Zum Inhalt der Seite

Horizon

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Confrontation

Kapitel 3 - Confrontation
 

So schnell er konnte, sprintete Naruto die Treppen hinunter, ließ den sauberen, gepflegten Flur hinter sich und stürmte durch die Tür nach draußen. Hektische Atemluft strömte aus seinen Lungen, wurde stockend, als er begann laut zu fluchen.
 

„So ein verdammter Scheißdreck!“, rief er ungehalten, stolperte ohne nachzusehen über die Straße und wich nur knapp dem Fahrradfahrer aus, der ihm erschrocken einen Vogel zeigte.
 

„Arschloch“, schimpfte Naruto weiter und stampfte so heftig mit den Füßen auf den Betonboden, dass ihm schon nach wenigen Schritten die Fußsohlen schmerzten.
 

„Verführt mich... benutzt mich … Lässt sich ficken … die ganze Nacht, obwohl er … obwohl … ahhh scheiße verdammt.“ Haare raufend lief er an der roten Ampel vorbei, beschleunigte seine Schritte und ignorierte das alarmierende Quietschen von scharf bremsenden Reifen. Sein aufgebrachter Gemütszustand ließ keinerlei Vorsicht oder Rücksicht zu. Warum war auch ausgerechnet er der Dumme, der schon wieder im fremden Bett aufwachen musste? Warum war er derjenige, der fasziniert war von diesem hübschen Gesicht? Wieso hatte ausgerechnet er an seinen Lippen gehangen, sich mitziehen und küssen lassen? Warum er? Wo er doch beweisen wollte, dass er alles war, aber ganz sicher nicht schwul?
 

Schon wieder war alles aus dem Ruder gelaufen, beschloss Naruto in Gedanken vertieft und stolperte hitzig in die nächste U-Bahn. Dafür, dass es ständig anders ausging, als er es geplant hatte, musste es doch irgendeinen bescheuerten Grund geben. Für eine Akzeptanz der neuesten Ereignisse war jedenfalls zwischen den Ansammlungen von hereinstürzenden Stimmungen kein Platz. Naruto starrte von einem Fensterplatz aus an die schnell vorbeiziehenden Wände der U-Bahntunnel. Registrierte schemenhafte Bildfetzen von Graffiti und als er glaubte, zwischen all dem Geschmiere so etwas Ähnliches wie einen Hund zu erkennen, wusste er, wer an seiner miesen Laune schuld hatte. Nicht etwa Sasuke, der allem Anschein nach genau wusste, wie er seine dämlichen Reize und Vorzüge einzusetzen hatte. Auch nicht unbedingt Naruto selbst, weil er sich einredete, gar keine Chance gehabt zu haben, etwas anderes zu tun als seinen natürlichen Trieben zu folgen. Sondern ganz allein Kiba, sein bester Freund, war schuld, dass auch der gestrige Abend eine riesige Katastrophe war – jedenfalls war das seiner Meinung nach die treffendste Bezeichnung für den Ausgang des Abends. Dieser miese Hund war ein Verräter, ein Vesprechensbrecher und fieser Bastard, der sich einfach verpisst hatte und ihn schutzlos und allein zurückgelassen hatte.
 

Naruto ballte die Hände zusammen, als sich ein tiefes Knurren aus seiner Kehle befreite. Er schlug an der nächsten Haltestelle mit geballter Kraft auf den leuchtenden Knopf, der die Türen öffnete, und rannte hinaus. Bis zu ihrer gemeinsamen Wohnung war es unter normalen Umständen ein Fußmarsch von zwanzig Minuten – Naruto schaffte es in fünf.
 

Heftiges Schnaufen strömte durch seine Lippen, als er pausenlos und mit schmerzhaften Druck seinen Finger gegen die Klingel presste, nachdem er die Treppen zu seiner Wohnung hoch gesprintet war. Kiba, dieser miese Bastard, sollte ruhig merken, wie sauer er wirklich war. Es würde ihm noch leidtun. Irgendwie musste er ihm ja schließlich deutlich machen, dass er sich falsch verhalten hatte. Dass er - wirklich ganz allein er, Schuld an Narutos aussichtsloser Situation hatte. Doch Kibas Reaktion ließ auf sich warten. Es tat sich gar nichts und deshalb erhöhte Naruto nochmal den Druck seines Fingers, der mittlerweile kalkweiß auf dem Knopf lag. Das markerschütternde Läuten schallte durch die ganze Wohnung, drang sogar bis in den Hausflur, selbst die Nachbarn hätte es aus den Betten schmeißen müssen, nur interessierte das Naruto herzlich wenig. Kiba würde bezahlen, und das am besten gleich hier und jetzt, sobald er sich dazu bewogen hatte, die Tür zu öffnen. Dass Naruto selbst einen Schlüssel für die gemeinsame Wohnung in seiner linken Hosentasche hatte, spielte dabei überhaupt keine Rolle.
 

Sämtliche Möglichkeiten, wie er sich bei Kiba angemessen revanchieren, ihm sein absolut mieses Verhalten deutlich machen konnte, schwirrten ihm durch den Kopf und entluden sich schließlich in einem einzigen, kopflosen und kräftigen Schlag, als Kiba verschlafen und durch müde Augen blinzelnd hinter der Tür auftauchte. Mit bahnbrechender Genauigkeit bahnte sich Narutos Faust einen Weg durch den Türspalt und landete gezielt auf Kibas Nase. Es knackte verdächtig und Kiba stolperte laut wimmernd zurück.
 

„Oh Shit, Fuck“, stöhnte er.
 

„Das war dafür, dass du einfach verschwunden bist“, zischte Naruto mitleidlos gegen das irritierte Winseln seines Mitbewohners und stampfte an ihm vorbei, direkt hinein in die Küche, wo er nach einem Glas und einer gekühlten Flasche Cola griff. Kiba folgte ihm keine Sekunde später, immer noch verwirrt und mit abtastenden Fingern an seinem, für ihn sehr wichtigen Riechorgan.
 

