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[Barkeeper-Reihe 02] Barkeeper in Love

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Kapitel 1 - Die Karten lügen nicht

Hallo meine Lieben!

Ja, nun geht es endlich weiter mit Justin und seinem Liebsten aus Spanien! Seit ihr schon gespannt auf ihre kleine Liebesgeschichte? Ja? Dann nichts wie ran an den Speck!

Ach! Moment! Eins gibt's noch zu sagen. Hier stelle ich euch einen neuen Charakter vor. Meinen magischen Magnus, der hier etwas Magie in die Luft zaubern wird. Wer das ist und wo er in Zukunft sein Unwesen treiben wird, das verrate ich euch noch nicht. Die Geschichte habe ich nämlich noch nicht fertig. ^^
 

Leider notwendig zu erwähnen: Alle Rechte meiner Texte liegen allein bei mir. Meine Texte, mein Eigentum. Unerlaubte Veröffentlichungen, auch nur auszugsweise, auf anderen Plattformen oder Onlineshops sind verboten, und das mache ich Text-Dieben auch rechtlich begreiflich, falls es sein muss.

Also? Klauen is nicht. Und wie ich kürzlich erfahren habe, haben meine lieben Leser ihre Augen überall und berichten mir jeden dreisten Text-Diebstahl.

Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen und genauer hinsehen, was einem auf digitalem Wege angeboten wird.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Eure Fara
 


 

[Barkeeper-Reihe 02] Barkeeper in Love
 


 

Kapitel 1 - Die Karten lügen nicht
 

~Justin~

Der Film ist doch kacke! Wer tut sich sowas freiwillig an?! Kopfschüttelnd glotze ich auf den Bildschirm und wundere mich, dass die Alte ihrem Lover keine knallt. Wie unrealistisch! Jeder vernünftige Mensch hätte das getan! Knutscht einfach mit einer Anderen rum! Das würde es bei mir nicht geben. Ganz sicher nicht! Der Kerl wäre bei mir schon an die nächste Wand geknallt, damit er wüsste, wie so ein Betrug schmerzen kann. 'Andere Gedanken, Jus', bete ich mir vor. Zum Glück geht gerade in diesem Moment die Wohnzimmertür auf, und hindert mich an tiefer gehende Gedanken in diese Richtung.

Vincent ist es, der wieder zu mir zurückkehrt, wie ich aus dem Augenwinkel bemerkte. Er und sein Freund Laurin sind vorhin aus dem Zimmer gestürmt, weil es an der Haustür geklingelt hatte. Mitten in der Nacht, wohlgemerkt! "Wer war es denn?", frage ich ihn.

"Jemand für dich." Für mich?

"Wer denn?" Der Film wird uninteressant und ich schaue mit gerunzelter Stirn zu Vinnie auf.

"Zieh dir was über und komm mit."

Zögernd komme ich seiner Bitte nach und ziehe mir schnell eine Jeans über. Welcher meine Freunde kommt denn bitteschön mitten in der Nacht zu mir? Da muss doch was passiert sein. "Was ist den los Vinnie? Du tust ja gerade so, als ob jemand gestorben wäre." Er sieht tatsächlich so aus, als läge schon wieder etwas im Argen.

"Nein nicht ganz. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dir der Besuch auf Anhieb gefallen wird."

"Oh nein! Es ist doch nicht etwa wieder Niels?!", japse ich angesäuert. Vince Ex hätte mit gerade noch gefehlt!

"Nein. Der ist es nicht."

"Dann kann es doch nichts Schlimmes sein", lache ich erleichtert und gehe auf meinen besten Freund zu. "Jetzt hast du mich echt neugierig gemacht!" Ich klopfe ihm auf die Schulter und gehe in den Flur. Vinnie folgt mir und nickt Richtung Küche.

