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Dies Irae

Tag der Rache
von

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Secundus Ictus Campanae: Medicina aut Venenum

"Alles ist ein Rätsel und der Schlüssel zu diesem Rätsel ist ein weiteres Rätsel."

-Ralph Waldo Emerson-
 

Secundus Ictus Campanae: Medicina aut Venenum

Zweiter Glockenschlag: Medizin oder Gift
 

Gebiet Rose, neues Hauptquartier des Kundschafterkorps,

Küche, selber Abend
 

“Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Jean tatsächlich hier ist.” Eren nahm den nächsten Teller von Mikasa entgegen und stellte ihn ins Regal. “Immer, wenn ich an ihn gedacht habe, hab’ ich mir vorgestellt, dass er mit Marco ein angenehmes Leben bei der Militärpolizei führt. Marco muss ihm sehr fehlen.”
 

Eren, Armin und Mikasa hatten sich heute Abend freiwillig für den Küchendienst gemeldet, weil ihnen diese Arbeit die Gelegenheit bieten würde, sich längere Zeit ungestört zu unterhalten. Nachmittags hatten sie nur kurz miteinander sprechen können, da der Trainingsplan ziemlich straff organisiert war. Eren hatte sich, nachdem seine Pflichten im Stall erledigt waren, den anderen Rekruten angeschlossen und mit ihnen am Training teilgenommen. Mit Erleichterung hatte er festgestellt, dass seine alten Kameraden ihn weder mieden, noch ihn mit Misstrauen behandelten. Im Gegenteil, die meisten hatten sich darüber gefreut, ihn wiederzusehen und wollten ganz genau wissen, wie es ihm ergangen war. Jetzt aber genoss er es, Armin und Mikasa endlich auch mal für sich zu haben.
 

Und es gab so viel zu erzählen. Obwohl er nur einen Monat fort gewesen war, erschien es ihm wie eine halbe Ewigkeit. Fast so, als hätte er ein komplettes Leben ohne sie verbracht.
 

“Ich vermisse ihn auch”, gab Armin zu, während er den nächsten Trinkbecher mit der Spülbürste bearbeitete. “Und Jean hat sich sehr verändert, seit Marco nicht mehr da ist. Er ist viel ernster geworden und nachdenklicher. Aber das trifft, glaub’ ich, auf uns alle zu.”
 

Eren und Mikasa nickten zustimmend. Für die meisten von ihnen war der Kampf in Trost die erste Begegnung mit den Titanen gewesen und sie hatten an diesem Tag sehr viele Kameraden verloren. In den letzten Wochen war Eren zu beschäftigt gewesen, um groß darüber nachzudenken, was an diesem Tag vorgefallen war. Aber nun, da er wieder mit den anderen zusammen war, erwachte der Schmerz aufs Neue, wie eine heilende Wunde, die unerwartet wieder aufgerissen wurde.
 

“Ich bin nur froh, dass dir nichts passiert ist.” Mikasa hielt Eren’s Hand einen Moment lang fest, als sie ihm den Trinkbecher weiterreichte. “Wir wussten ja nicht, wo du bist und was sie mit dir gemacht haben. Nicht mal schreiben durften wir dir, weil der Kommandant es nicht riskieren wollte, Botenreiter zu deinem Versteck zu schicken. Sie hätten dich auch einsperren oder foltern können und wir hätten nichts davon erfahren.”
 

“Mikasa, wie oft denn noch, niemand hat mir etwas getan.” Eren zog seine Hand zurück. “Ich bin ein Mitglied des Korps und jetzt auch ein Mitglied von Captain Levi’s Team. Ich gehöre…”
 

“Nein, bist du nicht”, unterbrach Mikasa ihn heftig. “Captain Levi’s Team ist dazu abgestellt, dich zu überwachen und notfalls sogar zu töten, falls du dich verwandelst und als Titan die Kontrolle verlierst. Das ist ein himmelweiter Unterschied!”
 

Verdammt, sie hatte doch keine Ahnung! Natürlich gehörte er zum Team. Levi hatte nie einen Zweifel daran gelassen. Eren wollte protestierend auffahren, doch Armin legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Du musst verstehen, das Letzte, das wir von dir gesehen haben, war, dass du von Soldaten aus dem Gerichtssaal gezerrt wurdest, nachdem der Captain dich zusammengetreten hatte. Und da sah es definitiv nicht danach aus, dass dich irgendjemand als Teil eines Teams betrachten würde."
 

