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Dies Irae

Tag der Rache
von

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Quartus Ictus Campanae: Gladiis strictis

“Das Leid bringt die stärksten Seelen hervor; die stärksten Charaktere sind mit Narben übersät.”

-Kahlil Gibran-
 

Quartus Ictus Campanae: Gladiis strictis

Vierter Glockenschlag: Gezückte Klingen
 

Gebiet Rose, neues Hauptquartier des Kundschafterkorps,

Eren’s Zimmer, ein Tag vor der 57.Mission
 

Mit einem Aufschrei fuhr Eren hoch, fiel wieder zurück, verschluckte sich keuchend an seinem eigenen Atem. Er hustete und hielt sich die schmerzende Seite, während er nach Luft rang.
 

Sein Herz raste. Es pochte wie wild gegen seinen Brustkorb, flatterte wie ein gefangener Vogel. Sein Gesicht war feucht, er fühlte den Schweiß an der Stirn kleben.
 

Und Tränen. Auf seinen Wangen waren Tränen.
 

Er presste die Hand gegen die Brust und versuchte als erstes, seine verdrehten Glieder zu sortieren und irgendwie auf die Beine zu kommen. Liegen bleiben konnte und wollte er nicht mehr, keinen Moment länger, da war eine fürchterliche Unruhe in ihm. Er musste sich bewegen. Der Versuchung, über seinen Traum nachzugrübeln, widerstand er jedoch. Er konnte sich nicht erinnern, er konnte sich nie an seine Träume erinnern. Zu oft hatte er es versucht, hatte in den dunklen Tiefen seines Geistes nach Bildern gewühlt, nach Eindrücken, nach Gedanken, nach winzigen Fetzen, die ihm dabei halfen, diese entsetzliche Leere auszufüllen.
 

Vergebens. Alles vergebens. Es war, als würde ein Stück von ihm fehlen.
 

Seine Kehle brannte, doch seine Feldflasche war leer, er hatte abends vor dem Einschlafen vergessen, sie wieder aufzufüllen. So musste er wohl oder übel die Treppen hoch in den Waschraum tapsen und sich neues Wasser pumpen.
 

Die Kälte tat gut auf der Haut, erfrischte ihn. Er wusch sich das Gesicht und die Arme, trank danach in kräftigen Zügen. Leider trug das Wasser nicht unbedingt dazu bei, ihn wieder in schläfrige Stimmung zu versetzen. Vielleicht sollte er ein paar Runden laufen oder einen Sandsack zum Duell herausfordern.
 

Eigentlich wollte er weder das eine noch das andere.
 

Was er wollte, war Levi.
 

Wären sie noch in der alten Burg, gäbe es keinen Zweifel, was er als Nächstes tun würde. Er würde sich schnurstracks umdrehen, an seine Schlafzimmertür klopfen und sich von ihm die verdammten Alpträume aus dem Leib vögeln lassen. Gnadenlos. Und wenn er dann zitternd und atemlos und erschöpft zusammenbrach, würde er schlafen. Tief, traumlos, ohne Gedanken oder Grübeleien. Selbst wenn er dann wieder zurück in den Keller musste, weil es zu den verdammten Bedingungen gehörte, die der Generalissimus ihnen aufgebrummt hatte.
 

Aber diese Möglichkeit war ihm jetzt verschlossen.
 

“Kannst du auch nicht schlafen?“
 

Eren fuhr herum, er hatte gar nicht gemerkt, dass jemand anderes hinter ihm den Waschraum betreten hatte. Er kannte den Jungen aus der Hundertvierten, sie hatten sicherlich ein paar Mal beim Essen miteinander geredet oder waren sich beim Training über den Weg gelaufen. An sein Gesicht erinnerte sich Eren jedenfalls, auch wenn ihm der Name dazu partout nicht einfallen wollte.
 

“Ich hoffe, es läuft alles gut bei eurem Probelauf morgen.“ Erst jetzt fiel Eren auf, dass der Junge seinen Arm in einer Schlinge trug. “Trost?“, fragte er zurück.
 

