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My story

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My story

Er erhob sich wie alle anderen. Er sah nicht auf. Sein Kopf war soweit wie möglich nach vorne geneigt, die dunklen Haare verdeckten sein Gesicht zum Teil. „Das Gericht verurteilt den Angeklagten zur Todesstrafe! Es handelt sich um arglistigen Mord an drei Menschen. Gegen dieses Urteil kann innerhalb von einer Woche Revision eingelegt werden. Die Verhandlung ist hiermit geschlossen!“

Er hörte den Richter, aber so richtig verarbeiten konnte er es nicht. Was war nur los? Wie konnte das passieren? Von diesem verdammten Tag wusste er nichts mehr, außer dass er morgens aufgestanden war und dann war auch schon abends gewesen, als er die Tat begangen hatte. Natürlich hatte seine Verteidigerin auf nicht zurechnungsfähig plädiert und er hatte auch gestanden. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich auch bei der Familie entschuldigt, doch das war nicht möglich. Aber genauso gut wie alle anderen wusste er, dass es zu keinem anderen Urteil hatte kommen können. Das war seine Familie gewesen. Seine Mutter, sein Stiefvater und sein kleiner Halbbruder. Mit seinen eigenen Händen hatte er sie getötet, sie abgeschlachtet mit einem Messer. Nur kurz wagte er es aufzusehen, seinen Vater anzusehen. Er hatte diesen Mann noch nie so am Boden zerstört gesehen. Sein einziges Kind war zum Mörder geworden und war nun für immer verloren. Es tat ihm so leid, er hatte das nicht gewollt. Weder hatte er morden wollen, noch seinem Vater solchen Kummer bereiten wollen. Wahrscheinlich hatte er in seinen 25 Jahren alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte.

Der Wachmann packte ihn am Arm und er reagierte sofort, ließ sich abführen und zurück ins Gefängnis bringen. Hier gab es nur Zeit um seine wenigen Habseligkeiten zusammen zu packen, da er nun in einen anderen Trakt musste. Wann seine Todesstrafe vollzogen werden würde, wusste er nicht. Das lag am Justizminister. Es könnte Tage, Wochen, Monate oder aber Jahre dauern, während er in der Todeszelle darauf wartete.

Die Todeszellen waren nicht viel anders als die anderen Zellen. Er hatte jetzt eine Einzelzelle und etwas mehr Platz. Arbeiten müsste er nicht, aber viel zu tun hatte er auch nicht. Tage können verdammt lang sein, wenn man nichts zu tun hat und nur darauf wartet, dass man seine Strafe bekommt.

Manchmal wenn er abends nicht schlafen konnte, starrte er an die Decke, hoffte darauf, dass das gleichmäßig Tropfen des Wasserhahns ihn ins Traumland befördern konnte, meistens musste er dadurch aber nur auf die Toilette. Ab und zu beobachtete er auch die Wärter. Einer hatte immer das Problem, dass er immer am wegnicken war. Vorsichtig bewarf er diesen dieses Mal mit einigen von seinen Murmeln. Es mag verrückt klingen, aber es beruhigte ihn, wenn er diese zwischen seinen Händen hin und her bewegte. Sie hatten seinem kleinen Bruder gehört. Er hatte ihn so geliebt und dann so brutal ermordet. Der Wärter schreckte hoch und sah sich um. „Nicht einschlafen!“, meinte er und hatte fast schon ein Schmunzeln auf den Lippen dabei. Der Wärter hatte blond gefärbte Haare und war um einiges Größer als er.

„Nur hier zu sitzen hält einen aber nicht davon ab. Warum schläfst du nicht?“

„Ich kann nicht einschlafen.“

„Schafe gezählt?“

„Bei 10.000 hab ich aufgehört…“ Er setzte sich auf und drehte sich dann im Bett so, dass er mit dem Kopf in Richtung Gitter lag. Jetzt konnte er den Wärter besser sehen. Während die anderen sich abwechselten mit den Schichten, hatte er diesen bisher nur während der Nacht hier gesehen. Vielleicht so etwas wie ein Teilzeitwärter. Gab es so etwas eigentlich? Anders konnte er sich das einfach nicht erklären.

