien ab und kam erstmal wieder zu Atem, dann machte ich erstmal einen Schritt vorwärts. "Satsuki...?"

"Hier bin ich!", kam es von rechts, weswegen ich langsam darauf zusteuerte. Ich sah seine Hand hinter einem niedrigen Busch hervor winken. Er hatte sich bereits auf den Boden gelegt.

"Ist das nicht kalt..?", murmelte ich etwas besorgt, doch er zuckte mit den Schultern.

"Ein wenig schon, aber so ist es gemütlicher, als ständig den Kopf im Nacken zu haben", erwiderte er und klopfte neben sich. "Setz dich und schau dir mal den Nachthimmel an!" Er klang vollkommen begeistert.

Skeptisch musterte ich den Boden, was sowieso nichts brachte, da ich kaum etwas sah, dann setzte ich mich neben Satsuki, legte mich aber nicht hin, und schaute hinauf.

Es war wunderschön. Schwarzer Nachthimmel, leuchtende Sterne überall. Den Mond entdeckte ich auch nach kurzem Suchen. "Siehst du diese Sterne hier?" Satsuki hatte die Hand gehoben und zeichnete ein Bild in die Luft. "Das ist der kleine Wagen."

"Du kennst dich mit Sternbildern aus?", wollte ich erstaunt wissen, woraufhin er lächelnd eine Schulter hob.

"Ein bisschen schon..."

"Ich habe da nie durchgesehen", gab ich zu. "Welche erkennst du hier denn noch?"

Er summte nachdenklich und sah wieder hoch, schien kurz zu überlegen, dann deutete er mit der Hand auf den kleinen Bären. Er erklärte mir noch fünf weitere.

"Dass du dir das merken kannst…", murmelte ich fasziniert, während ich versuchte, die genannten Sternbilder wiederzufinden.

"Ich finde das einfach interessant. Da merkt es sich leichter. Und viele Sternbilder sind es auch nicht. Ich kannte mal zehn, aber bei einigen bin ich mir nicht mehr so sicher...", erzählte er leicht lächelnd.

"Da hab ich heute wieder was dazu gelernt", meinte ich schmunzelnd und senkte den Blick um ihn anzuschauen. Er hatte sich schon längst aufgesetzt.

"Ich informier mich mal über andere, wenn wir zurück im Hotel sind. Dann zeig ich dir demnächst noch welche."

"Okay, aber wir kommen wieder hierher, wenn es nicht mehr so kalt ist..", murmelte ich. "Wollen wir jetzt lieber gehen? Ich friere mir den Hintern ab."

Er nickte amüsiert und stand auf. "Gut, wenn es 15 statt 13 Grad sind, kommen wir wieder." Ich lachte nur. "Dann los, runter die Stufen zum Aufwärmen. Es ist wirklich kalt geworden..."

Hastig stand ich auf und suchte die Treppe auf, Satsuki folgte mir dicht. Tatsächlich wurde mir wieder ein wenig wärmer, sobald ich die erste Hälfte der Stufen genommen hatte. "Wie weit mag es von hier zum Hotel sein?", fragte ich den Blonden, der kurz nachdenklich inne hielt.

"Vielleicht fünf Minuten. Ist nicht mehr weit", antwortete er und warf mir ein beruhigendes Lächeln zu. Ob er ahnte, dass ich mit meiner Energie nun wirklich am Ende war?

"Ich denke, ich werde mir noch eine Kleinigkeit aus dem Konbini holen", murmelte ich, doch Satsuki schüttelte den Kopf und sah mich begeistert an, was mich doch etwas verwirrte.

"Nein, ich habe eine bessere Idee!"

"....ja?"

"Zimmerservice!", strahlte er mich an. "Wir machen uns erst einen Tee, nehmen eine heiße Dusche, rufen beim Zimmerservice an und lassen uns was Feines bringen."

"Aber...wo kriegen wir den Tee her?"

"Ich hab welchen dabei. Und auf dem Zimmer ist doch ein Wasserkocher. Komm mit zu mir", schlug er mir vor.

Ich musste nur kurz darüber nachdenken, um mir bewusst zu werden, dass ich die Idee irgendwie gut fand. Ich war zwar müde, aber der Gedanke an heiße Tees und Duschen, und an warmes Essen vom Hotelrestaurant zubereitet, da ging mir das Herz auf. "In Ordnung", stimmte ich zu und ging beschwingt ein bisschen schneller.
 

Satsukis Zimmer sah ein wenig chaotisch aus. Er musste etwa die Hälfte seines Kofferinhaltes darin verteilt haben.

"Entschuldige die Unordnung..", sagte er verlegen lächelnd und räume notdürftig ein wenig zusammen. "Du kannst gern schon duschen gehen."

"Oh..ich hab doch meine Schlafsachen nicht dabei.."

"Hier hängen doch immer Bademäntel. Nimm dir einen."

Ich zuckte mit den Schultern und verschwand ins Bad, um eine heiße Dusche zu nehmen, während Satsuki aufräumte und Grünen Tee für uns kochte. Als ich zurückkam, eingekuschelt in den Bademantel, war mir schon wärmer.

"Oh, hier sieht es aber aufgeräumt aus", bemerkte ich und lächelte Satsuki an. "Erinnert ja fast an ein Fünf-Sterne-Hotel."

"Nicht wahr?" Grinsend stand er vom Bett auf und deutete auf die Teetassen, die er auf den kleinen Tisch in der Ecke gestellt hatte. "Hab sie vor fünf Minuten eingegossen. Es sollte also langsam genießbar sein. Check doch schon mal das Angebot vom Zimmerservice." Er drückte mir eine Faltkarte in die Hand und betrat das Bad.

Ich setzte mich auf das Bett und las mir das Angebot durch. Recht schnell hatte ich mich entschieden, nahm mir dann eine der Teetassen und nahm einen Schluck. Genießend schloss ich die Augen. Wärme durchflutete mein Inneres. Wunderbar. Ich fühlte mich fast rundum wohl, nur etwas im Magen fehlte noch.
 

Zu meinem Glück war Satsuki recht schnell fertig, zehn Minuten später verließ er das Bad schon wieder. Sobald auch er etwas zu essen gefunden hatte, rief er beim Zimmerservice an. "Wir lassen es uns heute richtig gut gehen, was?", wandte er sich mir grinsend zu, sobald er aufgelegt hatte.

Ich nickte und lächelte schief. "Ich frage mich, ob es nicht etwas zu früh dafür ist. Das Seminar läuft noch nicht lange..."

"Man muss sich mal was gönnen! Wir schaffen es bestimmt, wir belohnen uns also schon mal etwas früher... Das ist Motivation."

"Ah ja? Wäre es nicht eher welche, wenn wir uns das hier für den vorletzten Tag vorgenommen hätten?", hakte ich schmunzelnd nach, doch er schüttelte den Kopf.

"Das ist ja noch ewig hin! Bis dahin hab ich aufgegeben. Bis dahin hat mich die monotone Stimme des Dozenten schon ins ewige Traumland befördert...", meinte er, weswegen ich leise lachte.

"Ja, die ist wirklich ein Problem...ich dachte, wir bekommen endlich mal den anderen."

"Morgen vielleicht", hoffte er, während ich mich gähnend auf dem Bett ausstreckte. Ich war vollkommen fertig.

"Ich glaube, ich schlafe ein, bevor das Essen kommt", murmelte ich, woraufhin er mich angrinste.

"Kein Problem. Ich kann dich wecken. Oder ich esse deins mit..."

Ich schnaubte. "So viel schaffst du gar nicht zu essen", war ich mir sicher.

"Das werden wir ja sehen. Oder du bleibst eben wach."

Seufzend setzte ich mich wieder auf. Er hatte wohl Recht, ich musste wach bleiben.

Während ich mir über die Augen rieb, wühlte Satsuki in seiner Tasche herum und holte seinen Ordner hervor, weswegen ich leise aufstöhnte. "Du willst doch jetzt nicht die Hausaufgaben machen?"

"Ich werfe nur mal einen Blick drauf. Ich hab das vorhin nur überflogen", versuchte er mich zu beruhigen. Seufzend beugte ich mich zu ihm und schaute mir das auch noch mal an, diesmal genauer.

"Was, schon wieder so eine Korrekturaufgabe?" Ich verdrehte die Augen. Wenn das so weiterging, würde ich nach der ersten Woche bereits genervt sein.

"Ja, aber die ist schon etwas anspruchsvoller. Statt Grundschulniveau befinden wir uns jetzt schon in der Mittelstufe", meinte er lachend. "Wir bekommen sicher noch andere Aufgaben. Du hast ja gehört, was Lektoren alles machen mittlerweile. Ich freue mich auf das Projektmanagement."

Ich summte nur unverbindlich. Ein wenig Organisationstalent hatte ich schon, aber so ganz konnte ich mir noch nichts darunter vorstellen. Vielleicht würde mich das doch leicht überfordern...
 

Unvermittelt klopfte es an der Tür, woraufhin Satsuki die Unterlage beiseite feuerte und aufsprang. Er musste auch ganz schön Hunger haben. Wir bekamen alles auf einem großen Tablett gereicht. Das konnten wir sogar auf dem Bett aufstellen. "Super...Abendessen im Bett. Fast besser als Frühstück im Bett", fand Satsuki und gluckste.

Ich zog mir meine Gyoza und meine heiße Schüssel Udon-Nudeln mit Tofu und Seetang heran, dann machte ich mich fröhlich darüber her. Ich hatte so Hunger, dass es sich anfühlte, als würde sich mein Magen bereits selbst verspeisen. Für den morgigen Tag würde ich mir mehr zu essen kaufen müssen, damit ich nicht schon während des Seminars verhungerte. Jeden Tag nur Kuchen unten in der Caféteria zu essen, war erstens nicht gesund und zweitens auf Dauer teuer.

"Darf ich mal von deinen Nudeln probieren?", erkundigte sich Satsuki nach einigen Minuten des Schweigens, in welchem wir leise vor uns hin geschmatzt hatten.

Überrascht sah ich auf. "Mh...ja, ok." Ich schob ihm meine Schüssel zu und er bediente sich. "Lecker.. Deine Gyoza sehen auch gut aus."

Ich lachte. "Wenn du mir davon auch was weg essen willst, dann geht aber die ganze Rechnung auf dich! Ich zahl dir keinen Yen nachher."

Er zuckte mit den Schultern. "Okay, einverstanden." Mit großen Augen sah ich zu, wie er sich eines meiner restlichen drei Gyoza nahm und es aufaß. Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich nichts für das Essen bezahlen müsste, war das in Ordnung. Ich schaffte sowieso nicht alles von dem, was ich bestellt hatte.

"Mh~ köstlich." Entzückt sah Satsuki mich an. "Die machen das hier echt gut. Weißt du, was ich vergessen habe? Einen Nachtisch. Das wäre der perfekte Abschluss."

Innerlich verdrehte ich die Augen. "Du hättest mir vorher sagen sollen, dass du so ein Schnorrer bist." Ich hatte mir nämlich auch Tiramisu bringen lassen. „Meinetwegen kannst du ein wenig was abhaben. Du nimmst ja die Rechnung auf dich."

Er lächelte schief. "Das tue ich wirklich. Aber wenn du es allein essen willst, ist das ok. Ich versteh das."

"Nein, ich teile gern. Aber dann lass mich mal was von deinem Tonkatsu abhaben!"

Er nickte und nahm mit seinen Stäbchen ein Stück Fleisch, welches er dann vor mich hielt. Leicht hob ich eine Augenbraue. Er wollte mich echt füttern? Satsuki grinste unbekümmert und hielt weiterhin die Stäbchen vor meinen Mund, ohne sich von meinem Zögern stören zu lassen. Ich seufzte nur lautlos und öffnete den Mund, um das Fleisch entgegen zu nehmen. Die Teriyaki-Soße darauf schmeckte schon toll, das Fleisch selbst war zart gebraten. "Wahnsinn...die könnten eine Restaurant-Kette aufmachen."

Satsuki gluckste. "Nicht wahr?"
 

Guter Dinge aßen wir den Rest auf und teilten uns das Tiramisu. Vollgefuttert streckte ich mich auf dem Bett aus, nachdem Satsuki das fast leere Tablett mit dem schmutzigen Geschirr auf den Boden gestellt hatte. Wohlig seufzend streichelte ich mir die kleine Murmel, die unter dem Bademantel entstanden war.

"Das war gut...", raunte der Blonde und machte es sich neben mir gemütlich.

"Genau das Richtige..." Ich gähnte. "Ich schlaf gleich ein... Ich gehe besser in mein Zimmer, putze mir rasch die Zähne und dann werde ich wie ein Stein schlafen.... Ich hoffe, ich wache rechtzeitig auf."

"Du kannst gern hier bleiben und dich im Zweifelsfall von mir wecken lassen", warf er ein und hatte sich wieder aufgerichtet.

"Ach ja?" Fragend sah ich ihn an und er lächelte.

"Komm mal mit." Er winkte mich hinter sich her und betrat das Bad. Widerwillig stand ich auch auf und folgte ihm. Er kramte gerade in seinem Kulturbeutel rum. „Hier, ich hab noch eine neue Zahnbürste dabei. Eigentlich wollte ich meine jetzige in ein paar Tagen austauschen.. Nimm sie, ich kauf mir demnächst eine neue", sagte er zwinkernd und hielt mir die grüne, neue Zahnbürste hin.

Zögerlich nahm ich sie. "Ich soll wirklich hier schlafen?"

"Das Bett ist groß genug, oder nicht?" Er zuckte mit den Schultern. "Oder möchtest du lieber in einem eigenen Bett schlafen?"

Das wusste ich selbst nicht so genau. "Hmm....der Gedanke daran, jetzt noch mal in meine Klamotten zu schlüpfen und hoch in mein Zimmer zu rennen..ist abtörnend. Ich will schlafen", entschied ich und nahm die Zahnpasta entgegen, die Satsuki mir hinhielt. Im Schnelldurchgang putzte ich mir die Zähne und zog den Bademantel aus, um ihn aufzuhängen. Dann warf ich mich in Shorts und Shirt schon ins Bett und kuschelte mich unter die Bettdecke.

"Hoffentlich klaue ich sie dir nachts nicht", meinte Satsuki, als er sich neben mich legte. "Wenn das passieren sollte, dann zerr dir deinen Zipfel wieder zurück, ok? Ich bin da schmerzfrei."

"Ok...", erwiderte ich nur und starrte ins Dunkel, da er das Licht ausgemacht hatte.
 

Ging ich hier ein bisschen zu weit? Hätte ich lieber nicht hier bleiben sollen? Ein bisschen komisch fühlte ich mich schon. Ich wusste nicht einmal warum. Kurz blickte ich in Satsukis Richtung. Er hatte mir den Rücken zugekehrt. Ich drehte mich auch auf die Seite. "Gute Nacht..."

"Gute Nacht", erwiderte er leise. "Schlaf gut. Ich hoffe, dich trete dich nicht aus Versehen..."

"Sag mal! Hättest du mir deine potentiellen Gemeinheiten nicht mitteilen können, bevor ich mich entschieden hab, hier zu schlafen?", wollte ich empört wissen, weswegen er lachen musste.

"Dann wärst du ja nicht hier geblieben." Ich hielt inne. "Es wird schon nichts passieren", versuchte er mich zu beruhigen und raschelte kurz mit der Bettdecke.

Von Klammeraffen, verzogenen Trullas und einem Geständnis in einer Salatbar

In Morioka...
 

Auch wenn Satsuki mir noch nicht allzu bekannt war, schlief ich erstaunlich gut neben ihm. Kein einziges Mal wachte ich auf; erst eine Melodie ließ mich blinzelnd zu mir kommen. Da klingelte wohl Satsukis Handywecker.

Am liebsten hätte ich mich noch mal für zehn Minuten unter der Bettdecke eingemummelt, aber da bewegte sich plötzlich etwas unter meinen Fingern. Erschrocken sah ich auf und zuckte zusammen. Mit dem Kopf lag ich auf Satsukis Schulter und meine Hand ruhte auf seiner Brust. Schnell rückte ich beiseite und drehte mich auf den Rücken. Gähnend öffnete der Blonde die Augen. Ob er was mitbekommen hatte...?
 

"Du hast deine Kuscheltiere zu Hause vergessen, was?", erkundigte er sich verschlafen und lehnte sich beiseite, um den Wecker auszuschalten.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend sah ich ihn an. "Hmm...? Was..?"

Er grinste mich an und rieb sich über das rechte Auge. "Du hast die Nacht über angefangen zu klammern..."

"Tut mir leid. Das mache ich eigentlich nicht", erwiderte ich und konnte nicht verhindern, ein wenig rot zu werden. Bei Karyu hatte ich, wenn wir mal im gleichen Bett gelegen hatten, durchaus geklammert. Aber da ich ihn nicht mehr sah, hatte ich auch niemanden mehr in meinem Bett gehabt. Vielleicht war ich im Schlaf an Satsuki gerückt, weil es noch in mir drin war...

"Schon gut", sagte Satsuki nur und stand gähnend auf, streckte sich. "Es ist viel zu früh am Morgen... Ich geh schon mal ins Bad, ja?"

Ich nickte und setzte mich auf. "Gut, ich bin dann oben in meinem Zimmer. Treffen wir uns in zwanzig Minuten in der Lobby?"

"Ja, so machen wir das." Er warf mir ein Lächeln zu und suchte das Badezimmer auf.
 

Auf dem Weg zum Zentrum warf ich Satsuki einen Blick zu. Der etwas zu lang war für meinen Geschmack, wenn ich so darüber nachdachte.

Satsuki war hübsch anzusehen, das musste ich zugeben. Hätte er als Fremder neben mir in der Bahn gestanden, hätte ich ihn unauffällig länger betrachtet und mir gewünscht, ihn kennen zu lernen. Natürlich hätte ich ihn nicht angesprochen, denn was sagte man zu einem fremden Typen, der allein irgendwo rumstand? Für den man sich nur interessierte, weil er erstmal gut aussah?

Aber wenn ich so darüber nachdachte, dann hatte ich Satsuki ja schon etwas kennen gelernt. Ich nagte abwesend an meiner Unterlippe. Aber was bedeutete das schon? Die Lücke, die Karyu hinterlassen hatte, würde er selbst dann nicht füllen können, wenn er sich für Männer interessieren sollte. Außerdem fragte ich mich, ob ich nicht ein schlechtes Gewissen haben würde wegen Karyu. Zwar war ich von ihm getrennt, aber ich hatte ja angedeutet, auf ihn zu warten. Wir könnten durchaus noch eine Chance haben...

"Hab ich was im Gesicht?"

Abrupt wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, da Satsuki mich fragend ansah. "Uhm...ja, ein schwarzer Fussel. Hier." Ich deutete an seine Wange.

"Oh..." Er wischte sich über die Haut, die natürlich makellos und vor allem fusselfrei war.

Ich lächelte nur schief, während er sich bedankte, und schwieg lieber. Es war sicher nur eine dumme Schwärmerei von kurzer Dauer, schließlich hatte ich am ersten Tag noch nicht so über ihn gedacht. Vielleicht fühlte ich mich nur so allein und sehnte mich nach jemand Nettem, dass ich gleich zu viel in meine Gefühle hinein interpretierte.

Ich war ganz schön schwach geworden. Bevor ich Karyu kennen gelernt hatte, war es mir besser gegangen. Mit dem Alleinsein war ich klar gekommen und ich hatte nicht jedem hübschen Kerl hinterher gelechzt. Ich musste mich zusammennehmen. Für die elf Tage, die noch vor uns lagen, wollte ich Satsuki gern an meiner Seite behalten. Zu zweit lernte es sich definitiv besser. Er durfte nicht bemerken, was für komische Gedanken ich hatte.
 

Gerade rechtzeitig zum Beginn des Seminars kamen wir im Raum an und setzten uns nebeneinander. Gleich in der ersten Pause kam die Frau zu uns, die am ersten Tag von Satsuki gebeten worden war, ihm ihre Notizen zu geben. Offenbar hatte er Eindruck bei ihr hinterlassen, und das konnte ich ihr nicht einmal verübeln. Sein Lächeln war hinreißend - und er lächelte oft.

Während die beiden sich unterhielten, beobachtete ich ihn nachdenklich dabei. Seine Augen wirkten erstaunlich groß. Der dunkle, schokoladige Ton ließ sie warm aussehen. Ich hielt ein Seufzen zurück und senkte den Blick. Ich starrte ihn etwas auffällig an. Die Tante, die bestimmt um die sechs Jahre jünger war, hatte sich mittlerweile auf sein Pult gesetzt und schien nach irgendwelchen Gründen zu suchen, um ihm ins gelockte Haar zu fassen. Wenn das jetzt in jeder Pause so laufen würde, würde ich durchdrehen. Am Ende landeten die beiden im Bett und fingen eine heiße Affäre an - ich würde darüber völlig uninteressant werden... Satsuki schien nämlich auf sie und ihre Flirtversuche anzuspringen.
 

In der nächsten Pause stand ich auf und packte zusammen - so wie immer, Satsuki tat es mir gleich. Ich sah zu ihm. "Soll ich meinen Platz für deine neue Flamme räumen? Dann könnt ihr zusammen sitzen. Sie schaut schon in deine Richtung..", murmelte ich, woraufhin auch er kurz zu ihr blickte.

Als er mich wieder ansah, rückte er näher und verdrehte die Augen. "Räum nicht deinen Platz für sie, sondern hilf mir lieber, sie loszuwerden!" Aus großen Augen sah ich ihn an und wollte schon nachfragen, aber er zog mich rasch aus dem Raum. "Wir sollten fliehen, bevor sie mich noch einmal anspricht..."

Ich runzelte die Stirn und hastete mit ihm die Treppen hinunter. Erst in der Lobby blieb er stehen. "Aber reden wäre vielleicht die beste Lösung... Was hast du denn? Ich dachte, du magst sie", sagte ich verwirrt.

"Ja ja, ich mag alle Frauen und respektiere sie, aber zu nahe kommen müssen sie mir nicht." Fragend hob ich die Augenbrauen, woraufhin er mich verwundert ansah. "Ja hast du der denn nicht zugehört? Sie wohnt bei ihren Eltern und lässt sich von denen aushalten! Ganz unverschämt gibt sie zu, dass dieses Seminar nur Quatsch ist und sie sich das von ihren Eltern hat aufhalsen lassen, damit - und ich zitiere - 'diese alten Spießer endlich Ruhe geben'... Sehr respektvoll..." Er schüttelte seufzend den Kopf, während ich ihn ein wenig geschockt betrachtete. "Also wenn du mich fragst, ist sie nicht besonders helle..."

Ich nickte nur und spürte doch ein wenig Erleichterung. Erleichterung darüber, dass er sich offensichtlich nicht weiter für sie interessierte und ich erstmal nicht abgeschrieben war. Ich seufzte und duckte mich instinktiv, als ich oben an der Treppe die Trulla entdeckte. "Komm, lass uns lieber raus", sagte ich leise und zog ihn ein Stück mit mir in Richtung Ausgang.

"Steht sie hinter uns?"

"Quasi, ja...", murmelte ich und ließ ihn los, sobald wir an der frischen Luft waren.
 

"Was machen wir jetzt?"

"Na was essen gehen", antwortete er lächelnd. "Ich hab da hinten eine Salatbar gesehen, danach wäre mir jetzt!"

"Aber das ist doch kein richtiges Mittagessen...", wandte ich ein.

"Die verkaufen da ja auch noch andere Sachen...was Warmes..."

"Ach, was denn?" Mir war das neu.

"Das sehen wir dann schon. Wir schauen uns das erstmal an, gut? Ich glaube, drei Straßen weiter war die.." Er lächelte mich so herzlich an, dass ich nachgab.

"Na schön..." Brav trabte ich ihm hinterher.
 

Tatsächlich stellte sich die Salatbar als ein guter Geheimtipp heraus. Neben dem Salat, den man sich selbst zusammenstellen konnte, konnte man noch Dinge wie Reis, Gyoza und Yakitori-Spieße dazu nehmen, um dem Ganzen eine warme Note zu geben.

Ich knabberte an einem Fleischspieß und blickte Satsuki dabei unschuldig an. "Du scheinst ja einen Faible für Frauen zu haben", meinte ich beiläufig.

"Ach ja?

"Du magst sie alle und respektierst sie?", wiederholte ich schief grinsend, woraufhin er die Augenbrauen in die Höhe zog.

"Ja, richtig, das sagte ich. Aber 'zu nahe kommen müssen sie mir nicht'", wiederholte er sich.

"Oh, richtig...das klingt wiederum, als hättest du Angst vor ihnen...", meinte ich leicht grinsend, woraufhin er lachte.

"Das war offenbar nicht ganz treffend ausgedrückt", lenkte er ein. "Ich hab keine Angst vor ihnen. Ich wollte eher damit ausdrücken, dass ich mit ihrer direkten Nähe nichts anfangen kann. Du kannst mir eine Frau auf den Bauch binden, da passiert nichts. Höchstens, wenn es die letzte auf Erden wäre. Aber dann müsste sie hübsch sein. Und wie ein Kerl angezogen...", meinte er und blickte sinnierend ins Leere.

Meine Augen waren indessen immer größer geworden. Ich wollte etwas sagen, aber mir fiel nichts Passendes ein. Er stand also auf Männer?!

Da ich nichts antwortete, sah er mich fragend an. "Was...? Magst du mich jetzt nicht mehr? Bin ich jetzt weniger wert?" Gelangweilten Blickes lehnte er sich zurück, während ich die Augen aufriss. Er schien häufiger schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, so deutete ich jedenfalls seine abgeklärte Reaktion.

"Oh, nein nein. Nein, das ist kein Problem für mich", erwiderte ich und versuchte mich an einem Lächeln.

"Ah ja?"

"Ja...alles ok", versicherte ich ihm und nagte an meiner Unterlippe. Das war eigentlich der Moment, in dem ich ihm erzählten sollte, dass ich wie er war. Das würde auch meine Chancen bei ihm erhöhen, aber ich hielt die Klappe. Da war ja dieser kleine Zwiespalt in mir wegen Karyu. Wenn ich Satsuki nichts sagte, würde auch nichts passieren können. Irgendwie hatte ich das Gefühl, Karyu zu betrügen, auch wenn ich gar nicht mehr wirklich mit ihm zusammen war. Es war eher eine Beziehungspause statt ein Ende.
 

Für ein paar lange Sekunden aßen wir schweigend, dann blickte ich auf. "Und, wie sieht es mit einem Freund aus? Hast du jemanden in Tokyo zurück gelassen, der jetzt zwei Wochen ohne dich auskommen muss?", erkundigte ich mich erneut beiläufig wirkend.

Satsuki warf mir einen prüfenden Blick zu, als überlege er, ob ich damit etwas bezweckte. Tat ich das nicht sogar irgendwie? Insgeheim wollte ich herausfinden, ob ich Chancen bei ihm hätte. Nur so rein hypothetisch zur Beruhigung meines Gewissens natürlich. "Es gibt jemanden, an dem ich interessiert bin, aber es ist äußerst kompliziert und schwierig. Wir sind nicht zusammen. Das werden wir wahrscheinlich nie sein. Das Leben ist eben kein Wunschkonzert."

Mitfühlend sah ich ihn an. "Oh...aber du hättest gern eine Beziehung mit ihm?"

Er nickte. "Ja, ich denke schon... Er ist zwar ein komplizierter Charakter, aber wenn man ihn näher kennt, weiß man seine Macken zu schätzen und merkt, wie wunderbar er ist. Aber er kann nicht über seinen Schatten springen und sich auf mich einlassen. Wir misstrauen einander auch viel", murmelte er und runzelte leicht die Stirn, bevor er abwinkte. "Lassen wir das."

Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Ich war neugierig und hätte gerne mehr darüber gehört, aber ihm schien klar zu werden, dass wir uns für solche Geschichten noch zu wenig kannten. Ich lächelte nur schief. "Okay...", murmelte ich unbeholfen und widmete mich wieder meinem Salat, den ich aufaß. Die Pause näherte sich eh ihrem Ende und wir mussten uns langsam beeilen, damit wir nicht zu spät kamen.
 

"Wie sieht es bei dir aus, wenn ich fragen darf?" Er schob seinen leeren Salatteller von sich und sah mich unverfänglich an, während ich den Kopf senkte.

Vage zuckte ich mit einer Schulter. "Ist auch kompliziert. Momentan bin ich alleine...hab mich frisch getrennt, aber vielleicht wird noch mal was draus", erzählte ich knapp, woraufhin Satsuki gnädigerweise nur nickte und nicht weiter nachfragte. Nicht, ob es sich um Männlein oder Weiblein handelte. Es war ja nun eigentlich sowieso egal, ich würde weder ihn noch mich selbst mit meinem Outing ihm gegenüber in Bedrängnis bringen. Aber ich hatte das Gefühl, der Zug war erstmal abgefahren. Der beste Zeitpunkt wäre wohl gewesen, in dem er angedeutet hatte, schwul zu sein. 'Ach du auch?' hätte ich da einwerfen können und alles wäre geklärt gewesen. Vielleicht würde er mich dann mit anderen Augen sehen und darüber nachdenken, ob er nicht auch an mir interessiert sein könnte, wie ich an ihm.

Allerdings verunsicherte es mich, dass er einen Schwarm in Tokyo hatte - dann war er sicher nicht so frei. Wenn ich es genau nahm, war meine Situation doch aber ähnlich. Ich hing Karyu noch nach und konnte - und WOLLTE - ihn nicht vergessen. Wie konnte ich dann daran denken, etwas mit Satsuki anzufangen? Ich verstand das nicht so ganz, aber ich folgte hier einfach meinem niederen Instinkt und nicht dem Verstand. Diese zwei Wochen würden schnell vorbei sein - und kein anderer würde je von dem erfahren, was hier passierte.
 

"Zero?"

"Hm?" Fragend sah ich auf. Ich war ganz in Gedanken versunken gewesen und hatte nicht bemerkt, dass Satsuki mit mir redete.

"Zahlen wir dann? Wir müssen zurück."

Ich nickte nur und zückte mein Portemonnaie. Auf dem Rückweg zum Zentrum warf ich ihm einen langen Seitenblick zu. "Machen wir die Hausaufgaben nachher wieder zusammen?"

"Das können wir gerne machen. Ich bin gespannt, ob es wieder eine Korrekturaufgabe ist..." Schief lächelnd sah er mich an. "Auch wenn die Texte langsam schwierig zu beurteilen sind, wird es langweilig."

Ich musste lachen. "Wenn du es jetzt schon langweilig findest, machst du die falsche Weiterbildung", meinte ich und schon fiel mir etwas ein, was ich gar nicht erfragt hatte. "Was machst du eigentlich genau beruflich? Du arbeitest auch in einem Verlag wie ich?"