“Unter anderem.“ Der Junge senkte den Blick. “Ich bin vor ein paar Tagen beim Training abgestürzt. Aber es ist derselbe Arm, den ich mir schon in Trost gebrochen hatte und jetzt schmerzt er wieder. Deshalb hat Einheitenführerin Hanji entschieden, dass wir das erst mal weiter beobachten und dass ich morgen nicht auf die Probe-Expedition mitkomme.“
 

“Na, ja, eine Gelegenheit weniger, um gefressen zu werden.“ Eren war bewusst, wie flach dieser Witz klang, aber ihm fiel partout nichts Besseres ein, was er hätte sagen können, um den Jungen aufzumuntern. Er war nicht gut in solchen Dingen, gerade jetzt nicht, da er selbst mit einer so schlechten Stimmung zu kämpfen hatte. “Gute Nacht“, beendete er das Gespräch, “ich hoffe, deinem Arm geht’s bald besser.“ Und bevor der andere Rekrut ihm darauf etwas erwidern konnte, hatte Eren sich bereits abgewandt und war durch die Tür hinaus in den Gang getreten.
 

Mein Zimmer ist oben in der dritten Etage, bei den Räumen der Einheitenführer. Ganz hinten am Ende des Gangs.
 

Eren’s Hand zitterte leicht, als er gegen die Tür klopfte. Unter dem Spalt drang ein schwacher Lichtschein hervor – Levi schlief offenbar noch nicht oder war bereits wieder wach. Hatte er ebenfalls schlecht geträumt? Oder war er noch mit den Vorbereitungen für morgen beschäftigt?
 

“Eren.“ Levi trug nur eine leichte Leinenhose, als er die Tür öffnete, sein Oberkörper war nackt. Fasziniert wanderte Eren’s Blick an der wohlgeformten Brust entlang, betrachtete das Spiel der sehnigen Muskeln, die angespannt unter der Bauchdecke bebten. Auf den ersten Blick wirkte Levi durch seine geringe Größe eher schmächtig, doch dahinter verbargen sich eisenharte Muskeln und die Gewandtheit einer Raubkatze.
 

Deutlich konnte man auch die Spuren der Manövergurte erkennen, welche Rötungen auf der blassen Haut und teilweise sogar Narben hinterlassen hatten. Levi’s Blick war kühl und ausdruckslos wie immer, doch zumindest schien er von dem nächtlichen Besuch nicht überrascht oder übermäßig genervt zu sein.
 

“Darf ich reinkommen?“ Eren tat einen vorsichtigen Schritt nach vorne, doch Levi blieb im Türrahmen stehen und machte keinerlei Anstalten, beiseite zu treten. “Warte hier. Ich zieh’ mir was über und wir gehen runter in den Aufenthaltsraum.“
 

Levi schickte sich an, die Zimmertür wieder zu schließen. Zu sehen, wie er Stück für Stück in der Dunkelheit verschwand, versetzte Eren einen Stich, so heftig und schmerzhaft wie ein Dolchstoß in die Brust. “Captain Levi, ich...“ Er trat einen weiteren Schritt nach vorne, doch Levi legte ihm mit gestreckten Armen die Hände auf die Schultern, umfasste sie und hinderte ihn so daran, sich ihm weiter zu nähern. “Eren, ich habe ’nein’ gesagt.“
 

“Verdammt.“ Die Tränen konnte er zurückhalten, nicht aber die aufsteigende Wut. Wut auf Levi, der ihn so eiskalt zurückwies, Wut auf die Umstände, die es ihm nicht erlaubten, Levi nahe zu sein und vor allen Dingen Wut auf sich selbst. Wieder einmal hatte er es erfolgreich geschafft, sich vor dem Captain zum Narren zu machen. Dabei hatte er sich so fest vorgenommen, mit der Situation fertig zu werden.
 

Aber jetzt, da Levi vor ihm stand, schmolzen alle seine Vorsätze dahin. “Verdammt, warum nimmt man mir eigentlich immer gerade das weg, was ich am meisten brauche! Ihr habt selbst gesagt, wir müssen nur vorsichtig sein. Dann kriegt’s auch keiner mit und es verursacht keine Probleme. Wenn Ihr von Anfang an gewusst habt, dass es nicht mehr geht, sobald wir hier sind, warum habt Ihr mir das nicht gleich so gesagt?“
 

Levi musterte ihn lange und nachdenklich. “Vergiss den Aufenthaltsraum. Hol deine Übungsschwerter, wir geh’n auf den Trainingsplatz in der Scheune.“
 

Eren nickte. Training war jetzt besser als Reden, zumindest würde es ihn körperlich auslaugen. Aber natürlich war ihm nicht entgangen, dass ihm Levi auf seine Frage keine Antwort gegeben hatte. Irgendwas passte hier nicht zusammen. Was, wenn doch jemand Bescheid wusste und Levi Ärger bekommen hatte?
 

