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Strafarbeit

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich gestehe, ich habe dieses Thema zu aller erst deshalb gewählt, weil es mir vor einer Geschichte, in der sich unter einem Mistelzweig geküsst würde, graute. l'D Die Plotidee kam mir dann allerdings sehr schnell und ich find sie auch richtig an zu mögen, weshalb ich froh war, dieses Thema gewählt zu haben.

Dass das Türchen nun mit einer solchen Verspätung kommt, tut mir wahnsinnig leid. Es kam mir so viel unerwartet dazwischen, dass ich kaum Zeit zum Schreiben fand. Ich denke, es ließt sich leider auch ein bisschen so. :/ Aber ich wollte es jetzt nicht noch länger vorenthalten. Wenn ich wieder etwas mehr Zeit habe, werde ich vermutlich noch einmal drüber lesen, um Fehler zu korrigieren und einen Feinschliff zu tätigen. :')

Ich hoffe, es unterhält auch in seiner unvollkommenen Form ein wenig. ♥ Komplett anzeigen

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Misteln sammeln

Das rostrote Laub knirschte verheißungsvoll unter den Sohlen, bei jedem Schritt den sie taten. Bisher hatte es noch nicht geschneit, doch der kalte Wind, der an den Ohren knabberte und der warme Atem, der kondensierte verrieten es schon. Es war Winter.

Gewappnet mit Winterstiefeln, einem dicken Pullover und dem geliebten silbergrünen Schal, der eng um den Hals gewickelt war, folgte Scorpius dem Wildhüter und Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe, Professor Hagrid, mit gemischten Gefühlen. Seine Schritte waren sicher, trotz des unebenen Boden, und nie würde er sich die Blöße geben, ins straucheln zu geraten, doch sein Magen zog sich mit jedem Meter, den sie weiter auf den Verbotenen Wald zugingen ein Stück weiter zusammen. Auch auf seiner Stirn zeigte sich sein Unwohlsein in feinen Fältchen, die sich zwischen seinen Augenbrauen in die blasse Haut gruben.

Schon als er zu seinem Strafarbeitstermin bei Mr. Greaves erschien, hatte er ein seltsames Gefühl gehabt. Er war niemand, der regelmäßig zum Nachsitzen erschien, doch trotzdem war er sich sicher, dass es nicht üblich war, vom Hausmeister zur Hütte am Waldrand gebracht zu werden und in die Obhut von Professor Hagrid übergeben zu werden.

Jedes Jahr bekamen die Schüler zu Beginn des Schuljahres erklärt, dass der Wald für sie verboten war – woher sein Name rührte. Es war gefährlich in zu betreten, vermutlich für jeden außer den Professor und anderen hochkarätigen Zauberern, da in ihm verschiedenste magische Geschöpfe lebten, von denen nur die wenigsten den Menschen wohlgesinnt waren.

Scorpius – und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch viele andere Schüler – konnte die warnenden Worte der Professoren auswendig herunterbeten und gerade in diesem Augenblick, als er sich in Begleitung von Professor Hagrid auf eben jenen Wald zubewegte, ging ihm jedes Wort, die Betonung jeder Silbe, durch den Kopf und kam einem schrillen Alarm gleich. Er befeuchtete seine trockenen Lippen und presste sie zusammen, als könne er sie so versiegeln. Sein Magen fühlte sich vielleicht wie ein Stein an und sein Puls ging in ungeahnte Höhen (und das, wo er Hypotonie hatte), doch er würde sich selbst nicht die Blöße eines kritischen Einwandes geben, der darauf schließen ließ, dass es ihm missfiel oder er gar Angst verspürte, dass sie in den Verbotenen Wald gehen würden.

Aus dem Augenwinkel sah Scorpius zu seinen beiden Begleitern. Sein bester Freund, den Slytherin-Schal sehr viel lockerer um den Hals gebunden, lief neben ihm mit eingezogenem Kopf und seine Cousine Rose hatte sich bis zur Nasenspitze im rotgoldenen Schal vergraben. Er stellte für sich die Vermutung auf, dass sie dies nicht tat, weil ihr kalt war und irgendwie bereitete ihm dies ein wenig Genugtuung.

In diesem Augenblick schienen sie drei einmal die gleichen Gedanken zu haben, ohne, dass einer sie aussprach. Ein spöttelndes Grinsen zog an Scorpius‘ Mundwinkel.