Zögerlich hob er eine Schulter. "Na ja...ich würde gerne. Damit ich genommen werde, muss ich diese Weiterbildung machen. Sie haben keinen anderen Platz frei. Derzeit arbeite ich noch als Fotograf, aber ich verdiene nicht besonders gut." Er lächelte mich schief an. "Ist nicht ganz mein Talent, fürchte ich."

Erstaunt blickte ich ihn an. Satsuki war Fotograf? "Ehrlich? ...ich würde gern mal was von dir sehen." Ich lächelte verlegen. "Ich habe nicht so viel Ahnung von Fotografie, aber genau deswegen bin ich schnell zu begeistern schätze ich", meinte ich zwinkernd, weswegen er schmunzelte.

"Du kannst also gute von schlechten Fotografien nicht unterscheiden? Und das soll mir schmeicheln?", fragte er amüsiert nach.

Ich musste lachen und kratzte mich am Kopf. "Mh...was auch immer. Ich würde ein paar deiner Fotos gern sehen...wenn du welche dabei hast."

Satsuki nickte. "Auf meinem Laptop sind die neuesten drauf...", murmelte er und lächelte mich an.
 

Mittlerweile hatten wir das Zentrum erreicht und gingen wieder hinein. Sofort schlug uns die Wärme des Gebäudes entgegen. "Du bist also schon im Verlag angestellt?", erkundigte er sich und warf mir einen Blick zu, woraufhin ich nickte.

"Ja, seit über einem Jahr...hauptsächlich übersetze ich englische Literatur", erzählte ich schulterzuckend. Es war nichts Besonderes, daher war ich ja froh, die Weiterbildung machen zu können.

Satsuki jedoch pfiff anerkennend. "Übersetzen? Englisch ins Japanische?" Ich nickte nur. "Das muss schwer sein. Ich könnte das nicht. Ich bin schon froh, drei Wörter auf Englisch wechseln zu können."

Ich lachte. "Ich hab an der Uni Englische Literatur studiert...nebenbei Englisch- und Übersetzungskurse...von daher ist mein Job kein Problem für mich, ich hab es ja gelernt."

"Du scheinst nicht besonders stolz auf dich zu sein", stellte er prüfenden Blickes fest. "Aber ich finde, das solltest du sein! Wirst du wenigstens gut bezahlt?"

"Ich kann nicht klagen", nickte ich, woraufhin er lächelte und die Tür zum Seminarraum öffnete. Schnell setzten wir uns, da der Dozent bereits anwesend war und sich schon räusperte, um mit dem Unterricht fortfahren zu können.
 

Alles verlief ruhig in den restlichen Stunden des Seminars und ich konnte mich auf den Unterricht konzentrieren, ohne gedanklich irgendwie mit Satsuki beschäftigt zu sein. Ausgerechnet in den letzten Minuten sollte sich das aber ändern. Die Tante, die ständig versuchte, ihn anzuflirten, warf ihm irgendwas zu. Ich sah es nur aus dem Augenwinkel auf mich zufliegen, Satsuki versuchte es zu fangen, aber es schien auf meine Seite und weiter zu fliegen, denn er beugte sich unvermittelt zu mir rüber. "Entschuldige, dürfte ich mal..", murmelte er und schon schob er sich in mein Gesichtsfeld, lehnte sich weit rüber und plötzlich senkte er den Kopf. Ich lief rot an.

"Auf meinem Schoß ist es nicht gelandet", sagte ich leise, während sein Kopf sich weiter senkte. Nicht mehr viel, und sein Kinn würde meinen Schritt kennen lernen. Aber Satsuki streckte sich noch etwas , machte sich länger und schien zu finden, was er suchte. Der Duft seines Parfüms stieg mir in die Nase. Es roch angenehm, erinnerte mich fast sogar ein bisschen an Karyus, wenn ich ehrlich war. Meine Lider senkten sich etwas, während ich noch einmal konzentriert einatmete. Erst ein leiser Schmerzensschrei riss mich aus meinen Träumerein - Satsuki hatte sich beim Aufrichten den Hinterkopf an der Tischkante gestoßen. "Alles ok?", erkundigte ich mich zeitgleich mit dem Dozenten, der plötzlich neben uns stand.

"Ja, alles gut, Entschuldigung", murmelte Satsuki verlegen in Richtung des Dozents, der sich kritischen Blickes wieder abwandte. Kurz rieb er sich den Kopf, dann legte er ein geknülltes Zettelchen auf den Tisch. Seine Verehrerin warf also mit Zetteln um sich...waren wir hier noch in der Grundschule? Satsuki bemerkte meinen skeptischen Blick und zuckte schief lächelnd die Schultern, las dann, was auf dem Papier stand und sah zu der Frau, die ihn neugierig musterte - er zuckte nur mit den Schultern, woraufhin sie enttäuscht aussah. Worum auch immer es ging, ich war zufrieden mit der Reaktion. Satsuki legte das Zettelchen achtlos beiseite. Er hatte wohl wirklich kein Interesse an ihr, aber warum hätte er mich auch belügen sollen?

Die Minuten verstrichen, sein Geruch blieb mir aber in der Nase. Warum musste er so gut und verführerisch riechen? Innerlich seufzte ich. Um meine Aufmerksamkeit war es geschehen...

Von unkeuschen Träumen, von Karyu, der aufs Gemüt schlägt, und einem unkommentierten Kuss

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3. Kapitel

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Ein wohliges Seufzen verließ meine Kehle, warme Hände strichen über meine nackte Haut. Die Finger wanderten über meine Brust, strichen wie zufällig über meine Brustwarzen, dann immer tiefer bis zu meinem Bauch. Die Augen waren mir vor Erregung zugefallen, jetzt öffnete ich sie langsam wieder, keuchte schwer. Mir war heiß. Aus lustgetränkten Augen beobachtete ich Karyus Hände, drückte mich mit dem Rücken mehr an den Körper hinter mir. Ich blinzelte. Das war nicht Karyu. Er hatte keine Tattoos an den Armen und Händen... Ungewollt entkam mir ein leises Stöhnen, als die fremden Finger ihren Weg in meinen Schoß fanden.

Aber Satsuki... Er hatte dort Tattoos.
 

"Zero?"

Mit einem erschrockenen Laut fuhr ich hoch. "Was..?" Verwirrt sah ich mich um. Wir waren in Satsukis Hotelzimmer, hatten es uns auf dem Bett gemütlich gemacht - er saß direkt neben mir. Eigentlich hatten wir Hausaufgaben machen wollen.

"Du bist eingeschlafen", sagte er amüsiert. "Aber nur kurz. Du hast wohl einen Alptraum gehabt, was?"

Verständnislos starrte ich ihn an, musste kurz nachdenken. "Nein..nein ich glaube, das war kein Alptraum", antwortete ich langsam.

"Oh...hat so gewirkt, du warst unruhig." Er senkte den Blick wieder auf sein Papier.

Ich hingegen lief rot an. Mir wurde wieder ganz bewusst, was ich geträumt hatte - und ich spürte, als ich mich aufsetzen wollte, wie meine Hose spannte. Oh je. Möglichst unauffällig drehte ich mich ein bisschen zur Seite. Satsuki durfte die Beule unter keinen Umständen sehen, das wäre mir so peinlich, dass ich ihm nie wieder ins Gesicht gucken könnte! Ich hatte an ihn gelehnt geschlafen...und einen "unruhigen" Traum gehabt - er würde eins und eins zusammen zählen können.
 

"Ich bin müde", murmelte ich. "Ich werde schlafen gehen." Schon war ich aufgestanden und stopfte meine Unterlagen in meine Tasche, natürlich während ich ihm dabei den Rücken zugekehrt hatte.

"Oh...aber denk an die Hausaufgabe, die müssen wir morgen abgeben."

"Ja..mach ich morgen früh zu Ende", erwiderte ich nur und wandte ihm den Kopf zu, lächelte leicht. "Gute Nacht."

Mit der Tasche vor meinem Schritt, natürlich ganz unauffällig, verschwand ich rasch aus dem Zimmer, bevor Satsuki mich noch länger aufhielt.

Ich duschte kalt, was furchtbar unangenehm war und leider doch nicht viel brachte, weswegen ich auf warm umschaltete. Dann legte ich mich gleich ins Bett und machte die Augen zu. Die Hausaufgabe hatte ich völlig vergessen.
 

Eine Weile lag ich da, die Augen fest zugekniffen, aber der Schlaf kam nicht, weswegen ich seufzend in die Dunkelheit starrte. Das in Satsukis Zimmer war mir einfach zu peinlich, auch wenn er nicht wirklich etwas mitbekommen hatte, zumindest nicht die wichtigen Details. Während ich so auf den Vorhang des Fensters starrte, durch welchen sich etwas Licht von der Straße her abzeichnete, wurde ich sentimental und melancholisch. Satsuki war ein kleines Wunder, das mir passierte, genau wie Karyu eines gewesen war. Aber ich wusste ja, wohin diese Wunder führten...nicht gerade in ein glückliches Leben. Sie machten es erst besser, dann schlimmer. Es war toll, dass ich jemand so nettes gefunden hatte nach Karyu, aber es würde ja nichts aus uns werden, selbst wenn Satsuki plötzlich sein Interesse für mich entdecken würde. Er wohnte ganz woanders.
 

Gott, und ich vermisste Karyu. Ich vermisste ihn sehr. Ich vermisste ihn schon seit Monaten. Es hörte auch jetzt nicht auf. Höchstwahrscheinlich stand er auch jetzt wieder in irgendeinem OP und rettete Menschen. Er opferte sein Leben ja gern der Medizin und ich fragte mich, ob er sich da je ändern würde - er konnte es ihr gern widmen, aber opfern und eine Beziehung somit unmöglich machen? Traurig verzog ich das Gesicht, denn es war gar nicht unmöglich. Vielleicht vergnügte er sich ja jetzt mit einem seiner übereifrigen Assistenzärzte...

Traurig drehte ich mich auf den Rücken. Ich vermisste Karyu so sehr, obwohl unsere - vielleicht vorläufige - Trennung meine Idee gewesen war, obwohl ich mit Satsuki einen lieben Menschen in meinem Leben hatte - und obwohl ich in der Beziehung so unglücklich gewesen war. Aber dennoch war da Sehnsucht nach ihm. Warum? Hatte ich mich so an ihn gewöhnt? Wenn ich ehrlich war, vermisste ich auch eher die Zeit, als er noch in der Ausbildung gewesen war. Damals, vor fünf Jahren, war alles eigentlich perfekt gewesen. Da war er noch ab und an verfügbar gewesen. Alle paar Abende hatten wir zusammen verbracht, manchmal sogar einen ganzen Tag. Das war mir ein bisschen wenig vorgekommen, aber was würde ich jetzt darum geben, dass er mir wieder diese Menge an Zeit widmen könnte! Es wäre genug, und mehr als die letzten Monate unserer bescheidenen Beziehung...

Wie ich mich an das Glück von damals erinnerte, traten mir Tränen in die Augen, auch wenn ich das nicht wollte. Das Ganze war es nicht wert zu weinen. Das brachte auch nichts.

Ich schniefte, machte die Augen wieder zu und drehte mich erneut auf die Seite. Ich musste schlafen, dann würden diese blöden Gedanken ein Ende haben!
 

Aber selbst in meinen Träumen verfolgte mich Karyu jetzt. Es war richtig klischeehaft. Wir verbrachten den Tag zusammen an irgendeiner Küste. Uns ging es gut. Aber dann traf er jemanden, wandte sich von mir ab, hatte keine Zeit mehr. Immer wieder verschwand er aus meinem Blickfeld, wie sehr ich ihm auch nachrannte...

Mit klopfendem Herzen und zutiefst betrübt wachte ich frühmorgens auf. Die Sonne war gerade erst am Aufgehen - es war sicher noch die ein oder andere Stunde hin bis mein Handywecker klingelte. Ich saß im Bett und schlang die Decke enger um meinem Körper. Unwillkürlich stellte ich mir die ernsthafte Frage, ob Karyu vielleicht mit jemand Anderem flirtete...mit jemandem redete, Hoffnung machte...und mit jemandem schlief. Ich seufzte leise. Ich schätzte ihn als treue Person ein - aber jetzt waren wir ja nicht mehr wirklich zusammen. Es herrschte Funkstille. Ich hatte schon ein paar Wochen lang nichts mehr von ihm gehört. Und wenn ich ehrlich war, verletzte mich das. Natürlich hatte ich die Chance, mich von mir aus zu melden, aber hatte ich nicht die Beziehung beendet? Wäre es nicht 'ankriechen', wenn ich mich jetzt melden würde? Oder wäre es unverfänglich, würde ich nur nach seinem Befinden fragen? Vielleicht sollte ich mich bei ihm melden. Das wäre wohl besser, als noch weitere Wochen im Ungewissen zu sein - aus Wochen würden Monate und dann hätte er mich vergessen. Das war nicht das, was ich wollte. Ich wollte noch mal eine Chance - aber dafür musste er auch etwas tun, nämlich seinen Job in den Griff bekommen. Ob es da überhaupt eine realistische Möglichkeit gab...?
 

In Gedanken versunken lehnte ich mich ans Kopfende des Bettes, zog die Knie an und bettete den Kopf darauf. Momentan rutschte ich in eine bockige Phase ab. Ich wollte bei Karyu sein. Ich wollte wissen, wie es ihm ging, was er machte...interessierte er sich für Andere? War er schon dabei mich zu vergessen? Die Ungewissheit drohte, mich zu zerfressen.

Zögerlich griff ich nach dem Handy, das neben mir auf den Nachttisch lag. Ich hatte ja noch seine Nummer. Die würde ich nicht so einfach löschen. Wie es wohl wirken würde, wenn ich ihm jetzt schrieb? Er wusste nicht einmal, dass ich in Morioka war...aber was würde es auch für einen Unterschied machen? Seufzend tippte ich nach kurzem Zögern eine Nachricht an Karyu. Sie war unverfänglich und nicht lang.

»Hallo Karyu, wie geht es dir so? Ich hoffe es läuft gut für dich. Viele Grüße, Zero« Sie kam mir zu kurz vor, aber ich wusste nicht, was ich noch schreiben sollte...ich wollte eigentlich nur irgendetwas von ihm hören. Eine Reaktion haben, die mir einen Hinweis gab, wie er über mich dachte. War er sauer, war er froh? War es ihm egal, dass ich schrieb...?

Auch wenn ich nicht zufrieden war, schickte ich die Nachricht ab.

Nachdem ich das Handy wieder beiseite gelegt hatte, starrte ich nachdenklich ins Leere. Mir war heute irgendwie überhaupt nicht danach, das blöde Seminar zu besuchen. Zumal ich die Hausaufgabe eh noch nicht fertig gemacht hatte. Ich hatte auch keine Lust, das jetzt noch zu machen... Nach so einer Nacht ging die Motivation einfach flöten.
 

Es klopfte immer wieder, weswegen ich blinzelnd die Augen öffnete. Ich war wohl noch mal eingenickt. "Zero?! Hey, komm schon, mach die Tür auf!" Es klopfte wieder. "Wir sind spät dran!" Das war Satsuki. Verschlafen richtete ich mich auf und seufzte. Ich sollte mit ihm reden…

Langsam stand ich auf und tappste zur Tür, die ich ein stückweit öffnete. "Hey...ich geh heute nicht", murmelte ich, während ich ihn entschuldigend ansah.

Satsuki musterte mich kurz von oben bis unten, dann blickte er mir fragend in die Augen. "Du siehst nicht gut aus", stellte er fest. "Hast du dich erkältet?"

Ich zuckte mit den Schultern. Ich wollte ihn nicht direkt anlügen. "Vielleicht... Ich fühle mich nicht besonders gut..." Und das war ja die Wahrheit.

"Hmm..." Für einen langen Moment betrachtete er mich, weswegen ich schon anfing, mich unwohl zu fühlen. "Ist etwas passiert? Du wirkst niedergeschlagen" Stumm schüttelte ich den Kopf. "Na gut...wenn etwas ist, ruf mich an. Ich geb dir meine Nummer, ja?"

Ich nickte und war erleichtert, dass er nicht weiter nachbohrte. Schweigend sah ich dabei zu, wie er in seiner Tasche nach etwas zu schreiben suchte, um mir dann seine Handynummer aufzuschreiben.

"Okay, dann ruh dich aus. Ich pass beim Seminar für dich mit auf. Heute Abend komm ich nach dir schauen und erzähl dir, was wir durchgenommen haben." Er schenkte mir ein Lächeln, welches ich leicht erwiderte.

"Ja, gut. Vielen Dank", erwiderte ich ein wenig verlegen, während ich seinen Zettel entgegen nahm. Mir wurde gerade bewusst, dass ich hier nur in meinen Schlafsachen rumstand, wahrscheinlich ziemlich verwuschelt aussehend - so hatte er mich zwar das letzte Mal sicher auch schon gesehen, aber jetzt fand ich das gar nicht mehr so toll. Ich wollte gut aussehen... Irgendwie wollte ich nicht, dass er mich für völlig chaotisch hielt.

Satsuki drückte sanft meine Schulter, bevor er sich auf den Weg ins Ausbildungszentrum machte.
 

Kaum, dass er weg war, bereute ich es fast schon, nicht mitgegangen zu sein. Denn was sollte ich jetzt den ganzen Tag machen? Ich würde sicher nur Trübsal blasen.. Ich hatte zwar meine Ruhe, aber ob das wirklich so gut war, würde sich noch heraus stellen. Nicht, dass ich zu viel nachdachte.

Seufzend ging ich ins Bad um zu duschen. Dann fühlte ich mich wie ein Mensch, der lebte, und nicht nur vor sich hin vegetierte. Nach kurzem Grübeln entschloss ich mich, im Speisesaal des Hotels zu frühstücken. Das war hier inklusive, aber Satsuki und ich hatten es bisher nicht genutzt, weil wir dann noch früher hätten aufstehen müssen - da hatten wir als Morgenmuffel nun wirklich keine Lust drauf.

Nach einem schönen Frühstück und einem ordentlichen heißen Kaffee ging es mir etwas besser. Aber sobald ich wieder oben hockte, gingen meine Gedanken zurück zu Karyu. Daher machte ich den Fernseher an und kramte in meiner Tasche nach der Hausaufgabe, die wir heute hätten abgeben müssen. Ich hatte sie ja noch nicht gemacht, würde sie aber jetzt erledigen und morgen nachreichen. Ich hoffte, so den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können.

Den restlichen Tag ließ ich mich vom Fernseher berieseln, verließ das Hotel aber, als ich Hunger bekam. Draußen an der frischen Luft zu sein, tat gut, auch wenn es kalt geworden war. Ich schlenderte zum nächsten Konbini und holte mir ein paar Kleinigkeiten wie Sandwiches und einen billigen Pudding zu essen.

Als ich zurückkam, fiel mir die Hotelbar auf. Es war sicherlich keine gute Idee, mit dem Trinken anzufangen, zumal Satsuki bald zurückkommen würde - und was sollte er von mir denken?

Für einen Moment nagte ich unschlüssig an meiner Unterlippe. Dann sollte es eben schnell gehen. Mit meinem Konbini-Tütchen setzte ich mich an die Bar, futterte und bestellte mir ein Bier. Als ich aufgegessen hatte, gönnte ich mir noch einen Wodka Tonic. Dieser Tag war doof gewesen. Das heiterte mich wenigstens ein bisschen auf.
 

"Hey schöner Mann."

Ich schreckte auf und blinzelte. War ich etwa an der Bar eingeschlafen? Verwirrt sah ich auf und meine Augen weiteten sich, als sich Satsuki neben mich setzte. "Hi..", murmelte ich nur und blickte in mein Glas. Es war bereits leer. Ich blickte neben mich. Da standen noch zwei weitere. Ups... Ich hatte mehr getrunken, als ich wollte. Ich schluckte und sah Satsuki unschuldig an. "Wie war dein Tag?"

"Gut. Ich habe dich da schon vermisst, aber ansonsten war es okay. Ich hab fleißig für dich mitgeschrieben. Du solltest dir das anschauen." Er hielt inne. "Aber wohl besser nicht mehr heute..." Er musterte die leeren Gläser neben mir. "Was ist los?" Sein Tonfall war nun ernster geworden.

Ich winkte ab und kramte nach meinem Portemonnaie. "Alles gut..." Ich spürte, dass ich jeden Moment einen Schluckauf bekommen würde. Oh je...

Während ich bezahlte, spürte ich seinen besorgten Blick auf mir. Aber er bohrte nicht nach. Er folgte mir hoch in mein Zimmer und erzählte dabei, dass wir die nächsten Tage eine junge Dozentin hatten, die uns unterrichtete. Die meisten Männer des Seminars waren mit Anstarren beschäftigt. Offenbar hatte sie zwei schlagende Argumente... Nur Satsuki interessierte das nicht besonders. "Ich hoffe, du wirst nicht auch noch so ein Zombie und gaffst nur noch", meinte er schief grinsend, während er sich auf mein Bett setzte.

Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich guck bestimmt nicht ", meinte ich beruhigend und sah dabei zu, wie er eine Bentobox aus seiner Tasche zog. Während er anfing zu essen, setzte ich mich neben ihn und schaute mir die Unterlagen an, die er für mich gemacht hatte.

"Willst du auch was?", erkundigte er sich bei mir, doch ich schüttelte den Kopf.

"Nein danke, hab mir vorhin was aus dem Konbini geholt." Mit einem Stirnrunzeln sah ich auf das Geschriebene und seufzte nach ein paar Sekunden. "Irgendwie ergibt das für mich grad keinen Sinn.." Ich legte es beiseite und ließ mich ganz auf das Bett fallen. Mir war nach einem Drink. Wahrscheinlich wurde ich langsam wirklich zum Alkoholiker. Ich musste das eindämmen!

Schmunzelnd sah Satsuki auf mich hinab und schluckte den Bissen Reis hinab. "Das war wohl ein Gläschen zu viel. Bist du doch nicht krank?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin nicht krank. Mir ging es wieder besser..."

"Ach so... Wolltest du das mit Wodka feiern?" Er sah mich dabei etwas skeptisch an.

Ich seufzte. "Ich hätte vorhin mit dir mitgehen sollen.... Ich hab mich allein gefühlt."

Er hob eine Augenbraue. "Und dann trinkst du?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Ja...so bin ich. Und ich fühle mich oft allein."

Langsam nickte er und nahm den Blick von mir. Er sagte nichts weiter, sondern widmete sich wieder dem Essen. Dafür war ich ihm ganz dankbar, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es damit getan war.
 

In aller Ruhe packte Satsuki seinen Müll weg, während ich immer noch auf dem Bett lag und an die Decke starrte. "Du sag mal", sprach er mich plötzlich an und legte sich neben mich. "Was war vorhin wirklich los? Hat dich jemand geärgert? Konntest du nicht schlafen?" Er sah mich nicht an, sondern schaute ebenfalls hoch zur Decke.

Ich gab ein leises Seufzen von mir. Ich vertraute Satsuki, ein bisschen was konnte ich ihm also wohl erzählen. "Es ist dämlich", murmelte ich. "Vorhin hab ich nicht gelogen, mir ging es wirklich nicht so gut... Allerdings brüte ich keine Erkältung aus. Ich hab dir doch davon erzählt, dass ich jemanden in Sapporo habe? Ich hoffe ja, dass aus uns noch was wird.“ Ich machte eine kurze Pause. „Er ist Arzt geworden. Hatte keine Zeit mehr für mich, deswegen hab ich erstmal Schluss gemacht. Es ist schwierig mit uns... Ich hab von ihm geträumt. Und ich vermisse ihn. Das ist mir heute irgendwie aufs Gemüt geschlagen…"

Satsuki schwieg für einige lange Sekunden. "Du vermisst ihn so sehr, dass es dir schlecht geht?" Ich hob nur eine Schulter. "Du hättest dich ablenken und mitkommen sollen."

"Ich weiß", murmelte ich reumütig und wunderte mich, dass er keinen Kommentar dazu abgab, dass ich etwas mit einem Mann gehabt hatte. Jetzt wussten wir ja beide voneinander, worauf wir so standen.

"Tut mir leid für dich", meinte er plötzlich leise und wandte mir den Kopf zu. "Es scheint kompliziert zu sein bei euch. Wenn du ihm so nach hängst."

"Na ja..." Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Ich bin ein schwieriger Mensch. Ich bin niemand, der leicht Freundschaften schließt", gab ich zu, woraufhin er mich verwundert ansah. "Ich war so lange allein in Tokyo, und durch einen blöden Zufall hab ich ihn kennen gelernt. Im Supermarkt." Ich grinste leicht bei der Erinnerung. "Er hat mir das letzte Waschmittel vor der Nase weg geschnappt. Und er hat mich für eine Frau gehalten. Anfänglich hab ich ihn nicht leiden können, aber er hat nicht aufgegeben, mich kennen lernen zu wollen." Ich zuckte mit den Schultern. "Und irgendwie..ist er mir richtig ans Herz gewachsen." Ich senkte den Blick. "Außer ihn hab ich niemanden. Ich war so lange alleine..."

Ich hörte, wie Satsuki seufzte. "Aber wenn du die Beziehung beenden musstest, dann lief doch etwas falsch? Vielleicht ist es an der Zeit, sich neu zu orientieren."

Ich schnaubte leise. "Das lässt sich leicht sagen. Ich habe lange auf jemanden wie ihn gewartet. Den ich aufrichtig lieben kann. So etwas wird mir nicht noch mal einfach so passieren."

Satsuki wandte den Blick ab. "Bist du also lieber unglücklich in einer Beziehung, als gar keine zu haben?"

Ich verzog das Gesicht. "Nein...deswegen hab ich mich ja auch getrennt. Ich hoffe einfach, dass er sich ändert... Dass er mehr Zeit für mich haben wird." Ich setzte mich auf. Das Gespräch über Karyu frustrierte mich nur. "Es tut mir leid, dass ich dich heute hab hängen lassen. Das kommt nicht noch mal vor", versprach ich ihm.

Leicht lächelte er mich an. "Und wenn du das nächste Mal was trinken gehst, frag mich, ob ich mitkommen möchte, ja?"

Ich musste schmunzeln und nickte. "Ja, ist gut." Satsuki setzte sich nun ebenfalls auf und ich sah ihn milde lächelnd an. "Danke.."

"Wofür denn?", wollte er verwundert wissen, woraufhin ich vage eine Schulter hob.

"Weiß nicht...für's da sein. Es ist ein Wunder, dass du mich magst", meinte ich schief lächelnd, weswegen er den Kopf schüttelte.

"Warum sollte ich dich nicht mögen?"

Ich musste lachen. "Zu dir war ich auch nicht so unerträglich, wie zu anderen..."

"Du magst mich halt. Mich mag jeder. Es ist wegen des Lächelns." Zur Bestätigung schenkte er mir ein hinreißendes Lächeln.

"Stimmt, das wird es sein", erwiderte ich schmunzelnd und sah verlegen beiseite. Ich mochte ihn wirklich... Es war vielleicht besser, wenn er ging, sonst würde ich noch anfangen, auf seine Lippen zu starren. "Na ja...", murmelte ich dann und versuchte ein Gähnen zu simulieren, aber das klappte nicht ganz. "Ich werde langsam schlafen gehen…"

Aber anstatt dass er sich erhob, umfasste er mit einer Hand meinen Hinterkopf und drückte mir plötzlich einen Kuss auf die Lippen. Verwirrt hielt ich inne und blickte ihn an. Was war denn nun los?

Mit einem Lächeln löste er sich von mir. "Okay, tu das. Aber lass dich nicht so hängen. Soll ich bei dir bleiben? Damit du morgen auch wirklich aufstehst?" Er zwinkerte mir zu, ohne auf diesen Kuss einzugehen.

"Ähm...", machte ich nur und kam mir äußerst intelligent dabei vor. Ich war einfach immer noch perplex. "Wenn du...das willst." Ich zuckte mit den Schultern. So komplett glücklich war ich damit nicht - was hatte er vor? Wenn er hier blieb, wusste ich nicht, worauf ich mich einzustellen hatte. Das verunsicherte mich ein wenig, auf der anderen Seite aber war ich froh, nicht allein zu sein.

Unbekümmert stand er auf und begann sich auszuziehen, weswegen ich beiseite sah. Aber da ich mich nicht weniger verlegen fühlte, verabschiedete ich mich für einige Minuten ins Bad. Dort putzte ich mir die Zähne und zog mir die Schlafsachen an, die ich mit hinein genommen hatte.

Als ich zurückging, lag Satsuki halbnackt und quer auf dem Bett. Er schien zu schlafen. Ich seufzte. Fand der das jetzt hier zu warm drin? Meine trotzige Seite pochte und wollte an die Oberfläche. Bestimmt würde ich ihn damit aber nur verschrecken. Immer nett bleiben. "Satsuki?", fragte ich, während ich näher ans Bett ging. "Schläfst du?"

Blinzelnd öffnete er die Augen und schmatzte für eine Sekunde leise. "Mh..nee.." Er rieb sich über die Augen und rutschte etwas beiseite. "Komm schlafen."

Zögernd setzte ich mich zu ihm. "Sag mal, frierst du nicht?", erkundigte ich mich, während er sich zusammen rollte.

"Eigentlich nicht", erwiderte er und gähnte. Seufzend zottelte ich die Bettdecke unter ihm hervor und deckte uns zu. Satsuki sagte gar nichts mehr; er war wohl schon eingeschlafen. Schief lächelnd löschte ich das Licht und machte die Augen zu. Ein bisschen doof fand ich es schon, dass er sich gar nicht mehr zu diesem Kuss geäußert hatte. Vielleicht ja morgen... Was hatte mir das sagen sollen? Dass er mich mochte? Sehr mochte? Ich musste innerlich seufzen. Diese Sache würde mich noch ein paar Tage beschäftigen.

Von Geständnissen am Tempel, schmerzhaften Gebeten und einer irren Ex-Frau

Die restliche Woche verlief ereignislos. Satsuki überraschte mich nicht noch einmal mit einem Kuss. Einerseits war ich erleichtert, so musste ich mich nicht peinlichen Gesprächen sowie einem schlechten Gewissen gegenüber Karyu stellen, andererseits war ich ein wenig enttäuscht. Ich mochte Satsuki ja, und es gab schlimmeres, als sich von ihm küssen zu lassen. Ich würde noch eine Weile mit diesem Zwiespalt leben müssen.
 

Nach der ersten Woche hatten wir zwei Tage frei und überlegten uns am Abend davor, wie wir die Zeit verbringen wollten. Satsuki sprach sich für ein Picknick an dem Tempel aus, den wir einige Tage zuvor entdeckt hatten. "Ist das aber nicht etwas kalt dafür?", äußerte ich vorsichtig meine Bedenken.