Doch er konnte nicht weiter darüber nachgrübeln, denn das Kampftraining erforderte seine volle Konzentration. Sie jagten einander quer durch den Ring und ließen dem Gegner keinerlei Rast. Auch wenn die Übungsschwerter nur aus Holz bestanden, so waren blaue Flecken in jedem Fall vorprogrammiert.
 

Levi war blitzschnell und seine Klingen schienen von überall gleichzeitig zu kommen. Eren holte sich einen Rüffel ab, weil er in der Hitze des Gefechts wieder einmal seine Abwehr vernachlässigt hatte, aber dennoch gelang es ihm kaum, einen Treffer zu landen. Was Levi nicht blocken konnte, dem wich er mit wilden Sprüngen und geschmeidigen Drehungen aus und im nächsten Moment griff er wieder aus einer völlig unerwarteten Richtung an.
 

Irgendwann, endlich, spürte Eren die ersten Anzeichen der Erschöpfung am eigenen Körper. Sein Atem ging schwerer, seine Reflexe wurden langsamer und er fing sich noch mehr an schmerzenden Treffern ein. Dennoch wollte er nicht aufgeben, wollte jeden Moment Zeit, den er mit Levi verbringen durfte, bis zum Letzten auskosten. Wer wusste schon, was der morgige Tag bringen würde? Ob sie überhaupt lebend zurückkommen würden?
 

Aber die Nacht gehörte noch ihnen. Und wenn sie sie auch nicht so miteinander verbringen konnten, wie Eren es sich so sehnlichst wünschte, so sollte ihm dieser Tanz der Klingen genug sein und niemals enden.
 

~*~
 

Gebiet Sina, Mithras, königliches Schloss, Ratssaal

selbe Zeit
 

Licht und Schatten flackerten über den großen Konferenztisch. Kerzenflammen tanzten, zuckten in den Atemzügen, welche dann und wann die Luft erschütterten, malten unruhige Bilder auf das blanke Holz und die kostbaren Wandteppiche.
 

Die Gesichter jedoch blieben unbewegt. Sie wirkten geradezu leer in ihrer Emotionslosigkeit, zu routiniert darin, jegliche Gefühlsregung aus ihren Zügen zu verbannen.
 

“Werte Herren, ich darf Euch mitteilen, dass sich die Situation entspannt hat und bis auf Weiteres unter Kontrolle ist.“ Die Blicke der Anwesenden wandten sich in Richtung des dunkelhaarigen Offiziers mit den angegrauten Schläfen, der an einem der beiden Kopfenden des Tisches saß. “Die Versammlungen im Gebiet Rose wurden aufgelöst, die Rädelsführer in Gewahrsam genommen. Somit konnte die mögliche Bedrohung eines Bürgerkrieges ein weiteres Mal erfolgreich abgewandt werden – zumindest für den Augenblick!“
 

“Das sind erfreuliche Neuigkeiten.“ Das Klingen schwerer Goldketten begleitete die Worte des beleibten Mannes an der Mitte des Tisches. “Wir befürchteten schon, die politischen Unruhen könnten einen schlechten Einfluss auf unsere Geschäfte haben. Das hätte äußerst unerfreulich werden können… äußerst unerfreulich.“ Seine wulstigen Lippen verzogen sich zu einem besorgten Ausdruck, der an den Schmollmund eines trotzigen Kindes erinnerte.
 

Ein messerdünnes Lächeln hob die schmalen Lippen des Offiziers. “Nur keine Sorge.“ Er wechselte einen kurzen Blick mit seinen beiden Begleitern, welche ebenfalls die Uniformen der Militärpolizei trugen. “Wie Ihr wisst, ist der Schutz des Handels eine unserer obersten Prioritäten. Nach dem Schutz des Friedens, natürlich.“
 

“Natürlich“, wiederholte der Händler und verschränkte die fleischigen Finger ineinander.
 

“Und was ist mit dem Schutz des Glaubens?“, fragte der Priester, der den drei Militärs am anderen Ende des Tisches gegenüber saß. Er stützte die Ellenbogen auf die schwere Holzplatte, so dass die langen Ärmel seiner Robe nach unten rutschten und den Blick auf die beringten Hände freigaben. “Hattet Ihr nicht auch versprochen, Ihr würdet Euch des Dämons annehmen, der den dreigöttlichen Frieden bedroht? Wie kommt es dann, dass diese Kreatur noch immer in unserer Mitte weilt?“
 