Eren stutzte. Armin hatte recht - für die beiden mussten die vergangenen Wochen fürchterlich gewesen sein. Er konnte ihnen wirklich nicht vorwerfen, dass sie sich Sorgen um ihn gemacht hatten.
 

Armin ergriff den nächsten Schwung Teller und hob ihn in den Spülbottich. "Wir haben versucht, herauszufinden, wie es dir geht und wo du bist, aber niemand wusste darüber Bescheid. Das Einzige, das wir in Erfahrung bringen konnten, war, dass es beim Kundschafterkorps eine Wissenschaftlerin gibt, die sich mit der Erforschung von Titanen beschäftigt."
 

"Hanji." Sofort stieg das Bild der unkonventionellen, warmherzigen Frau vor Eren's innerem Auge auf. "Ja, sie war längere Zeit bei uns. Sie hat mir von ihren Forschungsarbeiten erzählt."
 

Und das nächtelang. Dennoch hatte die Erinnerung daran auch angenehme Seiten. Durch Hanji hatte Eren gelernt, manches in einem anderen Licht zu sehen.
 

"Hat sie denn irgendwas über deine Titanenkräfte herausfinden können?", wollte Armin wissen. "Ich meine, woher kommt es, dass du dich verwandeln kannst? Ist das eine angeborene Fähigkeit oder tatsächlich das Ergebnis eines Experiments, wie Kommandant Pixis behauptet hat."
 

"Wir wissen es nicht." Eren's Blick wanderte über die Regale, um einen passenden Platz für eine der großen Schüsseln zu finden. Mikasa zeigte es ihm mit einer Kopfbewegung in die richtige Richtung. "Eren, es könnte vielleicht sein, dass dein Vater etwas über die Sache weiß."
 

Eren nickte und seine Miene verdüsterte sich. Der Verdacht war ihm selbst schon gekommen, gerade in der letzten Zeit, als winzige Bruchstücke von Erinnerungen in seinem Geist auftauchten. Das meiste davon waren Bilder und Gedankenfetzen, die er nicht einordnen konnte. Eine Mühle, ein Tal, eine riesige Hand - nichts was zusammenpasste oder irgendeinen Sinn ergab.
 

Doch in einigen dieser Bilder tauchte auch sein Vater auf. Und eine Spritze, da war eine Spritze. Sie tat weh. Er bekam sie in den Arm, aber warum? Hatte sein Vater ihm die Spritze verabreicht?
 

"Wie kommst du auf die Idee?" Stirnrunzelnd blickte er Mikasa an, ihm war gerade bewusst geworden, dass er mit seinen Freunden über seine Träume kaum gesprochen hatte. Und mit Sicherheit nicht über seinen Vater.
 

Mikasa und Armin wechselten einen kurzen Blick. Ungesagte Worte lagen darin und für einen Moment lang verspürte Eren einen Anflug von Eifersucht. Sie hatten offenbar über diese Dinge gesprochen, als er nicht da war.
 

"In der Nacht, als dein Vater zu uns ins Auffanglager kam, um dich mitzunehmen, hat er etwas Seltsames zu Mikasa gesagt", begann Armin und Mikasa setzte die Erklärung fort: "Ich habe Grischa gefragt, wohin er dich bringt und er versprach, er würde uns bald aus dem Lager holen, damit wir wieder ein richtiges Zuhause hätten. Er müsse nur noch ein paar Dinge erledigen, sagte er. Er klang sehr gehetzt und angespannt, überhaupt nicht wie sonst. Auch sein Gesicht war anders, er hatte Ringe unter den Augen, als hätte er lange Zeit nicht geschlafen. Ich habe ihn noch mal gefragt, wo er dich hinbringt und er sagte, du seiest krank und bräuchtest deine Medizin."
 

Krank? Medizin? Eren blickte sie fassungslos an. Ums Haar hätte er den Teller fallen lassen, den er gerade in den Händen hielt. "Wieso weiß ich davon nichts?", fragte er scharf.
 

"Weil du noch halb geschlafen hast, als dein Vater dich wegbrachte." Mikasa's Hände hielten in ihrer Arbeit inne. "Ich habe versucht, wach zu bleiben, stundenlang, aber irgendwann bin ich doch eingeschlafen. Den Rest kennst du. Als Armin und ich am nächsten Morgen aufgewacht sind, warst du immer noch verschwunden, aber wir haben dich gesucht und im Wald wiedergefunden. Von Grischa fehlte jede Spur. Wir haben darauf gewartet, dass er kommt und uns holt, aber er ist nie gekommen. Irgendwann haben wir die Hoffnung aufgegeben."
 