Mit seinem besten Freund teilte er nicht selten eine Ansicht. Nur, wenn dieser einmal die Meinung seiner Cousine teilte, schienen sie, verschiedene Standpunkte zu vertreten. Und da lag der Crup begraben. Rose Weasley war gefühlt immer einer anderen Meinung.

Der Gedanke an ewigwährende Diskussionen, die Albus schon aufgab, wenn Rose nur Luft holte, erweckte bei Scorpius den Drang, mit den Augen zu rollen. Mit gerade einmal dreizehn Jahren schaffte es die Weasley dermaßen rechthaberisch zu sein, als hätte sie die Weisheit eines Jahrhunderte dauernden Lebens inne. Ein Umstand, der Scorpius regelmäßig die Fassung verlieren ließ. Er mied es, einen musternden Blick auf sie zu werfen. Am Ende würde sie ihn wieder anzicken oder demonstrativ wie Luft behandeln. Auf beide Aussichten konnte er verzichten.

Seine ärgerlichen Gedanken, waren ihm eine gute Ablenkung gewesen, doch als Professor Hagrid stehen blieb, da sie den Rand des Waldes erreicht hatten, lag seine gesamte Aufmerksamkeit wieder auf dem bedrohlichen, dunklen, verbotenen Ort.

Könnte Albus oder noch besser Rose bitte einmal einwenden, dass das hier keine erlaubte Strafe sein kann?, dachte Scorpius deprimiert, da er wusste, die beiden würden genauso wenig sagen, wie er.

Sein Blick huschte nun doch direkt zu Rose. Brauchte man einmal ihre Diskussionsfreudigkeit, wollte sie den Mund nicht aufmachen. Natürlich. Zwar kannte Scorpius den Professor nicht sonderlich gut, aber er war sich sicher, er würde noch schneller unter ihrem Redeschwall einknicken als Albus.

Sie bemerkte seinen Blick und ihre braunen Augen ruhten für einen Augenblick auf ihm, dann sah sie demonstrativ weg. Wie erwartet. Dem verärgerten Ausdruck auf ihrem Gesicht, ließ ihn ahnen, dass sie ihm die Schuld für diese Strafe gibt.

Verächtlich stieß Scorpius Luft durch die Zähne und nahm einen ähnlich verärgerten Ausdruck an.

Der Professor bemerkte das Zwischenspiel der Kinder nicht und auch die skeptischen Mienen, die ihn anstarrten, als er sich zu ihnen umwandte, ließen ihn zwar die Stirn runzeln, aber nicht weiter darüber nachdenken. »So, ihr drei. Wisst ja wieso ihr hier seid«, begann er.

Nur nicht, was wir hier sollen, kommentierte Scorpius in Gedanken.

Geschäftig rieb Professor Hagrid die Hände und warf flüchtig einen Blick über die Schulter, bevor er weiter zu den drei Schülern sprach. »Professor Slughorn meinte, ihr kommt heute mit. Sollt was für ihn sammeln.«

Synchron hoben sich drei Paar Augenbrauen.

»Wir sollen etwas für ihn sammeln? Im Verbotenen Wald?«, hakte Albus nach und seine Stimme triefte vor Unglauben.

Doch der Professor verstand nicht, was Albus damit ausdrücken wollte, sondern interpretierte den überraschten Ausruf positiv. »Richtig! Ihr wisst natürlich, dass es verboten ist, den Wald zu betreten.«

»Allerdings«, bemerkte Scorpius trocken.

»In meiner Begleitung ist’s aber ungefährlich. Könnt euch glücklich schätzen. Meistens muss man in einem muffigen Klassenraum Aufsätze schreiben. Das bleibt euch erspart.«

»Hurra.« Ein schiefes Grinsen lag auf Albus Lippen. Er konnte sein Glück kaum fassen.

»Professor?«

Wie automatisch blickten Scorpius und Albus neugierig zu Rose, die sich entschieden hatte, auch etwas dazu zu sagen. Die stille Hoffnung, dass sie mit ihrer nervigen Diskussionsfreudigkeit ihrer aller Hintern aus dieser Miesere zog, keimte wieder auf.

