Riss
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Riss
Die Sonne Englands schien in vollen Zügen, keine einzige Wolke war zusehen. Vögel flogen ihre alltäglich Bahnen, der Wind zwang die Blätter der Bäume sich in einen bestimmten Rhythmus zu bewegen.
Ein Mädchen, das mit einer Kiste die Schulflure entlang spazierte, schaute aus dem Fenster. Es war wirklich ein wunderschöner Tag. Sie schritt weiter, was ihren festen Zopf, der nach oben gebunden war, hin und her bewegen ließ. Als ihr das Tragen der Kiste zu anstrengend wurde, seufzte sie auf und legte die Box auf den beigefarbenen Boden. Sakura schaute auf sich herab und strich über ihre Schuluniform, die aus einem weißen Hemd mit dem Privatschulzeichen auf der rechten Brust und einem braun-karierten, kurzen Rock bestand.
Danach schaute sie nach vorn. Bis zu ihrem Spind könnten es noch Kilometer sein. Das dachte sie zumindest und nahm wieder gereizt die Kiste in die Hände.
~*~
„ … und jetzt schlagt ihr die Seite fünfzig auf und fangt mit Aufgabe eins an. Zwei und drei werden Hausaufgabe“, kam es von der Lehrerin streng, während sie das Gesagte nochmals auf die Tafel schrieb. Die Klasse stöhnte genervt auf, was die Lehrerin wieder streng mit einem still sein! kommentierte.
Ein Junge mit schwarzem Haar schrieb die Aufgaben gelangweilt in sein Heft, während sein Sitznachbar das gleiche tat und ihm dabei etwas zu flüsterte.
„Sasuke … wie wäre es, wenn wir heute mit Kate ins Kino gehen?“
Der Angesprochene schaute seinen Freund ausdruckslos an.
„Geh du mit ihr“, kam es nur von ihm. Die Lehrerin schaute durch die Reihen, als sie Stimmen vernahm. Sie dachte sich getäuscht zu haben, deshalb blickte sie wieder in ihr Buch, das sie aus ihrer Aktentasche hervorgeholt hatte.
Charles grinste.
„Hey … willst du mir gerade eine Chance geben, mit ihr allein zu sein?“
Sasuke schaute ihn wieder an und grinste ebenfalls.
„Nein, ich habe wirklich noch etwas zu tun.“
Ein Klingeln der Schulglocke verhinderte, dass Charles antworten konnte. Sie packten Bücher und Hefte in ihre Taschen.
Die Lehrerin beendete die Stunde mit folgenden Worten.
„Wir sehen uns morgen. Vergisst nicht, die Hausaufgaben zu machen!“
Charles und Sasuke verließen die Klasse.
„Na gut. Dann frage ich Kate, ob wir beide alleine gehen. Du verpasst aber etwas. Spiderman 2 läuft.“
„Charles, das ist mir so was von egal. Ich habe Internet, den kann ich mir auch auf dem Laptop reinziehen.“
Die Flure füllten sich mit vielen Schülern, sodass man etwas drängeln musste.
Sie blieben an Charles Spind stehen.
„Sollen wir Samstag was machen? Ich habe gehört, Neji macht wieder ne Party in seinem Elternhaus. Die sind wohl über das Wochenende weg.“
Sasuke überlegte.
„Kommt drauf an, welche Laune ich habe“, sagte er.
„Okay. Ey, ich muss noch zu Kate. Die nächste Stunde haben wir nicht zusammen und danach ist Schulschluss, wir sehen uns im Wohnheim!“, kam es fröhlich von Charles, der sich über seine roten Haare strich. Sasuke hob die Hand, um sich ebenfalls zu verabschieden und lief weiter. Das Internat war wirklich groß und hatte zwei große Schulgebäude und eine eigene Halle für Orchesterauftritte.
Einen Sportplatz gab es ebenfalls. Der Schulflur, den Sasuke gerade entlang schritt, war vollkommen leer, da dieser Teil der Schule neu war. Die Spinde hier waren alle fast leer.