Doch Satsuki lächelte mich unbekümmert an. "Wir nehmen uns eine Picknickdecke mit....und eine Decke, in die wir uns kuscheln können. Und warm genug anziehen sollten wir uns. Oh!", fügte er dann hinzu, "und wir packen eine Thermosflasche ein...mit Tee oder Kaffee, was denkst du?"

Verwirrt hielt ich einen Augenblick inne. "Tee passt besser glaube ich...aber...wo willst du das alles herbekommen? Oder hast du Decken und Thermosflaschen mit eingepackt?", erkundigte ich mich und sah ihn fragend an.

Grinsend erwiderte er meinen Blick. "Also ich hab tatsächlich eine Thermosflasche dabei. Was die Decken und das Essen angeht, das müssen wir noch kaufen. Aber ein paar Straßen weiter gibt es einen Laden, in dem wir sowas günstig bekommen sollten. Mach dir keinen Kopf." Er war von der Idee nicht mehr abzubringen. Wäre Sommer gewesen, hätte ich es sofort gemacht, aber das war es eben nicht, daher hatte ich so meine Zweifel. Aber er sprach ganz unbesorgt vom dem kleinen Ausflug und je mehr ich darüber dachte, umso geringer wurden meine Bedenken.

"Na schön", willigte ich schließlich ein, während ich mich auf den Bauch rollte und den Kopf auf die Handflächen stützte. Ich lächelte ihn leicht an und er legte sich neben mich, sodass wir in aller Ruhe den Tag planen konnten.
 

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Ich gähnte. "Ich werde in mein Zimmer gehen."

"Du kannst doch hier bei mir schlafen."

Ich zögerte für einen Moment, dann schüttelte ich den Kopf. "Nein, da kann ich nicht ausschlafen. Du schlägst mich im Schlaf wieder nur und dann lieg ich schon um 6 wach. Das ist ja unter der Woche ganz hilfreich, aber jetzt nicht."

Bei dieser Aussage fielen ihm was die Augen raus. "Ich schlage nicht um mich!"

Das tat er tatsächlich nicht. Eher im Gegenteil: er kam immer näher gerutscht und schien im Schlaf kuscheln zu wollen. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich geschah, während er schlief, oder ob er nur so tat und sich ganz absichtlich an mich heran schmiegte. Wenn ich ehrlich war, wollte ich seine Nähe ja.

Ich lächelte ihn nur etwas unbeholfen an, anstatt etwas zu erwidern. Mir fiel auch nicht wirklich etwas ein. Ich wollte ihn nicht weiter anlügen, denn genau das war es, was ich eben getan hatte. Fragend sah er mich an, dann fiel das Lächeln von meinen Lippen. "Na meinetwegen. Dann schlafe ich eben hier. Aber wenn du mich nur ein Mal trittst oder schlägst, und wenn das auch nur im Schlaf ist, dann gehe ich", stellte ich klar, bevor ich aufstand und mir das Sweatshirt über den Kopf zog.

Satsuki grinste nur zufrieden und hob eine Schulter. "Ich sage ja, ich mache sowas nicht im Schlaf. Ich bin ein ruhiger Schläfer. Meistens… Bisher ist es nur ein Mal vorgekommen, dass ich im Schlaf aus Versehen jemanden getreten haben soll."

Ich gab nur ein unverbindliches Brummen von mir, während ich meine Jeans auch auszog. Das musste reichen.

Nachdenklich sah Satsuki zu seinem Handy auf dem Nachttisch, dann schenkte er mir ein hinreißendes Lächeln und schlüpfte gleichzeitig mit mir unter die Bettdecke, bevor er das Licht löschte. Ich drehte mich auf die Seite, mit dem Rücken zu ihm, und machte es mir gemütlich, hörte Satsuki gähnen. "Schlaf gut."

"Du auch", murmelte ich und starrte eine Weile ins Dunkel.

Das Bett bewegte sich leicht, die Bettdecke raschelte nochmals, dann kam auch Satsuki zur Ruhe. Ich schloss die Augen und versuchte, einzuschlafen. Irgendetwas machte mich nervös, aber ich konnte nicht ausmachen, was es war. Es war ein unterschwelliges Gefühl. Ich versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, und da Satsuki ruhig liegen blieb, kaum hörbar atmete, schaffe ich es wenig später auch, ins Traumland hinüber zu gleiten. Mein letzter Gedanke galt der inständigen Hoffnung, nicht wieder so einen Spezi-Traum von Satsuki zu haben, den ich zuerst für Karyu hielt...
 

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Stöhnend hob ich mich den weichen Lippen entgegen, die sich gerade verspielt um meine rechte Brustwarze legten. Eine feuchte Zunge leckte neckisch darüber. Verzweifelt hob ich das Becken an, in dem kläglichen Versuch, mich an dem warmen Körper über mir zu reiben, um meiner Erregung etwas Linderung zu verschaffen. Aber es wurde mir verwehrt, ich hing halb in der Luft mit dem Po. Ein leises Lachen ließ mich die Augen öffnen. Mit einem Grinsen sah mir Satsuki entgegen, hatte die Lippen von meinem Oberkörper gelöst. Doch er war es nicht, der lachte. Verwirrt blickte ich auf und zuckte zusammen, stützte mich mit den Unterarmen auf dem Bett ab. Unweit von uns stand Karyu an die Zimmertür gelehnt und lächelte mir wissend und unbekümmert entgegen. Flüchtig glitt mein Blick über ihn, hängen blieb er an der deutlichen Beule in seiner Hose. Langsam kam Karyu auf uns zu. "Habt ihr noch ein Plätzchen frei für mich...?"
 

"Hahh!" Mit einem Ruck saß ich im Bett und blinzelte. Es war dunkel in dem Zimmer. Hektisch sah ich mich um. Satsuki schien noch neben mir zu liegen und zu schlafen. Gerade, als ich laut und erleichtert ausatmete, dass ich nur geträumt hatte, regte er sich. "Wieder n Albtraum...?", erkundigte er sich verschlafen, woraufhin ich zögerte und ins Dunkle starrte.

"Mh...ich glaube schon", murmelte ich und schlug die Bettdecke beiseite. Karyu und Satsuki in einem Raum?! Vor allem in einem Sextraum?! Was sagte das über mich aus..?

"Wo willst'n hin..?"

"Ich muss pinkeln", erwiderte ich leise und etwas unwillig, während ich aus dem Bett kletterte und ins Badezimmer ging. Ich musste nicht wirklich aufs Klo, aber wo ich schon mal daneben stand, konnte ich es auch benutzen. Nachdenklich verrichtete ich mein Geschäft, wusch mir danach die Hände und spritzte mir etwas von dem Wasser ins Gesicht. Was sollte das nur? Mein Leben war offenbar nicht aufregend und kompliziert genug, jetzt musste ich auch noch merkwürdige Träume bekommen. Da war Satsuki mitschuld. Seit er mich geküsst hatte, war ich sowieso total durcheinander. Ich verstand nur nicht, was jetzt auch noch Karyu in meinen Träumen mit Satsuki zu suchen hatte - ein Kerl reichte vollkommen aus.

Seufzend starrte ich mein Spiegelbild an. Egal, wie sehr ich auch darüber nachdenken würde, ich würde mich nicht besser fühlen. Das einzige was helfen würde, wäre, zu wissen woran ich bei Satsuki war. Aber ihn zu fragen um das zu erfahren, traute ich mich nicht. Ich folterte mich selbst. Ich war so feige... Die Angst vor Zurückweisung war schon immer groß gewesen bei mir.

Ich schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen, dann kehrte ich zurück und schlüpfte zu Satsuki unter die Decke.

"Alles okay?"

Überrascht sah ich seine schemenhafte Gestalt an. Ich hatte erwartet, dass er wieder eingeschlafen war. "Ja...alles gut. Schlaf weiter", sagte ich möglichst gut gelaunt und kuschelte mich ins Bettzeug. Es roch nicht mehr wirklich anonym nach Hotel, sondern schon erkennbar nach Satsuki. Das war angenehm. Ich beobachtete ihn noch für ein paar Sekunden, auch wenn ich nicht viel erkannte. Langsam wurden meine Lider schwer und ich gab nach, schlief schnell ein. Den Rest der Nacht träumte ich nichts mehr. Satsukis nachdenklichen Blick auf mir spürte ich gar nicht mehr.
 

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"Uff.." Leise ächzend blieb ich vor den Steinstufen stehen, die hoch zum Tempel führten. Den Fakt, dass es unzählig viele Stufen waren, hatte ich allerdings verdrängt. Wie sollte ich da jetzt mit Gepäck im Schlepptau hoch kommen?

Leidend sah ich zu Satsuki. "Wir wollen da nicht wirklich hoch oder? wir finden auch einen anderen Ort...die Sonne wird eh schon weg sein, bis ich da oben bin..."

Doch er schüttelte unbarmherzig den Kopf. "Komm schon, beim letzten Mal hast du es auch geschafft. Die Sonne geht erst in einer Stunde unter, das schaffen wir locker und können uns das von da oben anschauen." Er lächelte mich aufmunternd an und begann, die endlos lange Treppe hochzugehen.

Seufzend schulterte ich meinen Rucksack mit der Picknickdecke dran befestigt, dann folgte ich ihm. Ich sollte mich nicht beschweren, das Wetter war für unseren Ausflug gut, und vor allem waren die temperaturen angenehm. Noch zumindest. Wer wusste, wie das aussah, sobald die Sonne hinter den Horizont gesunken war...

Schnaufend erklomm ich die Stufen. Ich würde das Picknick sicher schon nach der Hälfte der strecke gebrauchen können, um mich zu stärken und weitergehen zu können..

Aber noch riss ich mich zusammen und jammerte nicht, da ich nicht als totales Weichei vor Satsuki da stehen wollte. Möglicherweise hatte ich bei ihm ja noch einen Ruf zu verlieren.

Wieder einmal war er schneller als ich. Seine Kondition übertraf meine bei weitem. Schwer atmend blieb ich nach nur drei, vier Minuten stehen. "Machst du Sport?", rief ich ihm zu, woraufhin auch er anhielt und sich zu mir umdrehte.

"Huch...! Wo bleibst du denn? Nimmst du drei Stufen und gehst dann wieder eine rückwärts?", sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen, ignorierte meine Frage, weswegen ich schnaubte.

"Ich bin einfach nicht so schnell wie du! Dieses blöde Treppen steigen ist mir zu anstrengend. Ich kann nicht mehr", maulte ich schließlich doch gegen meine Vorsätze.

Er seufzte und kam langsam zu mir runter. "Ich mache Sport, ja", antwortete er mir schließlich. "Ich geh zwei Mal in der Woche joggen." Er zuckte mit den Schultern und nahm meinen Arm, nachdem er mich erreicht hatte. "Und nun komm. Weiter. Wir haben es doch fast geschafft."

"Ja, die Hälfte haben wir fast geschafft", erwiderte ich und verdrehte die Augen. Ich musste zugeben, wenn ich so neben ihm stand in dem Wissen, dass er Sport machte und ich nicht, fühlte ich mich schlecht. Auf Sport hatte ich aber einfach keine lust vor oder nach der Arbeit. Und am Wochenende wollte ich dann einfach mal wirklich entspannen. Aber wohin das führte, sah man nun: ich wirkte neben Satsuki wie ein untrainiertes Weichei. Und das war ich auch.

"Alles in Ordnung? Du bist so still", riss Satsuki mich unvermittelt aus meinen Gedanken. Ich zuckte nur mit den Schultern und versuchte, mir ein Lächeln abzuringen. Was sollte ich auch sagen?

Schweigend ließ ich mich von ihm die Stufen hochziehen. Es war eh schon anstrengend, da musste das Reden kürzer kommen.
 

Es waren vielleicht noch zwanzig Stufen vor uns, da musste ich dann wirklich stehen bleiben. Auch satsuki hielt an und ließ mich los. "Was ist?"

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, durchzuatmen. "Ich kann wirklich nicht mehr... Können wir nicht hier das Picknick machen?" Anstatt ernsthaft auf den Vorschlag einzugehen, lachte er. Ich zog eine Schmollschnute. "Schön, dann geh schon mal vor. Ich brauche jedenfalls eine Pause. Ich komm in fünf Minuten nach..", murmelte ich beleidigt.

Er seufzte leise, lächelte mich aber an. Anstatt weiterzugehen, wie ich es vorschlug, setzte er sich auf die Treppe. " Wir ruhen uns zusammen kurz aus."

Mir war auch nach Seufzen zumute, aber ich ließ es und nahm neben ihm Platz. Ich schwieg und starrte zum Fuß der Treppe. Immer wieder spürte ich Satsukis Blicke auf mir, aber er fragte nichts, und das wurde mir dann irgendwann zu blöd. "Tut mir leid, dass ich nicht so sportlich bin." Ich hatte den Rucksack und die eingerollte Picknick-Decke abgenommen, spielte nun an irgendeinem Riemen.

"Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen."

Ich seufzte leise, nachdem ich einen Moment lang geschwiegen und überlegt hatte. "Weißt du, ich bin genauso jämmerlich, wie es den Anschein hat." Unbedacht verließen diese Worte meinen Mund, dabei hatte ich mich eben noch dagegen entschieden, es zu sagen. Aber ich konnte nicht aus meiner Haut. Manchmal sprach ich die Wahrheit einfach aus, auch wenn ich es besser ließ.

Und ich wunderte mich ernsthaft noch, warum mich die meisten Menschen für merkwürdig hielten...

Ich starrte vor mich ins leere, und satsuki erwiderte für einige Zeit nichts. Jetzt hatte ich sicher meine Chancen bei ihm verspielt.

"Du hast ganz schöne Probleme oder?", wollte er schließlich mit ruhiger Stimme wissen, woraufhin ich mit den Schultern zuckte.

"Schätze schon."

"Hmm...die hat doch jeder. Nur manch einer kann die verbergen. Ich zum Beispiel bin gut darin. Du nicht." Er stand langsam auf. "Lass uns weiter gehen. Es ist gar nicht mehr so viel." Er hielt mir seine Hand hin und lächelte sachte.

Ich überlegte, ob ich ihn nun auf seine Probleme ansprechen sollte, denn ja, er schien nicht wirklich welche zu haben. Auf mich wirkte Satsuki, als sei er mit sich im Reinen. Er hatte mir zwar von seinem komplizierten Schwarm erzählt, doch abgesehen davon hatte er sich nie beschwert oder niedergeschlagen gewirkt. Er schien auch keine Minderwertigkeitskomplexe wie ich zu haben. aber vielleicht reichte das komplizierte Verhältnis schon, das er hatte, um genug Probleme zu verursachen. Ich kannte das ja eigentlich auch.
 

Ich ergriff Satsukis Hand und ließ mich hochziehen. Gemeinsam nahmen wir den Rest der Steintreppe in Angriff. Vielleicht würde es einen anderen Zeitpunkt geben um nachzufragen. Möglicherweise schon nachher beim Picknick. Denn jetzt war ich neugierig und da wollte ich das ungern auf morgen oder sonstwann verschieben.

Erschöpft betrat ich das Gelände des Tempels. Ich war heilfroh, endlich oben angekommen zu sein. "Noch mal komme ich nicht hier hoch", informierte ich Satsuki gleich, welcher nur lachte.

"Ich schau mir den Tempel mal genauer an", sagte er. "Jetzt im Hellen sieht man ihn um einiges besser."

Das stimmte allerdings. Als wir den einen Abend hier gewesen waren, war dieser nicht beleuchtet gewesen. Ich folgte ihm zum Tempel. Ein schmaler Pfad gesäumt von Bäumen führte uns hin. Jetzt sahen die Bäume etwas trostlos aus, da die paar Blätter, die sie noch hatten, braun oder rot gefärbt waren. Aber im Sommer musste es hier richtig schön sein.

Es war ruhig auf dem Tempelgelände. Wir begegneten niemandem, nicht mal einem Mönch. Nach nur wenigen Minuten standen wir vor dem Tempel. Er musste schon älter sein, vermutlich stand er hier schon viele Jahrzehnte. Das Rot, mit dem ein Großteil des Holzes gestrichen worden war, war verblasst, blätterte teilweise sogar ab. Dennoch war er imposant. Groß, mit vergoldeten Streben.

Als Satsuki seinen schweren Rucksack abstellte, senkte ich den Blick wieder und sah fragend zu ihm. "Wo wir schon mal hier sind, können wir doch beten."

Verblüfft sah ich zu, wie er zur Gebetsstelle ging. Ich überlegte nicht lange und stellte meinen Rucksack zusammen mit der Decke ebenfalls auf den Boden, bevor ich Satsuki folgte. "Ich hab schon ewig nicht mehr gebetet", murmelte ich leise, woraufhin er leicht nickte und mir zulächelte. Ging ihm wohl auch so. Ich zog am Seil der Glocke und faltete die Hände, schloss automatisch die Augen. Ich hatte gar nicht überlegt, wofür ich beten wollte. Aber lange nachdenken musste ich nicht. Tempel, Schreine, Gebete - das, was religiös war, führte mich sowieso immer zu meinen Eltern. Als sie gestorben waren, hatte ich angefangen zu beten. Jetzt, wo ich um einiges älter war, erinnerte mich diese Handlung viel zu sehr an den schmerzlichen Verlust, dass ich vermied es zu tun. Ich betete ungern, es hatte nichts Tröstliches mehr. Aber ich wollte Satsuki jetzt nicht alleine da stehen lassen.

Ich verbeugte mich und trat zurück, nahm meinen Rucksack wieder auf. Schweigend wartete ich auf Satsuki, der etwas länger brauchte, weswegen ich mich nach einem geeigneten Plätzchen für das Picknick umsah. In den Wald wollte ich mich nicht setzen. Da krabbelte vielleicht noch etwas rum...

"Hey, wollen wir uns an die Treppe setzen?" Ich schrak zusammen und drehte mich zu Satsuki um.

"Schleich dich doch nicht so an...", murmelte ich und hob dann eine Schulter. "Ja, warum nicht..."

Er stupste mich lächelnd an. "Alles in Ordnung? An der Treppe haben wir eine gute Aussicht auf die Stadt. Hier am Tempel fände ich es nicht richtig." Ich nickte. Da hatte er recht, also setzte ich mich in Bewegung. "Hab ich was Falsches gesagt?"

Ich sah ihn von der Seite an, während wir den Weg zurück gingen. "Nein, wieso?"

"Du bist so kurz angebunden...oder bilde ich mir das ein?"

Ich rang mir ein gequältes Lächeln ab. "Ist schon gut, du hast nichts gemacht." Ich versuchte zu grinsen. "Ich hab Stimmungsschwankungen." Wieder etwas, was ich besser nicht sagen sollte.

Satsuki hob eine Augenbraue und machte nur 'Aha..', während wir oben an der Treppe anhielten. Er wartete sicher darauf, dass ich ihm das jetzt näher erklärte. Schweigend breitete ich aber erstmal die Picknickdecke aus, dann setzten wir uns und ich kramte meine Schachtel Zigaretten hervor. "Du auch?" Fragend hielt ich sie Satsuki, welcher kurz überlegte und dann schulterzuckend eine nahm.

"Danke."

Ich winkte ab und zündete mir meine Kippe an, dann machte ich das gleiche bei ihm. "Ich hasse beten", sagte ich schließlich, weswegen er mich verwundert ansah.

"Warum hast du es dann gemacht?"

Ich blinzelte. Das war eine gute Frage. Ich hatte aber eher erwartet, er würde nach dem Grund meiner Abneigung fragen. Ich hob die Schultern. "Ich hab's schon lange nicht mehr gemacht und dachte, es wäre okay... Und ich wollte nicht doof neben dir stehen und dich allein beten lassen", antwortete ich schließlich und nahm einen Zug, stieß den Rauch langsam wieder aus.

"Du hast dich also gezwungen gefühlt?"

Ich seufzte. "Schätze schon." ich aschte ab und sah ihn von der Seite an.

"Mach das nie wieder. Meinetwegen hättest du nicht beten müssen, okay?" Er lächelte mich schief an und schüttelte den Kopf. "Du bist komisch." Meine Alarmglocken schrillten. Das hatte schon mal jemand zu mir gesagt. Warum musste Satsuki mich jetzt an Karyu erinnern...? Ich versuchte, ihn ein bisschen zu vergessen! "Darf ich fragen, warum du beten nicht magst? Einfach so?"

Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein, das hat schon seinen Grund..." Ich überlegte, ob ich es ihm erzählen sollte. Mir war es immer unangenehm, über den Tod meiner Eltern zu reden. Meistens kam ich um die Verlegenheit herum, aber ganz selten gab es eben die Momente, wo man es sagen musste. Ich wusste nicht, warum ich so ein Problem damit hatte, darüber zu sprechen. Vielleicht waren es einfach diese simplen Worte. 'Sie sind tot'... Es konnte gut sein, dass diese Aussage nach wie vor schmerzte. dass mir wieder klar wurde, wie allein ich war, und wie ungerecht die Welt war. Ab und an hatte ich mich schon sagen hören, sie wären nicht mehr da. Das ließ nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass sie tot waren. Sie konnten auch einfach ganz woanders leben.

Ich schluckte und schlug den Blick nieder. Jetzt hatte ich schon wieder darüber nachgedacht und fühlte einen Kloß im Hals, da konnte ich auch gleich drüber reden. "Ich habe früher viel gebetet. Als Kind und Jugendlicher.." Ich räusperte mich. "Nachdem meine Eltern gestorben waren, habe ich damit angefangen..."

"Oh...", machte Satsuki leise, während ich nickte.

"Ja... Mittlerweile bete ich nicht mehr gerne. Es erinnert mich einfach an diese Zeit... Die ersten Jahre ohne sie." Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte, nicht allzu sehr daran zu denken.

Satsuki summte leise. "Das war sicher nicht einfach. ...ich hätte nicht fragen sollen."

Ich zuckte mit den Schultern und zog wieder an der Zigarette. "Schon gut, du konntest es ja nicht wissen." Ich fummelte an meiner Jacke und holte den Taschenaschenbecher raus. Wir taten unsere Zigaretten hinein und machten uns daran, das Essen für das Picknick auszupacken. "Ich weiß, aber..." Er schüttelte hilflos mit den Schultern. "Über so etwas redet sicher niemand gerne. Ich wollte nicht bohren. Du hättest es mir nicht erzählen müssen“

Ich musste schwach lächeln. "Ich hätte auch nichts gesagt, wenn ich es wirklich nicht gewollt hätte. Mach dir keinen Kopf."

"Hmmm..." Ich sah ihn fragend an, da ich mir sicher war, dass er noch etwas dazu wissen wollte. Aber er stellte mir keine weitere Frage. Ich hakte auch nicht nach. Es war vielleicht besser, das thema nicht weiter zu erläutern. Es tat nur unnötig weh. Selbst mit Karyu hatte ich nie groß darüber gesprochen.

Gemeinsam stellten wir die Bentoboxen und Plastikbehälter auf. Wir hatten uns bereits fertige Bentos gekauft, da wir im Hotel schlecht kochen konnten, es aber auch nicht gewollt hätten. Obst hatten wir uns auch etwas gegönnt, geschnittenes Gemüse, Sandwiches und Nachtisch in Form von Pudding und Snacks. Was wir jetzt nicht schafften, konnten wir abends im Hotel immer noch essen.

"Am Ende des Tages kuller ich als Murmel ins Bett", meinte Satsuki grinsend und nahm sich sein Gyoza-Bento. Ich konnte ihm da nur zustimmen. Rasch griff ich nochmals in meinen Rucksack. "Hier, das ist der Tee, und hier der Kaffee...", murmelte ich. "Hätte ich fast vergessen."

"Oh, ich auch." Er lachte und nahm die Thermosflaschen entgegen, um sie auf der Decke zu platzieren. "Findest du es eigentlich kalt?"

"es geht noch", antwortete ich. "Brauchst du die Decke jetzt?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin nicht so eine Frostbeule wie du." Er grinste, während cih die Augen verdrehte. Vorsichtshalber hatten wir noch eine Decke mitgenommen, in die wir uns kuscheln konnten, sollte es doch zu kalt werden. Da wir ja saßen, ging das ja noch schneller, dass einem die Kälte in die Knochen kroch.

hungrig nahm ich mein Chicken-Katsu-Bento in die Hände und begann zu essen. Es war mittags und Zeit für Essen! Während ich das zarte Fleisch mit Teriyaki-Soße genoss, schaute ich die Treppen hinab.
 

Der Platz war leer, auf den Straßen aber fuhren einige Autos. An diesem Sonntag war nicht allzu viel los in der Stadt. In aller Ruhe verspeisten wir unsere zahlreichen Vorräte. Ich konnte gar nicht so viel essen, wie ich es gern getan hätte. Nach dem Bento, zwei Sandwiches, einem Apfel und einem Pudding, gönnte ich mir etwas heißen Tee, um mich wieder aufzuwärmen, dann ließ ich mich seufzend auf die Picknick-Decke fallen. "Ich wünschte, ich könnte mir jetzt den Bauch streicheln...", murmelte ich. "Ich glaube, ich platze gleich.." Aber die kalte Hand wollte ich mir dann nicht unter Jacke, Pullover und Shirt schieben. Das war mir dann doch zu viel Fummelei.

Satsuki wandte sich mir grinsend zu und tätschelte meinen Bauch kurz, während er an einer Karotte nagte. "Das wird schon. Ruh dich einfach aus. Mach ein Verdauungsschläfchen."

Ich musste lachen. "Dann erfriere ich bestimmt!"

"Ach was, ich werde dich schon wärmen." Er schob sich das letzte Stückchen Karotte in den Mund, dann legte er sich zu mir, während ich leicht lächelte. "Ich glaube, jetzt können wir die Decke brauchen..", murmelte er und tastete mit den Händen danach, breitete sie dann über uns aus. Das war wirklich zu gemütlich! Ich zog den leeren Rucksack heran und nutzte ihn als Kopfkissen für uns. Er war natürlich nicht so gemütlich wie ein weiches Kissen, aber für ein paar Minuten würde es reichen. "Man kann den Mond schon sehen", murmelte Satsuki und deutete in den blauen Himmel. Ich folgte seinem Blick.

"Vollmond...", sagte ich leise. "Den mag ich am meisten."

"Ich auch..." Für eine Weile sahen wir schweigend hinauf. "Soll ich dir nachher ein Bier ausgeben? Oder einen Wein?"

Ich drehte ihm den Kopf zu und sah ihn fragend an. "Wieso das denn?"

Er erwiderte meinen Blick mit leicht hochgezogenen Augenbrauen. "Du trinkst doch so gern, sagst du."

Ich schnaubte. "Ja, wenn ich mich allein fühle... Denkst du, ich fühle mich jetzt allein?"

Er summte leise und sah wieder hinauf. "Du siehst so aus." Er machte eine kurze Pause und sah wieder so nachdenklich drein. Als würde es hinter seiner Stirn intensiv arbeiten, als überlege, ob oder was er sagen sollte.

Ich seufzte. "Was ist denn? Raus damit."

Er schaute mich wieder an und sah irgendwie zerknirscht drein. "Ich will ja nicht drauf rumreiten, aber...du vermisst deine Eltern sicherlich, oder? Deswegen siehst du jetzt so traurig aus. ich will dich nur aufmuntern."

Nun war ich es, der die Augenbrauen in die Höhe zog. "Hör mal, das ist ja nett von dir, aber...ehrlich, ich brauch niemanden, der Babysitter spielt oder Mutti oder so..." Vielleicht reagierte ich da jetzt etwas gereizt, aber ich wollte kein Mitleid. Das hatte ich nie gewollt und es half mir auch nicht weiter. Hatte es noch nie.

"Ich will auch nichts spielen...", erwiderte er, während ich mich wieder aufsetzte, die Decke zurecht zog. Die Sonne würde bald untergehen. "Ich möchte dich aufmuntern." Er seufzte und richtete sich ebenfalls auf. "Jeder hat sein beschissenes Päckchen zu tragen. Wir können uns alle gegenseitig bemitleiden oder versuchen, uns zu unterstützen."

Ich schloss für einen Moment die Augen. Ich wollte ihn nicht anfahren. "Bitte, hör auf... Du klingst wie mein Freund. ..Ex-Freund", murmelte ich. An den wollte ich nicht denken. Er hatte mir auch immer noch nicht auf meine Nachricht geantwortet. Aber was hatte ich auch erwartet.

Während ich mir eine weitere Zigarette aus der Schachtel nahn, hörte ich Satsuki leise seufzen. "Sei nicht sauer auf mich, ok? Ich bin sicher kein Weltverbesserer. Manchmal geht es mit mir durch."

Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht sauer", versicherte ich ihm.

"Gibst du mir auch noch eine?" Er deutete auf meine Zigarettenschachtel, woraufhin ich nickte.

"Bitte...nimm ruhig." Ich schmunzelte ihn leicht an. "Ich hoffe, ich mache dich hier nicht zum Kettenraucher..."

Zu meiner Beruhigung winkte er ab. "Ach was, das ist mir viel zu teuer! Geld, das ich nicht habe", erwiderte er lächelnd und nahm sich noch eine Erdbeere aus der Obstbox.

Für einen langen Moment schwiegen wir, dann sah ich ihn vorsichtig an. "Und welches Päckchen hast du zu tragen...? Wenn ich fragen darf...", hörte ich mich zögerlich nachhaken. Dabei wusste ich es doch so viel besser. Es ging mich nichts an und wir kannten uns für sowas doch eigentlich zu wenig.

Satsuki schenkte mir ein mildes Lächeln. "Ich habe eine irre Ex-Frau." Schon da wurden meine Augen groß. Ex-Frau?! "Ich hab schon mit 21 geheiratet. Es war eher eine spontane Aktion. Sie war einfach so besitzergreifend und hoffte, mich damit endgültig fest an sich binden zu können, ich habe es gemacht, um mir zu beweisen, nicht schwul oder bi, sondern rein hetero zu sein." Er zog an seiner Kippe. "Ich hatte früher ein Problem mit meiner Orientierung. Ich wollte nicht schwul sein, aber ich sag dir, spätestens wenn man in einer Ehe mit so einer Hexe ist, wird man freiwillig stockschwul..." Meine Augen weiteten sich noch mehr. „Ich hab es nur ein Jahr mit ihr ausgehalten und die Scheidung eingereicht. Es folgte ein Rosenkrieg und selbst jetzt, nach fast vier Jahren, hab ich mit ihr immer noch Probleme.“ Er seufzte tief und schüttelte den Kopf.

Wie erstarrt musterte ich ihn und musste das erstmal sacken lassen. Er rauchte in Ruhe vor sich hin, sah mich nicht an und ließ mir Zeit, darüber nachzudenken. Langsam atmete ich aus. "Oh... Das klingt furchtbar."