Professor Hagrid sah sie eben so neugierig an, wofür er sich nach vorne beugte, um sie ordentlich sehen zu können. Vielleicht tat er es auch aus Höflichkeit, damit sie den Kopf nicht zu angestrengt in den Nacken legen musste. »Was denn, Rosie?«, ermutigte er das Mädchen.

»Professor – uns wird immer wieder gesagt, dass es uns verboten ist, den Wald zu betreten. Es leben viele Geschöpfe darin, die gefährlich werden können, wenn man sich falsch verhält. Von uns dreien ist, glaub ich, keiner im Fach Pflege magischer Geschöpfe. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir irgendwas Falsches tun werden, ist enorm. Denken sie nicht, dass ist ein zu großes Risiko?«

»Wir wollen die Waldbewohner ja auch nicht verärgern«, setzte Albus hinzu, der bisher nur zustimmend immer wieder mit dem Kopf gewippt hatte.

Ein Glucksen entwich der Kehle des alten Halbriesen. »Ihr braucht euch gar keine Sorgen machen. Ihr seid ja mit mir unterwegs. Wollte heute eh einen Kontrollgang machen. Die wissen also, dass ich komme. Es wird bestimmt keine bösen Überraschungen geben. Bleibt nur in der Nähe.«

Resigniert ließen die Kinder die Schultern hängen. Sie würden keine Zweifel in dem Wildhüter wecken können. Doch trotz seiner Versicherungen, fühlten sie sich gar nicht wohl bei dieser Strafaufgabe.

»Was sollen wir denn für Professor Slughorn sammeln?«, erkundigte sich Scorpius, sich seinem Schicksal ergebend. Die Information fehlte ihnen noch.

»Misteln.«
 

Ich zweifel ernsthaft an Slughorns Zurechnungsfähigkeit«, murmelte Albus in seinen Schal hinein. Sie waren nicht in Hörweite von Professor Hagrid, doch der Wald gab ihm das Gefühl, dass überall Ohren waren, die mithörten. »Wie viel muss man geraucht haben, dass man die Idee, seine Schüler in den Verbotenen Wald zu schicken, um Mistelbeeren zu sammeln, für clever hält?«

»Willst du unserem Sluggy etwa unterstellen, er konsumiert unerhörte Dinge?«, entgegnete Scorpius amüsiert, während er den Kopf emporreckte und die Äste der Bäume zu inspizieren.

»Unter unseren Umständen, ja! Ich bin sehr davon überzeugt, dass irgendwas dafür verantwortlich ist, dass der alte Sluggy nicht mehr bei klarem Verstand ist!« Dass es mit dem fortgeschrittenen Alter zusammenhing, war eine andere Theorie von Albus.

»Heulst du immer noch rum, Al?« Strauchelnd trat Rose zu den beiden Jungs, den Blick auf den Boden, um nicht über die nächste Wurzel zu stolpern.

»Ich heul nicht!«

»Er nörgelt«, bot Scorpius an, »und stellt Vermutungen auf, dass Slughorn nicht mehr richtig tickt.«

»Ich hab ja wohl allen Grund dazu«, rechtfertigte sich Albus in entrüstetem Tonfall, »ich hab sowieso keine Strafarbeit verdient, aber einen Aufsatz für Zaubertränke zu schreiben, hätte ich noch verkraftet. Das hier hab ich nicht verdient!«

Seine Freunde ließen dies unkommentiert und blickten weiter je einer zu Boden und einer zum Himmel, während sie ihren Weg fortsetzten, darauf bedacht, den Wildhüter nicht aus den Augen zu verlieren. Das war nicht bloß die Regel, sondern auch von den Dreien selber erstrebt.

Sie legten ein gutes Stück Weg zurück. Zwar hatte Professor Hagrid versichert, dass sie nicht tief in den Wald müssten, doch sie waren zumindest soweit vom Waldrand entfernt, dass sie ihn nicht mehr optisch ausmachen konnten. In alle Richtungen war es dunkel, durch die dichten aneinander stehenden Bäume und auch wenn die Kronen durch die Winterzeit bereits lichter waren, so half das wenig, da es den Tag über bereits kaum hell geworden war.

Auf ihrem Weg richtete jeder von ihnen seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes. Der eine sah zu den Ästen, der nächste auf die Wurzeln und der dritte besah jeden Busch mit Argusaugen, um sicher zu gehen, dass nicht plötzlich etwas dahinter hervorgesprungen kam.