Über sein merkwürdiges Verhalten innerlich mit den Schultern zuckend, öffne ich die Tür und trete gut gelaunt ein. Am Küchentisch sitzt Laurin, der nun aufsteht und mich genauso komisch anstarrt. Ich fange an zu grinsen. Was hecken die denn nur aus? Mein Blick fällt auf den Besucher, der mit dem Rücken zu mir am Tisch sitzt, sich nun aber abrupt umdreht.
 

Mir gefriert das Lächeln auf den Lippen. Mein Herzschlag setzt aus und ich würde am liebsten losschreien, kann es aber nicht. "Oh Justin! Mein lieber Justin!", ruft der Besucher, denn ich nur allzu gut kenne. Er reißt fast den Stuhl um, als er aufsteht und auf mich zu rennt.

Das alles sehe ich wie in Zeitlupe, raffe erst gar nicht so richtig, was hier gerade abläuft, bin zwischen Freude und Schrecken gefangen, und kann mich nicht rühren. Warum ER hier in der Küche ist und mich auch noch in seine Arme zerrt, begreife ich erstmal gar nicht. Stocksteif bleibe ich einfach nur an Ort und Stelle stehen und kann nichts dagegen machen, dass mein Herz beginnt wie wild zu schlagen. In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen und ich wirklich froh bin, das sich mich kaum bewegen kann, weil ich ihn sonst mit großer Wahrscheinlichkeit ebenso fest umarmt hätte und mein Gesicht gegen seinen Hals gedrückt hätte. Und das will ich auf keinen Fall!

"Oh Justin! Ich habe dich so vermisst! Te quiero, mi querido! Te quiero mucho!"

"Ramon ...?" Mein Magen zieht sich zusammen. Ramon ist hier! Er ist tatsächlich hier!
 

~Ramon~

Glück. Pures Glück und sehnsüchtige Liebe durchströmt mich, als ich endlich wieder meinen aller liebsten Schatz in den Armen halte. Mi corazón. Meinen Justin!

Wie habe ich ihn vermisst! Seine Wärme, seinen Duft, seine Stimme! "Oh Justin ... Te quiero ... Oh mi amor ..." Immer wieder wiederhole ich diese Worte, will einfach nur, dass er spürt, wie sehr ich mich all die Wochen über nach ihm gesehnt habe. "Endlich habe ich dich wieder", flüstere ich und reibe meine Nase an seinem Hals. Er riecht so gut!

Eigentlich hätte ich so viele Fragen an ihn. Warum er einfach verschwunden ist zum Beispiel. Wieso ich eines Tages bloß sein leeres Zimmer vorgefunden hatte. Was ich falsch gemacht habe, dass er es nicht mehr mit mir ausgehalten hatte und sich deshalb dazu gezwungen sah, aus meinen Armen zu fliehen. So lange schon warte ich auf Antworten darauf, doch sie rücken alle in den Hintergrund. Ich will ihn einfach nur an mich drücken und ihn nie wieder loslassen.

"Ramon ... Bitte!" Doch Justin versteift sich immer mehr, und noch ehe ich es richtig reagieren kann, schiebt er sich aus meiner Umklammerung.

"Jus?" Laurin, der hinter mir steht, kommt auf uns zu. "Hör dir doch bitte an, was Ramon dir zu sagen hat. Er hat uns erzählt, wie sehr er dich liebt, und war so froh, als wir ihn angerufen hatten und ihm erzählten, dass du bei uns bist."

"Das wart ihr?", fragt Justin fassungslos. "Ihr habt ihn ...?" Sein Blick streift mich. Verletzt, ängstlich, wütend. Aber auch voller Liebe. Er trägt die selben Gefühle für mich in seinen Herzen, wie ich sie tief in mir spüre. Warum geht er dann bloß wieder auf Abstand zu mir?

Ich gehe auf ihn zu, strecke meine Arme nach ihm aus, doch er weicht sofort von mir zurück. "Justin! Bitte! Warum gehst du mir plötzlich aus dem Weg?"