"Es ist sogar schlimmer als nur furchtbar. Ich bin ja der Meinung, dass sie eine Stalkerin ist, aber keiner glaubt mir und ich kann nichts dagegen machen. Wegen der musste ich schon drei Mal umziehen, aber sie schafft es immer wieder, mich aufzuspüren." Ein bitteres Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Man sagt das ja normalerweise den Männern nach. Aber Frauen können genauso sein. Du glaubst gar nicht, was das hier für eine Wonne ist, in Morioka zu sein."

"Weil sie dir nicht hierher folgt?" Wenn ich ehrlich war, war mir doch etwas bange. "Vielleicht steht sie ja aber morgen vor dem Hotel..."

Seufzend nickte er und sah mich an, während er sich eine zweite Zigarette aus meiner Schachtel nahm. "Das fürchte ich auch. Keine Ahnung, wie sie das macht. Zieht mir das Geld aus der Tasche wegen angeblicher ehebedingter Nachteile... Ich darf ihr Unterhalt zahlen, weil sie einfach nichts auf die Reihe bekommt. Und dann rennt sie mir auch noch hinterher.. Entweder will sie mir nur die Hölle heiß machen oder mich zurück haben - oder sie tut so, als wolle sie sich versöhnen und geht mir dadurch auf den Sack, so sehr, dass ich mich aus Verzweiflung noch umbringe - oder sie." Er verdrehte die Augen.

"Tut mir leid", sagte ich nach einer Weile leise. Dann kamen ja noch die Probleme mit seiner neuen Flamme dazu. "Weiß sie denn, dass du auf Männer stehst?"

"Ja...das hat sie ja auch total fuchsig gemacht. Sie denkt vielleicht, ich würde das nur erfinden, um sie loszuwerden. Allerdings hat sie schon mal eine Szene gemacht. Ich hab dir doch von dem Kerl in Tokyo erzählt, den ich mag?" Ich nickte nur. "Eines Tages stand sie vor uns beiden und hat ihn angekeift... Das war peinlich."

Zögerlich hob ich eine Hand und drückte tröstend seine Schulter. "Und das geht nun schon Jahre so?"

Er nickte. "Ich war schon bei der Polizei. Einen Anwalt kann ich mir mittlerweile nicht mehr leisten. Um die Alte loszuwerden, muss ich wahrscheinlich auswandern." Ich schluckte. Dass er diesen Terror überhaupt so lange durchhielt. Er sah mich matt lächelnd an. "Ich denke, wir haben für heute genug über unsere Probleme gesprochen, oder?"

Ich nickte. "Ja, da stimme ich dir zu. Zeit für einen Themenwechsel." Ich sah auf. "Die Sonne geht unter..." Nach vorn blicken, im doppelten Sinn, war wohl erstmal besser.

"Jetzt ist mir nach einem Drink", verkündete Satsuki schmunzelnd, weswegen ich lachte.

"Mir auch."

"Dir doch sowieso immer, oder?"

Ich schnaubte und stieß ihm leicht in die Seite. "Pass bloß auf!" Er grinste nur. Seufzend lehnte ich mich mit dem Kopf an seine Schulter. Für einen Moment hatte ich gezögert, aber ich wollte das jetzt. Und Satsuki beschwerte sich zum Glück auch nicht.

Natürlich war mir bewusst, dass ich nicht der einzige Mensch mit Problemen war. "Weißt du..im Vergleich zu deinen Problemen erscheinen mir meine gar nicht mehr so groß."

"Meinst du?" In seiner Stimme schwang ein leichtes Lächeln mit.

"Mh-hmm...", machte ich nur und schmiegte mich leicht an ihn. Es war der klägliche Versuch, ihn zu trösten. Wenigstens ein bisschen und wenigstens für diesen Moment. Zu meiner Überraschung legte er seine Hand auf meine und drückte sie sanft.

Kurz blickte ich auf unsere Hände, dann hob ich wieder den Kopf und betrachtete stumm den Horizont, wo die Sonne langsam hinter verschwand. Ich blieb an Satsuki gelehnt sitzen und genoss die Ruhe, die uns umgab. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. Gerade fühlte ich mich pudelwohl. Und geborgen. Ein Gefühl, dass ich schon seit Langem vermisste.

Von meiner Nacht mit Ihm

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Von Abschieden und Neuanfängen

Schon seit mehreren Minuten saß ich auf meinem Hotelbett und starrte das Handy in meinen Händen an. Ich hatte den Drang, Karyu auf seine Nachricht zu antworten, aber mir fiel nichts ein. Mein schlechtes Gewissen war in den letzten Tagen nahezu auf das Maximum angewachsen. Ich hatte jede Nacht, wirklich jede, Sex mit Satsuki gehabt. Heißen, versauten Sex, und wenn wir mal zu erschöpft dafür gewesen waren, hatte es immer noch für eine Art Blümchensex gereicht. Tagsüber fand das Seminar statt, dann erledigten wir frühabends die Aufgaben dafür, und als letzte Tat des Tages schliefen wir miteinander. Er hatte so einige Dinge mit mir getan, mit denen ich am Anfang wirklich nicht gerechnet hatte. Ich war hilflos und ausgeliefert gewesen, ein Gefühl, das mir nicht jederzeit behagt hatte. Aber Satsuki hatte mein Vertrauen nicht ausgenutzt. Im Gegenteil, er hatte mir den besten Sex meines Lebens beschert. Jede Nacht hatte ich gedacht, das war der beste, und dann kam die nächste Nacht, in der er mich eines besseren belehrt hatte. Ich würde Satsuki vermissen. Ich würde den Sex vermissen.

Doch es war Zeit, nach Sapporo zurück zu kehren. Die Koffer waren gepackt.

Ich überlegte nun nur noch, was ich Karyu zurück schreiben sollte.

»Wir werden reden. Wenn die Zeit reif ist. Ich vermisse dich auch.«

Mehr schrieb ich nicht. Ich wollte nicht zu viel sagen. Und vor allem wollte ich es nicht zu früh sagen. Dass ich mir überhaupt so viel Zeit gelassen hatte mit einer Reaktion, war bei ihm sicher nicht so gut angekommen. Vermutlich hatte mir der ganze Sex mit Satsuki das Hirn vernebelt. Es war schon schwierig genug gewesen, für die Abschlussprüfung alles auf die Reihe zu bekommen… Aber ich und Satsuki, wir hatten es geschafft und die Weiterbildung erfolgreich hinter uns gebracht. Ich sah das mit einem weinenden und einem lachenden Auge: ich konnte zurück nach Hause, in den Alltag, zu Bekannten. Ich könnte mich tatsächlich wieder mit Karyu treffen. Aber ich würde Satsuki vermissen. Er tat mir wirklich gut und wir hatten eine schöne Zeit gehabt. Wir konnten miteinander lachen. Ich hatte das Gefühl, wir waren auf einer Wellenlänge. Und nun war das vorbei. Diese Auszeit war zu Ende.

Seufzend stand ich auf und griff meinen Koffer, um hinter zu gehen. Satsuki wartete schon auf mich. "Hey..."

"Können wir los?" Er schenkte mir ein hinreißendes Lächeln, woraufhin ich nickte.

"Ja...auf zum Bahnhof."

Die Strecke konnten wir laufen. Das Hotel lag nur wenige Straßen neben dem Hauptbahnhof von Morioka. Dort würden wir uns trennen müssen - unsere Züge fuhren genau in entgegen gesetzte Richtungen. Ich musste hoch in den Norden, er in den Süden.

Ich hätte den Weg lieber in Andacht geschwiegen, aber Satsuki plapperte fröhlich vor sich her, über irgendwas Belangloses. Ihm schien es nichts auszumachen, dass wir uns jetzt voneinander verabschieden mussten. Aber wie ich so darüber nachdachte, kam mir der Verdacht, dass er sich mit seiner Plauderei vielleicht genau davon ablenken wollte - weil es ihm eben doch etwas ausmachte.

Ein tiefes Seufzen entkam seiner Kehle, als wir an dem Gleis stehen blieben, von dem mein Zug abfuhr. Er würde noch zwanzig Minuten warten müssen; ich hingegen nur fünf bis zur Einfahrt. "Tja..." Er wandte sich zu mir. "Das war es dann also." Er rang sich ein wackliges Lächeln ab. "Ich hab dir doch meine Handynummer gegeben." Ich nickte nur. "Ruf mich doch mal an, ja? Ich würde mich freuen."

"Das werde ich tun", versprach ich ihm und erwiderte sein Lächeln leicht. "Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder."

"Das hoffe ich auch", nickte er und umarmte mich. "Wir hatten eine wirklich gute Zeit. Ich hatte Spaß."

"Ich auch..", murmelte ich und sah auf, da der Zug einfuhr.

Satsuki ließ mich los und lächelte schief, tätschelte mir dann die Schulter. "Komm gut nach Hause. Und viel Glück mit deinem Arzt. Ich hoffe, aus euch wird wieder was."

Ich hob eine Schulter. "Ja...mal sehen. Dir auch viel Glück." Ich nahm meinen Koffer in die Hand und trat einen Schritt zurück, während Satsuki mir kurz winkte und mir ein letztes Mal sein hinreißendes Lächeln schenkte. Wehmütig ließ ich meinen Blick ein letztes Mal über ihn gleiten, dann drehte ich mich um und stieg in den Zug. Kurz und schmerzlos. Ohne Abschiedskuss. Aber das wäre vielleicht auch zu viel des Guten gewesen. Wir liebten einander ja nicht.
 

Dennoch vermisste ich ihn jetzt schon. Ihn und den Sex. Hatte ich je mit Karyu so guten gehabt? Ich wusste es nicht einzuschätzen. Wir waren dank seines Berufs und der Arbeitszeiten selten dazu gekommen, und daher hätte mein Gedächtnis die wenigen Male vermutlich gut in Erinnerung behalten müssen - aber das hatte es nicht. Vielleicht weigerte ich mich da aber auch. Weil er wirklich nicht so atemberaubend gewesen war. Allerdings war Sex nicht alles im Leben. Jedenfalls empfand ich das so. Es gab ja Menschen, für die war guter Sex die Basis für eine funktionierende Beziehung... Diese Einstellung fand ich ziemlich traurig, aber mich fragte ja keiner nach meiner Meinung.

Ich suchte meinen Platz im Zug, verstaute den Koffer und setzte mich. Tief durchatmend blickte ich aus dem Fenster. Satsuki war nicht mehr zu sehen. Bestimmt war er zu seinem Gleis gegangen. Der Zug würde sicher in den nächsten Minuten einfahren.

Ein leises Seufzen verließ meine Lippen, als die Waggons sich in Bewegung setzten. Jetzt ging es zurück ins kalte Sapporo. Hoffentlich schien da wenigstens wie hier in Morioka die Sonne...
 

Karyu hatte mir gezeigt, dass man auch gemeinsam einsam sein konnte - trotz Beziehung. Satsuki hatte mir bewusst gemacht, dass komplett allein auch nicht besser war. Es war gut, jemanden um sich zu haben, den man mochte. Aber von dessen Seite musste auch etwas kommen. Es ging nicht, wenn man von demjenigen einfach nichts zurück bekam, so wie es mit Karyu der Fall gewesen war.

Nun hatte ich weder Karyu noch Satsuki. Ich war allein, und das würde mich nur deprimieren. Ich sollte zufrieden sein mit denjenigen, die ich um mich hatte: Tsukasa und vielleicht auch irgendwie Hizumi. Was meinen Chef anging, so musste ich erstmal rausfinden, was in ihm eigentlich vorging. Er war abweisend und distanziert gewesen in den letzten Wochen. Etwas war lange Zeit im Busch gewesen, ich hatte es nur nicht sehen wollen. Und stattdessen verdrängt. Jetzt war es Zeit, dem nachzugehen.

Mit Hizumi hatte ich einfach nicht mehr viel Kontakt gehabt. Es hatte sich, nachdem er bei mir übernachtet hatte, nicht mehr so ergeben. Zwar hatte ich weiterhin ab und an die Bar besucht, aber entweder war er gar nicht da gewesen oder ich hatte eine andere Bedienung bekommen, weil er schon ausgelastet gewesen war. Wahrscheinlich Zufall, und nun würde ich mal zusehen, dass ich den sonst so gesprächsfreudigen Barkeeper genau dazu bekam: dass er mit mir sprach. Im Grunde schien er ja doch ein ganz guter Mensch zu sein. Nicht ganz so nervig und hohl, wie ich zuerst den Eindruck gehabt hatte. Seine Sprüche konnten fies sein, aber häufig trafen sie ins Schwarze: Hizumi schien ein guter Beobachter zu sein.
 

Ich schloss die Augen und versuchte, es mir im Sitz etwas bequem zu machen. Die Zugfahrt würde dauern, dann musste ich auch noch in die Fähre nach Hokkaido umsteigen. Es würde eine anstrengende Reise werden, also sollte ich mich noch ausruhen, solange es ging.
 

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Mit den Unterlagen für einen Kollegen in der Hand stand ich in einem der Gänge des Verlags und starrte zu Tsukasas Büro rüber. Er telefonierte gerade. Ich würde ihn heute noch aufsuchen und mein Zertifikat zur Fortbildung vorlegen müssen. Es war mein erster Arbeitstag nach Morioka. Vorgestern noch hatte ich im Zug nach Sapporo gesessen, dann hatte ich einen Tag frei gehabt - nun befand ich mich wieder im Alltagstrott.

Ich hatte mir ja vorgenommen, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen und die spärlichen Kontakte zu pflegen, die ich besaß. Tsukasa begegnete ich zuerst. Ich wusste nur noch nicht, wie das werden würde.

Ich wandte den Blick ab und suchte das Büro des Kollegen auf, für den ich etwas hatte erarbeiten sollen. Er war nicht da, weswegen ich den Stapel einfach auf seinen Schreibtisch legte. Auf dem Rückweg dann bemerkte ich, dass Tsukasa mit dem Telefonieren fertig war. Meine Chance. Das blöde Zertifikat schleppte ich nämlich sowieso schon die ganze Zeit mit mir herum.

Zögerlich klopfte ich an die Tür, bevor ich sie öffnete. "Tsukasa...?" Nervös nagte ich an meiner Unterlippe. Seit wir uns näher gekommen waren, hatte ich ihn nur geduzt - aber dann war er ja so unerträglich und abweisend geworden, wir hatten kaum miteinander gesprochen. Ich wusste nicht, ob duzen eigentlich noch angebracht war. Aber er fuhr mich nicht an, sondern sah einfach nur auf. "Oh, hallo. Lang nicht mehr gesehen. Wie geht's dir?"

Kaum merklich hob ich eine Augenbraue. Das hatte er mich ja schon viele Wochen nicht mehr gefragt.

"Mir geht's gut...", antwortete ich langsam, während ich eintrat und die Tür hinter mir zumachte. "Ich...wollte dir das hier geben. Das brauchst du doch", fügte ich leise hinzu und legte ihm den Nachweis für die Weiterbildung auf den Schreibtisch.

Neugierig nahm Tsukasa sich das Dokument und überflog es, dann erhellte sich sein Gesicht. "Du hast es geschafft!"

Fragend sah ich ihn an. "Hast du daran gezweifelt?"

Sofort schüttelte er den Kopf. "Aber nein, das habe ich damit nicht sagen wollen. Ich freue mich nur."

"Und erleichtert bist du auch, dass ich den Verlag nicht enttäuscht habe. Die finanzielle Belastung war sicher hoch. Das Hotel allein muss eine ordentliche Stange Geld gekostet haben", erwiderte ich ein wenig kühl, woraufhin er zu mir aufsah und leicht lächelte.

"Ich wusste, dass du uns nicht enttäuschst." Er senkte den Blick und schwieg für einen Moment, während er das Zertifikat auf den Tisch zurück legte. "Wir sollten reden. Hast du heute Abend Zeit?"

Die Anfrage überraschte mich, weswegen ich für einige Sekunden überlegen musste. "Darf ich jetzt ehrlich sein und zu dir als Freund sprechen, oder muss ich mich zusammen nehmen, weil du mein Chef bist?"

Kurz blinzelte Tsukasa mich an, dann machte er eine vage Handbewegung. "Sei bitte ehrlich."

Ich nickte und ließ den Blick schweifen, ordnete meine Gedanken, bevor ich Luft holte. "Also jetzt willst du mit mir reden? Nachdem du mich fast monatelang gemieden hast, wo es nur ging? Das fällt dir früh ein."

Er seufzte und sah mich ernst an. "Ich weiß. Ich weiß, ich hab mich nicht immer korrekt verhalten. Lass mich das erklären. Heute Abend. Oder morgen Abend. Wann du Zeit hast. Dann wirst du hoffentlich auch verstehen, warum ich mit dir erst jetzt rede. Mir tut es leid..."

Ich hob hilflos die Schultern. Mir blieb ja eh nichts anderes übrig, als ihn anzuhören. "Schön, heute Abend. Ich hab nichts vor."

Er nickte und sah erleichtert aus. "Danke."

Ich verließ das Büro ohne ein weiteres Wort. Eigentlich war dieses Gespräch doch genau das, was ich gewollt hatte - nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass es so schnell stattfinden würde, und dass Tsukasa es von sich selbst aus vorschlagen würde. Er hatte es mir dann im Endeffekt doch leicht gemacht.
 

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Nervös tippte ich mit den Fingern auf den schmierigen Holztisch. Hier hatte wohl schon seit längerer Zeit keiner mehr drüber gewischt. Abwesend starrte ich hinüber zur Theke der Bar, wo Tsukasa uns Getränke bestellte.

Gemeinsam, aber schweigend waren wir nach Feierabend zur Bar aufgebrochen. Ich hatte mich unwohl gefühlt und er schien in Gedanken versunken - war er doch aber sonst selten um ein Wort verlegen gewesen. Sicher, warum er nun nichts sagte, war ich mir nicht. Was mich anging, so musste ich aufpassen, was ich sagte - ihm gegenüber konnte ich nicht mehr so offen sein wie früher. Ich hatte eine andere Seite an ihm kennen gelernt. Offenbar war er nicht uneingeschränkt mein Freund, das hatte ich lernen müssen in den letzten Wochen. Ich hatte keine Garantie, dass er nicht plötzlich doch wieder einen Groll gegen mich hegte, und mich am Ende vielleicht sogar feuerte.
 

Ich zog meinen Arm vom Tisch und lehnte mich zurück, als Tsukasa zu mir kam und unsere vollen Biergläser abstellte, wobei einiges vom Bier überschwappte. "Hier, bitte."

"Danke", murmelte ich und zog das Glas näher zu mir. Es war kalt und feucht, an meinen Fingern klebte sogleich etwas von dem Bier.

Er setzte sich mir gegenüber und legte die Hände um sein Glas, schwieg dann kurz. Für ein paar Sekunden beobachtete ich ihn, dann senkte auch ich den Blick und wartete. Ich würde nicht das erste Wort erheben. Er wusste, dass ich eine Erklärung wollte und nun durfte er sich gern die passenden Worte dafür zurecht legen.

Nach einer ganzen Weile hörte ich Tsukasa leise seufzen. "Also..." Er sah auf und suchte meinen Blick. "Ich weiß, ich hab mich die letzten Wochen dir gegenüber nicht korrekt verhalten. Und das ist vermutlich noch untertrieben", fügte er hinzu, als er meinen kritischen Blick auffing. "Du hattest nichts falsch gemacht, daran lag es nicht. Es lag an mir." Er fuhr sich durchs Haar und lehnte sich zurück, sah mich dabei weiterhin an und holte Luft. "Der Verlag hatte einige Probleme. Ist dir das aufgefallen?"

Ich blinzelte und dachte ernsthaft darüber nach. Hatte ich das mitbekommen? Waren Veränderungen spürbar gewesen? "Probleme...? Ich hatte mit dir ein Problem."

"Davon mal abgesehen. Wenn du dich jetzt umschaust im Verlag, empfindest du alles so wie früher?" Aufmerksam blickte er mich an, weswegen ich verwirrt die Stirn runzelte.

Ich senkte nachdenklich den Kopf. "Na ja... Ich hab etwas mehr zu tun, weil zwei Kollegen nicht mehr kommen und ich deren Arbeit teilweise übernehmen muss..." Hilflos sah ich auf und zuckte mit den Schultern. Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte.

Zu meiner Überraschung umspielte ein mattes Lächeln Tsukasas Lippen. "Genau. Es fehlen zwei Kollegen. Sie kommen nicht mehr wieder. Und auch einige andere hat es getroffen."

"Willst du mir sagen, es gab einen Personalabbau, der an mir vorbei gegangen ist?"

"Es passiert immer noch. Jede Woche muss ich einem anderen kündigen", erwiderte er kühl. "Der Verlag hat Verluste gemacht und zusätzlich hatten wir vor einigen Monaten eine Klage am Hals - die haben wir schließlich verloren und mussten zahlen. Ich kam nicht drumrum, eine harte Entscheidung zu fällen - den Verlag zu retten, indem ich einigen Mitarbeitern kündige." Er leckte sich flüchtig über die trockenen Lippen. "Mir wurde von der Personalabteilung eine Liste vorgelegt. Viele Namen standen darauf. Auch deiner." Meine Augen wurden groß, doch ich unterbrach ihn nicht. "Unter keinen Umständen wollte ich dich feuern. Du warst und bist mein Freund, du leistest hervorragende Arbeit. Ich weiß, wie sehr du den Job brauchst. Du musstest viel durchmachen, auch im Privaten - ich wollte nicht schuld sein für deinen nächsten Schicksalsschlag.. Also musste ich mir etwas einfallen lassen. Das hat gedauert. Und der Personalchef saß mir im Nacken. Ich müsse wieder jemanden feuern, wer wäre es denn diesmal, hatte ich dem Mitarbeiter schon gekündigt? Die Liste wurde kleiner...dein Name rückte immer weiter vor."

Langsam hob ich eine Augenbraue. "Und das soll an mir vorbei gegangen sein?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein. Ist es nicht. Du hast mich in der Zeit erlebt. Du hast dich gefragt, was ich für ein Problem hab, oder?" Er betrachtete mich für einen Moment schweigend, dann winkte er ab. Tatsächlich hatte ich damals aber genau das gedacht. "Ich kann das ja verstehen. Ich war unausstehlich, nicht nur zu dir. Ich hab dich den Verlag schon verlassen sehen. An den Gedanken hab ich versucht mich zu gewöhnen, aber gleichzeitig suchte ich nach einer Möglichkeit, dich hier zu behalten. Durch Zufall hab ich die bald frei werdende Stelle des Lektors entdeckt. Der Mann, der das zur Zeit macht, hat aus Gesundheitsgründen gekündigt. Ist auch nicht mehr der Jüngste. Also war deine letzte Chance, dich zum Lektor weiterzubilden, damit du hier im Verlag bleiben kannst."

Für einige Sekunden blieb es still. "Also...das konntest du mir nicht gleich damals sagen?"

Er seufzte leise und wiegte den Kopf hin und her. "Natürlich hatte ich daran gedacht. Daran, dir zu erklären, warum ich dich unbedingt in der Weiterbildung haben wollte. Aber ich wusste nicht, ob du es machen und schaffen würdest. Natürlich hab ich dir das zugetraut!", fügte er hinzu, als er meinen pikierten Blick sah. "Aber man weiß nie. Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. es kann immer irgendwas passieren. Und vielleicht wäre der Druck zu hoch gewesen. Ich wollte warten mit meinen Erklärungen, bis die Sache überstanden ist. Ich wollte nicht, dass du dich -vielleicht unnötig - sorgst. Kannst du das verstehen?"

Für einen Moment hielt ich inne, da ich tatsächlich nicht sofort eine Antwort darauf hatte. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", gab ich schließlich zu. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass er mir verdammt noch mal ans Bein gepisst hatte, und das zu einer Zeit, in der ich wirklich andere Probleme gehabt hatte und nicht auch noch Tsukasas Feindseligkeit hatte gebrauchen können.

Beschwichtigend hob er die Hände. "Okay, also was ich sagen möchte, ist: Es tut mir wirklich leid. Ich entschuldige mich für mein unangemessenes Verhalten. Du kennst jetzt die Gründe dafür. Das wird nicht noch mal passieren."

Ich nickte nur langsam, erwiderte aber nichts. Sicher erwartete er jetzt von mir, dass ich ihm großzügig verzieh. Ich leckte mir kurz über die Lippen. "Okay.. Ich akzeptiere deine Entschuldigung. Aber so einfach vergessen kann ich das nicht", gab ich leise zu. "Wenn du das nächste Mal wieder Leute feuern musst und mein Name erneut auf der Liste steht - fängst du dann wieder an, so unerträglich zu werden?"

Sofort schüttelte Tsukasa den Kopf. "Nein....nein, das verspreche ich. Wenn etwas ist, werde ich es dir gleich sagen, ok? Das willst du doch?" Ich nickte leicht. "Dann machen wir das so. Ich will dich nicht wieder so behandeln und mich danach entschuldigen müssen. Ich war irgendwie...in meiner eigenen Welt gefangen." Er seufzte. "Vorerst ist der Verlag aus dem Gröbsten raus... Ich kann niemanden weiter feuern, dann könnte ich das alles auch gleich alleine machen. Diese verdammte Klage hat uns ins Abseits befördert, aber ich hoffe, dass wir wieder schnell auf die Beine kommen. Vielleicht kann ich wieder jemanden einstellen..", murmelte er und griff nach seinem Glas, um etwas Bier zu trinken.

"Das hoffe ich doch", erwiderte ich und nahm mein Bierglas, von dem ich einen großen Schluck nahm. so langsam begann ich mich wirklich unwohl zu fühlen. Dabei sollte es mir doch eigentlich besser gehen, denn schließlich wusste ich nun, was Tsukasas Problem gewesen war. Wenn ich weiter so darüber nachdachte, sagte mir sein Verhalten, dass er mich immer noch sehr mochte - denn warum sonst hätte ihn mein möglicher Abgang so sehr in Aufregung versetzt? Das war ja schon etwas schmeichelhaft, wenn ich ehrlich war.

Ich warf Tsukasa einen kurzen Blick zu. Er sah müde aus, erschöpft, wie er so in sein Bierglas starrte. Seufzend trank ich von meinem Bier und leckte mir über die feuchten Lippen. "Also, wir haben ja schon eine Weile nicht mehr miteinander gesprochen... Was ist denn sonst noch so passiert?", erkundigte ich mich zum Zeichen des Friedens. Ich meinte, einen Hauch von Überraschung in seinen Gesichtszügen zu sehen, bevor er mich leicht anlächelte.

"Nicht besonders viel. Die Arbeit hat meine Gedanken ziemlich für sich beansprucht. Ich hatte wenig Zeit für andere Dinge." Interessiert sah er mich an. "Wie war es denn in Morioka? Du hast sicher mehr erlebt als ich", meinte er schmunzelnd.

Ein schiefes Lächeln legte sich auf meine Lippen. "Ach...so spannend war es nicht. ...abgesehen von der Weiterbildung natürlich", meinte ich und versuchte ihn nicht anzuzwinkern. Wenn er dadurch das Gefühl bekommen würde, ich hätte mich gelangweilt, tat das unser Arbeitsbeziehung möglicherweise nicht so gut. "Ich hab ja eigentlich den ganzen Tag im Seminar gesessen."

Er nickte nur leicht und sah mich weiterhin an. "Waren da wenigstens nette Leute?"

Ich lächelte verlegen und hob eine Schulter. "Ja...die meisten schienen schon ganz okay zu sein", antwortete ich vage.

Tsukasa betrachtete mich für ein paar Sekunden schweigend, dann schmunzelte er. "Du willst mir nicht erzählen, was passiert ist. Da bin ich selbst schuld...den Freundes-Status hab ich erstmal verloren."

Eher aus Versehen schüttelte ich den Kopf. "Nein...so ist das nicht direkt." Ich schluckte und senkte den Kopf. Es war wohl nicht so schlau, wenn ich ihm von Satsuki erzählte. Daher sollte ich besser schweigen. Es wäre auf mehreren Ebenen unangemessen. "Ich hab mich gut verstanden. Ich war nicht allein", erzählte ich knapp und zuckte mit den Schultern. "Mehr gibt es da nicht zu erzählen."

Sehr lange Tsukasa mich an, dann lag wieder dieses Schmunzeln auf seinen Lippen. "Na gut. Wie du meinst." Er ahnte wohl, dass es da etwas gab, was ich nicht erzählen wollte. Aber er schien nicht zu ahnen, in welche Richtung das Ungesagte ging. Es würde ihm sicher nicht gefallen von Satsuki zu erfahren. Erstens weil er mich ja vielleicht noch so sehr mochte wie vor einigen Monaten. Zweitens war er eben mein Chef...und wie wirkte das, wenn der Angestellte von einer Affäre erzählte, die während der Weiterbildung gehabt hatte? Sicher beeinflusste das unser Arbeitsverhältnis nicht positiv.

Schweigen breitete sich zwischen uns aus und es war nicht unbedingt die angenehme Sorte. In meinem Kopf suchte ich verzweifelt nach einem unverfänglichen Gesprächsthema, aber auf die Schnelle wollte mir partout nichts einfallen.

"Was ist aus deinem Arzt geworden? Ich bin gar nicht mehr dazu gekommen, dich nach ihm zu fragen."

Ich seufzte tief. Von allen Themen fing er ausgerechnet mit ihm an. "Tja das..." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Da kann ich dir nichts zu sagen."

Etwas verwundert blickte er mich an. "Du weißt es nicht?"

Kurz blinzelte ich und hielt für einen Moment inne. wann hatte ich das letzte Mal ein Gespräch mit Tsukasa über Privates gehabt? Ich räusperte mich und lehnte mich zurück. "Wir haben eine Pause eingelegt, vor einiger Zeit schon." Ich hob den Blick und sah meinen Chef an. Ob er jetzt irgendwie Hoffnung für sich selbst sah? "Aber ich hoffe sehr, dass...wir noch mal zusammen kommen."

Langsam waren Tsukasas Augenbrauen in die Höhe gewandert. Sein Blick besagte nichts Gutes. Zumindest empfand ich es so. "Wenn ihr euch schon trennen musstet, dann gab es doch dafür einen triftigen Grund. Du hattest offenbar ziemlich zu leiden, warum willst du ihn zurück?"

Ein müdes Lächeln legte sich auf meine Lippen. Mit so etwas hatte ich irgendwie gerechnet. Sowas musste er ja sagen. Er schien ja noch an mir interessiert zu sein, leider. Mir war das eher unangenehm. Leise seufzend hob ich eine Schulter. "In jeder Beziehung gibt es Probleme. Deswegen muss man nicht gleich das Handtuch werfen", murmelte ich. Ich liebte Karyu immer noch, das war doch das Wichtigste.

"Hmmm..", machte Tsukasa, weswegen ich aufsah. "Ich hoffe, du verrennst dich da nicht in etwas."

"Danke für deine Fürsorge. Ich weiß aber, was ich tue.", murmelte ich und leerte mein Bier. "Ich gehe jetzt besser..."