Irgendwann merkte Scorpius an: »Misteln wachsen nicht am Boden.«

Rose gab ein Geräusch von sich, was irgendwo zwischen Schnauben und Grunzen lag. Egal, was es war, es hatte etwas Verächtliches. »Was du nicht sagst, Sherlock.«

Sherlock?

»Ich dachte, ich erwähne es mal, da ich irgendwie der einzige zu sein scheine, der wirklich danach sucht«, erwiderte Scorpius spitz.

Mit einem großen Schritt überstieg Rose eine Wurzel. »Mir ist es wichtiger, mir nicht den Hals zu brechen, statt für Professor Slughorn Misteln zu sammeln. Diese Strafaufgabe ist unerhört. Ich beschwer mich bei der Direktorin!«

»Ich komm mit!«, erklärte Albus und als wolle er seine Worte untermalen, lief er Rose auf ihrem Weg nach und stieg wackelig über die Wurzeln.

Unweigerlich rollte Scorpius die Augen. Eine Eigenart, die er sich nicht mehr abgewöhnt bekam. Besonders, wenn er Albus und Rose in Einigkeit erlebte. Bei dem vielen Gezeter vergaß er fast, dass er sich im Verbotenen Wald befand und hinter jeder Ecke der Tod lauern konnte (wie Albus es so schön dramatisch formuliert hatte).

Ihm fielen einige Dinge ein, die er Weasley und Potter gern mitgeteilt hätte. Dass das Gezeter nichts brachte, sie nur seine Nerven strapazierten, dass die Direktorin sich sicher nichts aus ihrem Anliegen machen würde (wahrscheinlich wusste sie sowieso, was Slughorn sich für sie ausgedacht hatte) und es sicher gut ankäme, wenn sie nicht mit leeren Händen vor ihrem Zaubertränkelehrer stünden. Sie waren so oder so im Wald, da konnten sie den Aufenthalt auch sinnvoll nutzen.

Scorpius warf einen Kontrollblick zu Professor Hagrid, um sicher zu stellen, dass sie sich noch in Sichtweite befanden, als Albus fragte: »Wo sucht man am besten nach Misteln?«

Es kostete Scorpius Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Auf seinen besten Freund war eben doch verlass. »Misteln sind Schmarotzerpflanzen und wachsen an Bäumen. Deshalb such die Äste nach kleinen ›Büschen‹, die in den Bäumen hängen, ab.«

»Blumen die in Bäumen wachsen ...«, murmelte Albus verwundert vor sich hin, während er seinen Kopf emporreckte und die großen Augen die knorrigen Äste, die man mit viel Fantasie als bedrohliche Klauen interpretieren konnte, nach Büchen absuchte. Seine Schritte wurden dabei kleiner und vorsichtiger, da er nicht mehr sah, wo er genau hinlief, bis Rose seine Hand nahm.

»Es sind keine Blumen. Es sind Parasiten«, korrigierte sie und suchte ebenfalls hie und da die Bäume ab, ließ ihren Blick jedoch regelmäßig zurück auf den Weg vor sich huschen.

Das Korrigieren seitens seiner Cousine kannte Albus zu genüge, weshalb es ihm nicht schwer fiel, darüber hinwegzusehen. Lieber horchte er noch etwas nach, wenn sie schon etwas über das Thema wusste. »Kommt der Brauch, sich unter einem Mistelzweig zu küssen, eigentlich daher, dass die an Bäumen wachsen?«

»Quatsch«, warf Scorpius ein, »Misteln sind ja nicht die einzigen Schmarotzerpflanzen. Man müsste sich ja unter allen küssen, wenn das ein Kriterium wäre.«

»Na ja, eigentlich hat es schon damit zu tun«, meinte Rose auf den Einwand hin. Den missbilligenden Blick, den sie darauf erhielt, bemerkte sie nicht, da sie gerade noch rechtzeitig eine dicke Wurzel, die vom Laub verdeckt wurde, entdeckte.

»Was soll das denn mit dem Brauch zu tun haben?«, fragte Scorpius nach.