„Du bist der jüngste hier im Trakt mit 25 Jahren, aber der von dem die Wärter erzählen, dass er das schlimmste angestellt hat. Was hast du gemacht?“

Verwirrt betrachtete er den Größeren. „Weißt du das nicht?“ Alle wussten es doch. Jede hatte das in den Nachrichten verfolgen können. Der Wärter schüttelte den Kopf. „Ich habe so viele Jobs, damit ich meiner Freundin bald einen Antrag machen kann, dass ich kaum Nachrichten oder ähnliches sehe.“

Er nickte leicht, als Zeichen, dass er verstanden hatte. Diese Freundin musste ja etwas ganz Besonderes sein, wenn der Größere sich so abrackerte. Aber er beneidete ihn schon darum. Die große Liebe hatte er nämlich noch nicht finden können. War aber wohl auch besser. So hatte er einer Person wenigstens Leid ersparen können.

„Ich habe drei Mitglieder meiner Familie ermordet…“, erklärte er und sah zu dem Wärter. Es war ruhig und er konnte nahezu hören, wie dieser schluckte.

„Warum macht man so etwas? Ich habe zwar auch nicht gerade das beste Verhältnis mit meinen Eltern, aber ich würde sie niemals umbringen. Erklärst du mir das?“

Er hatte sowieso gerade nichts Besseres vor und schlafen konnte er sowieso nicht. Also rollte er sich auf den Rücken. „Da muss ich aber weiter ausholen. Vor 7 Jahren, ist mein Stiefbruder bei einem Verkehrsunfall gestorben und meine ältere Schwester hat es mir am Telefon gesagt, weil ich zu dem Zeitpunkt für ein Jobinterview ziemlich weit weg war. Mein Stiefbruder und ich haben uns wirklich gut verstanden, eigentlich waren wir wie richtige Brüder. Daher hat mich sein plötzlicher Tod sehr aus der Bahn geworfen. Ich wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause kommen, aber ich konnte nicht. Nach fast zwei Wochen war ich erst wieder in der Lage einigermaßen normal zu Leben. Also bin ich zurück. Meine Mutter hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass die Beerdigung vor kurzem war. Ich war vollkommen geschockt, weil ich es vorher nicht wusste und mich nicht richtig verabschieden konnte von ihm. Meine Stiefschwester hat mir auch später Vorwürfe gemacht, weil ich als einziger nicht dagewesen bin. Dass ich es nicht gewusst habe, war ihr egal. Ich war sowieso schon nicht gern gesehen in meiner Familie, aber nun war ich erst recht der böse. Das Verhältnis zu meiner Mutter wurde noch schlechter als es ohnehin schon war. Mein Stiefvater schikanierte mich nur noch und mein kleiner Bruder wurde ebenfalls gegen mich aufgehetzt. Ich habe mich dann nur noch an meinen Vater gehalten, er war meine Familie. Meine große Schwester hatte auch noch Kontakt zu mir. Vor vier Monaten ist sie Schwanger geworden, aber sie hat das Kind verloren und ist an irgendwelchen Komplikationen gestorben.“ Kurz hielt er inne und holte Luft. Das zu erzählen fiel ihm nicht leicht. Sein Bruder und seine Schwester waren so wichtige Menschen in seinem Leben gewesen. „Meine Mutter hat sich mit mir getroffen und bei ihr war mein kleiner Bruder. Sie wollte mir die genauen Umstände erklären. Sie fing zwar an, aber dann kam von irgendwoher ein Kamerateam, dass uns belauscht hätte. Die meinten, sie suchen nach tragischen Familiengeschichten und würde diese dann im Fernsehen zeigen. Meine Mutter erklärte sich nur zu gerne bereit ihnen alles zu erzählen. Also erklärte sie eher denen als mir, was eigentlich passiert ist. Als sie dann aber auch noch sagte, dass die Beerdigung am letzten Wochenende gewesen war, fiel ich aus allen Wolken. Sie hatte es wieder getan. Ich weiß noch, wie ich schweigend aufgestanden bin und weggehen wollte. Dann hat meine Mutter mich gefragt, wo ich denn hinwolle und ich glaube, dann hatte ich das was man einen Nervenzusammenbruch nennt. Denn im nächsten Moment war ich auf meinen Knien und weinte bitterlich, während ich sie anschrie. Ich habe geschrien: ‚Warum hast du das gemacht? Wieso sagst du mir so etwas erst jetzt? Wieso durfte ich wieder nicht zur Beerdigung? Wieso darf ich nicht trauern? Warum darf ich mich niemals verabschieden von den Leuten, die mir wichtig sind?‘ Was danach passiert ist, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern.“ So schloss er seine Erklärung und seufzte schwer. Das alles zu erzählen, war nicht so einfach. Es nagte noch immer an ihm.