Einen Moment lang herrschte Schweigen und alle Blicke richteten sich wieder auf die drei Offiziere. Zwei von ihnen schwiegen, doch der Älteste am Kopfende des Tisches ergriff das Wort. “Allerdings, es ist äußerst bedauerlich, dass Eren Jäger diesen flügeltragenden Narren zugesprochen wurde. Doch je weiter außerhalb er sich befindet, desto weniger Schaden kann er hier im Inneren der Mauer anrichten. Zunächst einmal war es wichtig, dass sich die Situation beruhigt, jetzt können wir unsere Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwenden.“
 

“Und vergessen wir nicht, dass es sich nur um eine Zuteilung auf Probe handelt“, fügte einer der beiden anderen Militärpolizisten hinzu. Seine Finger legten sich auf ein edelsteinbesetztes Amulett, welches er um den Hals trug. “Alles hängt von der nächsten Expedition ab. Sollte sie scheitern…“
 

“Wird sie scheitern?“, fragte ein Mann, der bisher noch nicht gesprochen hatte. Auf seinem kostbar bestickten Wams prangte weithin sichtbar das königliche Wappen. Zusätzlich wurde es von einer Brosche in Form einer Hand geschmückt, welche an seiner linken Schulter befestigt war.
 

“Ihr könnt Seiner Majestät ausrichten, dass er wohl keine zu großen Hoffnungen ins Kundschafterkorps setzen sollte.“ In einer Geste, die vielleicht Bedauern, möglicherweise aber auch Spott ausdrücken mochte, zuckte der Offizier mit den Achseln. “Diese Expedition wird scheitern.“
 

~*~
 

Büro des Kommandanten, einige Zeit später
 

Manchmal gibt es auch im dunkelsten Moment noch Lichtblicke.
 

Einer dieser Lichtblicke ist Levi. Der Junge lernt so schnell, dass ich Mühe habe, ihn genug zu beschäftigen, ohne dass meine anderen Aufgaben darunter leiden. Mittlerweile unterrichtet Mike ihn mit der Gear und kann sich ebenso nur darüber wundern, dass der Junge auch ohne Ausbildung damit so leicht umzugehen vermag. Zu seinen Kameraden hält er Distanz, aber er scheint nicht mehr ganz so verschlossen zu sein. Beim Essen hat er sich daran gewöhnt, dass ihm keiner seine Ration streitig macht, er wirkt wesentlich entspannter. Hanji bringt ihm Lesen und Schreiben bei, wobei das eine der wenigen Sachen ist, wo er sich nicht so geschickt anstellt. Aber was sein muss, muss sein. Schließlich braucht der Verstand auch einen Ausgleich zur körperlichen Betätigung.
 

Den Schwert-, wie auch den Nahkampf jedoch lasse ich mir nicht nehmen, darin unterrichte ich ihn persönlich. Er scheint die Lektionen blitzschnell zu verinnerlichen, er kann sofort umsetzen, was ich ihm erkläre oder zeige. Ich lasse es ihn üben, bis zum Umfallen, denn nur so geht es in Fleisch und Blut über. Oft schleppt er sich abends völlig erledigt ins Bett, hat kaum Zeit dazu, über irgendwelche belanglosen Dinge zu grübeln. Das war auch der Plan. Ein erfülltes Leben erfordert keine Grübeleien.

Nachtrag
 

Manchmal sollte ich meine eigenen Ratschläge beherzigen...
 

Ein Lächeln stahl sich auf Erwin’s Lippen, als er sein Tagebuch zuklappte. Oftmals half es ihm, seine Gedanken zu ordnen, wenn er durch die alten Einträge blätterte. Manchmal erinnerte es ihn wieder an an alles, was er verloren... und was er gewonnen hatte. Aber in erster Linie machte es ihm immer wieder bewusst, welchen Weg er in seinem Leben gewählt und warum er diese Entscheidung getroffen hatte.
 

Er legte das Buch zurück ins Geheimfach seines Schreibtischs und nahm sich als nächstes einen Stapel Briefe vor, als ein Klopfen an der Tür seine Gedankengänge unterbrach und ihn unverzüglich in Alarmstimmung versetzte. Um diese Uhrzeit waren nicht mehr viele Leute wach, deswegen rechnete er im ersten Moment mit einem Notfall. Doch als sich auf sein ’Herein’ hin die Bürotür öffnete und den Blick auf Mike freigab, erkannte Erwin schon an dessen Gesicht, dass seine Sorge unbegründet war. “Schläfst du eigentlich nie, Erwin? Manchmal glaub’ ich, dein Büro riecht Tag und Nacht nach Kerzenwachs.“
 

“Ja, das ist gut möglich.“ Mit einer Handbewegung forderte Erwin seinen alten Freund auf, einzutreten und die Tür hinter sich zu schließen. Mike verzichtete auf einen Salut und ließ sich einfach in den Stuhl gegenüber des Schreibtischs sinken. “Da du eh noch wach bist, da gibt’s was, das solltest du dir ansehen.“
 

“Ich hoffe, es sind bessere Neuigkeiten als die von vor zwei Tagen.“ Erwin lehnte sich im Sessel zurück und schloss für einen Moment müde die Augen, bevor er sich wieder seinem Gesprächspartner zuwandte.
 