»Äh – na ja. Der Mistelzweig wird oft als Symbol der Frigga gesehen. Eine Göttin der Liebe.«

»Amor ist auch ein Gott der Liebe, aber man küsst sich deshalb nicht unter Pfeilen«, meinte Albus dazu mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Rose warf ihrem Cousin einen leicht genervten Blick zu. Das kannte er schon. Sie sah ihn meistens so an, wenn sie seine Einwürfe für gänzlich unnötig hielt. »Stimmt, Al. Aber es gibt auch eine Legende dazu. Frigga hatte einen Sohn, Balder. Der träumte einmal von seinem Tod und erzählte es seiner Mutter, die daraufhin natürlich ziemlich besorgt war.«

»Welche Mum wäre das nicht«, bemerkte Albus.

»Eben. Weil sie sich solche Sorgen machte, ließ Frigga schließlich alle Geschöpfe von Himmel und Erde einen Eid ablegen, ihrem Sohn niemals etwas anzutun. Sie nahm allem diesen Schwur ab – selbst den Elementen.«

»Okay?«

»Aber Loki, der Gott des Schabernacks, wusste von einer Pflanze, die Frigga vergessen hatte, als sie den Eid von allen nahm. Es war der Mistelzweig, der weder im Himmel noch auf Erden zuhause war, sondern in den Bäumen. Und Loki fertigte aus einem Mistelzweig einen Pfeil mit dem er Balder erschießen ließ.«

»Fies! Wie kommt man bei so einer Geschichte aufs küssen?«

»Sie ist ja noch nicht zu Ende, Al!«, murrte Rose durch die Zähne. »Frigga war natürlich todtraurig nach diesem Unglück. Drei Tage lang bemühte sich jedes Element Balder wiederzubeleben, doch keines war dazu in der Lage. Nur Frigga selbst schaffte es am Ende, ihren Sohn zurückzubringen. Sie war so glücklich darüber, ihren Sohn wiederzuhaben, dass sie jeden küsste, der unter einem Mistelzweig her ging.«

Erkenntnis zeichnete sich in den leuchtendgrünen Augen von Albus ab und er formte mit den Lippen ein stummes ›Oh‹. »Das ergibt ja tatsächlich Sinn.«

»Und ich hab Misteln gefunden«, unterbrach Scorpius die Märchenstunde der beiden und bekam sogleich ihre volle Aufmerksamkeit. In seiner Hand hielt er seinen Zauberstab, der auf einen Baum gerichtet war, von dem langsam ein buschähnliches Knäul niedersank. Er griff es mit der Rechten und begutachtete seine Beute. »Meint ihr das reicht Sluggy?«

Neugierig traten Albus und Rose zu ihm heran und inspizierten den Fund ebenfalls. Zwischen den grünen Blättern fanden sich viele kleine Beeren. Weiß und rund – ähnlich wie Perlen.

»Zumindest kommen wir nicht mit leeren Händen«, meinte Albus beschwichtigend. Auf seinen Lippen lag ein zufriedenes Grinsen.

Rose zeigte sich weniger Anerkennend, aber sie hielt sich dafür mit bösen Bemerkungen zurück. »Genau. Schließen wir uns einfach Professor Hagrid an und gucken auf dem Weg noch nach weiteren Misteln.«

Mit dem Vorschlag waren beide Jungs einverstanden und so zogen alle drei das Tempo an und liefen ihrem Professor entgegen. Dabei achtete einmal niemand auf den Weg vor sich, bis sie an der Seite des Halbriesen angekommen waren.

»Wart erfolgreich?«, erkundigte sich der alte Wildhüter und sah auch gleich die Mistel in den Händen von Scorpius. »Großartig, großartig! Schön, dass ihr was gefunden habt. Professor Slughorn wird sicher erfreut sein.«

»Ich wäre erfreut, wenn er sich die nächsten Misteln einfach bestellt, so wie andere Zutaten«, meinte Albus mit hängenden Schultern. Er war bis eben abgelenkt gewesen, doch inzwischen war ihm wieder klar, wo er sich aufhielt.

»Solltet das nächste Mal keinen Unfug treiben – oder euch nicht erwischen lassen«, riet Hagrid mit einem Glucksen.