„Ich kann deine Trauer und deinen Ausbruch verstehen. Niemand hätte darüber hinweg sehen können. Hast du…. Hast du die Tat am selben Tag begangen?“

Er rollte sich auf den Bauch und sah zu dem Wärter. „Nein, es lag eine Woche dazwischen. Ich hab versucht, so normal wie möglich weiter zu leben. Tagsüber hab ich mich zusammen gerissen, mir nichts anmerken lassen, während ich abends vollkommen hilflos in meiner Wohnung war. Ich weinte und wütete in unterschiedlichen Abständen. Zu meiner Mutter hatte ich keinen Kontakt mehr seit dem Vorfall. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. An dem Morgen kam dann eine Nachricht von ihr. Da stand eigentlich nicht viel drin, nur das sie es schade fände, dass ich so wenig Interesse an ihnen und ihrem Leben hätte, aber auch das ich ziemlich egoistisch wäre. Ich glaube, es stand auch drin, dass ich nicht als einziger trauern würde. Aber diese Nachricht ist das letzte woran ich mich erinnere. Laut meinem Chef, war ich aber auf Arbeit und habe mich dann nicht anders als sonst Verhalten. Ich bin nur etwas früher als sonst gegangen wie es scheint. Tja, als ich aber wieder bewusst bei mir war, klebte an meinen Sachen, an meinen Händen, Gesicht und an meinen Haaren Blut. Ich hatte ein Messer in den Händen, was komplett von Blut befleckt war. Zu meinen Füßen lagen die leblosen Körper meiner Opfer. Meinem kleinen Bruder hatte ich wohl den Hals aufgeschnitten, bei meinem Stiefvater habe ich an verschiedenen Stellen große Wunden gesehen, vor allem aber an den Handgelenken klafften tiefe Wunden. Als ich zu meiner Mutter gesehen habe, ist mir mehr als schlecht geworden, selbst ein kurzer Blick auf sie hat gereicht, um zu wissen wie sehr ich mich an ihr ausgetobt habe. Nachbarn haben die Schreie meiner Familie gehört und die Polizei verständigt. Die trafen ziemlich schnell ein und ich habe mich ohne Gegenwehr abführen lassen. Allerdings habe ich noch mitbekommen, wie sich einige Polizisten übergeben mussten, als sie meine Tat sahen. Es war also ziemlich schlimm. … Manchmal wenn ich schlafe, sehe ich Bruchstücke von meiner Raserei. Wie ich über meine Mutter herfalle, höre wie mein Bruder panisch schreit und ich dadurch mit dem Messer herumfahre und ihn damit erwische. Ich denke, dass ich ihn nicht töten wollte und es bei ihm eher ein tragischer Unfall war, aber da bin ich mir nicht sicher.“

Er wusste nicht, was er erwarten sollte, wie würde ein Wärter schon reagieren? Gleichgültig? Ja, wahrscheinlich hatte er damit gerechnet, aber die Reaktion des Größeren war ganz anders. Er sah Tränen über dessen Wangen laufen. „Hey, was ist los? Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte er sich sofort und ging zu den Gitterstäben, umklammerte diese mit seinen Händen. Sofort kroch die Kälte des Metalls in seinen Körper, während der alte Metalllack unter seiner Berührung nur noch mehr abbröckelte. Der Andere wischte sich über die Augen und nickte, ehe er aufstand und zu ihm kam. Eine Hand des Wärters legte sich auf seine Hand, während die andere durch die Gitterstäbe hindurch glitt, ihm über die Wange streichelte. Er wusste nicht, was das sollte, aber es tat verdammt gut. Die Hand an seiner Wange war so weich, strömte so viel Wärme aus, weshalb er automatisch die Augen schloss. Sein Vater hatte das früher auch häufiger bei ihm gemacht, dann hatte er sich immer geborgen gefühlt.