Sasuke begutachtete seine Schuluniform und musste aufseufzen. Knitter im Hemd. Er hatte heute Morgen keine Zeit gehabt sein Hemd zu bügeln, da er verschlafen hatte und Charles ohne ihn zu wecken aus dem Wohnheim geschlichen war. Toller Witz. Dafür musste er nun eine Extrahausaufgabe machen. Sasuke schulterte seine schwarze Umhängetasche auf die andere Seite, da die Bücher schwer waren und seine Schulter anfing wehzutun. Danach zuckte er sein Handy aus seiner braun-karierten Hose.
Er war froh, gleich die Last, die er in seiner Tasche mit sich trug, an seinem Spind loszuwerden.
~*~
Sakura bekam so langsam Rückenschmerzen. Die Bücher, die sich in der Kiste befanden, waren wirklich schwer und sie war froh, diese Last bald von sich zu nehmen. Doch dazu musste sie erstmals ihren Spind finden, der wohl irgendwo versteckt lag. Sie fand ihn nicht!
Als sie um eine Ecke bog, riss sie ihre smaragdgrünen Augen auf. Eine Millisekunde später knallte sie in eine Person hinein. Das Handy, dass diese Person in den Händen gehalten hatte, flog davon.
Sakura fiel mit dem Po auf den Boden und ihre Kiste landete mit einem lauten Knall vor ihr, auf den Fuß, der Person in die sie gerannt war.
„Pass doch mal auf!“, schrie der Junge schmerzvoll, während die Kiste von ihm weggetreten wurde.
„Hey! Da sind meine Sachen drin!“, schrie Sakura ebenfalls so laut zurück und schaute den Schwarzhaarigen wütend an.
Sasuke, jedoch, rannte zu seinem Handy, das einige Meter weggeschleudert wurde. Das Display hatte einen Riss.
Von ihm kam ein leises und unfassbares Scheiße … über die Lippen.
Sakura kramte derweil in ihrer Kiste herum und fluchte ebenfalls, als sie ihre Glaskugel sah, die ebenfalls einen Riss hatte.
Sasukes Züge wurden, nachdem er den Schock verdaut hatte, wütend. Er kam mit dem Handy auf Sakura zu.
„Den Mist bezahlst du mir!“
Die Haruno glaubte sich verhört zu haben.
„Ich?! Du hast das hier zerstört!“ Sie hielt ihre Glaskugel hoch.
Von dem 16-jährigen kam ein verächtlicher Ton.
„Das kriegst du für fünf Euro um die Ecke. Mein Handy, jedoch, hat fünfhundert Euro gekostet!“
Sakura erhob sich.
„Ich bezahl gar nichts. Und diese Kugel war Antik!“
Sie nahm die Kiste wieder in die Hände.
„Du wirst bezahlen, glaub mir“, flüsterte Sasuke, während er seinen Spind öffnete und sehr gereizt seine Bücher hinein warf.
„Von wegen“, murmelte Sakura zurück und schaute auf die Zahlen der Spinde.
310
Sie suchte aber die 301.
Je näher sie Sasuke kam, desto näher kam sie auch ihrer Spindzahl.
Und wie es das Schicksal wollte, blieb sie direkt neben Sasukes Spind stehen.
301.
„Na toll“, kommentierte der Uchiha diese Tatsache nur genervt, während er seinen Spind zuknallte und sich von der Haruno fortbewegte.
Sakura, die einerseits froh war, endlich ihren Spind gefunden zu haben, andererseits wütend war, neben einem Idioten ihre Bücher lagern zu müssen, hob die Kiste auf und erhoffte sich, dass nicht noch mehr kaputt gegangen war.
~*~
Die laute Schulglocke beendete die letzte Pause des Tages. Sakura betrat mit einer mittleren Laune den Kursraum. Die meisten Schüler ließen sich wohl Zeit, denn der Raum war, mit Ausnahme von ein bis sechs Menschen, leer.
Da Sakura aber nicht wusste, wer auf welchem Platz saß, ging sie auf einen beliebigen Tisch in der Mitte zu und setzte sich hin.
Sie sah, wie sie viele musterten. Da das ihr unangenehm war, versuchte sie sich mit etwas abzulenken. Sakura kramte in ihrer schwarzen Umhängetasche, die man von der Schule bekam, und holte ihre Bücher heraus.