Klirr! Das Geschirr im Regal schepperte laut, als Eren den Teller mit voller Wucht abstellte. "Das meine ich nicht. Ich weiß, dass Vater uns holen wollte und es nie getan hat. Aber du hast mir nie gesagt, dass er behauptet hat, ich wär’ krank."
 

"Sie hat mit gutem Grund nicht darüber gesprochen", stellte Armin fest. "Eren, du weißt wie misstrauisch die Leute im Lager in Bezug auf Krankheiten waren. Die Seuchengefahr war einfach zu groß. Erinnerst du dich an das kleine Mädchen, das erkältet war und am nächsten Morgen nicht wieder aufgewacht ist. Sie ist nicht am Fieber gestorben."
 

"Es ging das Gerücht um, sie habe die Blattern", fügte Mikasa hinzu. "Nachts haben sich ein paar Leute zusammengetan und ein Kissen genommen..." Sie beendete den Satz nicht.
 

"Und das Schlimmste daran ist, dass man es ihnen nicht mal verübeln konnte." Obwohl der Teller in Armin's Händen längst sauber war, fuhr er fort, ihn heftig zu schrubben. "In einem der anderen Auffanglager ist die Hälfte der Leute an den Blattern gestorben. Glaubst du ernsthaft, unter diesen Umständen wäre es eine gute Idee gewesen, offen über deine angebliche Krankheit zu sprechen?"
 

"Wir haben dich die nächsten Tage und Wochen beobachtet, aber du hast nie irgendwelche Anzeichen einer Krankheit gezeigt”, fiel Mikasa ein. “Also gingen wir davon aus, dass sich das Thema erledigt hat. Erst seit deiner Verwandlung haben wir uns wieder darüber Gedanken gemacht und uns gefragt..."
 

". ..ob er mit dieser angeblichen Krankheit meine Titanenkräfte gemeint hat", beendete Eren den Satz.
 

Hatte Vater wirklich davon gewusst? Oder war er sogar dafür verantwortlich? Hatte dieses Mittel, das er ihm gespritzt hatte, etwas damit zu tun?
 

Eren wusste es nicht. Und er würde es wahrscheinlich nie erfahren, wenn sie nicht endlich diesen verdammten Keller erreichten. Vater war fort und würde ihm keine Antworten geben. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten. Zu lange hatte er darauf gewartet und sich in sinnlosem Hoffen verloren.
 

Eine Weile schwieg er und stapfte verbissen in der Küche herum, um das Geschirr zu verräumen. Mikasa machte einen Versuch, ihn anzusprechen, ließ es jedoch wieder sein, als er sie anstelle einer Antwort nur wütend anstarrte. Mit dem Kopf wusste Eren, dass er seinen Freunden eigentlich keinen Vorwurf machen konnte. Aber in seinem Herzen fühlte es sich trotzdem an wie Verrat.
 

Erst ein lautes Scheppern riss ihn aus seinen Gedanken. Seine Hände hatten tatsächlich eine Schüssel fallen lassen, zum Glück war sie heil geblieben. Hastig hob Eren sie auf und verstaute sie im Regal. Wäre der Captain jetzt hier gewesen, hätte er ihn vermutlich ein paar Liegestütze machen lassen. Oder wäre gleich mit ihm in den Ring gestiegen. Kampftraining mit Captain Levi war bis vor kurzem die beste Möglichkeit gewesen, um aufgestaute Emotionen loszuwerden, ganz einfach deshalb, weil Eren sich bei ihm nicht zurückhalten musste. Levi war nicht körperlich stärker als Eren, hatte aber langjährige Erfahrung und unglaubliche Reflexe. Außerdem verstand er es meisterhaft, einen Gegner mit dessen eigenem Schwung aufs Kreuz zu legen. Wenn er auf Levi zustürmte, lag Eren hinterher meistens im Sand und das, obwohl er ein vortrefflicher Nahkämpfer war. Hinterher fühlte er sich ausgepowert, doch es war eine angenehme Art der Erschöpfung. Eine, die ihm die Grübeleien vor dem Einschlafen fernhielt.
 