„Dich hat ein wirklich hartes Schicksal getroffen gehabt. Ich denke, da würde jeder so einen Aussetzer bekommen. Du bist ein guter Mensch!“ Er hatte nicht gedacht, dass er noch dazu in der Lage wäre, aber irgendetwas lösten diese Worte in ihm aus und dicke Tränen rannen über seine Wangen, perlten über seinen Kiefer, fielen in den tiefen Abgrund und zerschellten dann auf dem kalten Gefängnisboden.

„Darf ich deinen Namen erfahren?“, erkundigte er sich, während seine Stimme vom Weinen immer brüchiger wurde. Die Wärter trugen meistens keine Namensschilder, aber er wollte wissen, wie der Größere hieß.

„Yoshitaka! Ich bin sicher, wir wären gute Freunde geworden, wenn wir uns früher kennen gelernt hätten.“
 

Yoshitaka kam nicht so häufig zur Nachtschicht, aber wenn dann erzählten sie viel. Sie wurden auf eine Art und Weise sogar Freunde. Es tat ihm gut, dass der Größere ihn nicht verurteilte, wie das viele andere Wärter taten. Dank dem Anderen konnte er sogar wieder lachen und seine Tage im Gefängnis noch ein wenig genießen. Sie unterhielten sich auch über seine Strafe, dass er wohl noch lange warten müsste, weil der momentane Justizminister sich weigerte, die Todesurteilsvollstreckungen zu unterzeichnen. So lange würde ihm wohl nichts passieren. Natürlich war es nicht schön im ungewissen zu sein, aber für ihn war es in Ordnung, so konnte er Yoshitaka noch etwas kennen lernen. Es war so einfach sich mit ihm zu unterhalten und er wünschte sich, dass sie sich schon vorher gekannt hätten. Vielleicht wäre das alles dann nie passiert.

Überraschenderweise kam eines Morgens sein Anwalt zu ihm, um ihm zu eröffnen, dass die Hinrichtung am nächsten Tag sei. Das kam nun doch etwas überraschend. Er bekam einen Zettel, auf dem verschiedene Gerichte standen, von denen er sich eines aussuchen durfte. Seine Henkersmahlzeit. Es war ihm egal. Das Essen hätte keine Auswirkung auf sein Leben. Bald würde er am Galgen baumeln, nach Luft ringen und hoffen, dass der Tod schnell eintreten würde. Er wollte nur, dass Yoshitaka heute Nachtschicht hätte, er wollte sich von ihm verabschieden.

Er kreuzte irgendeine Mahlzeit an und gab den Zettel zurück. Ein Großteil seiner Habseligkeiten wurde ihm auch schon weggenommen. Seine Bücher, Papier und Stifte, seine Sachen. Ein paar Fotos und ein paar Briefe seines Vaters durfte er noch behalten. Nun fühlte er sich schrecklicher denn je. Würde jemand um ihn trauern, so wie er getrauert hatte? Er war sich nicht sicher, ob sein Vater ihm seine Tat verzeihen konnte. Seit einer Weile waren keine Briefe mehr gekommen. Aber das hatte nichts zu heißen, es war auch möglich, dass einige Wärter ihm diese nur nicht aushändigten.

Ungeduldig wartete er auf den Schichtwechsel, aber Yoshitaka tauchte nicht auf. Er hatte also keine Chance ihm ‚Auf Wiedersehen‘ zu sagen. Schlafen konnte er nicht gut. Des Nachts wachte er immer wieder auf, rollte sich hin und her. Die Todesgedanken ließen ihn einfach nicht los. Gab es eine Hölle und einen Himmel? Wenn ja, würde er für seine Tat sicher in die Hölle kommen, aber was würde ihn da erwarten? Konnte man von da entfliehen? Würde er wiedergeboren werden können? Was für ein Leben würde ihn erwarten? Ein Tierleben? Ein menschliches Leben? Hatte er die Chance alles wieder gut zu machen?