"Ich will dich nie wieder sehen Ramon! Nie wieder!", zischt er mit erstickter Stimme, sieht mich dabei aber nicht an. Mir bricht das Herz, obwohl ich doch weiß, dass er mich auch liebt. "Und ihr zwei" Justin deutet auf Laurin und Vincent "das ihr mich so hintergangen habt, das werde ich euch niemals verzeihen!" Justins verletzter Gesichtsausdruck treibt mir die Tränen in die Augen. Was ist nur los mit ihm? Was ist nur passiert, dass er sich so vor mir verschließt?

"Justin! Warte doch!" Laurin läuft an mir vorbei. Ich will meinen Schatz aufhalten, doch er hat sich schon an Vincent vorbei gedrängelt und flüchtet aus der Wohnung.

Nach dem ersten Schock über Justins Verhalten, bin ich ebenfalls sofort auf dem Weg ihm hinterher, stürme an Laurins Seite in den Flur und hänge mich über das Treppengeländer. "JUSTIN! BLEIB BEI MIR! MI CORAZÓN! MI VIDA!" Für einen kleinen Moment hält Justin tatsächlich inne. Schenkt mir Hoffnung, dass doch wieder alles gut werden könnte, doch dann verschwindet er aus meinem Blickfeld. "JUSTIN!!!" Ich reiße mich vom Geländer los, will ihm nach, doch Vincent hält mich auf. "Nein! Bitte! Ich muss ihm nach!", flehe ich und versuche Vincent, der vor mir steht und mich an den Oberarmen gepackt hält, wegzuschieben.

"Ramon! Hey! Lass ihn! Er muss erstmal runterkommen! Hörst du?!"

"Wieso ...?", wimmere ich und gebe mich geschlagen. "Wieso rennt er ständig vor mir weg? ... Wir lieben uns doch." Tränen verschleiern meine Sicht und ich lasse mich einfach gegen Vincent fallen. "Oh Justin ... Mi amore ...!"

"Das wird schon", versucht mich Laurin zu trösten, der mir über den Rücken streichelt. "Justin liebt dich noch immer. Daran glaube ich ganz fest. Er muss nur über seinen eigenen Schatten springen." Über seinen eigenen Schatten springen? Auf einmal? Er war doch vorher nicht so! Mein kleiner querido. Was ist nur los mit dir?
 

~Justin~

Aufgelöst in Tränen renne ich in die U-Bahn und klammere mich an eine der Haltestangen. Das Gesicht in meiner Armbeuge verborgen warte ich, bis meine Station aufgerufen wird. Erst dann setzte ich mich wieder in Bewegung und verlasse die Bahn. Mein Ziel ist Daniels Wohnung. Vielleicht nimmt er mich auf, denn zurück zu Vincent und seinem verlogenen Freund Laurin gehe ich ganz sicher nicht mehr! Und erst recht nicht, solange Ramon noch dort ist.

Ich kann es immer noch nicht glauben. Ramon ist wirklich hier in der Stadt. Er hat mich umarmt und ich kann sogar noch seine Wärme auf meiner Haut spüren, seine Worte hören, die den drängenden Wunsch in mir aufwallen lassen, jetzt wieder sofort zurückzufahren und mich ihm entgegen zu schmeißen. Doch das kann ich nicht! Dazu ist meine Angst viel zu groß. Die Blockade in mir viel zu massiv. Ich schlucke hart. Verdammt! Ich konnte sogar das salzige Meer Spaniens an ihm riechen! Genauso wie früher.

Als ich endlich vor Daniels Wohnung ankomme, kommt mir gerade ein anderer Hausbewohner entgegen, weshalb ich schnell durch die Haustür schlüpfe und die Stufen bis zu Daniels Wohnung hochsteige. Immer wieder wische ich mir über die Augen, verdränge jeden Gedanken an Ramon, weil sie mein Herz so schnell schlagen lassen, dass es laut in meinen Ohren dröhnt und mir schmerzhaft gegen die Rippen donnert. Es ist fast so, als schreie es mich förmlich an, wieder zu ihm zu gehen, aber mein Verstand hat die Oberhand. Zum Glück …
 

Oben angekommen wische ich mir ein weiteres Mal über die Augen, gehe auf die Wohnungstür zu, bleibe aber wie angewurzelt stehen. Daniel lehnt mit dem Rücken gegen die Tür und wird gerade von einem anderen Kerl in Grund und Boden geknutscht. Ein leises "Oh!" entkommt mir, was Daniel aber mitbekommt.