„Was bitte war das denn?“, keuchte Kiba sichtlich mitgenommen. Sein gerade erst gewecktes Gehirn schien noch nicht richtig zu arbeiten. Auch für ihn war die letzte Nacht lang gewesen. Sehr lang sogar. Und wenn er ganz ehrlich war, dann wusste er selbst auch nicht mehr so genau, wann und wie er überhaupt nach Hause gekommen war. Nur die geile Schnitte in seinem Bett, die bis eben noch süß neben ihm geschlafen hatte, wies darauf hin, dass er nicht allein aus dem Club abgehauen war. Moment, scheiße ─ Jetzt, genau bei diesem Gedanken, als er auf Narutos Augen traf, die ihn enttäuscht und wütend zugleich ansahen, wurde ihm bewusst, warum er sich mit einer schmerzenden Nase abgeben musste.
 

„Oh … Oh fuck, du … Scheiße, das tut mir leid, ich war so überwältigt und die Mädels waren alle so heiß und du … Mensch Alter, du warst auf einmal irgendwie weg und ich hab dich echt noch gesucht, glaub mir“, fing Kiba an sich hektisch zu verteidigen. Selbst der Schmerz in seiner Nase war plötzlich nicht mehr wichtig. Naruto wieder zu besänftigen war wichtiger als alles andere. Schließlich musste er mit ihm zusammenleben und er wusste nur zu gut, wie unangenehm es mit dem Blonden werden konnte, wenn dieser sich erst einmal richtig mit seiner Wut angefreundet hatte. Das letzte Mal war zwar schon eine Ewigkeit her, aber er konnte sich noch gut daran erinnern, wie lange sie sich angeschwiegen und ignoriert hatten, bevor sich dann ganz plötzlich jede miese Stimmung im Nichts aufgelöst hatte. Und für Kiba waren die Tage der Funkstille die pure Hölle. Das brauchte er ganz sicher nicht nochmal, jedenfalls nicht dann, wenn er noch die Chance hatte, das zu verhindern.
 

„Ich war die ganze Zeit im Club, Kiba. Du warst derjenige, der plötzlich einfach verschwunden war.“ Naruto konterte zischend, während er sich vage daran erinnerte, wie Kiba von einer Sekunde auf die andere plötzlich von der tanzenden Menge verschluckt wurde, nachdem er ihm zugeflüstert hatte, dass er sich einfach ein bisschen treiben lassen sollte, weil schon nichts Schlimmes passieren konnte. Innerlich verhöhnte er Kibas doch recht unsinnige Naivität. Schlimm war das, was schon wieder passiert war zwar nicht, aber es zerrte eindeutig an den Nerven des Uzumakis.
 

„Ehrlich Naruto, ich war nicht weg, hab dich sogar noch gesehen, wie du im Flur mit dieser echt aufreizenden Rothaarigen verschwunden bist. Und da hab ich mich gefreut und ...“ Naruto unterbrach ihn mit einem heftigen Schnauben. Gott, bis zu diesem Zeitpunkt war auch echt alles super gewesen.
 

„Was? War sie echt so scheiße? Alter, das tut mir leid, ich dachte...“
 

„Darum geht’s nicht, Kiba. Sie war gut, okay? Sie war es nur leider nicht allein!“, gestand Naruto übereilt, völlig überfordert von seinen Gefühlen. Die Wut auf Kiba, die Verständnislosigkeit durch Sasuke, der überraschende Dreier und die Enttäuschung über sich selbst, war im Moment einfach alles zu viel. Seine Augen reibend ließ er sich auf einen der Küchenstühle sinken.
 

„Moment, wie … nicht allein?“, hinterfragte Kiba, der sich blitzschnell und nun auch deutlich wach seinem Freund gegenübersetzte. Ihm war ja mittlerweile bewusst, dass er etwas verpasst hatte, aber in welche Richtung das gehen würde, hätte er nun nicht wirklich gedacht.
 

„Wir waren nicht sehr lange im Flur. Sie hat mir … Naa, sie hat mir einen geblasen bis …“, er stockte, ziemlich unsicher, ob er Kiba nun doch alles erzählen sollte. Wenn er Sasuke jetzt erwähnte, müsste er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zugeben, dass er einen Abend zuvor ebenfalls bei Sasuke abgestürzt war und eben nicht wie Kiba bisher glaubte bei irgendeiner fremden Frau. Dass sein Kumpel die Spannung durch sein Schweigen nur noch steigerte, half den festsitzenden Worten auch nicht schneller über seine Lippen. Im Gegenteil, es schien sich fortwährend eine Schwere auf ihn zu legen, die er nicht einmal mit einem Schluck Cola fortspülen konnte.
 

„Nun sag endlich warum sie dir kein Happy End verschafft hat, Mann. Ist ja nicht zum Aushalten ...“, brach Kiba stöhnend das Schweigen und Naruto atmete hörbar aus. Er senkte den Kopf und sprach leise, beinahe vorsichtig, als würde er austesten wollen, ob es sich tatsächlich nicht schlimm anhörte.
 

„Sie hat aufgehört, weil … ein Typ kam, der uns mit nach hinten genommen hat, durch den Vorhang, weißt du? Und … dann noch ein paar Räume weiter. Sie war irgendwann verschwunden und ich mit ihm allein und dann war sie auf einmal wieder da und wir haben … zu dritt, du weißt schon“, beendete Naruto seine lückenhafte Erzählung, die Kiba mit geweiteten Augen verfolgt hatte.
 

„Ab da ist alles irgendwie … schwammig. Ich weiß, was wir getan haben, aber ich weiß nicht genau wieso. Ich mein, dieser Typ hat ...“
 

„Wooow, du hattest echt nen Dreier? Mit nem anderen Kerl? Krass...“, platze es aus Kiba heraus, der sich zeitgleich in seinen Stuhl zurück warf.
 

„Sei ehrlich Naruto, warst du in ihm oder er in dir?“
 

„Weder noch“, meinte Naruto schnell. Das Bild von Sasuke, Karin und ihm, wie sie dort lagen, sich vergnügten und Sasukes Blicke, die er währenddessen erhaschen konnte, erzeugte warme Wangen. Die Erinnerung an die Momente, die er mit Sasuke danach allein verbracht hatte, erzeugte jedoch eine deutliche Gänsehaut auf seinen Armen.
 

„Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.“ Und mit diesem Satz sprang Kiba auf. Sein Stuhl fiel polternd nach hinten. Eben war er noch erleichtert gewesen, dass Naruto zwar einen Dreier mit einem anderen Kerl hatte, sie aber scheinbar nicht miteinander intim geworden waren, und nun zerstörte er das mit einem einzigen Satz.
 

„Du willst mir gerade nicht ernsthaft erzählen, dass du Sex hattest mit einem anderen Mann?“, schlussfolgerte Kiba und hoffte bis zu dem niederschmetternden Nicken seines Freundes inbrünstig darauf, dass er sich getäuscht hatte.
 

„Doch“, wisperte Naruto, „und das nicht nur einmal“, fügte er hauchend an. Seltsamerweise fühlte es sich für ihn nicht so erschreckend und schlimm an, es jetzt laut zuzugeben, wie er geglaubt hatte. Es war eher eine Form von Erleichterung, die er verspürte. Jetzt war es immerhin raus. Er brauchte sich nicht mehr hinter irgendwelchen Lügen verstecken und konnte sich ganz darauf konzentrieren, sich selbst zu finden. An irgendetwas musste es ja liegen, dass er sich erneut auf Sasuke eingelassen hatte. Und Kiba auf ewig die Schuld dafür zu geben war auch mehr als schwachsinnig. Für den Moment war seine Wut, die er auf Kiba projiziert hatte, ohnehin verflogen. Viel mehr wunderte er sich über Kibas plötzlich zurückhaltendes Schweigen. Eigentlich hatte er vermutet, dass ihm Kiba bei dieser Neuigkeit die übelsten Sprüche und seine tiefste Verachtung entgegenbringen würde – er wusste selbst nicht genau warum er das dachte, aber der Braunhaarige starrte ihn nur wie versteinert an, bis sich eine nachdenkliche Falte über seine Stirn zog.
 

„Das … das heißt vorgestern, da war keine Frau im Spiel, richtig?“, fragte Kiba zögerlich. Seine Stimme klang normal, so wie sie Naruto kannte. Da war nichts Verächtliches.
 

„Richtig“, erwiderte er. „Um ehrlich zu sein … derselbe wie gestern Nacht.“
 

„Oh ha“, stieß Kiba hervor und ließ sich schwer atmend auf einen anderen Stuhl fallen. „Immerhin versteh ich es jetzt“, murmelte er und Naruto betrachtete ihn fragend.
 

„Naja, dein ganzes Verhalten eben, jetzt macht es immerhin einen Sinn. Ich an deiner Stelle hätte mich vermutlich genauso benommen. Mann shit, du hättest das echt vorher schon sagen müssen, dann wäre ich gestern bei dir geblieben und ...“
 

„Wärst du nicht“, fuhr ihm Naruto dazwischen, jedoch mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen. Kiba war wirklich der beste Freund den er hatte. Er reagierte auf Narutos Offenheit vorbildlich und human, genau so wie er es brauchte. Dennoch wusste Naruto, dass auch Kiba sich nicht von heute auf morgen ändern konnte. Selbst wenn er alle Einzelheiten vorher gekannt hätte, wäre der Abend genauso verlaufen, dessen war sich Naruto sicher.
 

„Vermutlich hast du Recht“, stimmte ihm Kiba zu und für einen Moment sahen sie sich einfach nur an. Stumm aber mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, bis sie in gemeinsames Lachen fielen.
 

„Krass, das ist irgendwie voll aus dem Ruder gelaufen, Mann“, lachte Kiba und Naruto antwortete mit einem Nicken.
 

„Und wie geht’s jetzt weiter? Was tust du jetzt? Hast du wenigstens deine Antworten bekommen?“, hakte Kiba nach, die gespannte Stimmung war vollends verflogen. Auch Naruto fühlte sich wohler und selbst nach diesen Fragen schüttelte er nur resigniert mit dem Kopf.
 

„Nicht wirklich. Aber ich finde es heraus“, sagte er entschlossen und grinste Kiba an, „nach dem Duschen.“ Er zwinkerte und stand auf, stellte sein Glas in die Spüle und betrachtete beim Vorbeigehen noch einmal Kibas leicht geschwollene Nase. Seine Mundwinkel zuckten verlegen.
 

„Du solltest sie vielleicht etwas kühlen“, sagte er mit kleiner Reue im Unterton, doch Kiba lachte es nur weg. Es war okay. Solange seine Nase nicht gebrochen war, konnte er mit allem Leben. Hauptsache die Sache mit Naruto war geklärt. Solange jetzt nichts mehr zwischen ihnen stand, war alles gut.
 

„Ach Naruto...“, sagte Kiba dann doch noch zögerlich, bevor der Blonde im Bad verschwinden konnte, „bist du jetzt eigentlich richtig... schwul?“ Naruto schluckte nur auf diese Frage und zuckte automatisch mit den Schultern.
 

„Wenn ich das nur wüsste ...“, meinte er ratlos und betrat das Badezimmer. Kiba ließ er mit nachdenklichem Blick zurück.
 


 

Eigentlich hatte Naruto vorgehabt sich schnell unter eine heiße Dusche zustellen, die Gedanken im Abfluss versickern zu lassen und das gesamte Wochenende einfach zu vergessen. Doch als er seine Hose auszog, noch einmal die Taschen kontrollierte, ehe sie auf dem Wäscheberg landen konnte, erfassten seine Finger ein dünnes Stück Papier. Noch bevor er drauf sehen konnte, wusste er, was auf dem Kärtchen stand, dass er mit Daumen und Zeigefinger aus seiner Jeanstasche zog. Sasukes vollständiger Name glänzte in dunkelblauer Schrift auf dem weißen Papier und direkt darunter befand sich seine Handynummer. Für einen Moment wunderte sich Naruto, dass er sich den Zettel überhaupt eingesteckt hatte. Vorhin war er immerhin so aufgebracht gewesen, dass es auch gut hätte sein können, dass er ihn einfach in die nächstbeste Mülltonne geschmissen hätte. Nur würde er damit auch die Chance auf Klarheit wegschmeißen – sofern Sasuke überhaupt dazu im Stande war ihm alle Fragen zu beantworten. So ganz sicher war er sich da nämlich nicht. In der letzten Nacht hatte er es immerhin auch schon tun wollen und was hatte er stattdessen bekommen? Nur noch mehr unklare Fragen und wirre Gedanken. Was sollte er jetzt also machen? Erneut eine Konfrontation wagen, dessen Verlauf und Ausgang durchaus wieder in einem waghalsigen Abenteuer enden konnte oder sollte er beginnen mit der Ungewissheit zu leben? Wie lange würde er das schaffen?
 