Langsam nickte er und strich abwesend mit den Fingern über den Tisch. "In Ordnung." Ein leises Seufzen verließ seine Lippen. "Es tut mir wirklich leid. Ich wünschte, ich könnte das zwischen uns ungeschehen machen." Bekümmert sah er mich an. "Du vertraust mir nicht mehr. Falls du das überhaupt je getan hast. Ich bin echt doof..." Er schüttelte leicht den Kopf. "Da hab ich wohl den einzigen Freund vergrault, den hatte..oder hätte haben können."

Ich stand auf und schloss kurz die Augen, dann sah ich ihn milde lächelnd an. "Lass uns demnächst noch mal was trinken gehen, ja?", schlug ich vor, woraufhin er mich kurz fragend ansah, dann schien er den Wink aber zu verstehen und erwiderte mein Lächeln strahlend.

"Okay, sehr gern."

Ich nickte und griff noch nach meiner Geldbörse, aber in dem Moment schüttelte er den Kopf. "Ich übernehme das. Komm du gut nach Hause. Und danke.."

"Ich danke dir", erwiderte ich schief lächelnd, schließlich zahlte er mein Bier, dann winkte ich ihm kurz und verließ die Bar. Draußen war es erstaunlich mild, so konnte ich mir in Ruhe erstmal eine Zigarette anzünden. Gedankenverloren starrte ich in den dunklen Himmel. Keine Sterne, kein Mond. Ich seufzte leise, während ich an der Kippe zog. Im Moment war ich vollkommen verwirrt. Die Erinnerung an Satsuki, die Erlebnisse mit ihm, waren mir noch frisch im Gedächtnis - mir war, als vermisste ich ihn. Oder zumindest die wunderbare Zeit, die wir miteinander verbracht hatten. Dann war da noch Karyu, dem ich ein Treffen versprochen hatte. Aber einen Zeitpunkt hatten wir noch nicht festgelegt. Ich würde sicher noch ein paar Tage brauchen. Ich musste nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit den Gedanken wieder vollständig in Sapporo ankommen. Ich musste Satsuki vergessen, oder zumindest in einen dunklen Bereich meines Hirns verdrängen.

Und in dieser zumindest mental schwierigen Situation kam nun noch Tsukasa dazu und wollte wieder mit mir befreundet sein. Ich war ihm tatsächlich dankbar, dass er sich mit mir ausgesprochen hatte. Und ich wollte ihm gern wieder ein Freund sein, nicht zuletzt weil ich auch wusste, wie traurig und einsam man ohne Freunde war. Aber ich brauchte einfach noch ein paar Tage. Zwar hatte ich den Wunsch gehabt, mich mit ihm wieder gut zu stellen oder zumindest unsere Probleme zu klären, aber dass dann alles so schnell vonstatten gehen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Auf jeden Fall war ich erleichtert. Ich hatte ihn nicht verärgert oder etwas falsches getan. Das Problem hatte ganz allein bei ihm selbst gelegen. Ich konnte ihm verzeihen, dass er ein Arsch gewesen war, solange es nicht wieder passieren würde.

Langsam setzte ich mich in Bewegung und ging in Richtung Bahnstation. Es war Zeit, nach Hause zu kommen und eine Nacht über alles zu schlafen. Ich musste mir auch darüber klar werden, wann ich nun Karyu wieder treffen wollte.

Von Pseudo-Psychotherapeuten, einer verstörend kurzen Nachricht und einem Anruf mit Herzklopfen

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7. Kapitel

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"Na du Idiot. Dich hab ich hier ja schon lange nicht mehr gesehen." Mit einem frechen Grinsen servierte Hizumi mir einen Wodka Tonic, während ich ihn finster ansah. Hätten wir uns nicht privat schon mal getroffen, hätte er sich diese freundliche Bemerkung sicher nicht geleistet. Aber er wusste einfach, dass ich mich nicht bei seinem Chef beschweren würde. Das war mir der Stress nicht wert.

"Ich freu mich auch, dich mal wieder zu sprechen", erwiderte ich und verdrehte die Augen, bevor ich den Blick Tsukasa zuwandte, der erst vor wenigen Sekunden die Bar betreten hatte.

Dieser schmunzelte nur leicht, während auch Hizumi zu ihm sah. "Hi.", begrüßte er ihn ungewohnt freundlich. "Was darf ich bringen?"

"Ein Bier, wie immer. Danke", antwortete Tsukasa, woraufhin Hizumi wieder von dannen zog. Ein wenig verwirrt runzelte ich die Stirn. Zu mir war er blöd wie eh und je, aber bei meinem Chef wurde er vergleichsweise höflich?

"Hast du schon Pläne für deine Urlaubswoche?", riss Tsukasa mich aus meinen Gedanken, woraufhin ich kurz blinzelte, um den Inhalt der Frage zu verarbeiten.

"Ähm... Du meinst die Goldene Woche?" Der Andere nickte. Es war schon Anfang April und in wenigen Wochen würde sich Feiertag an Feiertag reihen - eine Zeit, die viele gern für etwas Urlaub nutzten. "Nein...ich hab nichts vor."

Überrascht blickte er mich an. "Gar nichts? Auch nicht die Familie besuchen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich hab keine mehr." Hatte ich ihm das noch nicht erzählt? Als ich ihn anschaute, wurde mir klar, dass ich es wirklich noch nicht erwähnt hatte. Innerlich seufzte ich. Ich wusste, welche Frage jetzt kam.

"Wie kann man keine Familie mehr haben?"

Wenn man verliert... Aber das dachte ich lieber nur und rang mir ein müdes Lächeln ab. "Meine Eltern sind eben schon tot, ich hab keine Geschwister...und eben sonst niemanden. Alle tot oder nie kennen gelernt oder nie gehabt."

Aus großen Augen sah Tsukasa mich nun an. "Du...sprichst ja recht nüchtern darüber", meinte er schließlich, weswegen ich mit den Schultern zuckte.

"Ich muss eben schon lange genug damit leben und wurde häufig ausgefragt...irgendwann antworte ich eben einfach nur noch darauf, anstatt mich zu zieren..", murmelte ich, verschwieg aber, dass es nie aufhören würde, weh zu tun. Diesen großen Verlust, diese Ungerechtigkeit, steckte man nicht einfach weg, man akzeptierte es nicht. Man musste damit leben, und es schmerzte.

"Oh...tut mir wirklich leid", sagte er leise. "Ich hätte damit nicht anfangen sollen."

Ich winkte ab. "Ich dachte, ich hätte es dir schon mal erzählt."

In diesem Moment kam Hizumi wieder, diesmal mit Tsukasas Bier auf dem Tablett. "Was ist los, Ärger im Paradies?" Verwirrt starrte ich ihn an, während er grinsend das Glas auf den Tisch stellte. "Ich habe eben nur die Entschuldigung gehört."

"Das ist schon mehr, als deine Riesenlauscher mitbekommen sollen. Gibt's hier keine Privatsphäre?"

"Doch natürlich", erwiderte er. "Und ich gehöre zu deiner Privatsphäre."

Nun hob ich eine Augenbraue. Da war mir wohl etwas entgangen. "Ach ja? Seit wann das denn? Hab ich das erlaubt?" Ich bemerkte, wie Tsukasa unsere kleine Kabbelei mit einem amüsierten Schmunzeln verfolgte.

"Ja, seit wir die Nacht zusammen verbracht haben~!" Nicht nur aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Tsukasas Schmunzeln kleiner wurde, ich spürte förmlich, wie seine Augen uns nun eindringlich fixierten.

Seufzend winkte ich ab. "Es war nicht die Nacht, es war der Abend", wollte ich einlenken, doch er unterbrach mich gleich.

"Ich hab bei dir übernachtet..."

"Na und? Davon hab ich nichts mitbekommen, ich war ja im anderen Zimmer", erwiderte ich und sah zu Tsukasa. "Wir haben bei mir einmal was zusammen getrunken..." Ich warf Hizumi einen kurzen Blick zu, der weiterhin an unserem Tisch stehen blieb. "Und das bedeutet jetzt, dass du dich in mein langweiliges Leben einmischen darfst?"

"Das bedeutet, dass wir Freunde sind, du und ich. Und das wiederum bedeutet, dass ich an deinem Leben interessiert bin. Ich mische mich doch nicht ein."

"Neeeein, gar nicht." Ich verdrehte die Augen. "Vielleicht will ich gar nicht, dass wir Freunde sind? Schon mal daran gedacht?"

"Klar willst du das." Ungefragt zog er den freien Stuhl zurück und setzte sich zu uns, weswegen ich Tsukasa einen entschuldigenden Blick zuwarf. Dieser hob nur die Schultern.

Das schlimme war, dass Hizumi ja nicht unrecht hatte. Ich wollte ja wirklich Kontakt zu ihm, auch wenn er nervig und rotzfrech war. Aber ich hatte einfach ein gutes Gefühl. Ich hatte das Gefühl, dass er seine positiven Seiten hatte. Und ich brauchte Freunde, wahre Freunde. Ich konnte mein Leben nicht auf einer einzigen Person aufbauen - an Karyu hatte ich ja gesehen, dass das keine besonders gute Idee war.

Seufzend sah ich den Kleineren an. "Möchtest du mir jetzt deine Vorteile aufzählen?"

Doch er winkte ab. "Die kennst du doch schon."

"Dein freches Mundwerk?"

Hizumi schnaubte, während ich Tsukasa lachen hörte. Verwirrt sah ihn meinen Chef an. "Ihr beiden seid goldig, wirklich. So wie ihr euch neckt, könnte man meinen, ihr würdet euch schon ewig kennen."

Ich atmete aus und setzte zu einer Erwiderung an, doch Hizumi kam mir zuvor. "Schön wärs. Aber vielleicht triff hier eher 'was sich neckt, das liebt sich" zu." Herausfordernd sah er Tsukasa für einen Moment an, dann wandte er sich wieder mir zu. Ich stöhnte nur. "Was? Ich bin besser als dein verrückter Arzt."

"Wieso ist er denn verrückt?"

"Jeder ist besser als dein verrückter Arzt", fuhr Hizumi unbeirrt fort, weswegen ich den Kopf schüttelte.

"Ehrlich, lass es sein. Du hast keine Ahnung. Können wir von was anderem reden?"

Für einen Moment betrachtete Hizumi mich, ohne zu antworten, und sein Blick war gar nicht mehr so frech. "Du solltest dich mal deinen Problemen stellen und mit jemandem ernsthaft reden."

Ich seufzte und rang mir ein müdes Lächeln ab. "Glaub mir, ich stelle mich ihnen."

Tsukasa beugte sich vor, während er Hizumi ansah. "Du solltest Psychotherapeut werden."

Wie es nicht anders zu erwarten war, grinste der Barkeeper ihn an. "Nicht wahr? Du kannst ja gern mal zu einer Sitzung kommen."

Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete ich die beiden, wie sie sich anschmunzelten und ein merkwürdiges Gespräch über Psychologie und Therapiesitzungen führten. Anhand der Art, wie sie darüber sprachen, war mir klar, dass sie noch nie einer beigewohnt hatten. Ich entschied mich, nicht länger zuzuhören und lieber etwas zu trinken. Die beiden kannten sich ja auch schon lange - länger als ich sie. Dennoch hatte ich sie bisher noch nicht besonders oft miteinander sprechen sehen.

Ich klinkte mich aus, fragte mich nur kurz, ob Hizumi nicht eigentlich arbeiten musste, dann nahm ich eher aus Langeweile heraus mein Handy aus der Jackentasche um einen Blick darauf zu werfen.
 

Meine Augen weiteten sich. Eine Nachricht von Karyu. Ein wenig nervös nagte ich an meiner Unterlippe, bevor ich die Message öffnete. Es waren bereits viele Tage, wenn nicht Wochen vergangen, seit ich ihm geantwortet hatte. Und da hatte ich mich schon ziemlich bedeckt gehalten. Wahrscheinlich war er ungeduldig. Oder er teilte mir mit, dass er mich abgeschrieben hatte. Die kleine, fiese Befürchtung machte sich für einen kurzen Moment in meinem Herzen breit, ließ es unangenehm schnell schlagen. Ich machte mir immer gern unnötig Sorgen. Ich schluckte und nahm meinen Mut zusammen, dann las ich die Nachricht. Sie war erstaunlich kurz.
 

»Können wir uns bald sehen?«
 

Verwirrt starrte ich auf das Display, bis es schwarz wurde. Mit gerunzelter Stirn lehnte ich mich zurück. Da war einer aber sehr kurz angebunden. Das war ja ungewöhnlich. Und daher wurde mir etwas flau im Magen. Freundlichkeit sah anders aus. Vielleicht wollte er mir ja persönlich sagen, dass er mich abservierte. Er hatte keine Lust mehr zu warten.

Unruhig nahm ich das Handy und sah auf. Tsukasa und Hizumi waren immer noch in ein unsinniges Gespräch vertieft, weswegen ich nach nach etwas Geld kramte, es auf den Tisch legte und aufstand. "Tut mir leid, ich muss gehen. Wir sehen uns", verabschiedete ich mich mit einem schiefen Lächeln, während sie mich verwirrt ansahen.

"Ähm, tschüss", murmelte Hizumi nur und sah mich fragend an. Ich winkte den beiden nur und verließ die Bar, hörte Tsukasa noch meinen Namen rufen.

Es war schon unhöflich, jetzt einfach zu gehen, denn so war das ja nicht gedacht gewesen. Ich ließ Tsukasa allein, schließlich würde Hizumi sicher nicht den ganzen Abend bei ihm sitzen können. Aber Karyus Nachricht hatte mich verunsichert. Ich zückte wieder mein Handy, sobald die Tür zur Bar ins Schloss gefallen war. Unter einer Laterne am Straßenrand blieb ich stehen und öffnete nochmals die Message.
 

»Können wir uns bald sehen?«
 

Diese fünf Wörter, ohne Emoji, ohne die Frage, wie es mir ging...diese knappe Wortwahl war so ungewöhnlich für ihn, dass ich mich vor dem fürchtete, was er mir zu sagen hatte. Ich war zutiefst verwirrt und schreckte auf, als ich meinen Namen hörte und sich eine Hand auf meine Schulter legte.

Abrupt drehte ich mich um und starrte ins Gesicht meines Chefs. "Was....?"

"Hey, was ist denn los? Du bist kalkweiss im Gesicht."

Seufzend ließ ich mein Handy sinken. "Natürlich bin ich das, du hast mich zu Tode erschreckt."

"Das meine ich weniger. Du hast schon so ausgesehen, als du eben die Bar verlassen hast. Ist was passiert?"

Ich trat einen Schritt zurück und zuckte mit den Schultern. "Ich... Es ist nur.... Es tut mir leid, wirklich. Ich...muss über was nachdenken", murmelte ich und drehte mich beiseite.

Tsukasa stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete mich. "Zero...rede mit mir. Das hilft."

Unsicher warf ich ihm einen Blick zu. Eigentlich konnte ich jetzt einen Freund brauchen. Und genau daran arbeitete ich doch derzeit - dass ich mich mit Tsukasa gut verstand. Und er drängte sich mir ja förmlich auf, also brauchte ich kein schlechtes Gewissen zu haben, dass ich ihn nur langweilen würde.

Zögernd hob ich mein Handy. "Karyu hat sich gemeldet. Willst du es lesen?"

Er hob die Augenbrauen, nickte dann aber und beugte sich vor, um die Nachricht mit konzentriertem Blick zu lesen. Er schien sie zweimal zu lesen, dann verschränkte er die Arme. "Die ist aber kurz", lautete sein Kommentar, weswegen ich nickte.

"Genau, das sehe ich auch so. Die ist so...lieblos... Ich frage mich, warum. Es ist untypisch für ihn."

"Was hattest du ihm denn geschrieben?", erkundigte er sich und zog mich über die Straße. Wir gingen Richtung Verlag, der ja nur zwei Minuten von der Bar entfernt war.

"Ich hatte ihm vor 2 oder 3 Wochen geschrieben, dass wir später reden würden... Ich hab nicht definiert, wann "später" ist..." Dann war Stille, und jetzt das."

Er nickte und betrat mit mir das Foyer des Verlags. Dort konnten wir uns setzen. Eigentlich war es der Wartebereich für Kunden, Gäste und andere Leute, die mit einem Mitarbeiter des Verlags ein Gespräch suchten. "Hmm...wahrscheinlich möchte er, dass ihr endlich eure Unterhaltung führt, oder nicht?"

"Ja, vermutlich, aber mir gefällt der Ton nicht...", gab ich leise zu. "Außerdem weiß er, dass ich Zeit brauche. Er kann doch jetzt nichts erzwingen..." Ich machte eine kurze Pause. "Ich glaube, er will mich endgültig abservieren."

"Frag ihn das direkt, bevor du dich verrückt machst. Dass er das warten leid ist, muss nichts Schlimmes bedeuten."

"Doch...wenn er mich zwingt, zu einer Entscheidung zu kommen, dann...ist das für mich der Grund, die Beziehung mit ihm zu beenden. Er muss mir die Zeit geben, die ich brauche. Es ist einfach alles schief gelaufen und es braucht Zeit, etwas zu verändern, gerade in seinem Job, der ja immer das Problem war." Ich seufzte und fuhr mit der Hand über mein Gesicht. Es war spät und ich hatte getrunken. Ich wollte nur noch schlafen. Ich wollte nicht über Karyu nachdenken, das gab nur Kopfschmerzen, aber ich hatte Angst. Ich wollte ihn nicht verlieren.

Tsukasas Hand legte sich auf meinen Oberschenkel, weswegen ich aufsah. "Ruf ihn an oder schreib ihm zurück, aber frag ihn, was los ist. Du solltest dir jetzt nicht den Kopf zerbrechen, denn vielleicht machst du das unnötig."

"Ich weiß ja nicht...", murmelte ich und sah wieder auf das Handy, dass ich immer noch in der Hand hielt. "Was soll ich denn sagen? Hey, deine Nachricht war so kurz, ich mache mir Sorgen. Willst du Schluss machen, dann raus damit."

"Ja", erwiderte Tsukasa trocken und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Genau das sagst du. Ist doch direkt. Na los. Ruf an."

"Bestimmt geht er eh nicht ran..."

"Versuch es zumindest. Wenn es nicht klappt, schreib ihm. Auf jeden Fall sieht er, dass es dir wichtig ist."

Ich tauschte einen kurzen Blick mit ihm, dann wählte ich seufzend Karyus Nummer. Ich war mir eh sicher, dass er nicht abnahm. Dennoch klopfte mein Herz unangenehm schnell. Wann hatte ich zuletzt seine Stimme gehört? Es schienen Jahre vergangen zu sein.
 

Es tutete eine ganze Weile, und gerade als ich die Hoffnung aufgab und überlegte, ob ich nicht besser auflegte, meldete Karyu sich. "Ja? Zero, bist du das?"

Verständnislos stockte ich für einen Moment. "Ja, ich bin's...warum sollte ich es nicht sein? Hast du schon meine Nummer gelöscht?" Warum sonst sollte er mir so eine Frage stellen? Wäre meine Nummer gelöscht, würde mein Name nicht mehr auf seinem Display erscheinen und er wusste nicht mit Sicherheit, wer ihn da anrief. Mir rutschte das Herz in die Hose.

"Nein", antwortete er mir überrascht. "Wieso sollte ich deine Nummer löschen?"

Ich verdrehte die Augen und sah kurz zu Tsukasa, der mir aufmunternd zunickte. Ich würde jetzt nicht auf seine Frage antworten, sondern mich dem Grund widmen, aus dem ich anrief. "Schon gut. Hör mal, ich hab deine Nachricht eben gelesen und..." Ich zögerte und kratzte mich am Kopf. Es war mir unangenehm, so direkt zu sein und mir die Blöße zu geben, ihm meine Angst zu eröffnen. "Also, worum geht's denn...?", formulierte ich es dann schließlich um. Vielleicht kam ihm die Frage etwas blöd vor, vielleicht war es für ihn offensichtlich, worum es ging. Aber mir war es nicht klar.

Es verstrichen einige Sekunden, bis er mir antwortete. "Mhh...ich will einfach mit dir reden. Das letzte Mal ist schon lange her. Und..ich möchte dir was erzählen. Okay?"

Nachdenklich und mit gerunzelter Stirn knabberte ich an meiner Unterlippe. Er wollte mit mir reden, mir was erzählen...beantwortete das meine Frage? "Ist es was Schlimmes?", hörte ich mich schließlich fragen, woraufhin ich einen belustigten Laut von ihm hörte.

"Nein...nein, ich denke nicht, dass es was Schlimmes ist. Hättest du denn bald mal Zeit?"

"Vermutlich eher als du", erwiderte ich trocken, wenn auch beruhigt, dass er scheinbar gute Nachrichten hatte und sich wohl doch nicht von mir trennen wollte. "Das Wochenende über hätte ich Zeit. Am Samstag aber erst abends", antwortete ich schließlich.

"Gut, dann sehen wir uns Samstag. In Ordnung?"

"Ja, okay.... In der Klinik?"

"Nein. Ich hab am Samstag frei."

"Ach so..." Kurz überlegte ich, ob ich ihn zu mir einladen sollte, aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich bei dem Gedanken nicht allzu wohl. "Vielleicht sollten wir was trinken gehen...", murmelte ich dann. Das lockerte möglicherweise die Stimmung etwas auf.

"Können wir machen. Hast du deinen Vorschlag?", erkundigte er sich, woraufhin ich die Schultern zuckte.

"Komm einfach zum Verlag. Wir gehen dann in die Bar um die Ecke." Ich wollte gar nicht wissen, was Hizumi für Sprüche raushauen würde. Aber vielleicht würde er auch gar keinen Dienst haben. "18 Uhr? Da hab ich Feierabend."

"Okay, gern. ...danke", sagte er leise, woraufhin ich nickte.

"Kein Problem..."

Ein paar Sekunden herrschte Schweigen, dann meldete er sich nochmals zu Wort. "Alles okay bei dir? Du klingst so...niedergeschlagen."

Tat ich das? Eigentlich war ich eher erleichtert, dass er nicht Schluss machen wollte. "Nein, es ist alles gut", beruhigte ich ihn und sah kurz zu Tsukasa. "Lass uns am Samstag weiter reden, ja?"

"Gut, bis dann."

Kurz schien er zu zögern, dann hörte ich noch ein "Ich freu mich drauf" von ihm, bevor die Verbindung unterbrochen wurde. Das war der Moment, in dem ich endlich sicher war, dass es ein positives Gespräch werden sollte und ich vermutlich nichts zu befürchten hatte. Es zauberte ein leichtes Lächeln auf meine Lippen.
 

"Und? War es so furchtbar? Deinem Gesicht nach zu urteilen nicht", meinte Tsukasa schmunzelnd und sah mich neugierig an, während ich das Smartphone in meine Jackentasche steckte.

Verlegen lächelte ich ihn an und hob die Schultern. "War okay", erwiderte ich nur und atmete erstmal erleichtert aus. Mein Herz beruhigte sich langsam wieder.

"Schön, na siehst du." Er klopfte mir auf die Schulter. "Ich drück dir die Daumen, dass ihr alles klären könnt."

"Danke", murmelte ich und blickte zu ihm. "Ich glaube...ich werde jetzt ins Bett gehen."

Lachend nickte Tsukasa und stand auf. "Gut, tu das. Wir sehen uns morgen im Büro. Komm gut nach Hause, ja?"

Ich erhob mich ebenfalls. "Mach ich. Pass auf dich auf. Bis morgen." Kurz und knapp verabschiedete ich mich von ihm und trat den Weg nach Hause an.

Am Samstag würde ich Karyu treffen - das war bereits in zwei Tagen. Was wollte er mir erzählen? Und was würde er von mir hören wollen? Was waren seine Erwartungen? Dass ich mich sofort in seine Arme warf und alles vergaß, was passiert war? War ich schon soweit? Ich wusste es selbst nicht. Aber da ich das vage Gefühl hatte, dass es nun doch etwas schnell ging, war es vielleicht noch zu früh, um die Beziehung weiter zu führen.

Von rotzfrechen Barkeepern, neuen sowie verlockenden Aussichten und von keinem Ende der Pause

Nervös starrte ich abwechselnd aus dem Fenster, dann auf den Monitor des PCs. Es war später Nachmittag und ich saß auf der Arbeit. Samstags war ich selten im Büro, aber heute war eben einer dieser raren Tage. Bisher hatten mich meine Aufgaben gut von dem Gedanken an die Verabredung mit Karyu abgelenkt, aber jetzt, wo es nur noch eine halbe Stunde hin war, konnte ich mich einfach nicht mehr konzentrieren.

Ich hoffte sehr, dass unser Gespräch nicht in einen Streit oder in Enttäuschung münden würde. Ich brauchte endlich eine positive Entwicklung, was unser Verhältnis anging. Immer mehr vermisste ich Karyu. Ich brauchte ihn zurück. Man hätte meinen müssen, dass ich mich an seine Abwesenheit gewöhnt hätte, wo ich ihn doch schon seit mehreren Monaten selten sah, ganz abgesehen von unserem Beziehungsstatus. Aber so einfach war das eben nicht.
 

Seufzend fuhr ich den PC schließlich runter und stand auf. Es waren nur wenige Kollegen im Verlag, aber ich würde schon jemanden zum belanglosen Plaudern finden. Arbeiten konnte ich jedenfalls nicht mehr, in die Bar gehen war noch nicht möglich - ich musste bis Punkt 18 Uhr hier bleiben und konnte mich erst dann austragen lassen, andernfalls würde ich nicht auf meine Stunden für diesen Monat kommen. Ich beschloss, einfach im Foyer abzuwarten und mit jemandem zu reden, um mir die Zeit zu vertreiben. Ein paar Kollegen kannte ich ja mittlerweile schon und für ein wenig Smalltalk konnte ich sie gut genug leiden.

Meinen Arbeitsplatz halbwegs aufgeräumt zurück lassend, hängte ich mir meine Tasche um und ging an Tsukasas Büro vorbei. Er war schon seit dem frühen Morgen hier gewesen und hatte sich einen früheren Feierabend als unter der Woche gegönnt. Ich fragte mich, ob ich ihn nachher in der Bar antreffen würde. Das vage Gefühl hatte ich nämlich schon. Er wusste, dass ich da abends mit Karyu aufkreuzen würde. Und wenn er etwas neugierig war, würde er das Ganze beobachten. Das war nun wirklich nicht das, was ich wollte, weswegen ich mir innerlich gegen die Stirn schlug. Denn es war ja wirklich eine blöde Idee gewesen, Karyu ausgerechnet in diese Bar zu zitieren. Vielleicht war es besser, in eine andere zu gehen, die Frage war nur: wo war eine andere? Ich wollte ja keine halbe Stunde suchen gehen...
 

Im Erdgeschoss suchte ich die Empfangsdame im Foyer auf und zückte mein Handy, da sie gerade nicht da war. Ich hatte nichts besseres zu tun und warf einen Blick auf das Gerät, fast schon mit der Befürchtung, dass Karyu mir eine Nachricht geschickt hatte, um abzusagen. Aber nichts war eingegangen. Erleichtert wandte ich mich anderen Apps zu, checkte Nachrichten und Wetter, dann steckte ich das Handy in die Jackentasche und starrte zur Fensterfront hinaus. Ich hatte noch fünfzehn Minuten Zeit, aber bevor ich mich langweilen und verzweifeln konnte, ließ Maaya sich endlich wieder am Empfang blicken. Sie war eine gutherzige Person und redete für ihr Leben gern - praktisch, wenn man viel Zeit totzuschlagen hatte, aber meistens ging es mir eher auf die Nerven. Dafür konnte sie ja aber nichts, also blieb ich immer höflich. Und in Momenten wie diesen war es ja doch etwas positives, diese Eigenschaft von ihr. Wollte man mit jemandem reden, ging man zu Maaya.
 

"Hallo junger Mann", begrüßte sie mich schmunzelnd und stützte sich auf dem Tresen ab. "Machst du Schluss für heute?"

Ich nickte. "Ganz genau, heute mache ich nicht so lange. Kannst du auch bald Feierabend machen?"

Sie zuckte mit den Schultern. "Bis 20 Uhr muss ich noch."

Mitfühlend sah ich sie an. "Oh..."

"Ach, was soll's. Ich hab eh nichts vor am Wochenende. Was ist mit dir?"

"Ich bin jetzt verabredet...gehe was trinken."

Sie lächelte mich an. "Das ist schön. Ein richtiger Feierabend! Das erinnert mich daran...." Maaya holte aus und erzählte von irgendeiner Verabredung vor zwei Monaten. Ich hörte nur halb zu, nickte immer mal wieder, ohne die Uhr aus den Augen zu lassen. Ich wollte ja nicht zu spät kommen und es wurde so schon knapp.

Als es schließlich kurz vor sechs war, unterbrach ich Maaya einfach und verabschiedete mich. Sie winkte mir strahlend hinterher, während ich kurz um die Ecke verschwand, mein Ticket in den Automaten schob und die Zeit abstempeln ließ, zu der ich den Verlag nun verließ.
 

Punkt 18 Uhr stand ich vor dem Gebäude und sah mich nach Karyu um. Er war nirgends zu sehen. Auf meinem Handy war aber keine Nachricht eingetroffen, daher ging ich davon aus, dass er sicher in den nächsten fünf Minuten auftauchen wurde.

Um die Zeit mehr oder weniger sinnvoll zu nutzen, steckte ich mir eine Zigarette an. Ich war selten so nervös gewesen, wenn es um Karyu ging. Aber ich hatte ihn ja nun schon einige Wochen nicht mehr gesehen. Und plötzlich fragte ich mich, wie wir uns wohl begrüßen würden. Normalerweise wäre es ein Kuss gewesen, aber jetzt, wo wir in einer Pause waren, kam mir das falsch vor. Kam stattdessen eine Umarmung infrage? Gar nichts zu tun empfand ich nämlich auch als merkwürdig. Er sollte ja nicht denken, dass ich ihn nicht mehr liebte. So war es ja nicht. Ich war nur nicht mehr glücklich.

Abwesend ließ ich meinen Blick die Straße entlang schweifen. Es waren nicht viele Autos unterwegs, dafür umso mehr Menschen, wahrscheinlich auf der Suche nach Restaurants und Clubs.
 

Karyu fiel mir gleich auf, als er um die Ecke bog und auf mich zukam. Große Personen stachen mir immer gleich ins Auge, weil ich meistens Karyu vermutete. So viele gab es ja eben auch nicht in unserem Land. Nervös nahm ich einen tiefen Zug von der Zigarette, bevor ich diese sinken ließ und mich straffte. Mit einem wackligen Lächeln auf den Lippen sah ich ihm entgegen, im Hinterkopf immer noch die Frage, wie ich ihn denn nun begrüßen sollte. "Hallo", sagte ich mit leicht belegter Stimme, freute mich aber sehr, ihn zu sehen.