„Aufstehen“, erhob sich plötzlich eine Stimme vor Sakura. Die Haruno blickte hoch und schaute in pechschwarze Augen, die sie bedrohlich ruhig anschauten.
Sakura erkannte ihn sofort. Sie erhob sich und nahm die Bücher in die Hand. Sie war wollte keinen Ärger bekommen und auffällig wirken.
„Hey, Sasuke. Lass sie doch, sie ist neu“, mischte sich grinsend ein Mitschüler aus der hintersten Reihe ein.
Sasuke wurde nur noch wütender.
„Halt dich da raus, Sai“, gab er mit kalter Stimme von sich, die Sakura schaudern ließ. Nachdem sie aufgestanden war, setzte sich der Uchiha auf den Platz.
Die Haruno schaute sich um. Da immer noch einige fehlten, wusste sie nicht wohin.
Nun blickte sie zu Sasuke.
„Weißt du, wo ein Platz frei ist?“, fragte sie ihn.
Er schaute sie an.
„Ganz vorne rechts.“
Sakura nickte und schritt nach vorn. Sie setzte sich ebenfalls hin, als sie am Tisch ankam.
Die Haruno lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie war auf einer Privatschule. Ihre Mutter hatte es endlich möglich gemacht und das obwohl sie nicht die größte Geschäftsfrau war.
„Hier sitz ich “, sagte plötzlich eine weibliche Stimme vor ihr. Die Haruno öffnete die Augen. Eine Rothaarige schaute sie spitz an und machte deutlich, dass der Platz ihr gehörte. Sakura wunderte sich und schaute nach hinten zu Sasuke.
Er grinste.
Sie verstand. Seine kleine Rache.
Nachdem sich Sakura entschuldigt hatte und von der Lehrerin, die eben hereingetreten war einen neuen, wirklich freien Platz bekommen hatte, hatte auch der Unterricht angefangen, indem sie sich vorstellen durfte.
Sechzig Minuten später stand Sakura vor dem Lehrerpult. Der Kursraum war leer.
„Du hast dich für den Anfang gut geschlagen. Eine Schülerin kommt dich jetzt gleich abholen und zeigt dir dein Zimmer, das du auch mit ihr teilen wirst. Deine Sachen wurden schon heute Morgen dorthin gebracht“, lächelte die Lehrerin. Sakura nickte und lächelte zurück. Die Lehrerin ließ danach Sakura alleine im Kursraum.
Nach fünf Minuten, in denen die Schülerin immer noch nicht kam, fing Sakura an, sich zu langweilen. Sie machte sich Gedanken. Diese Schule war wirklich gut. Obwohl sie nur eine Stunde gehabt hatte, konnte sie den Stoff, den sie hier lernten, mit dem ihrer alten Schule vergleichen. Sie erkannte einen großen Unterschied. Hier brachten es die Lehrer viel intensiver bei und auch völlig anders. Zumal war es für die 16-jährige ungewohnt mit einer Schuluniform herum zu laufen.
Plötzlich hörte Sakura eilige Schritte.
„T-tut mir leid“, kam es etwas erschöpft von einem sehr hübschen Mädchen, die erledigt im Türrahmen stand. Sakura konnte nur staunen. Sie hatte langes blondes und gelocktes Haar. Ihre Augen waren azurblau und sie trug Lipgloss auf ihren Lippen.
„Schon gut“, lächelte Sakura.
„Ich bin Kate, deine neue Mitbewohnerin! Du bist Sakura, oder?“ Ihr Lächeln war einfach nur zauberhaft. Wie ein Engel.
Die Haruno fand sie von Anhieb an nett.
„Ja“, schmunzelte sie.
Beide machten sich auf den Weg zu den Wohnheimen.
Draußen angekommen, erstreckte sich ein riesiger Campus.
„Die Wohnheime sind direkt hier auf dem Campus, sodass wir das Schulgelände nicht verlassen müssen. Unsere Schule hat außerdem einen Sportplatz und-“ „Eine Halle, oder?“, unterbrach Sakura, Kate, „stand im Prospekt.“
„Ja, genau. Wir haben auch eine Cafeteria, in der du morgens und mittags etwas bekommst. Also vor dem Unterricht und in der Mittagspause. Ich frühstücke aber immer im Wohnheim. Wir haben in unserer Wohnung eine eigene Küche.“
Sakura war erstaunt. Damit hatte sie nicht gerechnet.