"Justin?!" Mit hochroten Kopf drückt er den Knutschkünstler von sich. "Was machst du den so spät hier?"

"Sorry ... ich ... Macht nur weiter!" Ist mir das peinlich! Aber woher sollte ich ahnen, dass Daniel wieder jemanden hat?!

Ich will mich gerade umdrehen, da hält mich Daniel auf. "Warte Justin! Was ist denn los? Heulst du?" Ich klammere mich am Geländer fest und ohne das ich es will, entkommt mir ein Schluchzen und meine Kehle ist wie zugeschnürt. "Himmel! Jus!" Ein Arm legt sich um mich und dann werde ich sanft in Daniels Wohnung befördert. "Setz dich." Daniel drückt mich auf die Couch und setzt sich neben mich. Sein Lover nimmt direkt gegenüber von uns platz. "Ähm Magnus? Kannst du vielleicht Wasser aufsetzten?" Ich höre, wie Magnus aufsteht und aus dem Wohnzimmer verschwindet.

Zitternd hole ich Luft. "Magnus? Der Zauberer?", frage ich Daniel, hauptsächlich um mich abzulenken, damit ich wieder einigermaßen Luft bekomme.

"Sag nicht Zauberer zu ihm. Magnus der Magier! ... Aber ja. Wir sind uns irgendwie näher gekommen." Ha! Daniel hat sich den sexy Zauberer Magnus geangelt. Wer hätte das gedacht? "Was ist denn jetzt passiert, Jus? Warum bist du so aufgelöst?", fragt mich Daniel und zieht mich an sich. So besorgt kenne ich ihn ja gar nicht. Nicht, dass er mich nicht mögen würde, aber er ist normal kein Typ für ausgedehnte Tröstaktionen.

"Ramon", flüstere ich bloß und schließe die Augen. "Er ist in Deutschland."

"Woher weißt du das?"

"Er stand eben in Vincents Küche."

"Wer ist Ramon?" Magnus muss wieder hier sein, denn als ich die Augen wieder öffne, sitzt er mit einem interessierten Gesichtsausdruck vor mir.

"Mein Ex", kläre ich ihn auf,

"Du liebst ihn noch." Keine Frage. Eine klare Feststellung. Dieser Magnus ist wirklich ein komischer Kauz! "Warum sitzt du dann noch hier und bist nicht bei ihm?"

"Was?!" Ich starre diesen ungehobelten Zauberer böse an. "Was mischst du dich da überhaupt ein?! Wir kennen uns doch gar nicht! Und du hast keine Ahnung, was zwischen mir und Ramon ist! Also spar dir deine Kommentare!" Ich brause auf. Meine angestaute Wut will endlich raus, und Magnus' liefert mir die perfekte Vorlage dafür.

"Justin ..." Daniel versucht mich zu beruhigen. Klappt aber nicht.

Sauer stehe ich auf und wende mich zum gehen um. "Das muss ich mir nicht geben! Dann penn ich eben bei einem meiner anderen Freunde. Tschüss!"

"Justin! ... Mensch Magnus! Was sollte das denn? ..." Ich höre nicht mehr hin und eile auf die Haustür zu. Ich lass mir doch nicht von einem Wildfremden Beziehungstipps geben! Der kennt mich doch gar nicht! Außerdem habe ich gar keine Beziehung ...