"Hey!" Er strahlte mich schon so an, und dann nahm er mir die Entscheidung ab, was ich als nächstes tun sollte, indem er mich fest in die Arme schloss. Etwas überrumpelt erwiderte ich die Umarmung ließ mir einen Kuss auf die Wange drücken. "Tut mir leid, dass ich etwas zu spät bin. Ich hab nicht gleich auf Anhieb her gefunden...", gab er leise zu und lächelte mich schief an.

"Du hast dich verlaufen?", hakte ich nach, woraufhin er widerwillig nickte. Ich hingegen musste leicht schmunzeln, aber nur für ein, zwei Sekunden, bis mir klar wurde, dass es eher traurig als lustig war. Denn ich hingegen wusste ja ganz genau, wo sich sein Arbeitsplatz befand. Ich hatte ihn da ja oft genug aufgesucht, er hingegen war vielleicht, zwei, drei Mal bisher im Verlag gewesen.

Seufzend winkte ich ab. "Komm, lass uns los. Ist doch etwas kalt auf Dauer.."

"Klar." Er lief neben mir her. "Es war nicht weit, oder?"

"Nur zwei Straßen weiter. Fast um die Ecke", antwortete ich, während ich die Zigarette fallen ließ. Gerade hatte ich das Gefühl, eine ganze Schachtel rauchen zu können. Wann hatte ich mich das letzte Mal so befangen gefühlt in Karyus Nähe? Spontan konnte ich mich nicht entsinnen.

Er schien die Stimmung zu bemerken und versuchte nicht, sie auf Teufel komm raus zu lockern, wofür ich ihm recht dankbar war. Manch einer hätte genau das getan, im Glauben, mich ablenken und aufmuntern zu können, aber dann war mir einfach nicht danach, zu reden. Karyu wusste das. Er hatte es nicht vergessen. Manchmal ließ man mich besser in Ruhe oder gönnte mir einige Minuten voller Schweigen. Momentan wollte ich unseren Status klären, mir anhören, was er zu sagen hörte - mehr nicht. Und das sollte nicht mitten auf der Straße im Kalten, sondern in einer warmen Lokalität geschehen, diesmal eben in der Bar. In aller Ruhe, nicht zwischen Tür und Angel. Dafür nahm ich die zwei Minuten Schweigen in Kauf. Dennoch war ich ein bisschen erleichtert, als ich die Bar betrat. Ich befand mich in bekannten Gewässern, sah schon Tsukasa und andere Kollegen an der Theke sitzen, sowie Hizumi dahinter herum wuseln. Alles war wie immer. Nur hatte ich Karyu im Schlepptau. Aber jetzt hatte ich was zu tun - Getränke bestellen, einen Platz suchen. Und dann konnte ich mich schon ganz und gar Karyu widmen.

Mit neuer Sicherheit durchquerte ich die Bar, hörte Karyus Schritte hinter mir, während ich nach einem freien Platz möglichst weit weg vom Tresen suchte - schließlich wollte ich nicht, dass der halbe Verlag meinem privaten Gespräch lauschte.
 

"Hey, welch edler Besuch in unserer bescheidenen Hütte." Ich blieb abrupt stehen und starrte zum Tresen. Natürlich musste Hizumi mich ansprechen. Grinsend winkte er uns näher. Ich ließ den Kopf hängen, sah kurz zu Karyu, der mich neugierig anlächelte und dann zu Hizumi sah. Seufzend trat ich an den Tresen, natürlich zwischen meinen Kollegen, Karyu neben mir. Und den sahen alle interessiert an. "Ist das der berühmte Arzt?", fragte Hizumi sogleich breit grinsend und wusste somit die Antwort wohl schon. Sicher hatte Tsukasa ihm schon alles gesteckt.

Karyu zog die Augenbrauen in die Höhe. "Berühmter Arzt?" Verwundert sah er in die neugierige Runde, während ich rot anlief.

"Ja..ich hab dich vielleicht mal erwähnt", murmelte ich ihm zugewandt, aber da wir alle dicht beieinander standen und saßen, hörte das jeder in der Runde.

Tsukasa schnaubte und grinste mich an. "Ja...vielleicht", wiederholte er langgezogen und wissend. Natürlich hatte ich Karyu erwähnt, und das häufiger - auch wenn das eher an Hizumis ständiger Nachfragerei gelegen hatte. Ich verdrehte die Augen und wollte Hizumi einfach meine Bestellung entgegen werfen, aber der sah weiterhin vollkommen gebannt meinen Freund an. Denn so wirklich ein Ex war er ja nicht.

"Schön, dich endlich mal kennen zu lernen. Man hört ja so viel von dir, aber wie du so aussiehst, wussten wir nicht.", meinte der Barkeeper und ich ahnte, dass ich aus dem Augen verdrehen so schnell nicht mehr rauskommen würde. "Du siehst in natura ja hübscher aus, als ich vermutet hatte. Unser Zero hat ja doch Geschmack...so was das Äußere angeht."

Während Karyus Augen immer größer wurden und seine Verwirrung vermutlich zunahm, seinem Blick nach zu urteilen, wurden meine Augen hingegen schmaler und ich bedachte Hizumi mit einem finsteren Blinzeln. "Hizumi, musst du nicht arbeiten?", fuhr ich dazwischen. "Kannst du uns zwei Bier bringen? Wir setzen uns da hinten hin."

"Oh, ihr könnt ruhig hier bleiben..die Jungs machen bestimmt Platz." Hizumi grinste schon wieder so frech. "Wir würden doch gern an eurem Aufklärungsgespräch teilhaben. Ich steh gern mit Rat zur Seite."

Nun machte Karyu schon den Mund auf, doch ich fuhr mit einem Stöhnen dazwischen. "Halt die Klappe, Hizumi. Du bist alles andere als hilfreich. Du machst dich nützlich, wenn du uns Bier bringst."

Tsukasa schmunzelte nur und sah uns hinterher, als ich einen anderen Platz ansteuerte. Ich hörte noch, wie Karyu kurz stehen blieb und einen meiner Kollegen fragte, ob der immer so sei - vermutlich meinte er den Barkeeper. Die ganze Runde jedenfalls bejahte die Frage johlend.
 

Seufzend setzte ich mich und atmete tief ein und aus. Dieser Zwerg brachte mich schon wieder auf die Palme. Was bezweckte er damit? Stellte er mich einfach nur gern bloß? Freche Sprüche war ich ja gewohnt, aber gerade waren sie absolut unhilfreich und peinlich - peinlich für mich. Karyu musste ja denken, dass ich jedem von unseren Beziehungsproblemen erzählte...

Dieser setzte sich mir schließlich gegenüber. Er schien immer noch etwas verwirrt zu sein. "Tut mir leid", sagte ich reumütig und kratzte mich am Kopf. "Hizumi ist etwas speziell. Und er mischt sich gern in das Leben Anderer ein. Hör einfach nicht zu, wenn er was sagt."

Karyu bedachte mich mit einem schiefen Lächeln, nickte dann aber. "Gut, du kennst ihn ja besser als ich. Mir scheint, ich habe in deinem Leben einiges verpasst. Langweilig wird einem hier sicher nicht."

"Definitiv nicht", stimmte ich ihm seufzend zu und sah dann schon Hizumi mit einem Tablett ankommen.

Geübt stellte er die Biergläser vor uns auf den Tisch und strahlte uns an. "Na, habt ihr euch wieder vertragen?"

Finster starrte ich Hizumi an. Klasse, Karyu musste nun wirklich glauben, dass ich allen Leuten, die es hören wollten, von jedem Detail unserer kaputten Beziehung berichtet hatte. „Alles in Ordnung, mein Lieber. Sofern du dich jetzt wieder verziehst. Lass uns in Ruhe“, murrte ich, wovon er sich natürlich herzlich wenig beeindrucken ließ. Er kannte ja meine schroffe Art ihm gegenüber.

„Na du weißt ja, ich bin unter die Therapeuten gegangen“, erwiderte er grinsend. „Wenn du also wieder meine Hilfe brauchst, ich bin immer für dich da!“ Das klang jetzt schon fast gesäuselt und am liebsten hätte ich ihn für seine Worte erschlagen. Aber bevor das möglich war, zog er endlich ab.

Karyu hatte zum heute bestimmt 100. Mal die Augenbraue erhoben und sah mich fragend an. „Ist das einer deiner Freunde?“

Ich seufzte tief und machte eine vage Handgeste. „Ja...irgendwie schon. Auch wenn er rotzfrech ist.“

Nachdenklich wirkend beugte er sich vor und stützte das Kinn auf die Handfläche. „Du hast ihm wohl viel erzählt.“

„Nein“, widersprach ich sofort, vielleicht eine Spur zu schnell. Genervt atmete ich aus. „Na ja...er hat ewig rumgebohrt, da hab ich möglicherweise mal was erwähnt. Und wahrscheinlich hat Tsukasa ihm den Rest erzählt.“ Ich zuckte mit den Schultern und wurde mir dann des Fehlers bewusst.

Karyu starrte mich merkwürdig an. „Tsukasa...dein Chef? Hast du dem auch dein Herz ausgeschüttet?“ Glücklich wirkte er nicht, was ich auch nachvollziehen konnte: schließlich hatten wir beide ja noch im Kopf, dass ich mit meinem Chef beinahe mal eine Nacht verbracht hätte. Aber Tsukasa war so schlau gewesen und hatte es rechtzeitig abgebrochen. Ich wäre dazu wohl nicht mehr in der Lage gewesen.

„Uhm....“, machte ich wenig intelligent und schluckte unauffällig. "Tsukasa ist auch mein Freund. Aber da läuft nichts und es lief auch nie was. Okay? Das damals war...das war eben einfach nur dumm. Aber es ist ja nichts passiert und das bleibt auch so. Ich such mir doch jetzt keine neuen Freunde", murmelte ich und spann den Satz in Gedanken weiter: nur damit du dich besser fühlst und nicht so eifersüchtig sein musst.

Doch Karyu winkte sowieso ab. "Ist schon gut." Er trank von seinem Bier und sah mich wieder ganz entspannt an. "Es ist schön, dich endlich wiederzusehen. Wann war das letzte Mal?"

Kurz dachte ich nach, konnte mich aber nicht des genauen Datums entsinnen. "Ich weiß nicht...lange."

"Ja, zu lange", stimmte er mir seufzend zu. Es waren viele Wochen, wenn nicht bereits Monate vergangen. Kein halbes Jahr, aber es fühlte sich fast so an.
 

"Also, du wolltest mir was erzählen?" Erstmal fand ich es besser, mir das anzuhören, bevor wir über irgendwas anderes sprachen. Nicht, dass er die Neuigkeiten toll fand, ich das aber ganz anders bewertete.

Kaum hatte ich die Frage gestellt, strahlte Karyu mich schon zufrieden an und nickte. "Ja! Ich hatte mich schon vor einiger Zeit entschieden, mir einen anderen Job zu suchen." An diesem Punkt zog ich bereits eine Augenbraue in die Höhe. "Ich will weg vom Krankenhaus." Verständnislos erwiderte ich seinen Blick. "Ich hab mich für andere Stellen beworben und hatte bereits Vorstellungsgespräche." Er grinste stolz. "Und was soll ich sagen, ich hab eine neue Stelle! In knapp zwei Monaten bin ich aus dem Krankenhaus raus und arbeite in einer Praxis für Allgemeinmedizin. Weißt du, was das bedeutet?"

Ich öffnete verwirrt den Mund und runzelte die Stirn. "Warte mal, Moment. So ganz komme ich nicht mit. Wieso verlässt du das Krankenhaus? Willst du jetzt Hausarzt werden? Freiwillig? Das gibt einem doch sicher nicht gerade den Kick..."

Zu meinem Erstaunen winkte er ab. "Na ja, Operationen wird man wohl kaum durchführen, aber ich hab nie gesagt, dass ich das überhaupt will." Er lächelte milde.

"Aha...", machte ich nur verständnislos und starrte ihn weiterhin an. Wieso hatte er den ganzen Mist im Krankenhaus dann auf sich genommen? Hätte er nicht einfach bei seiner Ausbildung bleiben können, wenn am Ende doch in irgendeiner Hausarztpraxis landete? Oder war ich da zu hart?

"Ich dachte wirklich, es wäre toll, ein Chirurg zu werden...", fuhr er fort und sah abwesend an mir vorbei. "Daran hatte ich früher höchstens im Traum gedacht. Als ich die Ausbildung anfing, war mir klar, dass Krankenpfleger mir nicht genug ist. Ich wollte mehr, ich wollte ein richtiger Arzt werden. Und dann...Jeder um mich herum wollte Chirurg werden. Sie nannten es immer "die Königsdisziplin". Und je mehr ich mich mit den Kollegen unterhielt, umso mehr fand auch es spannend und sah es als das höchste Ziel an." Er seufzte. "Am Anfang war es auch fantastisch. Aber dann wurden mir nach und nach verschiedene Dinge klar. Manche Erleuchtungen kamen plötzlich und schmerzhaft." Seine Lippen umspielte ein bitteres Lächeln. Er sah auf einmal so verloren und traurig aus, dass ich nicht wagte, ihn zu unterbrechen. Ich musste das, was er erklärte, verstehen. Ich musste IHN verstehen. Vielleicht würde mir das helfen. Und unserer Beziehung. "Als erstes musste ich lernen, dass ich nicht jeden Menschen retten kann." Er schnaubte leise und lächelte mich süffisant an, doch in seinen Augen bemerkte ich den Schmerz, den die Erinnerungen in ihm auslösten. "Natürlich war mir das ja von Anfang an klar. Irgendjemand stirbt immer. Aber in der Ausbildung waren nicht wir verantwortlich. Als Arzt und vor allem als Chirurg bist aber so gut wie immer du schuld. Du schwingst ein Skalpell und dann...stirbt dir jemand unter ihm weg. Eine Mutter, ein Kind, ein Lehrer, ein Bauarbeiter, eine junge Verkäuferin aus dem Konbini nebenan..." Er seufzte schwer. "Jeder Mensch ist jemand, jeder hat Familie und Freunde...jeder hat seine Geschichte. Als Chirurg muss man sich davon distanzieren, aber das konnte und kann ich nicht besonders gut. Das war schon in der Ausbildung so, dass ich den Kontakt eher gesucht habe... So bin ich eben." Er strich durchs Haar und ich musste leicht schmunzeln. Ja, er war der kontaktfreudige Mensch - so hatten wir uns ja überhaupt erst kennen gelernt. "Du hast mich ja erlebt, wenn es große Probleme gab. Ich dachte, ich würde mich daran gewöhnen, dass es auch hart sein kann. Sehr hart. Aber das ist nicht passiert. Mit der Zeit hab ich auch gemerkt, dass die Chirurgie nun wirklich nicht die Königsdisziplin ist. Jedenfalls nicht für mich. Bevor man jemanden aufschneiden kann, muss man erstmal genau wissen, woran er leidet. In den letzten Monaten hat es mich immer mehr zur Inneren Medizin gezogen. Daher die Idee, in einer Allgemeinpraxis oder sozu arbeiten", erklärte er mir und sah mich an. "Und während all der Zeit, die ich im Krankenhaus gearbeitet habe, haben wir beide uns immer weiter voneinander entfernt..." Er fuhr sich mit der Hand kurz über das Gesicht. "Ich war beschäftigt mit meiner Zukunft, mit dem, was ich wollte... Selbstfindungsphase quasi, dabei bin ich aus dem Alter raus."

Ich musste schief grinsen. "Vielleicht steckst du aber auch in der Midlife-Crisis...", gab ich zu bedenken, woraufhin er leise lachte und ergeben nickte.

"Ja, möglicherweise ist es auch das." Ein erneutes Seufzend verließ seine Lippen, während er mich mit einem melancholischen Blick ansah. "Zero, ich vermisse dich so sehr. Und ich hab dir versprochen, etwas zu ändern. Es hat sehr lang gedauert, bis ich dieses Versprechen einlösen konnte, und das tut mir leid. Im Grunde bin ich ja auch immer noch dabei, alles besser zu machen." Er fuhr sich durchs Haar und wirkte wieder etwas abwesend, wie er so auf den Tisch starrte. "Ich weiß, dass ich lange gebraucht habe, um den richtigen Weg für mich zu finden. Ich war total mit mir selbst beschäftigt und hatte kaum ein Ohr für dich. Dabei wollte ich dich nicht vernachlässigen...Das war nicht meine Absicht. Aber ich hab so tief in der ganzen Sache drin gesteckt..." Karyu ließ die Schultern hängen und vergrub das Gesicht in einer Hand. Es schien ihm aufrichtig leid zu tun.

Ich senkte den Blick. "Deswegen haben wir doch die Pause eingelegt", sagte ich nach einer Weile. "Damit du wieder zurecht kommst. Du musst dich entscheiden, was du für dich willst. Und wenn ich da nicht mehr reinpasse, in deine Zukunft...dann ist das so." Karyu machte schon den Mund auf, aber ich hob die Hand und fuhr fort. "Die Pause...tut mir gut. Sie tut uns beiden gut. Du hast alle Zeit der Welt und ich...ich fühle mich nicht ganz so verlassen, so paradox das auch klingt. Wenn du für mich nicht da sein kannst, dann sollten wir nicht zusammen sein. Das verletzt mich sonst mehr, als würdest du vorgeben, an meiner Seite zu sein. Verstehst du das?"

Für eine Weile erwiderte er meinen Blick schweigend und ich befürchtete schon, dass ich ihm das Ganze erneut erklären musste, aber dann nickte er schließlich doch noch. "Ja, ich denke, ich verstehe es schon." Unvermittelt streckte er seine Hand aus und legte sie auf meine, die auf dem Tisch ruhte. Ich hatte alle Mühe, nicht einfach zusammenzuzucken. Aus Schreck war vielleicht die falsche Formulierung, aber wann hatten wir das letzte Mal so da gesessen? so viel Zeit war mittlerweile vergangen, so viel war geschehen. "Ich wollte dir ehrlich gesagt nicht nur von meiner neuen Stelle erzählen, und ich wollte mich nicht nur bei dir entschuldigen." Er lächelte mich hoffnungsvoll an. "Um ehrlich zu sein, möchte ich vorschlagen, dass wir die Pause beenden und da weitermachen, wo wir aufgehört haben." Ich schluckte. "Ich bin wieder unter den Lebenden", fügte er mit einem Zwinkern hinzu. "Und ich will dich nicht länger allein lassen." Zögerlich sah ich auf unsere Hände. Wenn ich jetzt Ja sagte, ging es dann irgendwie zu schnell? Zumindest hatte ich die Befürchtung, aber wenn ich so in Karyus Augen sah, dann lag so viel Hoffnung und Liebe darin, dass ich ihn nicht enttäuschen wollte. Er schien meine Unsicherheit zu bemerken und setzte nach. "Ich bin im Krankenhaus schon kürzer getreten. Bald kommt mein Ersatz und den arbeite ich noch etwas ein. Wenn ich dann meine neue Stelle habe, hab ich wie ein normaler Mensch Arbeitszeiten. Wir können gemeinsam aufstehen, abends zusammen essen und wir können zur gleichen Zeit schlafen gehen. Wir können am Wochenende was unternehmen, und wenn wir ganz verrückt sind, sogar mitten in der Woche", sagte er schmunzelnd. "Das ist doch das, was du willst, oder? Es ist jedenfalls genau das, was ich mir wünsche", fügte er etwas leiser hinzu und lächelte mich milde an. "Ich bin dabei, genau das zu ändern, was dich gestört hat, und zunehmend hatte es ja auch mich selbst gestört. Warum wollen wir die Pause also aufrecht erhalten?" Sanft drückte er meine Hand, dann ließ er mich los und sah mich erwartungsvoll an.

Ja, es ging wirklich alles etwas schnell. Ich ließ meinen Blick durch die Bar schweifen und blieb an der Theke hängen. Hizumi trocknete abwesend ein Bierglas ab und starrte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als hätte er jedes Wort verstanden, das ich mit Karyu gewechselt hatte. Und nicht nur er, sondern auch Tsukasa und der ein oder andere Kollege sah zu uns herüber. Tsukasa schien meine Unsicherheit zu bemerken und sah mich fragend an, aber was konnte er schon für mich tun? Mir konnte man nicht helfen, ich musste selbst zu der richtigen Entscheidung kommen. Seufzend zog auch ich meine Hand zurück und spielte unter dem Tisch mit meinem kleinen Finger, während ich auf die Holzplatte schaute. "Mich freut es, dass du so gut voran kommst. Ich möchte aber nichts überstürzen. Vielleicht sollten wir warten, bis du den neuen Job angetreten hast. Wenn sich wirklich alles so erfüllt, wie du prophezeist, dann können wir die Pause ja gern beenden. Ich will nur nicht...dass du dich wieder irrst", sagte ich leise. "Und dass ich wieder allein dastehe. Weil es anders läuft, als du dachtest. Kannst du das verstehen?"
 

Vorsichtig sah ich zu ihm auf. Er schaute nicht begeistert aus. "Du vertraust mir nicht."

"Nein, das ist es nicht", wandte ich sofort ein. "Ich glaube dir. Ich glaube, dass du wirklich denkst, dass alles so gut laufen wird. Das hast du damals auch gedacht, und ist alles so gekommen? Nein, leider nicht. Darauf hab ich nicht noch mal Lust. Ob du nun was dafür kannst oder nicht." Ich seufzte und senkte den Blick wieder. "Ich kann jetzt nicht sofort zu dir zurückkehren und so weiter machen, als wäre nie was gewesen. Das geht mir doch etwas zu schnell..."

Für einen Moment schwieg er und ich dachte schon, das wär's gewesen mit dem Gespräch. "Vermisst du mich denn nicht?", fragte er schließlich, weswegen ich aufsah. Ich hatte ihn verletzt, das sah ich ihm an.

"Doch, aber..." Ich stockte. Ich wusste nicht, wie ich das Gefühl erklären sollte, das mich mit der Zeit ereilt hatte. Und wahrscheinlich würde ich es ihn noch mehr enttäuschen, wenn ich aussprach, was ich dachte. Auf der anderen Seite wollte ich ihn nicht anlügen. Das war nie eine Grundlage. Gequält sah ich ihn an.
 

"Ich glaube, ich habe mich ein wenig daran gewöhnt, dass du nicht da bist", gab ich leise zu. "Mittlerweile haben wir uns vielleicht auch ein bisschen auseinander gelebt. Es sind jetzt ein paar Monate vergangen. Ich möchte nichts überstürzen. Wir sollten uns vielleicht erstmal wieder annähern und einen Schritt nach dem anderen machen... Wenn wir merken, es passt, und du deinen neuen Job angetreten hast, dann beenden wir die Pause. Das wäre mein Vorschlag." Anstatt zu antworten, starrte Karyu mich so merkwürdig an. Er hatte wohl mit einer anderen Reaktion gerechnet. "Es tut mir leid...aber ich wollte ehrlich sein." Mit einem sachten Lächeln sah ich ihn an. "Ich vermisse dich. Das tue ich wirklich, aber ich glaube, es ist besser, wenn wir uns nicht gleich wieder aufeinander stürzen." Ich gab ihm einen Moment, in der aber keine Reaktion erfolgte. "Karyu, rede mit mir. Ich liebe dich immer noch. Ich mache hier doch nicht Schluss mit dir. Okay?"

Es vergingen ein paar Sekunden, dann atmete er tief ein und sackte zusammen, ließ die Schultern hängen. "In Ordnung. Du scheinst dir ja recht sicher zu sein in deinen Vorstellungen. Solange du mich nicht abservieren willst und mir noch eine Chance gibst, will ich mich fügen. Sonst würde ich protestieren."

Fragend sah ich ihn an und neigte den Kopf. "Du würdest protestieren, wenn ich Schluss machen wollte?"

"Ja, genau. Du nicht? Wenn ich jetzt ankommen würde?"

Ein schwaches Lächeln legte sich auf meine Lippen. Genau das war ja vor kurzem noch meine Angst gewesen. "Doch, und wie ich protestieren würde", erwiderte ich leicht kämpferisch, was einen zufriedenen Ausdruck in seine Augen zauberte.

"Gut, dann bin ich beruhigt. ..wie soll es denn nun weitergehen? Ich hätte schon gern mehr Kontakt."

"Ich auch", sagte ich und lächelte ihn leicht an. "Keine Ahnung, wir können uns ja schon mal ab und an sehen...wenn du dir absolut sicher bist, dass du Zeit hast... Oder wir telefonieren einfach nur. Um uns auf dem Laufenden zu halten. Ich hab ja gar keine Ahnung, was du in den letzten Wochen so erlebt hast", meinte ich, was er zum Anlass nahm, uns einfach noch eine Runde Bier zu bestellen. Natürlich bei Hizumi. Denn der starrte uns immer noch ungeniert an und hielt dabei vermutlich das gleiche Glas wie fünf Minuten zuvor in der Hand.

Als er zu uns kam und uns die neuen Biergläser auf den Tisch stellte, ließ ich ihn gar nicht erst zu Wort kommen. "Ich geb dir 500 Yen extra, wenn du jetzt die Klappe hältst und wieder gehst." Meine Stimme musste so scharf geklungen haben, oder das Angebot war zu verlockend: tatsächlich schloss er seinen Mund wieder, warf mir einen giftigen Blick zu und ging dann.

Schon ein wenig überrascht sah ich ihm kurz hinterher, dann legte sich ein zufriedenes Grinsen auf meine Lippen. Das war das erste Mal, dass ich ihn erfolgreich abgewürgt hatte. Wahrscheinlich auch das letzte Mal und er würde bald noch frecher als zuvor sein. Aber für den Moment wollte ich den Sieg auskosten, ohne es zu bereuen.

Von toten Patienten, die wiederauferstehen, von gejagten Katzen und eifersüchtigen Barkeepern, die verrückte Ärzte nicht mögen

Da in meinem Leben nicht allzu viel Interessantes passiert war, abgesehen von Satsuki und Morioka, was ich Karyu aber unter keinen Umständen stecken würde, fragte ich ihn, was er erlebt hatte. Nur zögerlich antwortete er mir und gab schließlich zu, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass ich sein Klinik-Geschichten hören wollte. Die meiste Zeit hätte er sich natürlich im Krankenhaus aufgehalten.

Nachdem wir aber das zweite Bier getrunken hatten, erzählte er es mir gern und ich hörte willig zu. Es war ja nicht so, dass seine Erzählungen und Erlebnisse langweilig waren. Eigentlich war das alles sogar interessant, wenn man sich ein bisschen für Medizin und Menschen begeistern konnte. Gegen Medizin hatte ich nie was gehabt, gegen Menschen schon, aber Psychologie hatte ich dennoch schon immer etwas abgewinnen können. Und genau dahinein begab man sich. Manche Menschen waren wirklich unfassbar, da konnte man nur den Kopf schütteln. Ich war da eigentlich ganz froh, nicht Arzt zu sein und mich mit gewissen Geschöpfen nicht auseinander setzen zu müssen. Karyu hingegen schien es witzig und gut zu finden, somit immer tolle Geschichten aus dem Hut zaubern zu können. Namen nannte er natürlich nicht, aber er rückte mir gegenüber gern mit der ein oder anderen Patientengeschichte heraus.
 

"Dann lag der da halbnackt auf dem Boden und war technisch gesehen tot", erzählte er und verdrehte die Augen. "Ich hab echt Panik gehabt. Wenn der abgekratzt wäre, wäre es ein Segen für die Menschheit gewesen, das muss ich ehrlich zugeben. Aber was soll man machen? Ich hab eine Schwester gerufen und wir haben versucht, den Mann wiederzubeleben." Karyu grummelte. "Aber es ist nicht nur bei einer Schwester geblieben. Plötzlich standen noch drei andere im Raum, mit dem Rea-Wagen. So alte Gaken, die lieber gucken statt zu helfen." Er schüttelte seufzend den Kopf. "Na ja, ich musste sie dann mal etwas rumkommandieren... Ich mag das nicht besonders, aber im Krankenhaus herrscht eine strenge Hackordnung. Die würden wahrscheinlich auch das nächste Mal nur starren, wenn ich denen nicht klar gemacht hätte, dass sie nicht fürs rumstehen bezahlt werden." Wie ich Karyu so zuhörte, überraschten mich seine Aussagen doch etwas. Sie zeigten mir eine andere Seite. Der Arzt Karyu war nicht unbedingt der gleiche Mensch, mit dem ich zusammen war. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass er mich ja auch nicht herumkommandieren musste. Er hatte schon Recht, im Krankenhaus herrschte eben eine andere Atmosphäre als zuhause oder bei mir im Verlag. "Es war jedenfalls kein Spaß...der Typ hatte sich erbrochen, da durfte ich ihn erstmal von befreien. Das hat vielleicht gemufft." Er hob den Zeigefinger und lächelte leicht. "Und deswegen hab ich der einen Schwester gesagt, sie solle das Fenster öffnen. Und das war das Glück des Patienten. Wir haben ihn also von dem Erbrochenen befreit, konnten ihn beatmen und eine Herzdruckmassage ausführen, bis das Rea-Team endlich kam. Da ging alles ganz flott und die konnten sein Herz endlich wieder zum Schlagen bringen. Es waren aber schon einige Minuten vergangen, in der der Patient bewusstlos und ohne Atmung gewesen war. Die Frage war also, wie hoch die Schäden im Gehirn waren. Da half nur abwarten, bis er aufwachte." Er grinste. Offenbar war alles gut gegangen. "Zwei Tage später hab ich bei diesem armen Säufer vorbei geschaut. Er hatte gar keine Schäden davon getragen. Ihm ging es gut. Der Notfallmediziner, der ihn geschockt hatte, erzählte mir später, dass es genau das Richtige gewesen war, das Fenster im Zimmer zu öffnen. So war kalte Luft eingedrungen, und Kühlung des Körpers ist äußerst wichtig. Damit halten sich Schäden in Grenzen, wenn sie denn überhaupt eintreten. Ich hab echt Glück gehabt... Ich hab daran nämlich gar nicht gedacht. Mir ging es nur darum, das Zimmer zu lüften...und der Herr Kollege hält mich schlau." Karyu lächelte mich schief an und ich musste lachen.

"Ja, da hast du wirklich Glück gehabt, anders kann man das wohl nicht sagen. Und dein Patient, ist der von seinem hohen Ross runtergekommen?"

"Ach, der war plötzlich total froh, mich zu sehen.. Ich wäre sein Held und er stünde ewig in meiner Schuld..." Karyu schüttelte den Kopf. "Ich hoffe, ich sehe ihn nie wieder. Er hat sich dann doch operieren lassen, aber das ist ja nicht mehr mein Bier. Ich halte mich vom OP fern. Ich hätte diesem Lügner am Ende noch aus Versehen wo reingeschnitten, wo das Skalpell nicht hingehört."