Und irgendwann kam jene Nacht, und ab dann war der Kampf nur noch die zweitbeste Möglichkeit gewesen, um die Grübeleien und die Alpträume fernzuhalten.
 

Die Erinnerung daran trieb die Hitze auf Eren’s Wangen und einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, nach getaner Arbeit einfach nach oben zu marschieren und an Levi’s Zimmertür zu klopfen. Mehr als nein sagen konnte Levi schließlich nicht. Bisher hatte er ihn nur einmal abgewiesen, und da war er zu müde gewesen.
 

Aber es gab ein Problem bei der Sache. Genauer gesagt, zwei. Levi hatte ihm immer noch nichts darüber gesagt, wie es jetzt weiterlaufen würde und Eren hatte keine Ahnung, welches überhaupt sein Zimmer war.
 

“Vielleicht ist mein Vater ja für diese Krankheit verantwortlich.” Eren griff so heftig nach einem Schwung Besteck, dass er sich in die Hand schnitt, doch es war ihm gleichgültig. Bis spätestens morgen früh würde ohnehin alles wieder verheilt sein.
 

Er spürte, wie sich die Wut, die in seinem Inneren brodelte, plötzlich und unerwartet gegen seinen Vater richtete. Mikasa und Armin konnten vielleicht nichts dafür, aber Vater schon. Er hatte ihn mitten in der Nacht weggezerrt, ihm eine Spritze verpasst und ihm irgendwelche Lügenmärchen über die Zukunft erzählt.
 

Und er war nie gekommen. Niemals! Er hatte ihn belogen, ihm mitten ins Gesicht gelogen!
 

“Mein Vater hat mir eine Spritze gegeben”, fauchte Eren und leckte sich das Blut von der Hand. Im nächsten Moment blieb er wie angewurzelt stehen. Hatte Levi ihm nicht eingeschärft, er müsse mit Verletzungen vorsichtig sein. Eine Verletzung konnte eine Verwandlung auslösen, ganz besonders dann, wenn er zuließ, dass seine Wut die Oberhand gewann. Dann konnte es sein, dass sich in seinen Gedanken ein unkontrolliertes Ziel festsetzte, etwa ‘Ich will meinen Vater finden und ihm eine verpassen!’ Ein solches Risiko konnte er nicht eingehen.
 

Er schwieg, atmete tief durch und ging in Gedanken die Schwertformationen durch, die er stundenlang mit Levi geübt hatte. Genauso wie Levi es ihm beigebracht hatte. Auch dieses Mal verfehlte die monotone Aufzählung der einzelnen Attacken und Paraden ihre Wirkung nicht. Eren spürte, wie die Wut langsam abflaute. Sein Herzschlag verlangsamte sich wieder, sein Atem ging weniger stoßweise.
 

“Mein Vater hat mir eine Spritze gegeben”, wiederholte er merklich ruhiger. Es war ohnehin höchste Zeit, dass er diese Information mit seinen Freunden teilte.
 

Mikasa sog hörbar die Luft ein. “Aber er wird doch nicht… nein, das würde Grischa niemals tun. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.”
 

“Vielleicht hat er diese Kräfte in dich gelegt, weil er dich schützen wollte”, überlegte Armin. “Ich würde Dr. Jäger auch nicht so einschätzen, dass er einem Menschen Schaden zufügen könnte, am allerwenigsten dir, seinem eigenen Sohn. Aber vielleicht hat er befürchtet, dass ihm was zustößt und wollte deshalb dafür sorgen, dass du dich im Ernstfall auch allein wehren kannst. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich durch seine Forschung Feinde gemacht hat.”
 

“Aber wie kann es denn ein Mittel geben, mit dem sich Menschen in Titanen verwandeln?”, fragte Mikasa sichtlich verwirrt. “Ich meine, die normalen Titanen sind ja auch keine Menschen. Sie sind von irgendwoher aufgetaucht und niemand weiß woher.” Kopfschüttelnd fuhr sie sich durch die Haare. “Es ergibt alles keinen Sinn.”
 

“Und was am allerwenigsten Sinn ergibt, ist, dass ich mich vor dem Kampf in Trost noch nie verwandelt habe.” Eren runzelte die Stirn. “Ich wurde so oft verletzt, ganz besonders während meiner Trainingszeit. Aber nichts davon hat eine Verwandlung ausgelöst. Wenn ich die Kräfte schon damals im Auffanglager besessen habe, warum konnte ich sie erst ganze viereinhalb Jahre später einsetzen?”
 