Der zuckte nur die Schultern. “Levi lässt eben nix anbrennen. Ehrlich gesagt, hätt’s mich eher gewundert, wenn Eren zurückgekommen wäre und nicht nach ihm gerochen hätte. Aber einer ist ja immer der Erste und der Kleine hätt’s schlechter treffen können.“
 

Erwin zog die Augenbrauen hoch. “Aus deinem Mund klingt das, als würde Levi regelmäßig alle unsere neuen Rekruten flachlegen.“
 

Mike schüttelte den Kopf. “Nein, er ist äußerst wählerisch, das ist mir schon klar. Hat schließlich vom Meister gelernt.“
 

Er zwinkerte Erwin zu, doch Erwin ging nicht auf den Witz ein. Seine Miene blieb ernst und sein Blick fragend. “Du bist doch nicht hierher gekommen, um Levi’s Privatleben mit mir zu diskutieren.“
 

“Ich bin hier, weil ich dir etwas zeigen wollte.“ Auch Mike wurde jetzt ohne Übergang ernst. “Vielleicht trägt es dazu bei, deine Stimmung zu heben. Zumindest wird es dir wieder ins Gedächtnis rufen, was du deinen Leuten wert bist, und wie viel Gewicht sie auf dein Wort geben.“
 

“Nun gut.“ Erwin erhob sich und folgte Mike durch die Bürotür auf den Gang hinaus. Um diese Zeit sollten eigentlich alle Soldaten schlafen. Zwar hatte er ausdrücklich betont, dass es sich bei der Mission um einen Probelauf handelte, aber dennoch war dies kein Grund, unvorsichtig zu sein. Und was die Meisten nicht wissen durften, war, dass sie morgen vermutlich dem Koloss und dem Gepanzerten gegenüberstehen würden.
 

Die Scheune? Um diese Zeit würde doch hoffentlich niemand mehr trainieren, schon gar nicht bei diesem schlechten Licht. In einem hölzernen Gebäude durften nur geschlossene Lampen verwendet werden und auch nur an den vorgesehenen Stellen.
 

Aber in der Scheune brannte kein Licht mehr. Außer dem schwachen Schein des Mondes und Erwin’s eigener Öllampe schien alles dunkel.
 

Sie lagen mitten auf dem Übungsplatz. Ihren zerzausten Haaren und Kleidern zufolge mussten sie bis zur völligen Erschöpfung gekämpft haben, bis an den Rand der Bewusstlosigkeit. Eren hatte sich mit angezogenen Knien auf die Seite gerollt und benutzte seinen eigenen Arm als Kopfkissen, Levi lag ausgestreckt auf dem Rücken, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Eine seiner Lieblingshaltungen, wenn er schlief, doch Levi konnte in beinahe jeder Position schlafen. Wie eine Katze beherrschte er den Minutenschlaf, äußerst praktisch für jemanden, der ständig auf der Hut sein musste. Erwin hatte ihn oft darum beneidet.
 

Durch das geöffnete Dachfenster fiel das Mondlicht und brach sich auf Levi’s messerscharfen Klingen, die zwischen den beiden Schlafenden auf dem Boden lagen. Um sie vor jedweder Versuchung zu bewahren.
 

Lange Zeit stand Erwin schweigend da und betrachtete die Szenerie. Sein Gesicht war so reglos, es hätte aus Marmor gemeißelt sein können. Auch sein Herz fühlte sich an wie ein Stein, welcher in seiner Brust scheuerte und ihn zu Boden drückte.
 

Er wusste nicht, was schwerer wog. Das Wissen um die unerschütterliche Loyalität, die Levi ihm entgegenbrachte und welche dieser über alles andere in seinem Leben stellte, oder die Tatsache, dass er ihn unwiederbringlich verloren hatte.
 

Tsuzuku... to be continued
 

~*~


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Zitat aus Erwin's Tagebuch stammt aus Diary of Erwin von Genius und wurde mit Erlaubnis des Autors verwendet. Komplett anzeigen

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