Beide betraten ein großes Gebäude.
„Ein Badezimmer haben wir auch. Also richtig wie eine kleine Wohnung. Unsere Eltern bezahlen nicht umsonst so viel Geld“, lächelte Kate zuckersüß, während sie eine Tür im dritten Stockwerk öffnete.
Man betrat sofort das Wohnzimmer beim Hereinschreiten. In der Mitte des Raumes stand eine Couch und daneben ein Sofa. Gegenüber der Sitzmöglichkeiten stand ein großer Fernseher.
Links führte ein offener Eingang in die Küche. Außerdem konnte man durch ein Fenster ohne Glas von der Küche aus in das Wohnzimmer hineinblicken. In der Mitte der Küche stand eine Kücheninsel. Es waren nicht die modernsten Möbel, doch machte alles einen sehr schönen und gemütlichen Eindruck.
„Saku, hier schlafen wir“, kam es von Kate, die wieder durch das Wohnzimmer schritt. Rechts konnte man durch einen langen Flur gehen. Dort befand sich eine Toilette. Am Ende des Flures konnte man durch eine Tür. Der Raum war klein, aber fein. Links waren drei kleine Fenster und den meisten Platz nahmen die zwei großen Betten, die nebeneinander standen. Gegenüber der Betten konnte man zwei Schreibtische mit jeweils zwei Stühlen sehen. Rechts war noch eine Tür, die zu der Dusche und einer weiteren Toilette führte.
„Ah, Sakura. Bevor ich es vergesse!“ Kate ging wieder in das Wohnzimmer. Hinter dem Fernseher waren sehr viele Fenster. Man musste auch erwähnen, dass die Decken hoch gehalten waren. Kate öffnete eine Glastür.
„Wir haben sogar ein eigenes Balkon!“, kreischte sie, obwohl sie hier schon seit einer Weile lebte.
„Er ist zwar klein, aber es ist immer noch ein Balkon!“
Kate schaute Sakura erwartungsvoll an.
„Und? Was hältst du von der Wohnung?“
„Geil“, kam es nur Sakura über die Lippen.
Kate lachte los.
„Ja, nicht wahr?“ Sie ging in das Schlafzimmer, „wir sollten aber erst einmal deine Sachen auspacken. Ich muss um 16 Uhr weg, also dalli dalli!“
Sakura folgte ihr.
„Hast du extra Unterricht?“, fragte Sakura, während sie ihren Koffer auf das Bett hob. Sakura hatte gehört, dass einige nachdem Unterricht noch einmal zu einer extra Stunde gingen, um Schwächen zu verbessern.
Kate winkte ab.
„Nein, ich geh ins Kino“, lächelte sie, „du kennst dich in England noch nicht so gut aus, oder? Kommst ja aus Japan.“
Sakura öffnete den kleinen Kleiderschrank, der neben ihrem Schreibtisch stand.
„Ja. Vielleicht schau ich mich am Wochenende ein bisschen um.“
Kate lächelte wieder.
„Ich kann dir ja alles zeigen.“
Sakura lächelte zurück.
„Danke, das wäre nett.“
Die zwei Mädchen vernahmen plötzlich ein lautes Knallen, das von draußen kam. Die Haruno schritt zum Fenster und sah weiter weg eine Baustelle am Sportplatz.
„Ach ja. Die Schwimmhalle neben dem Sportplatz wird renoviert. Morgen machen alle Klassen einen Rundgang durch die neue Halle.“ Kate hielt plötzlich inne.
„Sakura, in welcher Klasse bist du eigentlich?“
Die Haruno überlegte.
„Öhm … in der 11C.“
Kate strahlte.
„Du bist in meiner Klasse! Wie cool.“
„Da bin ich aber froh. Bis jetzt kenne ich nur dich“, schmunzelte die Haruno.
„Du kommst mir auch sehr sympathisch vor. Die eine, die hier vor dir gewohnt hat, war richtig eingebildet“, stöhnte die Blondine.
Sakura lachte.
Ein Glück hatte sie hier eine Freundin gefunden, mit der sie auch noch zusammen leben konnte.