"Du hast Angst. Du willst nicht mehr verletzt werden und flüchtest deshalb vor Ramon, weil du ihn viel zu sehr liebst, als das du eine Trennung verkraften könntest, wenn du einmal dein Herz komplett für ihn geöffnet hast." Ich bleibe stehen. "Glaubst du nicht auch, dass es schon längst zu spät ist für einen Rückzieher?" Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Einer warme, große Hand, die mir Trost schenkt, auch wenn ich es gar nicht will.
 

Langsam drehe ich mich um und schaue in Magnus Gesicht. "Renne weg, so oft und so lange du willst, aber deine Gefühle werden dich immer begleiten. Und irgendwann wirst du es bereuen, dass du heute geflohen bist."

"Gedanken lesen kann der Herr Zauberer auch noch?", lache ich sarkastisch und verdränge das Gefühl, dass er mit seiner Vermutung recht behalten könnte.

"Ja. Das kann der Herr Zauberer. Und in dir zu lesen ist einfacher als du vielleicht glaubst."

"Ach?! Und was denke ich gerade?" Ich blinzle diesen arroganten Idioten böse an. Gedanken lesen! Pha! Das ich nicht lache! Alles bloß magischer Firlefanz, der vielleicht auf seiner Bühne klappt. Doch im wahren Leben, da gibt es keine magischen Fähigkeiten oder Gedankenlesen.

Der verengt seine Augen und fixiert meine damit, sodass mir ein eiskalter Schauer über den Rücken rinnt. Will der mir etwa Angst machen?! "Seine letzten Worte an dich vorhin. Justin, bleib bei mir. Mi corazón. Mi vida." Mir stockt der Atem. Das darf doch nicht wahr sein!

"Woher weißt du das?", frage ich ihn mit dünner Stimme. "Wer hat dir das gesagt?" Hat Vinnie etwa hier angerufen?

"Mein Herz. Mein Leben ... Du bedeutest für ihn alles, nicht wahr? Und du liebst ihn genauso sehr. Warum versperrst du dich nur dagegen?" Seine Stimme ist ruhig und leise, gibt mir ein merkwürdiges kurzfristiges Gefühl der Geborgenheit. Mal ehrlich: Wie macht er das? "Es könnte alles so einfach sein. Meinst du nicht auch?"

"Das ... das ... ich kann einfach nicht ... Ramon lebt so weit weg und ..." Wieder schlägt mein Herz wild in meiner engen Brust herum. Warum erzähle ich ihm das eigentlich?

"Lügen bringt bei mir nichts Justin", schmunzelt er wofür ich ihm am liebsten eine reinhauen würde. Doch was macht er? Er zieht mich an sich und ich verschwinde praktisch in seiner Umarmung. "Ihr seid füreinander bestimmt. Sperr dich nicht dagegen. Es bringt nur dir und ihm große Schmerzen." Ich fange an zu heulen, kann es nicht mehr unterdrücken. Aber nicht so wie vorhin. Nein. So geheult habe ich schon sehr lange nicht mehr.

Ich klammere mich an Magnus lächerlichen Mantel, weiche sein Hemd mit meinen Tränen ein und schäme mich noch nicht mal dafür. Was ist das nur für ein komischer Kerl, der mich so dermaßen die Fassung verlieren lässt?! "Du weinst nicht, weil ich dich dazu bringe. Du tust es, weil du weißt das ich recht habe. Du tust es, weil du dich nach Ramon sehnst." Eigentlich ist es mir egal, woher er jetzt schon wieder wusste, was ich denke. Ja, ehrlich! Ich heule weiter sein Hemd nass und wundere mich noch nicht mal darüber, dass ich in Daniels Flur stehe, in den Armen eines Zauberers und flenne wie ein kleines Baby. Zu gut fühlt es sich an, endlich alles rauszulassen, mich gehen zu lassen und einfach mal schwach zu sein. Selbst, dass mich ein fast Wildfremder dazu bringt, ist mir im Moment vollkommen egal.
 

~Ramon~

"Ich muss ihn suchen!"