Naruto war von Natur aus neugierig, demzufolge sah es längerfristig etwas schlecht aus. Diese Erkenntnis war vermutlich auch der Grund dafür, dass er den Zettel vorsichtshalber auf der Waschmaschine deponierte, ehe er sich kurzentschlossen doch ein warmes Schaumbad einließ. Nachdenken konnte er immer noch am besten in einer schönen, erholsamen Wanne mit ganz viel gut riechendem Schaum. Seine Sachen landeten im Wäschekorb, während rauschendes Wasser die porzellanbeschichtete Wanne füllte. Wärme hüllte den Raum in dampfenden Nebel – mit leicht exotischen Duft. Zwei tiefe, lange Atemzüge später glitt Naruto mit den Füßen voran ins wohlig warme Wasser. Es tat gut – umschmeichelt und eingebettet dazuliegen, die Augen zu schließen und einfach mal nichts zu tun. Eins – das musste er sich eingestehen – war eindeutig gut an diesem Wochenende. So anstrengend und nervenaufreibend es auch gewesen war, genauso sehr fühlte er sich aber auch entspannt und befriedigt. Auf körperlicher, sexueller Ebene war da nicht weniger als pure Leichtigkeit. Er fühlte sich in jeder Hinsicht vollkommen ausgeglichen. Und wenn er ehrlich war, dann fühlte er in diesem Ausmaß zum ersten Mal so. Nur der kleine, negative Umstand, dass er noch immer so viele Lücken in seinem Kopf hatte, fügte der Erleichterung einen bitteren Beigeschmack hinzu. Daran musste sich etwas ändern. Das stand so fest, wie die Tatsache, dass er morgen wieder auf der Arbeit erscheinen musste.
 

Genau eine Dreiviertelstunde nachdem Naruto die Wanne verlassen hatte, stand er angezogen und sichtlich nervös in seinem Zimmer. Der Zettel zwischen seinen Fingern, während sich sein Handy vor ihm auf dem Schreibtisch befand. Sollte er es wirklich wagen? Noch einmal ein Treffen mit Sasuke? Vor wenigen Sekunden war er sich noch so sicher gewesen, hatte vor Selbstbewusstsein gestrotzt und nun konnte er sich einfach nicht überwinden. Er wusste nicht einmal richtig wie er überhaupt ein Gespräch beginnen sollte. Klar, er wollte Antworten. Wollte endlich wissen, was genau alles am ersten Abend im Club vorgefallen ist, wollte wissen wie, wann und wieso er bei Sasuke gelandet war, wollte wissen, warum er aus heiterem Himmel so scharf auf den gestrigen Dreier gewesen war und verdammt nochmal, er wollte endlich wissen warum er solche Schwierigkeiten damit hatte, sich an die genauen Einzelheiten zu erinnern. Allerdings …
 

„Naruto?“ Kibas Stimme, begleitet von einem Klopfen an seiner Tür riss ihn aus seinen Gedanken. „Bist du angezogen?“, hinterfragte Kiba mit einem vorsichtigen Hauch von Belustigung in der Stimme. Naruto schnaubte nur und bat ihn herein. Braunes Haar tauchte schon kurz darauf im Türspalt auf, ehe er zaghaft seinen Körper in Narutos Zimmer schob. Kiba ließ sogleich seinen Blick vergewissernd über seinen blonden Freund schweifen, bis er an dem Zettel in seiner Hand hängen blieb.
 

„Sag mal, ist das da ...“, begann er und schnappte ihm Sasukes Nummer sprichwörtlich vor der Nase weg.
 

„Ohooo“, machte Kiba, wedelte mit dem Zettel herum und sah dabei irgendwie alles andere als sehr männlich aus. Naruto verdrehte nur die Augen. Kiba benahm sich schon wieder so lächerlich, schlimmer als sonst, als hätte die vergangene Nacht seinen kompletten Hormonspiegel durcheinander gebracht.
 

„Ja, das ist der Typ“, gab Naruto nach, bevor Kiba erst richtig loslegen konnte. „Und bevor du fragst, ich hatte gerade vor ihn anzurufen“, sagte er und bei Kiba konnte er beobachten, wie er geschockt die Hand sinken ließ und den Mund vor Fassungslosigkeit weit öffnete.
 

„Ach, was du wieder denkst“, stöhnte er kopfschüttelnd und nahm Kiba den Zettel wieder ab. „Ich will von ihm nur wissen, was wirklich alles passiert ist und vielleicht hab ich ja Glück und es war gar nichts Besonderes und er erzählt es mir eben schnell am Telefon“, meinte er gutgläubig.
 

„Ja, natürlich“, erwiderte Kiba, der allem Anschein nach Narutos Optimismus nicht teilen konnte.
 

„Lass mich, was wolltest du eigentlich?“, versuchte Naruto abzulenken und nach einer kurzen schweigsamen Pause entschied sich sein Kumpel scheinbar dafür, diese willkommene Ablenkung anzunehmen. Er holte einmal tief Luft und hielt Naruto ein Prospekt vor die Nase.
 