Ich musste leicht grinsen und schüttelte den Kopf. "Ich hoffe, nie wieder im OP landen zu müssen. Wenn man erstmal weiß, dass Ärzte auch nur Menschen sind, ist das alles irgendwie nur noch gruslig..."

Aus großen Augen sah er mich an. "Du vertraust mir jetzt nicht mehr?"

"Dir schon, du willst mich ja auch nicht verrecken lassen. Aber den anderen Ärzten nicht..", gab ich schief lächelnd zu.

"Ach was. Kennst du noch Dr. Hagiwara, der dich damals am Auge operiert hat? Der ist schwer in Ordnung. Alle, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, sind fachlich bestens ausgebildet und sehr engagiert. Aber es ist doch klar, dass man sich nicht jeden Patienten unbedingt an die Backe wünscht. Manche legen es ja auch echt drauf an, dass man sie nicht mag. Aber es kommt eher darauf an, wie man mit den Menschen umgeht. Ich lass mir ja nix anmerken und das machen viele meiner Kollegen auch. Außer, wir haben wirklich mal einen harten Fall, wo man einfach Tacheles reden muss", erklärte er und seufzte. "Oh man, ich glaube, ich hab echt genug von diesen Geschichten. Wir sollten über was anderes reden."

Ich hob nur die Schultern und musste leicht schmunzeln. Wenn Karyu seine eigenen Geschichten leid war, dann veränderte sich wirklich etwas. Er veränderte sich ohne sich zu verbiegen, stellte ich zufrieden fest. Denn würde ich ihn dazu zwingen, die Stelle beim Krankenhaus aufzugeben, hätte das ja keinen Sinn. Das würde nichts besser machen. Wenn er deswegen unglücklich würde, wäre ich daran schuld. Und er würde mir die Schuld zu Recht geben. Aber so weit schien es ja nicht zu kommen.
 

"Was machen deine Katzen?"

Karyus Augen leuchteten auf und er begann mir den Unfug der beiden Damen so lebhaft zu beschreiben, dass ich mir richtig gut vorstellen konnte, was bei ihm abging. Wir bestellten uns noch etwas zu trinken, wie wir so über unsere Katzen sprachen. Denn auch meine Kleine war ja nicht ohne, und so konnten wir gemeinsam den Kopf über die verrückten Weiber in unserem Leben schütteln.

Lachend lehnte ich mich einige Zeit später zurück, während Karyu von einem weiteren Abenteuer seiner Raubtiger erzählte. Es ging um Vivi. "Da stand sie also auf dem Balkon und schnappte nach dieser Wespe, aber sobald die wieder losflog und direkt auf sie zuhielt, ist sie sofort wieder rein zu mir geflüchtet. Ich hab mir das ganze an die 4,5 Mal angeschaut und dann die Tür zugemacht." Er lachte leise. "Sonst wäre die Maus doch noch von dem Vieh gestochen worden. Das wäre dann nicht mehr so lustig gewesen."

Da stimmte ich ihm absolut zu und nickte bestätigend. Ich leerte mein Glas und lehnte mich zurück. "Sei mir nicht böse, aber das wird mein letzter Drink gewesen sein", sagte ich und rieb mir mit der Hand kurz über das Gesicht. Ich fühlte mich ein wenig geplättet. Erst acht Stunden Arbeit, dann die Verabredung mit Karyu, die vor allem in den ersten Momenten nervenaufreibend gewesen war, dazu der Alkohol. Mittlerweile saßen wir hier schon knapp drei Stunden, wie ein Blick auf die Uhr meines Handys mir verriet. Vielleicht war es an der Zeit nach Hause zu gehen. Das hatten in der Zwischenzeit auch alle meine Kollegen getan - einzig Tsukasa saß noch an der Bar und quatschte mit Hizumi, der heute offenbar mal wieder zu viel Zeit hatte.

Karyu winkte unbekümmert ab. "Ja, schon gut, ich seh das ähnlich." Er lächelte mich leicht an. "Weißt du, jetzt wo wir so viel über unsere lieben Kätzchen gesprochen haben, würde ich deine Amaya gern einmal wiedersehen.." Während ich noch überlegte, wann man das einrichten konnte, entschied er das schon für uns. "Wie wär's, ich bringe dich nach Hause und streichel sie mal ordentlich? Mit ganz viel Liebe, weil sie mich so lange nicht mehr gesehen hat."

Für einen kurzen Moment weiteten sich meine Augen. Karyu in meiner Wohnung, jetzt? Ich seufzte. "Na wenn du unbedingt willst... Aber glaub nicht, dass du mir dort meinen Alk wegtrinken kannst! Du streichelst die Katze und ziehst wieder ab, klar?"

Ein breites Grinsen legte sich auf seine Züge. "Das ist der Zero, den ich kenne und liebe. Wieder mufflig wie eh und je."

Ich winkte ab und sah ihn möglichst nicht finster an, was gar nicht so einfach war nach diesem Kommentar. "Ist ja gut. Wollen wir dann gehen?"

Karyu nickte und kramte nach seiner Geldbörse, schüttelte aber den Kopf, als er bemerkte, dass ich es ihm gleich tat. "Ich lad dich ein, lass stecken." Schulterzuckend tat ich wie geheißen. Normalerweise zahlte ich gern für mich selbst, aber nach all dem Stress, den ich dank ihm gehabt hatte und ja irgendwie noch hatte, konnte ich ihn das mal übernehmen lassen. Zumal er um einiges mehr verdiente als ich. Er würde also nicht hungern, weil ich mir einmal von ihm die Drinks bezahlen ließ.

"Danke", sagte ich, während wir aufstanden. Zum Glück hatte nicht Hizumi abkassiert. Der stand nämlich immer noch sachte beschäftigt am Tresen und unterhielt sich mit Tsukasa.

"Keine Ursache", wiegelte er ab und durchquerte die Bar, wobei ich ihm folgte.

Allerdings blieb ich in der Nähe des Tresens stehen und sah zu Tsukasa und Hizumi. Ich sollte mich wenigstens verabschieden.
 

"Hey ihr zwei, ich verschwinde wieder!", rief ich ihnen zu, woraufhin sie sich mir zuwandten.

"Habt ihr alles geklärt?", erkundigte sich Hizumi neugierig, und schob meinem Chef einen Drink zu. Und während ich näher an den Tresen ging, um ihn genervt anzuzischen, legte sich unvermittelt ein langer Arm um meine Hüfte. Karyu hatte sich einfach angeschlichen und stand schräg hinter mir, drückte mich etwas an sich. Daher war ich kurz von meiner Antwort abgelenkt, aber abhalten tat es mich nicht. Ich brauchte keine Geheimnisse vor Karyu zu haben - abgesehen von Satsuki!

"Das geht dich nichts an! Du bist viel zu neugierig.", pampte ich ihn an, woraufhin er schnaubte.

"Wir sind doch Freunde!"

"Schon, aber du musst ja nicht alles wissen", murrte ich. "Ein bisschen Privatsphäre hätte ich nämlich schon gern noch." Ich sah Tsukasa stirnrunzelnd an. "Was ist eigentlich mit dir? Du guckst immer nur zu, sag doch auch mal was! Der Giftzwerg ist echt frech", beschwerte mich, woraufhin mein Chef schmunzelte.

"Zu dir vielleicht, aber nicht zu mir. Ich bin die Ruhe selbst. Lass dich nicht ärgern." Ich hob eine Augenbraue. Was?

Bevor ich nachfragen konnte, mischte sich Hizumi wieder ein. Der war echt aufmerksamkeitsgeil. "Also, zu wem gehts?" Er sah mich an. "Zu dir oder zu deinem Arzt?"

Ich verdrehte die Augen. "Zu mir, wenn du es unbedingt wissen willst." Sowohl bei Hizumi als auch bei Tsukasa bemerkte ich die gleiche Reaktion, auch wenn man genau darauf achten musste. Es war nur ein leichtes Zucken der Augenbrauen, die Mundwinkel zogen sich leicht nach unten, und das nur für eine Sekunde. "Ist was? Soll ich lieber mit euch nach Hause?"

"Um ehrlich zu sein, ja. Du musst dich dem verrückten Arzt ja nicht gleich wieder an den Hals werfen", erwiderte Hizumi trocken, weswegen Karyu neben mir einen verblüfften Laut von sich gab.

"Ich bin verrückt?" Er blickte er mich an. "Was hast du ihnen denn erzählt?"

Ich ließ den Kopf hängen. Jetzt erreichte Hizumi doch noch, was er bezweckte. Stunk machen. "Ich hab kaum was erzählt. Keine Ahnung, warum man dich gleich für verrückt halten muss, das musst du ihn selbst fragen", erwiderte ich und sah den Barkeeper an. "Wir gehen jetzt. Und wenn ich dich das nächste Mal sehe, gibt's Ärger. Aber so richtig." Die Ernsthaftigkeit der Drohung musste bei ihm angekommen sein, denn er schloss den Mund gleich wieder und brummte leise, bevor er den Blick senkte.

Ich atmete aus und winkte Tsukasa. "Wir sehen uns übermorgen." Er verabschiedete sich von uns und ich konnte die Bar mit Karyu endlich verlassen.

"Was war das denn?", erkundigte er sich verwirrt bei mir, während wir den Weg in Richtung meiner Wohnung einschlugen.

"Ich weiß auch nicht. Er redet mir ziemlich viel dazwischen.. Ich denke, er will mir nur helfen, aber dich mir unbedingt ausreden, ist nicht besonders hilfreich. Er stänkert ziemlich viel.."

"Hmmm", machte Karyu nur und als ich zu ihm aufsah, mahlten eine Kiefer.

"Was?"

"Na ja, ich möchte ja nicht wie eine übereifrige Mutter klingen, aber du treibst dich mit merkwürdigen Leuten rum."

Ich musste lachen. "Gleich und gleich gesellt sich eben gern."

Karyu musste ein wenig schmunzeln. "Er scheint mir aber einen Zacken schärfer zu sein.."

"Hmmm... Ich dachte eigentlich, er wäre ganz in Ordnung. Ich weiß nicht, was er hat", sagte ich leise, woraufhin er mich ansah.

"Vielleicht ist er eifersüchtig?"

Meine Augen wurden groß. Hizumi und eifersüchtig? wenn ich so darüber nachdachte, war es vielleicht doch gar nicht so abwegig... Manchmal hatte ich ja schon das Gefühl gehabt, dass er nichts dagegen hätte, wenn wir uns näher gekommen wären. "Ich hoffe nicht..."

Karyus Hand streichelte leicht über meine Hüfte, während er mich anlächelte. "Das hoffe ich auch. Du bist schon in festen Händen, und zwar in meinen. So schnell lass ich nicht los."

Ich grinste leicht. "Das merk ich.." Sanft drückte Karyu mich an sich und wir legten guter Dinge den Weg nach Hause zurück.
 

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Natürlich blieb Karyu dann doch nicht nur zum Katze streicheln. Die ersten fünfzehn Minuten war er zwar tatsächlich dabei, Amaya mit vollster Aufmerksamkeit zu überhäufen, spielte und schmuste mit ihr, und fragte mich nach Leckerlis, die ich ihm bereitwillig in die Hand drückte. Ich gab der Kleinen eh viel zu selten welche, kaufte aber ständig welche nach, weswegen mein Regal für Katzenfutter schon überquoll. Da die Wiedersehensfreude groß war und sich das noch hinziehen konnte, beschloss ich, mir und Karyu was zu trinken bereitzustellen - aber ich musste feststellen, dass es ein Fehler gewesen war, am Vortag nicht noch mal einkaufen zu gehen. Der Kühlschrank war leer, bis auf eine alte Gurke und vier Flaschen Bier. Ich verdrehte die Augen und griff nach zwei der Bierflaschen. Es brachte ja nichts. Ich wollte nicht verdursten und ein Bier zum Abschluss würde schon nicht schaden.
 

"Ich dachte, ich soll dir deinen Alk nicht wegsaufen", äußerte sich Karyu mit einem Schmunzeln auf den Lippen, als ich zu ihm und der Katze ins Wohnzimmer kam, die zwei Bierflaschen in der Hand haltend.

Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich seufzend auf die Couch fallen. "Was soll's..ist nichts anderes zu trinken da." Und Leitungswasser war mir zu langweilig und widerlich. Während ich die beiden beobachtete, wie sie auf dem Boden spielten, öffnete ich mein Bier. Karyu konnte sich selbst helfen. Ich lehnte mich zurück und genoss den ersten Schluck des kühlen Getränks. Ja, ein bisschen war es wie früher. Solche entspannten Szenen hatte es ja durchaus auch mal gegeben. Karyu war bei mir oder ich bei ihm, wir hatten Zeit und ließen das Leben einfach geschehen. Wir faulenzten ein wenig und genossen die Ruhe. Freilich waren solche Tage äußerst selten gewesen. Und irgendwann waren sie gar nicht mehr vorgekommen. Es war eine wirklich angenehme Abwechslung, und ich lächelte leicht, aber zufrieden, während ich die Katze betrachtete, die versuchte, die Papprolle Karyus langen Fingern zu entreißen. Sicher erwischte sie mit ihren Krallen auch mal seine Hand statt die Pappe, aber daran schien sich Karyu nicht zu stören. Er hatte ja selbst zwei Raubtiger und war Kratzer gewöhnt. In der Anfangszeit mit Amaya hatte ich selbst schon etwas Angst vor ihren Krallen und ihren Beißerchen gehabt, aber sie hatte mich nie vorsätzlich weh getan. Manchmal passierte es eben beim spielen und toben oder wenn sie sich plötzlich erschrak und man in ihrer Nähe war. Es tat dann häufig zwar schon etwas weh, aber es war zu ertragen. Und es passierte ja aus Versehen. kein Grund, ihr böse zu sein. Ich hatte mich daran gewöhnt, mit der kleinen Raubkatze zusammenzuleben. Ich hatte keine Angst mehr und liebte sie bedingungslos.
 

Mit einem glücklichen Seufzer stand Karyu irgendwann auf und griff sich sein Bier, öffnete es und setzte mich neben sich. Die Katze schaute etwas verwirrt zu uns hoch, dann begann sie im Wohnzimmer herumzuschleichen und maunzte dabei ab und an leise. "Sie ist immer noch so jung..", murmelte Karyu und lächelte mir leicht zu. "Süßes Ding."

"So alt sind deine ja nun auch nicht. Und süß sind sie allemal auch.", erwiderte ich und nippte an dem Bier.

"Das stimmt natürlich. Ach, ich hätte nur so gern noch mehr Katzen."

Ich hob die Augenbrauen. Noch mehr? Reichten zwei nicht schon? zumal er für die beiden eh schon selten Zeit fand, jedenfalls war das ja bisher so gewesen. Und wenn man dann mal zum Tierarzt musste, stiegen die Kosten ins Unermessliche, das war schon bei einer Katze so. "Hm...vielleicht wenn du mal einen Garten hast."

"Hm?"

"Na ja, je mehr Tiere, desto mehr Platz solltest du euch allen bieten. Und ein Garten für Auslauf wäre doch gut. Mir macht Amaya schon Ärger in dieser Wohnung...Wenn ich könnte, würde ich sie rauslassen, damit sie sich abreagieren kann und meine Einrichtung zufrieden lässt.", erklärte ich, woraufhin er leicht nickte.

"Hm, stimmt, du hast Recht..." Plötzlich stieß er seine Flasche sachte gegen meine und grinste. "Auf unser Wiedersehen."

Ich lächelte und nickte. "Auf unser Wiedersehen."
 

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tbc

Von Versöhnung

Wir begannen über alte Zeiten zu reden und hatten dabei offenbar beide den Drang, den Abend positiv zu halten, daher sprachen wir auch nur über das Gute, das geschehen war. Mal wieder richtig mit Karyu zu lachen, war unglaublich schön. Und das schien mich gütig zu stimmen, denn ich gönnte uns sogar eine weitere Runde Bier. Es war die letzte, da ich kein weiteres Bier mehr im Haus hatte.
 

Seufzend stellte Karyu seine leere Flasche auf dem Couchtisch ab und fuhr sich kurz über das Gesicht. "Wie spät ist es überhaupt...?" Er hob das Becken an und fischte sein Smartphone aus der Hosentasche heraus, während ich mich kurz umsah und die Katze auf dem Kratzbaum schlafend entdeckte. Sie ließ sich durch unser Gequatsche nicht stören. "Oh..kurz vor Mitternacht."

"So spät schon", murmelte ich und rieb mir kurz über die Augen, bevor ich mich aufrichtete. Karyu würde sich langsam aufmachen müssen, da die Bahn, mit der er nach Hause fahren musste, nicht mehr lange verkehren würde.

"Die Zeit verging wirklich schnell." Karyu lächelte mich an. "Das hab ich vermisst, unser Zusammensein."

Ich nickte leicht und senkte den Blick. Mir ging es zwar auch so, aber ich fühlte mich gar nicht mehr wie in einer Beziehung. Die Erkenntnis traf mich in diesem Moment spontan. Wir unterhielten uns zwar viel, aber es war ja zu keinen Annäherungsversuchen gekommen, abgesehen davon, dass Karyu auf dem Nachhauseweg für ein paar Momente den Arm um mich gelegt hatte. Aber vielleicht war das auch gar nicht schlimm oder merkwürdig, sondern zeugte nur davon, dass er die Pause respektierte, in der wir uns befanden? Wir hatten nur nie festgelegt, was genau sie eigentlich bedeutete, die Pause, und welche Grenzen sie hatte. Ich selbst hatte auch nie darüber nachgedacht. In den ersten Wochen hatte sie komplette Funkstille bedeutet. Aber jetzt näherten wir uns ja wieder an, ich war wieder zu mehr bereit, aber wie viel war mehr? Waren Küsse erlaubt? Gar mehr? Was erwartete ich eigentlich?
 

Da Karyu mich mittlerweile fragend ansah, weil ich für einige Sekunden in Gedanken versunken war, rang ich mir ein Lächeln ab. "Ich find's auch gut, dass wir mal wieder einen Abend zusammen verbracht haben. War echt nötig."

"Das können wir ab jetzt doch wieder öfter machen, oder?", erkundigte sich Karyu, woraufhin ich eine Schulter hob.

"Ich denke schon. Dann kannst du mich auch auf dem Laufenden halten, wie es bei so im Krankenhaus läuft..oder so..." Nachdenklich sah ich ihn an. "Du meintest mal was von wegen, dass du weniger arbeitest."

Er nickte. "Ja, ich bin auch immer noch dabei, die Zeit weiter runterzufahren. Ich bin ja eine zeitlang jeden Tag 12 Stunden da gewesen... Jetzt hab ich mittlerweile einen Tag in der Woche frei und bleibe jeden zweiten Tag acht anstatt 12 Stunden da. Ich würde aber gern jeden Tag 8 Stunden da sein. Ich meine, ich gehe ja eh bald. Ich muss nur noch das nötigste machen." Eine merkwürdige Falte hatte sich in seine Stirn gegraben.

"Aber?"

Zögerlich sah er mich an. "Na ja, es ist ein nettes Team. Ich hab viele tolle Leute um mich..." Er unterbrach sich, weswegen ich leise seufzte. Ich verstand was los war.

"Du bürdest ihnen damit mehr Arbeit auf und stehst als Arsch da, der sich nicht schert? Du willst ihnen eigentlich helfen und nicht auf die Art einen Abgang machen?"

Er zuckte mit den Schultern und senkte den Blick. "Schätze, so kann man das beschreiben."

"Hm... Also meinetwegen musst du ja nicht noch weniger arbeiten...zumindest nicht im Krankenhaus...", meinte ich. "Das bringt uns ja auch nichts, wenn du da weniger Stunden verbringst, obwohl du es nicht wirklich willst. Und bevor du deine neue Stelle anfängst, halte ich mich ja sowieso zurück, was die Pause angeht.. Ich werde sie nicht vorher beenden."

Karyu summte leise und nickte. "Verstehe... Danke."

Ich schaute ihn aus großen Augen an. "Danke? Das klingt, als würde ich dir eine Erlaubnis geben." Ich grummelte. "Du kannst ja machen was du willst."

"Ja..." Es schien, als ob er noch etwas sagen wollte, oder eher widersprechen, aber er setzte ein Lächeln auf und blickte noch mal auf sein Handy. "Oh man...nach Mitternacht."
 

"Du solltest dich beeilen", riet ich ihm und stand auf. "Ich glaube, die letzte Bahn fährt in einer halben Stunde. Morgen musst du arbeiten, oder?" Gerade wollte ich die angesammelten vier Flaschen nehmen, als Karyu mein Handgelenk ergriff und mich zu sich drehte. Verwirrt schaute ich ihn an und wollte den Mund aufmachen um nachzufragen, aber schon legten sich seine Hände an meine Wangen und er zog mich näher zu sich herab, um mich zu küssen.

Mich durchströmte sofort eine wohlige Wärme, weswegen es mir gar nicht einfiel, mich zu sträuben, wo wir doch eigentlich in einer Beziehungspause waren. Aber in dem Moment dachte ich da nicht dran. Ich war im Gegenteil sogar irgendwie froh, dass Karyu sich den Kuss einfach nahm. Jetzt, wo ich nach langer Zeit die vollen und wunderbar weichen Lippen wieder auf meinen spürte, bemerkte ich erst, wie sehr ich sie und das Gefühl, das sie in mir auslösten, vermisst hatte.

Wie sehr ich Karyu vermisst hatte.

Der Kuss blieb recht unschuldig, nur kurz strich die fremde Zunge über meine Unterlippe, dann löste sich der so vertraute Mund wieder. Sanft strichen Karyus schlanke Finger über meine Wange, und ich schmiegte mich seiner Hand leicht entgegen. Er ließ mich nicht los und wie ich so seinen Blick erwiderte, wurde mir klar, dass er mir die Wahl ließ: weiterküssen oder war es besser, wenn er nun ging?

Die Entscheidung fiel mir nicht schwer, wie ich so abwesend seine Lippen betrachtete und an das warme Gefühl dachte, dass sie in mir auslösten. Kurz nagte ich an meiner Unterlippe, mein Verstand versuchte doch mit mir zu diskutieren, aber dieser Moment dauerte nur zwei Sekunden, dann drückte ich Karyu meine Lippen auf.

Er gab einen zufriedenen Laut von sich und erwiderte den Kuss ohne zu zögern. "Komm her..", murmelte er zwischen zwei Küssen und half mir, mich über ihn zu knien, damit ich nicht weiter so tief über ihn gebeugt stehen musste. Das war auf Dauer dann ja doch etwas anstrengend.

Kaum hatte ich es mir auf ihm gemütlich gemacht, hing er auch schon wieder an meinen Lippen, seine Hand vergrub sich in meinen Haaren. Pause hin oder her, es fühlte sich dennoch richtig an. Unter meiner Bauchdecke breitete sich eine angenehme Wärme aus und ich spürte doch tatsächlich so etwas wie Schmetterlinge in meinem Inneren. Na das war ja nun schon einige Monate her, seit ich die zuletzt bei Karyu gehabt hatte. Doch die stürmischen Küsse, die wir austauschten, und die kühle Hand, die sich frech unter mein Longsleeve stahl, machten mir klar, wie zerfressen von Sehnsucht ich eigentlich war - mehr als ich mir hatte zugestehen wollen. Und wenn es mir schon so ging, wie mochte Karyu sich da erst fühlen? Er hatte sich jeden Tag aufs Neue seiner Sehnsucht bewusst ausgesetzt.

Eng drückte ich mich an ihn und schlang die Arme um seinen Hals. Ich wollte mehr Küsse, mehr Nähe, mehr Berührungen. Mit den Fingerspitzen strich ich seinen Nacken entlang, was ihm ein leises Seufzen entlockte. Ich konnte mich ja gut erinnern, was er mochte.

Rastlos wanderten Karyus Hände über meinen Rücken, durch meine Haare, und wieder hinab, bis sie schließlich nach einer Zeit meinen Po umfassten, um mich stärker auf seinen Schoß zu drücken. Leise keuchend trennte ich mich von den verführerischen Lippen, atmete gegen Karyus Hals um etwas Luft zu bekommen, während ich abwesend durch sein schwarzes Haar strich. Sanft kitzelte sein Atem über meine Wange. Diese Nähe tat so unglaublich gut. Langsam hob ich den Kopf, als Karyus schlanke Finger sich unter mein Kinn legten und sanften Druck ausübten. Seine Augen funkelten dunkel, erwiderten meinen Blick hoffnungsvoll.

Ich legte die Lippen sanft auf seine, wartete auf irgendein Zeichen, irgendetwas, das mir sagte, was ich am besten tun sollte - und was ich vielleicht lassen sollte. Karyu für seinen Teil erwiderte den Kuss zuerst ebenso sanft, dann aber nahm er mir die Entscheidung ab und wurde nachdrücklicher. Seine Hand vergrub sich wieder in meinem Haar und ich selbst ließ einfach los - von jenen kläglichen Gedanken, die sich bis dahin noch in meinem Kopf befunden hatten, und das waren schon nicht mehr besonders viel.

Ich leckte mit der Zunge über Karyus volle Unterlippe und stahl mich dann in seinen Mund. Mit den Fingern klammerte ich mich an seine Schultern und irgendwie wollte ich plötzlich gar nicht mehr loslassen.
 

Wenig später war mehr Bewegung in uns gekommen, wir waren aufgestanden und Karyu drückte mich mittlerweile gegen die Tür zum Schlafzimmer. Keuchend löste ich mich von seinem verführerischen Mund, während meine Hände ihren Weg zu Karyus Hemd fanden und dieses aufknöpften.

Ich befürchtete, dass Karyu fragen würde, wohin das jetzt alles führen sollte, was mich dann zum nachdenken anstiften würde - und vielleicht würde das ganze hier in peinlicher Erinnerung bleiben, sollte ich mich umentscheiden.

Aber er fragte nicht nach. Er schien es ähnlich eilig wie ich zu haben, dass wir uns unserer Kleidung entledigten. Für mich gab es in diesem Moment nichts Schöneres und Erstrebenswerteres als nackte Haut an nackter Haut.

Kaum hatte ich das Hemd geöffnet, ließ ich meine Hände über Karyus Brust und Bauch wandern, genoß die Wärme unter meinen Fingern. Lange ließ er mich aber nicht gewähren, sondern zog mir schon wenige Sekunden später das Longsleeve-Shirt über den Kopf. Verhältnismäßig kühle Luft umfing mich für einen Moment, aber kaum, dass Karyu mich wieder gegen die Tür presste, sich eng an mich drängte und meine Lippen zu einem verlangenden Kuss einfing, war das schon wieder vergessen. Er sorgte dafür, dass mir nicht nur warm, sondern heiß wurde.

Leise keuchte ich in den Kuss, ließ meine Hände wieder zu Karyus Mitte wandern um über die glatte, warme Haut zu streicheln. Nur nebenbei bemerkte ich, wie fremde Finger sich an meiner Hose zu schaffen machten, Knopf und Reißverschluss öffneten. Leise stöhnend legte ich den Kopf in den Nacken, als seine Hand sich in meine Jeans schob und über den Stoff der Shorts hinweg über meine wachsende Erregung strich.

Warmer Atem kitzelte über meinen Hals, als Karyu den Kopf senkte und diesen immer wieder sanft küsste. "Ich hab dich unglaublich vermisst..", hauchte er und gab mir einen Kuss auf die Lippen. Gierig erwiderte ich diesen und wollte gerade an Karyus Jeans herumfummeln, als er mich aber von der Tür wegzog, um diese zu öffnen. Ehe ich mich versah, befanden wir uns schon im Schlafzimmer. Ganz nebenbei zog er mir die Hose gleich mit der Unterwäsche hinab, und ich schaffte es, unfallfrei aus dem Kleiderknäuel um meine Knöchel zu entkommen.

Gemeinsam ließen wir uns auf das Bett fallen. Als Karyu sich über mich kniete, streckte ich die Hände nach seinem offenen Hemd aus, um ihm das von den Schultern zu streifen. Ich legte die Arme um seinen Hals, drückte ihn enger an mich, denn seine warme Haut an meiner fühlte sich wunderbar an. Langsam ließ ich meine Hände dann jedoch tiefer gleiten und machte mich daran, auch Karyus Hose zu öffnen. Während er meine Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss einfing, schob ich die Hände frech in seine geöffnete Jeans, wo sie sich auf seinen knackigen Po legten. Viel zu lange war es schon her, dass ich den hatte packen können. Karyu schien das ähnlich zu sehen, denn er knurrte leise, aber angetan, und drückte seinen Unterleib fordernd gegen mein Becken, weswegen ich leise in den Kuss keuchte.

Der raue Stoff seiner Hose, die er zu meinem Bedauern immer noch anhatte, rieb über meinen entblößten Schritt, und auch wenn das nicht unbedingt unangenehm war, wünschte ich mir doch, Karyu würde die Jeans endlich auch ausziehen. Daher zog ich meine Hände, wenn auch etwas widerwillig, zurück und schob ihm den Stoff ein Stück von der Hüfte, aber weit kam ich nicht. "Zieh das endlich aus..", murrte ich leise, weswegen er mir schmunzelnd einen weiteren Kuss auf die Lippen drückte, bevor er sich von mir herunter rollte, um sich netterweise endlich der Hose und der Unterwäsche zu entledigen.

Ein leises Stöhnen kam über meine Lippen, als Karyu sich wieder an mich schmiegte und sich seine Erektion deutlich gegen meinen Schritt drängte. Aus dunklen, glitzernden Augen betrachtete er mich, während seine Finger über meine Wange strichen. "Ich liebe dich...", hauchte er und haschte nach meinen Lippen, bevor ich etwas erwidern konnte. Ein angenehm warmes Gefühl durchströmte jede Zelle meines Körpers. Es tat einfach gut, das von ihm zu hören.

Zwischenzeitlich hatten wir uns weit voneinander entfernt, aber den entstandenen Graben schienen wir schnell überwinden zu können. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es dann doch so einfach gehen würde, hatte ich doch bis vor kurzem wirklich Angst gehabt, dass wir unsere Beziehung nicht würden retten können. Aber es schien sich alles zum Guten zu wenden. Es war genau das, was ich gebraucht hatte. Ich war Karyu unendlich dankbar für seine Entscheidung, das Krankenhaus zu verlassen. Sonst hätte ich mich weiterhin nicht nur mit Karyu selbst, sondern auch mit der Klinik in einer Beziehung befunden. Natürlich gab es keine Garantie, dass er in der Praxis weniger zu tun haben würde, aber zumindest hielten wir beide es für sehr wahrscheinlich. Ich vertraute mal darauf, dass es besser werden würde. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass unsere Beziehung dann erst richtig anfangen würde.
 