"Ramon. Glaube mir, das bringt nichts. Er muss von selbst kommen, sonst setzt du ihn damit bloß unter Druck, und er versperrt sich noch mehr gegen dich." Skeptisch schaue ich zu Vincent.

"Justin muss es erst auf die Kette bekommen, dass du hier bist", meint Laurin und reicht mir eine Tasse Tee. "Er ist eben ein Sturkopf."

Das entlockt mir ein Lächeln. "Sí. Das ist er. Ein frescales."

"Was heißt das?", fragt Laurin.

"Frechdachs."

"Oh ja! Das passt zu ihm!", lacht er und tätschelt meine Hand.

"Danke, dass ihr mir Bescheid gegeben habt, dass er hier ist. Aber ich verstehe noch immer nicht, warum Justin plötzlich so ... anders ist!"

Vincent räuspert sich und mustert mich intensiv. "Dann weißt du wirklich nicht was vorgefallen war?"

"Nein! Ihr?" Hoffnungsvoll wechselt mein Blick zwischen den beiden hin und her.

"Nein. Er hat nichts gesagt."

"Doch!", meint Laurin und richtet sich so schnell auf wie eine Sprungfeder. "Er war vor einiger Zeit ganz geknickt und ich hatte ihn so lange genervt, bis er mir eine SMS von dir gezeigt hat. Ich quetschte ihn aus und er meinte, du hättest ihm angeboten bei dir zu wohnen."

"Ja! Natürlich habe ich das. Er hatte keinen Job mehr und konnte das Zimmer in unserer kleinen Herberge nicht mehr bezahlen. Da habe ich ihm angeboten zu mir zu ziehen und mit im Restaurant zu arbeiten. Ist er deshalb weg? Weil ich ihm das angeboten habe?" Immer wieder bin ich unsre letzten gemeinsamen Tage durchgegangen. Ich konnte einfach nichts finden, was seine Flucht hätte rechtfertigen können. Jetzt, wo Laurin es erwähnt, fällt es mir auf. Justin ist abgehauen, nachdem ich ihm diesen Vorschlag unterbreitet hatte. Warum komme ich erst jetzt drauf?! Aber was daran hat ihn dazu bewogen mich zu verlassen? Es hätte sich doch nichts zwischen und verändert. Wir waren doch sowieso jede freie Sekunde zusammen.

"Anscheinend ja. Es hat ihn ganz schön überrumpelt. Und auf meine Frage hin, warum, meinte er bloß, er wolle nicht wieder verletzt werden", flüstert Laurin und mustert mich nun ebenfalls so intensiv wie sein Freund Vincent.

Wie kommt Justin denn nur auf sowas? "Verletzt?! Ich habe ihn nicht verletzt, und habe es auch in Zukunft nicht vor! Denkt ihr das etwa von mir?"

"Aber nein!", winkt Vincent ab. "Nur Justin ist noch sehr jung. Unerfahren. Verstehst du?"

"Warte mal Vince. Justin hatte angedeutet, dass er bis jetzt von jedem fallen gelassen wurde. Ich glaube nicht, dass Justin noch der brave, kleine Junge ist, den du immer vor dir siehst. Er muss schon einmal so sehr verletzt worden sein, dass er einfach kein Vertrauen mehr fassen kann, auch wenn er es gern möchte."

"Das hat er zu dir gesagt?" Vincent runzelt die Stirn.

"Ja."

Vince knirscht mir den Zähnen, während ich dem Ganzen kaum folgen kann. "Verstehe. Vielleicht kann ich auch etwas dazu beitragen, Justins Verhalten ein wenig zu erklären. Denn da war wirklich jemand, kurz bevor er nach Spanien gegangen war", erklärt er nachdenklich. Wer hat meinem Schatz nur so weh getan, dass er mir nicht vertrauen kann?!
 

"Ich weiß nicht mehr wie er hieß, doch das ist auch egal. Er war älter als Justin gewesen, und ich hatte von Anfang an meine Bedenken gegenüber dieser Beziehung. Was sich auch als berechtigt herausstellen sollte. Sie trennten sich nach kurzer Zeit, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass Justin die ganze Sache so sehr mitgenommen hatte." Mein Herz zieht sich zusammen. Mein kleiner Justin! Was hatte er nur durchmachen müssen?