“Das ist ein Problem, das mich schon die ganze Zeit beschäftigt”, murmelte Armin. Zwar blickte er Eren immer noch an, doch seine Augen waren glasig und schienen ihn überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Als ob er in Gedanken plötzlich weit fort wäre.
 

Eren wandte sich ab. Er kannte dieses Verhalten nur allzu gut von Armin und wusste, dass es keinen Sinn hatte, jetzt auf seinen Freund einzureden. Stattdessen widmete er sich wieder der Arbeit.
 

Und sehnte sich für einen Moment lang ins alte Schloss zurück. Aber nur für einen Moment, mehr gestattete er sich nicht.
 

~*~
 

Büro des Kommandanten,

selber Abend, selbe Zeit
 

“Ihr wolltet mich sprechen, Kommandant.” Levi salutierte im Türrahmen, bevor er mit seiner gewohnt ausdruckslosen Miene das Büro betrat. Er schien völlig gelassen, Erwin bemerkte keinerlei Unruhe an ihm. Üblicherweise war es eine leichte Anspannung der Schultern, die ihm verriet, dass Levi einer Sache gegenüber nicht so gleichgültig war, wie er vorgab zu sein.
 

Aber worüber hätte Levi sich auch wundern oder gar Sorgen machen sollen? Wahrscheinlich vermutete er einfach, Erwin habe noch einige Fragen wegen ihres Gesprächs heute Nachmittag und habe ihn deshalb noch ein weiteres Mal in sein Büro gebeten.
 

Erwin atmete tief ein. Das machte die Situation nicht unbedingt einfacher.
 

“Schließ die Tür und setz’ dich bitte.” Erwin nahm die Teekanne, die auf seinem Schreibtisch stand, um Levi eine Tasse einzugießen und sich selbst eine weitere. “Ich muss mit dir über Eren Jäger sprechen.”
 

Er zögerte einen Moment, entschied sich dann aber dafür, dass in diesem Fall eine direkte Vorgehensweise die Beste sei. “Genauer gesagt, über Eren Jäger und dich.”
 

Nun hob sich doch eine Augenbraue. Erwin vermutete, dass Levi gerade innerlich abwog, wie viel Erwin darüber wissen konnte und ob es sinnvoll wäre, Unwissen vorzutäuschen. Es sprach jedoch für ihn, dass er keinen Versuch machte, es abzustreiten. “Wie hast du’s rausgefunden?”
 

“Das tut nichts zur Sache.” Erwin rechnete damit, dass es Levi früher oder später selbst klar werden musste, doch er würde keinen Sündenbock festlegen. Ein weiteres Mal deutete er auf den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch. “Setz dich bitte.”
 

“Ich stehe lieber.” In gewohnt gleichgültiger Geste lehnte Levi sich gegen die Wand, aber jetzt waren seine Schultern leicht erhoben. “Ich schätze, allzu lange wird dieses Gespräch ohnehin nicht dauern, nicht wahr?”
 

Dieser Sturkopf. Dieser verdammte Sturkopf! All die Erklärungen, all die vernünftigen Argumente, die Erwin sich zurechtgelegt hatte, waren mit einem Mal wie weggefegt. Nicht, dass er sie unbedingt gebraucht hätte. Er konnte Levi auch einfach nur einen Befehl erteilen und ihn aus dem Zimmer schicken.
 

Doch das wollte er nicht. Er wollte, dass Levi seine Entscheidung verstand. Dass er nachvollziehen konnte, warum er als Kommandant unter den gegebenen Umständen so handeln musste. Auch Levi musste unangenehme Entscheidungen treffen und harte Befehle erteilen. Und anders als auf dem Schlachtfeld blieb ausnahmsweise genug Zeit, um die Gründe dafür darzulegen.
 

“Levi.” Erwin ging nicht auf die kleine Herausforderung ein, jetzt war nicht der passende Zeitpunkt. Dafür war die Situation zu ernst. “Ich kann es leider nicht zulassen, dass du zu dem Jungen eine engere Beziehung eingehst, als es unsere Vorschriften gestatten.”
 

Erwin blickte Levi durchdringend an. “Diese Sache wird enden und zwar unverzüglich.”
 

Tsuzuku... to be continued



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