»Ich hab gar nichts unrechtes getan!«, beklagte Albus sich erneut. Theatralisch warf er die Hände in die Luft. »Ich wollte sogar helfen! Aber meine Cousine ist undankbar wie nichts.«

Es folgte ein verächtliches Schnauben. »Ich hätte keine Hilfe gebraucht, wenn der nicht an meinem Zaubertrank rumgepfuscht hätte.«

»Ich hab auch einen Namen«, meinte Scorpius tonlos. »Wenn du nicht so unhöflich wärst, würde dir sowas nicht passieren.«

»Sowas würde mir nicht passieren, wenn ich dich nicht kennengelernt hätte«, erwiderte Rose bissig. Ihre braunen Augen hatten einen strafenden Ausdruck.

Scorpius‘ Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie. »Ich habe extra eine Zutat gewählt, die sich negieren ließe. Wenn du und dein Partner ein ach-so-tolles Team wärt, wie du meintest, hätte ich gedacht, dass ihr sowas mit Leichtigkeit wieder hinbekommt. Aber nein - während Hopkins wie ein Troll, der das Alphabet aufsagen sollte, dastand, musste Albus dafür herhalten. Wirklich sehr qualifiziert dein Partner.«

Rose Gesicht bekam einen verkniffenen Ausdruck. Was Scorpius sagte, stimmte. Lucas Hopkins, ihr Zaubertränkepartner und sie waren restlos aufgeschmissen gewesen. Während sie die plötzliche Veränderung der Konsistenz und Farbe zu analysieren versuchte, stand Lucas wie gebannt da und in ihrer Aufregung, war sie hochgegangen wie ein Feuerwerk, als sich auch noch Albus an ihrem Trank zu schaffen machte.

Vor dem Slytherin würde sie sich dies jedoch nie eingestehen wollen, also versuchte sie lieber vom Thema abzulenken. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, du wärst eifersüchtig, Malfoy.«

»Tch, sicher.«

»Na, nicht streiten«, versuchte der Professor zu beschwichtigen. Es war eine halbgare Floskel, die niemals gezogen hätte, wenn Scorpius und Rose es darauf angelegt hätten, sich zu zoffen, doch offenbar fehlte beiden die Lust dazu und sie entschieden sich einander anzuschweigen.

Albus verfolgte dieses Gezänk schon über ein Jahr. Im ersten Schuljahr war es noch ruhig um die Zwei gewesen und auch wenn er manchmal ein flaues Gefühl im Magen verspürt hatte, war es offenbar beiden lieber gewesen, einander mit Vorsicht zu begegnen. Erst im zweiten Jahr hatten sie angefangen zu streiten, sich gegenseitig für irgendwas die Schuld in die Schuhe schiebend. Albus hatte keine Ahnung, wer angefangen hatte, aber er war sich sicher, es war egal. Wenn der eine nicht angefangen hätte, dann der andere. Es wäre so oder so gekommen wie es gekommen war.

Das schlimmste daran war, wenn er hineingezogen wurde – wie dieses Mal.

Rascheln und Knacksen ertönte zwischen den Sträuchern und Bäumen des Waldes und sorgte dafür, dass sich bei dem Potter die Nackenhaare aufstellten. Das bildete er sich sicher nicht ein. Er zwang sich, nicht darüber nachzudenken, was das war und huschte mit schnellen Schritten in die Nähe von Professor Hagrid.

Rose, ob Gryffindor oder nicht, tat es ihm gleich, blieb aber so bei ihrem Cousin stehen, dass sie ihn verdeckte. Als könnte sie etwas verhindern. Scorpius fand sich neben seinen Freund ein.

Eine hünenhafte Gestalt sprang zwischen den Bäumen hervor und erschreckte die Kinder so, dass die Jungs wie vom Basilisken getroffen erstarrten und Rose einen Schluckauf bekam. Der Schreck wich, doch die Anspannung blieb (sowie der Schluckauf) als sie realisierten, dass vor ihnen ein Zentaur stand. Große Augen betrachteten die kräftige Statur und das glänzende schwarze Fell. Seinen Oberkörper zierten Bemalungen, die keiner der Drei zu deuten wusste – es traute sich aber auch keiner zu Fragen.