Am Morgen wurde ihm sein Essen gebracht, was er eher lustlos verspeiste. Besonders gut schmeckte es auch nicht. Eher normal wie jedes Essen, welches er bisher im Gefängnis bekommen hatte. Ein oder zwei Stunden später, wurde er aus seiner Zelle geholt. Die Hände hinter dem Rücken mit Handschellen befestigt, ging es zur Vollzugskammer. Zum Glück gab es kein Publikum, das ihm bei seinem Todeskampf zu sehen würde. Einzig die schichthabenden Wärter waren da und ein Arzt, der mit Sicherheit später seinen Tod feststellen sollte. Dieser Arzt sah ihn mitleidig an und drückte seine Schulter mit seiner knochigen Hand, während man ihm schon den Strick um den Hals legte. „Wenn du Glück hast mein Junge, bricht dein Genick beim Fall, dann geht es schnell und du spürst sicher nichts. Falls nicht, erstickst du, aber da solltest du spätestens nach vier Minuten ohnmächtig werden und nichts mehr mitbekommen. Ich hoffe, dass du nicht leiden musst“, meinte der alte Mann und ging dann in einen Nebenraum. Mittlerweile stand er schon auf einem kleinen Podest, das Seil hatte man noch etwas straffer gespannt. Die Hände waren noch immer gefesselt.

Er wollte nicht sterben. Es gab noch so viele Dinge, die er tun wollte. Auch Yoshitaka wollte er noch einmal wiedersehen, aber das war nicht möglich. Hoffentlich ging es kurz und schmerzlos. Gelitten hatte er schon genug. Der letzte Wärter ging in den Nebenraum. Eine Falltür würde sich auf Knopfdruck öffnen und das kleine Podest verschwinden lassen. Er schloss die Augen, während die Angst ihn immer stärker übermannte. Quälende Sekunden verstrichen, die ihm wie Stunden vorkamen. Wann würde das Podest verschwinden? Wann würde er den Halt verlieren und in die Tiefe sacken? Und dann plötzlich war der Boden unter seinen Füßen weg. Ein Ruck ging durch seinen Körper.
 

Er kniete sich nieder, legte die Räucherstäbchen ab und betete, ehe er dann wieder aufstand. Traurig sah er auf den Grabstein, strich über die Schriftzeichen. „Shimizu Michiya“ stand da. Alleine wurde er begraben, weit weg vom Familiengrab. Yoshitaka war noch immer geschockt über das was passiert war. Als er zu seiner nächsten Schicht im Gefängnis antreten wollte, hatte er gehört, dass an dem Tag eine Todesstrafe ausgeführt wurde. Sofort war ihm das Herz in die Hose gerutscht und er beeilte sich zu Michiyas Zelle. Doch die war leer und es war offensichtlich, dass dort niemand mehr lebte. Der Kleinere war ein Freund geworden. Natürlich hatte er gewusst, dass das passieren würde, früher oder später, aber dennoch traf es ihn unvorbereitet. Sie hatten sich nicht einmal verabschieden können. Vorsichtig hatte er sich bei Kollegen über den Ablauf erkundigt. Es durfte nämlich nicht auffallen, dass er sich persönlich eingelassen hatte mit einem Insassen. Ein Wärter, der dabei gewesen war, brummte nur, dass es zu schnell gegangen war. Genickbruch. Auf der Stelle tot. Während er erleichtert darüber war, dass Michiya nicht hatte leiden müssen, wetterte sein Kollege, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn Michiya gelitten hätte. „Elendig ersticken, das wäre die perfekte Strafe gewesen. Wer Menschen und vor allem seine Familie so abschlachtet, hat einen qualvollen Tod verdient“, polterte der ältere Kollege und er verlor die Fassung. Er schlug dem Anderen ins Gesicht. Egal über wen, so etwas sagte man nicht. Sie hatten Michiya nicht gekannt. Er war nett gewesen, freundlich und sogar hilfsbereit. Er glaubte wirklich nicht, dass der Kleinere ein eiskalter Mörder gewesen war, dafür hatte dieser viel zu sehr gelitten.

Durch seinen Ausbruch hatte er den Job im Gefängnis verloren, aber es war ihm egal. So häufig er konnte, besuchte er das Grab des Anderen. Hin und wieder traf er auf Michiyas Vater, der seinen Sohn vermisste und auch jetzt noch nach mehr als einem Jahr trauerte. Manchmal unterhielten sie sich und er hörte Kindheitsgeschichten über Michiya. All das bestätigte ihn, der Andere war kein schlechter Mensch gewesen. Das Schicksal hatte es nur nicht gut mit ihm gemeint. Nun hoffte er, dass Michiya im nächsten Leben mehr Glück haben würde.



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