Mit einem Stöhnen fand ich je in die Wirklichkeit zurück, wurde meinen Gedanken entrissen: Karyus Zunge leckte verspielt über mein hartes Glied. "Woran hast du gedacht?", erkundigte er sich mit einem Grinsen auf den Lippen, während er zu mir aufsah.

Leise keuchend ließ ich den Kopf wieder aufs Kissen sinken. Er hatte meine kurze geistige Abwesenheit offenbar bemerkt... "Nur an dich, Liebster", antwortete ich leicht schmunzelnd. Und das war ja nicht mal gelogen. Ob Karyu mir wirklich glaubte, erfuhr ich nicht, zumindest erwiderte er nichts.

Stattdessen kam er wieder höher gerutscht und umfasste mein Gesicht mit den Händen, bevor er mich küsste. Im Gegensatz zu dem sanften Kuss standen die harten Bewegungen, mit denen Karyu sein Becken gegen meines kreisen ließ. Gleichzeitig stöhnten wir auf, was mein Verlangen nach ihm nur steigerte. Mittlerweile war mir auch nicht mehr nur warm, sondern direkt heiß.
 

Hätte man mir noch am Morgen gesagt, was passieren würde, hätte ich darüber nur gelacht. Das letzte, was ich an diesem Tag hatte machen wollen, war mit Karyu zu schlafen. Im Grunde war dafür ja nicht der richtige Zeitpunkt, schließlich befanden wir uns noch in der Pause. Zuvor hatte ich selbst an der Richtigkeit eines Kusses gezweifelt. Und nun lagen wir nackt im gleichen Bett. Wie sich die Dinge manchmal entwickeln konnten, war wirklich unvorhersehbar. Aber es fühlte sich in dem Moment absolut nicht falsch an. Es tat unglaublich gut, wieder in seinen Armen zu liegen.

Von der bitteren Wahrheit

Nach einer langen Nacht öffnete ich blinzelnd die Augen. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte und wie spät es nun war. Auch wenn ich mich recht platt fühlte, konnte ich die Augen nicht noch mal schließen, weswegen ich für einige Sekunden zum Fenster schaute, durch welches die Sonne herein schien. Ich hatte nicht mehr daran gedacht, die Vorhänge zuzuziehen.
 

Leise ächzte ich, als ich mich etwas zu strecken versuchte - es tat doch etwas weh. Ich fühlte mich, als wäre ich eingerostet, aber nach so einer Nacht war das kein Wunder. Für einen Moment huschte ein kleines Lächeln über meine Lippen. Eigentlich sollte ich mich wahrscheinlich schlecht fühlen, wo es doch nun wirklich nicht meine Absicht gewesen war, mit Karyu zu schlafen, doch auf der andere Seite stellte ich mir die Frage, wem gegenüber ich mich denn rechtfertigen musste? Da war niemand, der tadelnd den Zeigefinger heben konnte. Karyu und ich hatten das spontan so entschieden, wir hatten es beide gewollt. Wir hatten damit niemanden verletzt oder enttäuscht. Die einzige Frage war, ob wir das noch mal machen würden - bevor wir die Pause offiziell beenden würden. Momentan diente sie wohl eigentlich nur meinem Schutz. Die Enttäuschung wäre noch größer, wenn alles noch nicht so klappen würde, wie wir uns das vorstellten, wenn ich dann doch schon mit ihm zusammen wäre. Aber vielleicht machte ich mir da auch nur was vor? Vielleicht wäre die Enttäuschung gleichermaßen groß. so wirklich daran denken wollte ich nicht. Ein Ende unserer Beziehung lag immer noch nicht so richtig in meinem Vorstellungsbereich. Was würde ich denn ohne ihn machen...? Seinetwegen war ich hierher gezogen. Aber ich durfte auch nicht vergessen, dass nichts und niemand mich in Tokyo erwartete. So richtig hatte ich mir dort kein gutes Leben aufbauen können. Da war es hier in Sapporo doch besser gelaufen. Ich hatte eine gute Arbeit, ich hatte Tsukasa und Hizumi als Freunde, auch wenn es nicht immer einfach war. Tsukasa mit seinen Avancen, ausgerechnet mein Chef wollte was von mir, und Hizumi mit seiner aufdringlichen Art und seinen dreisten Sprüchen. Auf ihre ganz eigene Art hatten sie mein Leben bereichert, auch wenn ich mir das vielleicht irgendwie anders vorgestellt hatte. Aber so blieb es immer spannend.
 

Ich rieb mir über die Augen und unterdrückte ein Gähnen, bevor ich mich auf die andere Seite drehte, wie um mich zu vergewissern, ob Karyu noch da war.

Das war er. Und er war sogar schon wach. Meine entspannten Gesichtszüge fühlten sich plötzlich gar nicht mehr so entspannt an, denn er hatte sich aufgesetzt und starrte mich misstrauisch an. Den Blick, mit dem er mich betrachtete, hatte ich zuvor noch nie bei ihm bemerkt. Es war mir richtig unangenehm und ich fragte mich, was ich angestellt hatte. "Was ist los, warum schaust du so?", erkundigte ich mich gleich, blieb aber erstmal liegen und blinzelte zu ihm hoch.

Für einen langen Moment schwieg er, als überlegte er, ob er mir das wirklich sagen wollte, dann verhärtete sich sein Blick. "Wer ist Satsuki?"
 

Mir entgleisten sprichwörtlich die Gesichtszüge. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit, den Namen meiner kurzzeitlichen Affäre aus dem Mund meines Freundes zu hören. Entgeistert starrte ich Karyu für viele, lange Sekunden einfach nur an, während ich mich fragte, woher er nun diesen Namen kannte.

"...was?"

"Ich würde gern von dir wissen, wer Satsuki ist", wiederholte er seine Frage und gab mir keine zusätzlichen Erklärungen.

"Ähm..", machte ich erstmal nur und überlegte fieberhaft, was passiert war und was ich darauf antworten sollte. Bei letzterem wäre ein bisschen Wahrheit vorerst ganz gut. "Satsuki ist jemand, den ich in Morioka kennen gelernt habe. Er war mit mir in der Weiterbildung", erzählte ich knapp und hob leicht die Schultern, wie um die Wichtigkeit dieser Person abzuwiegeln. Als wäre er nur irgendein Typ gewesen.

Aber Karyu schien das nicht so zu sehen. "Und was habt ihr so gemacht?"

Ich schrumpfte etwas zusammen. "Was soll denn die Fragerei? Was sollen wir schon gemacht haben? Gelernt und so..." Langsam setzte ich mich auf. Ich hatte das Gefühl, dass er schon genau wusste, was vorgefallen war. Er war mir auf die Schliche gekommen. Nur wie? Weil ich vielleicht im Schlaf den Namen gemurmelt hatte?

"Was die Fragerei soll? Was soll ich denn denken, wenn du ekstatisch in ziemlich eindeutiger Tonlage den Namen von einem anderen Kerl stöhnst? Und das nicht nur ein Mal!" Gereizt sah er mich an, in seinen Augen entdeckte ich aber auch Enttäuschung - und so etwas wie Hoffnung. Hoffnung darauf, dass ich ihm seine Gedanken ausredete.
 

Ich schluckte schwer und mir wurde unangenehm heiß. Ich spürte, wie meine Wangen rot wurden, und zwar aus Verzweiflung und Scham. "Nun übertreib nicht so... Ich kann mich nicht mal daran erinnern, irgendwas geträumt zu haben...", murmelte ich und suchte fieberhaft nach beruhigenden Worten, ohne Karyu sofort komplett anzulügen. Ich wollte Dinge wie "da ist nichts gelaufen" vermeiden, denn das stimmte einfach nicht. Karyu schien mein Zögern zu bemerken.

"Sag mir die Wahrheit. Wer ist der Typ? War da was zwischen euch? Oder immer noch?", wollte er wissen und sah mich mit einem so erbarmungslosen Blick an, dass ich den Kopf senken musste.

Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was ich darauf nun sagen sollte. Die Wahrheit kam mir unmöglich vor. Was sollte er von mir denken? Aber hatte ich eine andere Wahl? Im Lügen war ich unglaublich schlecht. Und ich hatte etwas getan, ohne darüber nachzudenken. Hätte ich vielleicht machen sollen. Jetzt hatte ich den Salat. Ich sollte zu meiner Dummheit stehen...

Das Schweigen wurde immer unangenehmer, während ich nach den richtigen Worten für meine Erklärung suchte. Besonders redegewandt war ich noch nie gewesen, weswegen ich es schließlich kurz und - hoffentlich - schmerzlos machte. "Satsuki war halt da...für mich. Es ist was gelaufen. Aber seit ich zurück bin aus Morioka, hab ich nichts mehr von ihm gehört." Trotzig starrte ich auf die Bettdecke und hatte plötzlich gar nicht mehr das Gefühl, dass ich eine Bombe hatte platzen lassen. Aber Karyu gab mir das Gefühl sofort zurück.

"Das ist nicht dein Ernst." Ich hob lediglich leicht die Schulter, anstatt mich selbst weiter reinzureiten, indem ich noch mehr sagte - und alles schlimmer machte. "Du bist fremdgegangen?"

Ich seufzte schwer. "Wir waren..wir sind doch in einer Pause", murmelte ich kleinlaut im letzten Versuch, mich wenigstens ein bisschen zu retten vor seiner Wut und Enttäuschung, aber es funktionierte überhaupt nicht.

"Das hat aber uns auch nicht davon abgehalten, miteinander zu schlafen", erwiderte er. "Eine Beziehungspause bedeutet doch nicht, dass man gleich mit anderen Leuten ins Bett springt. Hast du das mit deinem Chef auch gemacht? Wo der doch auch so scharf auf dich ist?" Er ließ mir keine Zeit zu antworten. "Es war nie die Rede davon, dass diese Pause ein Freifahrtsschein ist. Das hättest du mir vorher sagen sollen, wie du dir das vorgestellt hast. aber du hast ja gar nicht mehr mit mir geredet."
 

Zögerlich hob ich den Blick. Karyu war wütend. So hatte er mich noch nie angeschaut. In seinen Augen spiegelte sich Enttäuschung wieder. "Es tut mir leid... Ich hab das ja nicht geplant gehabt.. Es war-..."

"Ich will die Details gar nicht wissen, ehrlich nicht", fiel er mir ins Wort und vergrub für einige Sekunden das Gesicht in den Händen. Ich selbst wusste nicht, was ich zu meiner Verteidigung sagen sollte. es war eben geschehen, ich konnte es nicht mehr rückgängig machen.

Durch das lange Schweigen wurde mir angst und bange. "Und....und jetzt?", fragte ich leise und mit klopfendem Herzen, woraufhin er wieder aufsah.

"Keine Ahnung... Ich muss drüber nachdenken.", murmelte er und stand zu meiner Enttäuschung auf, um sich anzuziehen. Er würde gehen, mich alleine lassen, zurück in der Ungewissheit. Dabei wollte ich das lieber gleich geklärt haben. Ob er mich verlassen würde..? Darüber wollte ich gar nicht nachdenken.
 

Ich nagte mit klopfendem Herzen an meiner Unterlippe, während ich ihn dabei beobachtete, wie er die Knöpfe seiner Jeans schloss und sich sein Oberteil überzog. "Du machst Schluss", sagte ich ohne jeglichen fragenden Unterton. Ich ließ es wie eine Feststellung klingen, als würde mir das irgendwie helfen, wenn er jetzt mit Ja antworten würde.

Seufzend strich Karyu seine Kleidung glatt und schaute zu mir herüber. Für ein paar lange Sekunde schwieg er und betrachtete mich lediglich. "Ich denke nicht, nein." Er schlug die Augen nieder und strich sich durch die schwarzen Haare. "Wir beide haben so viel durchgemacht und sind endlich wieder auf dem richtigen Weg. Ich liebe dich ja trotzdem, auch wenn du fremd gegangen bist." So etwas wie ein bitteres Lächeln legte sich auf seine Lippen, während ich doch etwas verblüfft dreinschaute. "Ja, so einfach ist das...", murmelte er und verschränkte die Arme. "Ich bin wirklich alles andere als glücklich, mit dem, was du getan hast. Auf der anderen Seite habe auch ich Fehler in der Vergangenheit gemacht... wäre das nicht passiert, wären wir ja erst gar nicht in dieser scheiß Pause gelandet. Gib mir einfach etwas Zeit, um...keine Ahnung...es zu vergessen?" Jetzt hielt er die zwei Monate, die ich die Pause weiter bestehen lassen wollte, sicher nicht mehr für so schlecht. Ich nickte nur, wusste keine Erwiderung. Ich verspürte nur Erleichterung. Ein Stein fiel mir vom Herzen, auch wenn ich dennoch Angst hatte, dass er sich vielleicht noch umentschied. "Machen wir uns einen Kaffee? Ich muss bald ins Krankenhaus und könnte vorher noch einen vertragen."

Sofort nickte ich und kletterte aus dem Bett. Nachdem ich mir rasch etwas überzogen hatte, ging ich mit ihm in die Küche, bereitete uns einen Kaffee zu und wärmte etwas Reis vom Vortag auf. Noch etwas Sesam darüber geben, und wir hatten ein kleines Frühstück. Die Stimmung war natürlich nicht gerade entspannt. Eher im Gegenteil. Ich sah Karyu an, dass er über meinen Ausrutscher nachdachte. Ich hoffte für uns, dass er nicht zu lange daran zu knabbern hatte. Ich wünschte mir inständig, dass er mir vollkommen vergeben würde. Auch wenn er nicht vorhatte, mich zu verlassen, gab es andere Formen der Bestrafung, denen er mich aussetzen konnte, selbst wenn er es vielleicht nicht direkt bewusst oder mit Absicht machen würde. Die nächsten zwei Monate würden hart werden, aber wir waren so weit gekommen, dass es eine Schande wäre, wenn wir jetzt auf den letzten Metern aufgaben.
 

Schweigend verzehrten wir unser Frühstück. Ich begann schon die Uhr ticken zu hören, was selten ein gutes Zeichen war, aber ich wusste nicht, was ich sagen wollte. War es überhaupt möglich, die Stimmung zu lockern?

Unvermittelt legte Karyu die Hand auf meine, nachdem er aufgegessen hatte und auch die Kaffeetasse leer war. "Ich muss mich auf den Weg machen. Ich meld mich die Tage bei dir, ja?", sagte er recht sanft und stand auf, während ich nur nickte. Für einen Moment war meine Hand schön warm gewesen, jetzt war sie wieder kalt und ich spürte ein Frösteln aufkommen. Unsicher sah ich Karyu dabei zu, wie er unsere Reisschüsseln und seine Tasse weg räumte, dann wandte er sich nochmals mir zu. Er bemerkte meinen verloren wirkenden Blick und rang sich ein Lächeln ab. "Nun schau nicht so. Ich darf so schauen, nicht du." Er beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn, nach kurzem Zögern küsste er mich auf den Mundwinkel, dann auf die Lippen. "Ich fands schön heute Nacht", sagte er leise und richtete sich mit einem echten Lächeln auf. "Ich melde mich, versprochen. Genieß den freien Tag."

Ich nickte und bedankte mich, bevor ich ihn in den Flur begleitete, wo ich ihn verabschiedete. Ein "Ich liebe dich" hörte ich von ihm nicht, ich selbst aber wagte es ebenfalls nicht, es zu sagen. Warum genau ich Angst davor hatte, wusste ich nicht. Ich konnte es nur einfach nicht sagen, auch wenn es wahr war. Möglicherweise war jetzt einfach nicht der Zeitpunkt dafür.

Noch lange blieb ich in meiner Tür stehen und starrte die Treppen entlang, die Karyu hinunter gelaufen war.
 

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ENDE

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(Und es ist wirklich wirklich das Ende! Das ultimative!)



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Kommentare zu dieser Fanfic (17)
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Von:  --Tsuki--
2015-04-26T19:38:23+00:00 26.04.2015 21:38
Was? Ende? Schon? D:

Ich habe die letzten drei Kapitel am Stück gelesen, allerdings ist es doch schon wieder ein paar Tage her, da ich erst jetzt Zeit zum Kommentieren habe. Ich hoffe, ich vergesse nichts ><
Die Wendung mit Hizumi fand ich sehr interessant. Also, dass er nun etwas offensiver wird, nachdem Karyu aufgetaucht ist. Ist auch irgendwie typisch, dass er jetzt seine Felle davon schwimmen sieht :'D
Dass da aber nicht noch mehr Drama entstanden ist, fand ich gut. Gleiches gilt für Zeros Verhältnis zu Tsukasa, also dass da auch nicht noch mehr passiert.

Allerdings muss ich sagen, dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, dass bei dir die Luft raus ist, was diese Story anbelangt. Kann das sein? Es hat mir in den letzten drei Kapiteln an der Dynamik gefehlt, die bei dir sonst immer drin ist und es war stellenweise recht langgezogen und im Gegensatz dazu plötzlich dieses abrupte Ende. Das finde ich sehr schade. Ich hätte gerne gelesen, wie sich Satsuki und Zero nochmal begegnen oder zumindest irgendwie Kontakt haben. Ich meine, es wird ja einen Grund haben, warum Zero von ihm träumt und da hätte ich es mir irgendwie abgerundeter gewünscht. Vielleicht auch mit einem Epilog, der auch etwas darüber aussagt, ob Karyu und Zero nun wirklich glücklich geworden sind. Wobei das offene Ende sicherlich beabsichtigt ist.

Dennoch, alles in allem eine schöne, realitätsnahe Story, die ich sehr gerne gelesen habe. Vielen Dank dafür und ich freue mich schon auf neue FFs von dir ^o^/
Antwort von:  Phoenix_Michie
12.05.2015 13:18
Lieben Dank für deinen Kommentar :)
Du hast ganz recht, irgendwie hatte ich zwischendrin immer mal wieder zu kämpfen. Es wundert mich nicht, dass man das beim Lesen merkt. Ich wollte dann doch einfach nur fertig werden, hatte meine grobe Idee und die hab ich dann durchgezogen...vielleicht etwas zu lieblos.
Was Zero und Satsuki angeht, da ist mir nichts Realistisches eingefallen. Ich hätte die beiden auch gern noch mal zusammen gesehen, aber wie hätte ich da was authentisch entstehen lassen sollen? Satsuki hat keine Kontaktdaten, nur Zero hat seine Handynummer.. Und ich habe keinen starken Grund gesehen, warum er sich bei ihm melden sollte, wo es doch alles wieder besser lief. Vielleicht hätte er nachfragen können, wie es ihm geht und wie es läuft, aber sonst? Dadurch entsteht ja nicht gleich was, vor allem da Zero wieder halbwegs glücklich war. Oh man, ich kann das gerade nur schlecht erklären, was ich meine >.< Also kurz, mir ist nichts glaubhaftes eingefallen, um die beiden noch mal aufeinander treffen zu lassen.
Ja, ich bin leider ein furchtbarer Freund der offenen Enden - ich hasse es, wenn ich sowas in einem Buch lese, schreibe es aber selber gern. Nur leider bin ich darin nicht so gut, glaube ich xD
Ich habe das alles noch nicht ganz abgehakt; in meinem Hinterkopf denke ich immer darüber nach, wie ich vielleicht doch noch einen Epilog einbauen kann. Aber erstmal muss ich Ideen sammeln dafür und dann schauen wir mal, ob sich noch was lohnt.
Von:  Lilia_Arabesque
2015-04-23T18:51:51+00:00 23.04.2015 20:51
So nun endlich ein Kommentar von mir.
Schon lange verfolge ich deine FFs und schon sehr lange mag ich sie...aber ich bin immer so scheu etwas zu schreiben.

ich mag den Stil wie du schreibst sehr gerne und ich liebe es auch, wie du jedem Char eine Persönlichkeit verleihst.
Du beherrscht das wirklich sehr gut^^

Am Meisten mag ich die Unsicherheit von Zero...und dieses Liebenswürdig Tollpatschige von Karyu...es ist alles so schön stimmig in dieser FF-Reihe hier...ich liebe es!

Mach auf jeden Fall weiter so;)
Von:  --Tsuki--
2015-04-03T17:17:40+00:00 03.04.2015 19:17
Huch, einmal nicht mit dem Lesen hinterhergekommen und schon ein weiteres neues Kapitel am Start! :)

Oh je, Hizumi, lese ich da zwischen den Zeilen etwa sowas wie Eifersucht?
Jedenfalls ist er auf Karyu ja nicht allzu gut zu sprechen und hat offenbar ein gesteigertes Interesse an ihrer Unterhaltung. Und sooo dicke sind er und Zero bisher ja nun auch nicht, dass er das allein aus Sorge machen würde, oder?

Was das Gespräch mit Karyu angeht - ich bin froh, dass es so ausgegangen ist.
Man hat die Anspannung richtig gespürt, man konnte sie fast greifen und ich glaube, wenn Zero eine andere Antwort gegeben hätte, wäre er damit nicht glücklich gewesen. Diese Beziehung braucht wirklich Zeit, um wieder zusammen zu wachsen und es ist gut, dass Zero das erkannt und sich vor allem nicht überreden lassen hat.
Er ist im Vergleich zum alten Zero am Anfang wahnsinnig gereift und zum erwachsenen Mann geworden - sehr schön. I like :D
Von:  bloodinstinct
2015-04-03T13:33:51+00:00 03.04.2015 15:33
Wie ich Hizumi doch liebe :D Ich finde es genial wie Zero ihm am Ende den Mund verbietet

Und ich kann vollkommen verstehen, dass Zero nicht direkt wieder alles will
Wenn das mit dem neuen Job klappt dann schon, aber das ist ja immer so eine Sache...
Von:  bloodinstinct
2015-03-25T09:52:56+00:00 25.03.2015 10:52
Ach auf das Gespräch bin ich doch gespannt
Was genau er Zero denn zu erzählen hat

Ich mag übrigens deinen Hizumi sehr :D
Von:  bloodinstinct
2015-03-06T08:42:22+00:00 06.03.2015 09:42
Wirklich schönes Kapitel und ich fand es wirklich gut erklärt wieso sich Tsukasa so freundlich verhalten hat. Geldmangel im Verlag ist natürlich ein Grund, dazu Kündigungen. Nicht einfach.

Ich frage mich ja ob sich Zero und Satsuki jemals wieder sehen und wenn ja wo und wann. Genauso wird es interessant, wenn sich Karyu und Zero mal sehen - falls es Karyu denn zu dem Treffen schafft.
Antwort von:  Phoenix_Michie
06.03.2015 15:27
Lieben Dank für deinen Kommentar!

Ich gebe zu, eigentlich hatte ich nichts mehr mit Satsuki geplant, aber da ihr öfter nachfragt bzw. es erwähnt, bin ich jetzt am Überlegen, ob ich ihn nicht doch noch mal einbaue - entweder verlängere ich die FF (denn in meinem Kopf hab bereits das finale Kapitel fertig) oder ich hänge ein Bonuskapitel ran...mal sehen. Wenn das nächste Kapitel erscheint, hab ich mich hoffentlich entschieden ;)
Von:  --Tsuki--
2015-03-05T09:53:49+00:00 05.03.2015 10:53
Neeeein, mein Kommentar wurde gelöscht ;A;
Also auf ein Neues...

Ein schönes Kapitel! ♥
Bisher mein Favorit, glaube ich.

Mir hat sehr gut gefallen, dass der Abschied zwischen Satsuki und Zero nicht so kitschig ausgefallen ist. Ich glaube, viele Autoren hätten da in die Dramakerbe mit unendlich vielen Küssen unter Tränen geschlagen. Deine Jungs hingegen waren einerseits abgeklärt, aber dennoch nicht gefühlskalt. Zero vermisst ihn und natürlich auch den besten Sex seines Lebens und ich kann mir vorstellen, dass es Satsuki genauso geht. Ich denke auch nicht, dass es das letzte Mal war, dass die beiden sich gesehen haben :3

Was ich auch super fand, war, dass Tsukasas Verhalten aus von vor einigen Kapiteln erst jetzt erklärt wurde. Das macht den Plot viel interessanter als wenn er es direkt erklärt hätte und vergrößert den Aha-Effekt ^^

Der nächste Punkt, der mir positiv aufgefallen ist, war die Szene, in der das Bier über seine Hand läuft. Solche kleinen Details, gerade wenn sie ein bisschen unschön sind, wirken einfach super natürlich und man hat als Leser das Gefühl, mittendrin zu sein und einen flüchtigen Blick auf das verschüttete Bier zu werfen.
Super gut! :D

Du merkst, ich bin voll des Lobes und hab nichts zu meckern!
Weiter so ♥
Antwort von:  Phoenix_Michie
05.03.2015 16:31
Waaas, gelöscht?! Was ist denn da passiert >.< Danke für's nochmalige Schreiben ♥

Danke für das Lob :3 Damit hatte ich nun nicht gerechnet, dass es so gut bei dir ankommt, aber umso mehr freue ich mich :)
Ich finde, gerade so kleine Details in Szenenbeschreibungen machen das ganze erst lebendig und lesenswert...aber nicht immer schaffe ich es, mich daran zu halten >.< Das Salz in der Suppe muss ich noch viel häufiger hinzufügen ;D
Von:  --Tsuki--
2015-01-19T17:28:29+00:00 19.01.2015 18:28
So, ich kommentiere das mal, während ich nebenbei den Text lese ^^

Im ersten Teil wird Satsukis Vorhaben ja mehr als deutlich. Was auch absolut verständlich ist, nachdem sie schon so lange umeinander herumgeschlichen sind und sich das Bett geteilt haben. Zumindest von Zeros Seite aus scheint da ja auch mehr zu sein - nicht unbedingt Liebe, aber er vertraut ihm und das bedeutet bei Zero ja schon eine ganze Menge, außerdem hatte er auch feuchte Träume von ihm.
Warum sie aber meinen, sich nie wieder sehen zu können (nicht mal als Freunde) ist mir allerdings nicht so klar... Also, ja, sie wohnen nicht gerade um die Ecke, aber ich sag ja immer, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!
Andererseits, ob der Wille wirklich da ist, sei natürlich dahingestellt :') Bei Zero jedoch schon eher als bei Satsuki... andererseits hält der Händchen! ^^ Oder ist das nur Masche? D:

Zero ist wirklich ungewöhnlich! Ich meine, er ist ein Mann, und er mag Satsuki, und Satsuki begehrt ihn offensichtlich, und Zero hatte schon lange keinen Sex mehr, und Satsuki ist ihm nicht fremd, er träumt sogar von ihm. Und trotzdem ziert er sich so?
Also klar, er hängt noch an Karyu, doch der hat sich schon ewig nicht mehr gemeldet, was für eine pausierte Beziehung, die später wieder laufen soll, eher ungünstig ist.
Also Zero, genieß die Zeit, nutz deine Möglichkeiten und hab einfach Spaß, du Esel! :D
Ich bin da auf jeden Fall auf Satsukis Seite ^^ Er hat sich ja mittlerweile auch mehr als genug Mühe gegeben, um ihn ein bisschen aufzulockern und für sich zu gewinnen.

Dass da aber nicht schon in der Badewanne was gelaufen ist (fummeln oder so) überrascht mich! Das hätte ich Satsuki durchaus zugetraut, bzw. für seine Absicht gehalten, als er den Vorschlag gemacht hat :)

Wow, das mit Satsukis Narbe ist echt krass! o.o' (Ich hoffe ja immer noch, dass die Alte mal auftaucht :D )

Die Lemonszene ist dir echt gut gelungen! Kompliment! ^^ Und ich bin froh, dass Zero sich eeeendlich nicht mehr geziert hat und dann auch noch so sehr männlich wurde - yeah! :D
Auch gefällt mir gut, dass hier keine klassische Rollenverteilung vorgenommen wird à la "Einmal Uke, immer Uke" Finde ich sehr realistisch ^^
Ebenso, dass Satsuki es nach zwei Wochen der Enthaltsamkeit wieder nötig hat. Ich glaube, das ist ziemlich normal für einen Durchschnittsmann :)
Übrigens finde ich es gut, wenn Satsuki nur auf Sex aus ist. Es ist menschlich, und außerdem wird es dann nicht so super kompliziert, wenn sie nach dem Seminar getrennte Wege und sich vielleicht wirklich nie wieder sehen...

Ach, Karyu... u.u Ein paar Stunden früher und Zero müsste sich nicht so schlecht fühlen... andererseits hätte er dann auch keinen Spaß gehabt :3
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Karyu ein Fass aufmacht, wenn er das erfährt. Ich meine, sie waren ja wirklich mehr getrennt als zusammen und das nicht erst seit zwei Tagen, insofern hat er sowieso damit rechnen müssen. Aber ein wenig enttäuscht wird er wohl trotzdem sein... aber selbst schuld! -.-

Bin gespannt, ob und was Zero antwortet, bzw. wie ihr Wiedersehen wird ^^
Von:  bloodinstinct
2015-01-13T21:03:12+00:00 13.01.2015 22:03
Haaaach~
Irgendwie bekomm ich bei Satsuki aber langsam ein schlechtes Gefühl... dass er Zero nur fürs Bett will oder so. Wobei er ja die ganze Zeit immer so lieb war... aber trotzdem... weiß auch nicht

Karyu hat das wirklich spät alles bemerkt...
Der Versuch kommt wirklich spät und ob er das noch gerade biegen kann?
Von:  --Tsuki--
2014-12-18T16:22:56+00:00 18.12.2014 17:22
Ahhh, entschuldige meine Nachlässigkeit ><
Heute komme ich dann endlich mal zum Kommentieren, nachdem ich das Kapitel gleich nach Freischaltung gelesen habe... sorry ><

Nuuun... diese Sexträume lassen ja tief blicken, was seine innere Zerrissenheit anbelangt. Er kann einem wirklich leidtun, sucht sich ein wenig Geborgenheit bei einem Mann, den er nicht liebt, weil der Mann, den er liebt, es nicht mal für nötig hält, ihm eine SMS zu schreiben -.-
Ich frage mich auch, was in Satsuki vorgeht. Also klar, wir wissen, dass er einen Schwarm in Tokyo hat (kennt man den? :D ) aber er nähert sich Zero ja auch ziemlich an. Wäre er dabei irgendwie anrüchig, könnte man denken, er will nur Sex, aber davon ist hier irgendwie nichts zu merken. Aber einen guten Kumpel sucht er wahrscheinlich auch nicht in Zero.
Übrigens frage ich mich, wann sie eigentlich mal die Lust überwältigt und sie übereinander herfallen, so oft, wie sie sich das Bett teilen, hehe >D

Sehr interessant übrigens auch der Einblick in Satsukis Leben, mit der irren Ex. Finde es gut, dass du das Drama um ein Coming Out miteingebracht hast. Ich finde, es gibt seiner Person mehr Identität :)
Mal sehen, ob die Ex dann wirklich irgendwann vorm Hotel steht und Zero vermöbelt oder so o.o

Ich hoffe auf ein baldiges Upload :D


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