„Ich wollte dich fragen, ob wir uns heute Abend was vom Italiener bestellen wollen. Der hier soll richtig gut sein. Hinata hat mir neulich davon erzählt, dass sie mit ihrem bescheuerten Cousin dort war, weil ihre Familie ...“
 

„Ja, bestell uns einfach was“, unterbrach Naruto den offensichtlichen Redeschwall. War ja toll, dass Kiba sich mit ihm unterhalten wollte, aber gerade jetzt hatte er weiß Gott andere Sorgen, um die er sich zunächst kümmern musste. Vorher würde er sich auf gar nichts mehr konzentrieren können. Zum Glück schien Kiba diesen offensichtlichen Wink auch zu bemerken, denn er nickte freudig und verschwand mit einem fetten Grinsen im Gesicht. Das Prospekt nahm er mit und ließ Naruto alleine, der sich seufzend auf seinen Schreibtischstuhl niederließ. Wenn nicht jetzt, wann dann? Vermutlich würde es nur noch schwieriger werden, je länger er es versuchte herauszuschieben. Nachdenken war ja schön und gut, aber viel mehr Antworten würde er allein auch nicht mehr finden und deshalb griff er – zwar zögerlich aber innerlich gefasst – nach seinem Handy und wählte die Nummer, die gut leserlich unter Sasukes Namen stand.
 

Eine gefühlte Ewigkeit wartete er auf den Freizeichenton und als er ihn schließlich hörte, war er kurz davor sein Handy vor Schreck fallen zu lassen. Gott, warum war er denn plötzlich schon wieder so nervös? Er würde jetzt ja nicht zum ersten Mal mit Sasuke sprechen und trotzdem schien es auf das erste normale Gespräch zwischen ihnen hinauszulaufen – vorausgesetzt der Schwarzhaarige nahm auch endlich mal an. Immerhin lauschte Naruto einem Standardklingelton und nicht irgendeinem veralteten Song aus vergessenen Charttagen, wie es bei Ino oder Sakura der Fall war.
 

„Uchiha?“ Die raue Stimme, die ihm aus seinem Handy entgegenschallte, kam ihm müde und erschöpft vor. Sie klang etwas heiser und dumpf, was aber ausreichte, um Naruto einen angenehmen Schauer über den Rücken zu schicken. Diese Stimme hatte definitiv etwas Verbotenes an sich und stellte sich glücklicherweise nicht als Anrufbeantworter des Uchihas heraus.
 

„Hallo?“, hörte er Sasuke fragen, weil er schlicht und ergreifend einfach nicht wusste, wie er reagieren sollte. Vielleicht wäre ein Anrufbeantworter doch besser gewesen. Er atmete schwer ein, ehe er sich dazu durchrang einfach irgendwas zu sagen.
 

„Ähm ja, hi“, sagte er nicht gerade sehr originell. „Ich … also ich bins, Naruto“, meinte er und am anderen Ende konnte er hören, dass Sasuke tief und erkennend einatmete. Zumindest versuchte er sich das einzubilden.
 

„Naruto, hm?“
 

„Ja, du hast mir heute Morgen deine Nummer gegeben und ich wollte...“
 

„Ich weiß, was du willst“, unterbrach ihn Sasuke und Naruto hatte schlagartig das Gefühl ein Déjà-vu zu erleben. Die Tonlage, die er benutzte, um diese paar Worte auszusprechen, war unheimlich ansprechend. Seine ganze Haut fing an zu kribbeln und Sasuke schien sich dieser Wirkung auch deutlich bewusst zu sein.
 

„Ähm okay, also ich will reden, wirklich nur reden“, erwiderte Naruto wohl mehr um sich selbst zu versichern als irgendjemand anderen. Von Sasuke erhielt er darauf nur ein kurzes, dunkles Lachen.
 

„Was anderes hab ich auch nicht gedacht“, sagte er. Naruto schloss ertappt die Augen. Warum rannte er auch ausgerechnet immer in die blödesten Fettnäpfchen? Einfach mal cool bleiben, wieso war das manchmal so schwer?
 

„Gut“, seufzte er. Draußen klingelte es an der Tür und Kibas Stimme hallte durch die Wohnung, ehe er polternd zur Tür rannte. Er hatte Essen bestellt und der Lieferservice war bereits da? Wie schnell ging das denn bitte? Anscheinend hatte Kiba bereits bestellt, bevor er Naruto davon in Kenntnis gesetzt hatte. Sein Auftreten konnte er dann wohl eher als rein platonischen Anstand, der geprägt war von Neugier verbuchen. Keine Minute später pochte es jedenfalls schon drängend an seine Tür, also konnte er eine Aussprache am Telefon wohl vergessen. Verdammter Mist.
 

„Wie es aussieht hast du gerade nicht so viel Zeit, hm?“, bemerkte Sasuke und für den Uzumaki hörte es sich eine Spur zu neckend an. Beinahe so, als wüsste er ganz genau, was Narutos eigentliches Ziel gewesen war.
 

„Scheint so“, atmete er schwer ins Telefon und schon wieder drang ein Lachen an seine Ohren, das ihm die feinen blonden Nackenhaare aufstellte. Wenn das so weiter ging, konnte er sich früher als gewollt von seinem Heterodasein verabschieden. So ganz eingestehen, dass ausgerechnet ein anderer Kerl eine so krasse Wirkung auf ihn hatte, wollte er sich das noch nicht. Allerhöchstens wäre er Bi, nicht mehr!
 

„Kennst du das Kyashii, Naruto?“ Sasuke klang aufregend reizvoll. Außerdem weckte er Narutos Neugier. Das Kyashii war ein Restaurant, von dem er zwar gehört, es aber noch nie besucht hatte. Ohne Tischreservierung ging da gar nichts und selbst wenn doch, konnte sich das Naruto in der Regel nicht leisten. Ein absolutes Feinschmeckerlokal. Sasuke wollte ihn doch nicht wirklich …
 

„Ich kenne es, aber...“
 

„Gut, dann sehen wir uns morgen Abend? 19 Uhr?“ Er wollte sich tatsächlich dort mit ihm treffen? In einem Restaurant, wo man gut aß aber sicherlich nicht irgendwelche Sexeskapaden besprach? Worauf wollte der Schwarzhaarige denn jetzt hinaus?
 

„Also ich weiß nicht, ob das so passend ist“, erwiderte Naruto skeptisch, obwohl es ihn unheimlich interessierte wie, es nun im Kyashii aussah. Allein von den vielseitigen Erzählungen her schien es ein unglaublich gutes und ansprechendes Restaurant zu sein.
 

„Vertrau mir, dir wird es gefallen. Ich lad dich ein. Also morgen 19 Uhr?“
 

„Okay!“ Naruto hatte schnell zugestimmt, war seinem Bauchgefühl gefolgt, ohne wirklich darüber nachgedacht zu haben. Was sollte in einem seriösen Geschäft auch schlimmes passieren?
 