Für den Zentaur, den Professor Hagrid mit Oreus begrüßte, waren die Kinder nicht von Interesse. Zwar erkundigte er sich nach den Gründen, weshalb sie durch den Wald schlichen, doch da sie dies in Begleitung des Wildhüters taten, schien es keine Folgen mit sich zu ziehen. »Misteln?«, echote Oreus die Antwort auf die Frage, was sie suchten. Scorpius Hände verkrampften sich um seine Beute, als die dunklen Augen des Zentauren diese erspähten. »Auf eurem Weg werdet ihr noch ein paar davon finden. Die Bäume werden es euch danken, wenn ihr sie mitnehmt.«

»Machen wir doch gern«, nuschelte Rose in ihren Schal und versuchte ein Hicksen zu unterdrücken.

Hagrid bot ihnen an, schon einmal ein Stück vorzugehen (aber in Sichtweite bleibend!), um nach den Misteln zu schauen, was die Drei dankend annahmen. Zentauren waren laut Unterricht keine feindlich gesinnten Geschöpfe, aber dieses Wissen nützte ihnen nichts. Sein Auftreten war einfach schauerlich gewesen.
 

Stolz hielten Albus, Rose und Scorpius ihre gesammelten Misteln wie Sträuße vor ihrer Brust. Die Ausbeute war ertragreicher ausgefallen als die Drei es erwartet hätten. Die Jagd nach den Parasiten hatte sie am Ende fast vergessen lassen, dass es kalt und dunkel war und sie durch den Verbotenen Wald laufen mussten.

Professor Hagrid hatte sich an seiner Hütte von ihnen verabschiedet und inzwischen hatten sie die Eingangshalle erreicht und befanden sich auf vertrauten, sicheren Boden. Erleichtert atmeten sie durch ohne sich dessen Bewusst zu sein.

Ein Gähnen seitens Rose folgte und ließ Albus aufhorchen. »Rosie, soll ich Sluggy deine Misteln bringen? Dann sparst du den Umweg über den Kerker«, bot er ihr an.

Sie betrachtete das Grünzeug in ihren Händen und statt lange abzuwägen, drückte sie es mit einem herzlichen ›Dankeschön‹ ihrem Cousin in die Hand. Dabei lösten sich einige der Mistelbeeren von den Zweigen. »Ups.«

Albus, der beide Hände voll hatte, sah zu wie Rose sich schnell hinunter bückte, um die einzelnen Beeren wieder einzusammeln. Drei an der Zahl waren es, die sie aufhob und schließlich Scorpius in die Hand drückte. »Wäre nett, wenn du die mitnimmst.«

»Würde der Verlust dieser drei Beeren dir einen Zacken aus der Krone brechen?«

»Wohl möglich. Und sollten sie nicht ankommen, breche ich dir die Nase.«

»Charmant wie immer, Weasley.«

»Leute!«, stöhnte Albus laut auf mit in den Nacken gelegten Kopf. »Dafür hab ich heute keine Energie mehr. Rose, sag mal – haben diese Beeren auch noch irgendeine Bedeutung? Oder nur die Zweige?«

»Äh – sie gehören sogar in der gleiche Legende wie der Mistelzweig«, sprang sie gleich auf die Frage an, sich bewusst, dass es nur eine Taktik der Ablenkung war. Allerdings war ihr diese sehr willkommen. »Aus den vergossenen Tränen um Balder sollen die Beeren des Mistelzweigs entstanden sein.«

»Oh. Wir brauen also mit Tränen Tränke.«

»So ungefähr …«

»Okay! Also ich wünsch dir eine gute Nacht. Scorp und ich gehen jetzt zu Sluggy.« Mit den Worten wandte er sich zum Gehen stoppte jedoch in der Bewegung als er den argwöhnischen Blick seines Freundes bemerkte. »Scorp?«

»Woher hast du sowas?«, fragte er Rose, seinen besten Freund ignorierend.

»Aus Büchern, Malfoy. Und ich lese gerne über Mythologien.«

»Deshalb hast du wohl auch eine Katze«, erwiderte er, woraufhin er einen verwirrten Blick von der Weasley bekam. Wie erhofft. Mit einem Schulterzucken wandte er sich ab und machte sich mit Albus auf den Weg in den Kerker.

Rose ließ Scorpius das letzte Wort und verabschiedete sich mit einem Wink, bevor sie die Treppe hocheilte, um schnell zum Gryffindor-Turm zu gelangen. Der abendliche Ausflug, der an eine Schnipseljagt an Halloween erinnerte, würde sie in tiefen Schlaf fallen lassen.



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