„Schön, dann bis morgen“, hörte er Sasuke noch sagen, bevor dieser die Verbindung trennte. Naruto hatte nicht einmal die Gelegenheit sich auch von dem anderen zu verabschieden. Sekunden nach dem abrupten Gesprächsende, starrte er noch immer auf das Handydisplay. Das war jetzt nicht wirklich geschehen, oder? Sasuke und er hatten morgen nicht wirklich eine Verabredung im angesagten Kyashii – wohlgemerkt auf Sasukes Rechnung? Woar, mit wem hatte er es denn da zu tun? Das ging alles so schnell, unerwartet und war teilweise so realitätsfern, dass er nur mit dem Kopf schüttelte, ehe er sein Handy in seine Hosentasche gleiten ließ und sich zu Kiba ins Wohnzimmer begab.
 

Auf dem Couchtisch stapelten sich zwei Pizzakartons, darüber ein kleineres Gefäß mit Alufolie bedeckt und zwei Plastikbehälter mit Salat. Naruto betrachtete mit gerunzelter Stirn seinen Freund, der seine Nase bereits tief über einem dampfenden Nudelauflauf hängen hatte. Er hörte ihn genüsslich einatmen und setzte sich direkt neben Kiba.
 

„Erwartest du noch irgendwen zum Essen?“, fragte Naruto schelmisch grinsend, doch Kiba verneinte mit vollem Mund. Er nuschelte ein irritiertes Wieso, woraufhin Naruto nur mit einem einzigen Blick auf das viele Essen deutete.
 

„Schaffen wir schon“, kommentierte Kiba sicher und griff nach dem anderen Auflauf, um ihn Naruto auf den Schoß zu legen. Der Blonde lachte und zog mit hungrigen Augen die Alufolie ab. Es roch herrlich. Wenn es jetzt auch noch schmeckte, war er vollkommen zufrieden. Wer brauchte da schon irgendwelches teures Gourmet-essen. Dass sein Magen bei diesem Gedanken ein kleines, vorwitzig interessiertes Kribbeln absonderte, schob er vorerst weit in den Hintergrund. Auflauf und Pizza reichte für seine Verhältnisse absolut aus.
 

„Und, was ist nun? Erzähl mal“, unterbrach ihn Kiba beim sinnlosen Nachdenken. Der Fernseher strahlte gerade eine dieser nervigen Musikshows aus, wo die Leute leider nur glauben richtig singen zu können. Schlimmer als Katzengejaule.
 

„Was soll ich erzählen?“ Naruto antwortete eine Spur zu abwesend. Andere Gedankengänge zu verfolgen war gar nicht so einfach, wenn man gerade selbst sehr beschäftigt war. Allerdings war Kiba momentan nicht die passendste Wahl für Unaufmerksamkeit.
 

„Oh Mann... Telefon … Sasuke … klingelt da was?“, hakte Kiba ungehalten nach und schmiss die bereits leere Auflaufform zurück auf den Tisch. Im fast identischen Handgriff schnappte er sich einen der Pizzakartons.
 

„Ah, achso“, realisierte Naruto. „Das Gespräch war ganz okay. Er hat mich morgen Abend zum Essen eingeladen“, erklärte Naruto und spürte keine Sekunde später einen abschätzigen, fragwürdigen Blick auf sich. Kiba hatte sogar schlagartig aufgehört sich die Pizzastücke in den Mund zu stopfen.
 

„Keine Sorge, wir gehen ins Kyashii, voll seriös und ohne fragwürdige Absichten“, versicherte Naruto – selbst erstaunt über die Nüchternheit seines Tonfalls. Kiba hingegen wäre beinahe das halb zerkaute Pizzastück wieder aus dem Mund gefallen. Er schluckte gerade noch rechtzeitig.
 

„Sicher?“, hauchte er fassungslos.
 

„Ja, was soll schon passieren?“
 

„Keine Ahnung, Mann. Ihr trefft euch abends. Das Kyashii ist soweit ich weiß schweineteuer und wer weiß schon, wie der Kerl so tickt. Nachher erpresst er dich mit der Rechnung, die du im Leben nicht bezahlen kannst, nur damit er dich nochmal irgendwo in einer Seitengasse flachlegen kann.“
 

„Wenn überhaupt, dann wird er wohl von mir flachgelegt. Wenn ich mich nämlich richtig erinnere, steht er eher darauf der Passive zu sein“, erwiderte Naruto plaudernd, mit Blick auf den Fernseher, während es bei Kiba gerade mucksmäuschenstill wurde. Selbst das Atmen schien ihm bei dieser neuen bahnbrechenden Neuigkeit wie weggestorben zu sein. Naruto bemerkte den tieferen Sinn seiner Worte erst, als Kiba notgedrungen heftig wieder nach Luft schnappte.
 

„Wie … bitte?“, hüstelte er verlegen. Mehr als die Hälfte der Pizza lag noch verlockend und duftend im Karton, doch Kiba legte sie dennoch vorerst zur Seite. Das Thema interessierte ihn auf verquere Weise.
 

„Ach, du hast schon richtig gehört. Mein Schwanz war in seinem Arsch, nicht umgekehrt“, gab Naruto beinahe ein wenig genervt zu. Als ob die Rollenverteilung beim Sex das größte und wichtigste Problem wäre. Viel entscheidender war, wie es überhaupt erst dazu kommen konnte.
 

„Na das ist ja prima“, rief Kiba plötzlich begeistert. „Dann kannst du morgen auch ganz beruhigt ins Kyashii essen gehen.“
 

„Wieso das jetzt auf einmal?“, fragte Naruto, der den überraschenden Sinneswandel noch nicht ganz nachvollziehen konnte.
 

„Na ist doch ganz klar. So wie es aussieht hat er sich eindeutig in dich verguckt und will dich jetzt im ganz großen Stil erobern. Warum sonst so ein Restaurant? Nur um zu reden hätte auch die Dönerbude um die Ecke gereicht. Das, Naruto, ist ein Date. Zwar echt abgefahren und übertrieben, aber ein Date bleibt ein Date.“ Strotzend vor Selbstbewusstsein, und offensichtlich begeistert von seiner Spitzfindigkeit, grinste Kiba und langte erneut und mit einem deutlich zufriedenen Seufzen nach seiner Pizza. Naruto, der nach seinen Worten allerdings noch verstörter und nachdenklicher wirkte, brachte kaum noch etwas herunter.
 

„Du spinnst doch“, murmelte er, während er nur noch lieblos in seinem Auflauf herumstocherte. Obwohl er wusste, dass Kiba mit dieser Vermutung nur im Unrecht liegen konnte, war ihm der Appetit vergangen. Warum das allerdings so war, das würde der Uzumaki wohl erst noch herausfinden müssen. Vielleicht morgen, nach der Arbeit, wenn er sich mit dem Schwarzhaarigen im Kyashii traf.
 

Arbeit hatte normalerweise immer die Macht, einen von unliebsamen, aufreibenden Gedanken abzulenken. Dieses Mal schien das jedoch nicht so ganz zu funktionieren. In wirklich jeder freien Minute schweiften Narutos Gedanken ab. Mal dachte er an das, was Kiba gestern gesagt hatte – was er mittlerweile als totalen Blödsinn empfand. Als ob sich Sasuke wirklich in ihn verliebt hätte. Schwachsinn, immerhin führte er eine Beziehung, was er ja unfreiwillig mitbekommen hatte. Dann jedoch dachte er darüber nach, aus welchen Gründen Sasuke diese scheinbar nicht seltenen Seitensprünge hatte. Würde seine Beziehung gut laufen, bräuchte er ja keinen Sex mit anderen Männern – und Frauen. An diesem Punkt dachte er wieder an Karin und ihre gemeinsame Nacht. Welche Rolle spielte die attraktive Rothaarige? Und Naruto war sich ziemlich sicher, dass sie nicht nur zufällig dort gewesen sein musste. Ihre Worte, ihre Blicke ─ ihr ganzes Verhalten in Bezug auf Sasuke, waren seltsam anders, als er es vorher von ihr wahrgenommen hatte. Irgendwann im Laufe des Tages war er dann so aufgewühlt gewesen, dass er in einem Anflug purer Verzweiflung seinen ganzen Laden auf den Kopf gestellt hatte.
 

Er sortierte Waren, ordnete sie neu, zählte die bunten Lutscher, nur um sie anschließend nach Farben zu sortieren. So verging die Zeit, bis er seine Schicht an einen seiner zuverlässigsten Mitarbeiter abgeben konnte. Pünktlich mit dem Glockenschlag verließ er um fünf das Geschäft, um sich zuhause noch etwas frisch zu machen. Eigentlich bestand ja gar kein Grund darin, sich besonders schick zu machen. Immerhin war das ja nichts Besonderes. Kein Date. Kein Geschäftsessen. Das war gar nichts. Nur ein Treffen, um endlich die offenen – zugegeben immer mehr werdenden – Ungereimtheiten aus dem Weg zu räumen. Was den Uzumaki allerdings nicht daran hinderte, doch noch einmal versichernd einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen. Er sah gut aus. Nicht zu aufgetragen oder offensichtlich herausgeputzt, sondern schlicht, angemessen und solide gekleidet. Genau so lief er dann auch los – mit einem aufgeregten Magen und einem schwirrenden Kopf.
 

Sasuke sah er bereits vor dem Lokal an der Wand stehen. Er trug einen schwarzen Mantel, passend für die etwas kühle Temperatur, und hatte die Hände in den Taschen. Seine Haltung war gerade und aufrecht, wirkte aber seltsamerweise nicht so steif, wie Naruto es vermutet hätte. Mit jedem Schritt schien seine Nervosität anzusteigen und er hoffte inständig, dass man es ihm nicht anmerken würde, wenn er Sasuke zum ersten Mal richtig bewusst und absichtlich gegenüberstand.
 

„Hey“, brachte Naruto über trockene Lippen, als es keine andere Möglichkeit mehr gab, da sich Sasuke in seine Richtung gedreht und ihn bereits gesehen hatte, noch bevor der Blonde vollends vor ihm zum Stehen gekommen war.
 

„Hi“, antwortete Sasuke. Seine Lippen zierte ein kleines, zaghaftes Schmunzeln und Naruto versuchte automatisch, es irgendwie zu erwidern.
 

„Ich hab uns einen Tisch reserviert, wenn du magst, können wir sofort rein“, sprach der Schwarzhaarige weiter. Seine Stimme war dunkel und trotzdem weich und einschmiegsam. Wenn er sich immer so anhörte, wäre es vielleicht kein Wunder, wenn Naruto wieder …
 

„Okay“, sagte er und folgte Sasuke ins Innere des Kyashii. Augenblicklich fühlte er sich wie in einem dieser geheimen Hinterzimmer eines James Bond Filmes. Saubere, weiß glänzende Tische, Stühle und Bänke, nur beleuchtet durch akzentuiertes, weißes Licht und dem bläulichen Schimmer der riesigen Salzwasseraquarien, die sich an den Wänden durch den ganzen Raum zogen. Es war beeindruckend, stilvoll und atemberaubend. Naruto hielt achtungsvoll den Atem an, bis er mit Sasuke einen Tisch erreichte und er aufgefordert wurde sich zu setzen. Korallen und eine beachtliche Vielfalt an exotischen Fischen befanden sich in den Aquarien. Man kam gar nicht Drumherum sie zu bestaunen.
 

„Es ist schön, oder?“, brach Sasuke die erwartungsvolle Stille. „Ich bin oft hier nur wegen der Atmosphäre. Es wirkt irgendwie beruhigend und entspannend.“ Naruto nickte ihm zu. Hier und da jagten sich verspielt ein paar Fische durchs Wasser und verdammt ja, Sasuke hatte Recht. Seitdem er hier drin war, war seine Nervosität wie weggewischt. In seinem Inneren war alles ganz ruhig und ausgeglichen. Hatte er das etwa beabsichtigt?
 

„Ähm“, räusperte sich Naruto, als ihm auffiel, dass zwar einige Gäste an ihren Tischen saßen und genüsslich speisten, es aber weder eine Speisekarte auf ihrem Tisch noch eine Bedienung in unmittelbarer Nähe gab. Sasuke schien Narutos stummen Gedanken jedoch sofort wahrzunehmen.
 

„Ich hab für uns bereits etwas zu essen vorbestellt“, antwortete er, während sich wenige Minuten später stilles Erstaunen auf Narutos Gesicht abzeichnete, als zwei kunstvoll dekorierte Speisen serviert wurden. Eine Flasche kostbaren Weines rundete dieses Erlebnis ab. Naruto hatte in seinem ganzen Leben noch nie so etwas Fantastisches gesehen, gegessen oder getrunken. Er war hin und weg, hatte sich fest vorgenommen jeden Bissen auf seiner Zunge zergehen zu lassen, was wohl auch der Grund dafür war, dass er Sasuke erst wieder ansprach, als sie die Vorspeise beendet hatten.
 

„Es ist echt der Wahnsinn, dass du mich hierher eingeladen hast, aber wir kennen uns nicht und die Momente, die wir hatten, würde ich nicht gerade als gute Grundvoraussetzung sehen, sich ausgerechnet hier zu treffen. Außer das, was meinem Wissen bisher vorenthalten blieb, ist so gravierend, dass du dich auf diesem Wege versuchst, bei mir einzuschleimen, damit ich dir nicht gleich den Kopf einschlage, wenn du es mir offenbarst“, sprach Naruto mehr neckend und scherzhaft, ein wenig gestellt und als Auflockerung der Situation gedacht, als wirklich ernsthaft, doch Sasuke versteifte sich tatsächlich für eine kleine, unliebsame Schrecksekunde. Vielleicht hatte er damit unbeabsichtigt einen Treffer genau ins Schwarze gemacht.
 

„Ich denke, ich hab dir einiges zu erklären und nicht alles davon wird dir so gut schmecken wie das Essen hier“, gab Sasuke mit einem ehrlichen Seufzen zu. Er fuhr sich in einer lässigen Bewegung durch die Haare, ehe er Narutos Blick suchte.
 

„Das hier, zusammen mit dem vielen Alkohol, den du getrunken hast, ist scheinbar der Grund dafür, dass ich dich rumgekriegt, abgeschleppt und du mit einem Blackout am nächsten Morgen bei mir aufgewacht bist“, erklärte Sasuke monoton, beinahe so, als ginge ihn das plötzlich gar nicht mehr nah und schob Naruto einen weißen Zettel entgegen. Auf diesem Zettel standen genau zwei Begriffe, die seine Gesichtszüge binnen Sekunden versteinern ließen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  MoonyManatee
2015-01-14T21:47:13+00:00 14.01.2015 22:47
Bin aus Zufall auf deine FFs gestoßen und bin ziemlich begeistert!! >___<
Urks dein Sasuke hats mir echt angetan!! Kann mir genau vorstellen wie Naru voll auf ihn steil geht XD wer kanns ihm auch verübeln?
Aber ich find Naruto auch super :D ich freue mich sowieso immer wenn ich mal FFs finde die NaruSasu beinhalten und nicht nur SasuNaru :P ist irgendwie leider nicht so häufig vertreten, aber deine sind echt super und so gut geschrieben!!

Von: abgemeldet
2014-10-12T13:40:32+00:00 12.10.2014 15:40
Wow Wow Wow Wow :D
Wahnsinnig tolles Kapitel!!!!
Du hast so einen unglaublich fesselnden Schreibstil und deine Geschichte ist ja sowieso spitze ♥
Kiba hat mir am Anfang ein bisschen Leid getan aber irgendwie geschieht ihm das schon recht *lach*
Oh Naruto... Der tut mir auch ein bisschen Leid... Ich nehme mal an, dass auf dem Zettel der Name der Droge steht, die ihn in dieser Nacht so "willig" gemacht hat... :/ Phew, ich hoffe echt, dass der blonde Chaot sich mit teurem Essen bestechen lässt und nicht allzu sauer auf Sas sein wird /)>_<(\ Außer natürlich, ich lieg mit meiner Vermutung falsch xD Dann hab ich jetzt ein bisschen Angst, dass das, was auf diesem Zettel steht, vielleicht noch schlimmer sein könnte *lach*
Du machst es wirklich spannend! :)
Das war ein supertolles Kapitel! Freu mich schon wahnsinnig auf das nächste und bin gespannt, wies weitergeht! :D
Ganz liebe Grüße,
Mary
Antwort von:  Anyi
12.10.2014 17:37
Hi ^^

Dankeschön für dein Review.
voll die schönen Komplimente =))
Ach, Kiba und Naruto ... die zwei Hitzköpfe ... das kann sich bald schon wieder ändern ^^ und dann sagt Kiba mal was sache ist ... glaub mal.
Wie Naruto reagiert werden wir dann spätestens im nächsten Kapitel sehen =)
Liebe Grüße
Anyi <3
Von:  AsteriaGaia
2014-10-12T09:29:28+00:00 12.10.2014 11:29
Hui.
Die FF klingt ja mal ganz cool :D
Hab sie grade erst gefunden und konnte mich nicht los eisen^^ Das mit dem Blackout und allem ist voll gut geschildert und auch das Sasukes Freund noch keinen Namen hat bzw er noch nicht gesagt wurde, gibt anlass zur Neugierde.

Ich bin jetzt sehr gespannt darauf das auf dem Zettel steht das Naruto so versteinert und fiebere dem n#chstem Kapitel mal schön entgegen :)

LG
Gaia
Antwort von:  Anyi
12.10.2014 17:34
Hallo ^^
Ich möchte dir erstmal für dein liebes Review danken, das hat mich sehr gefreut =)
Ja, Sasukes Freund - das große Mysterium ^^ Es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis ich das aufklären werde =)
Ich werde versuchen mich zu beeilen ^^
Liebe Grüße
Anyi <3
Antwort von:  AsteriaGaia
12.10.2014 17:44
Ja aber is immer gut ein Mysterium zu haben^^ das Hält die Spannung x3

Freu mich wenns weiter geht hehe^^


Zurück