"Vince? So schlau du bist, manchmal bist du ein richtiger Nullchecker!" Laurin hebt eine Augenbraue und spricht weiter mit Vincent, der nicht gerade glücklich über die Worte seines Liebsten aussieht. "Was glaubst du, weshalb Justin ins Ausland gegangen ist? Genau nach einer Trennung?"

"Ich habe ihn damals gefragt, ob mit ihm alles okay ist und er meinte ja. Was hätte ich den tun sollen?"

Laurin seufzt und ich kaue auf meiner Unterlippe herum. Diesen Kerl, der Justin das Herz gebrochen hatte, dem würde ich ganz gerne mal ... Aber halt! Wäre das nicht passiert, hätte ich meinen Hübschen wohl nie kennengelernt. Dennoch ... "Wie kann ich ihn davon überzeugen, dass ich ihn nicht verletzen werde wie alle anderen zuvor?", frage ich die beiden, die darauf anscheinend auch keine Antwort haben. Ich lasse den Kopf hängen.

"Nicht den Mut verlieren", sagt Laurin und drückt meine Hand.

Nein. Den Mut werde ich nicht verlieren. Und ich werde auch mit allen Mitteln um Justin kämpfen, doch wie lange wird das dauern? Wird er mir jemals vertrauen können, nachdem er so offensichtlich nicht mehr bereit dazu ist? Aber irgendwie muss das doch zu schaffen sein! Irgendwie muss ich sein Vertrauen in mich bestärken. Nur wie? Ich habe das dumpfe Gefühl, dass er das von selbst schaffen muss. Ansonsten könnte es immer wieder passieren, dass mein Liebster bei dem geringsten Anzeichen von Stress abhaut.
 

~Justin~

"Das ist nicht dein Ernst!"

"Oh doch mein Lieber!", bestätigt mir Magnus und macht unbeirrt weiter mit seinem 'Zauber'. Zum dritten Mal schiebt er mir nun schon den Stapel Karten vor die Nase.

Dieser Spinner hatte vor wenigen Minuten damit begonnen, Daniels Wohnung in eine Billig-Zaubershow zu verwandeln. Er hatte alle Rollos hinunter gelassen und löschte das elektrische Licht, nachdem er auf dem Wohnzimmertisch ein Geschwader Kerzen angezündet hatte. Dann war seine Hand in den komischen Mantel gewandert, den er noch immer an sich trägt, und zog einen dicken Stapel Karten daraus hervor. Aber nicht bloß gewöhnliche Spielkarten. Oh nein!

"Hast du immer sowas einstecken?", fragt Daniel den verrückten Zauberer und grinst vom einen bis zum anderen Ohr.

"Was? Karten? Ja. Ich habe da zum Beispiel noch ein Rommé Kartenspiel" Magnus greif in seine Innentaschen und zaubert benanntes Romméspiel daraus hervor "ein Skatblatt" noch ein Päckchen Karten landet auf dem Tisch "und wo habe ich den nur ... ah ja!" Er greif hinter Daniels Ohr wobei ich ihm mit großen Augen zuschaue. "Meine Würfel!", jubelt er und hält zwei rote Würfel in der Hand. "Wusste ich es doch, dass ich die vorhin irgendwo bei dir verloren hatte." Ah hahahaha! Lustig.

"Ich wusste gar nicht, dass in deiner Wohnung Zaubershows abgehalten werden", knurre ich Daniel an. "Du solltest Eintritt verlangen." Langsam geht mir der 'Zauber' auf die Nerven.

"Wusste ich auch nicht." Mein Kumpel grinst Magnus verliebt an und fischt das Würfelpaar aus den Händen seines Zauberers. "Aber es gefällt mir ..." Das ist ja kaum zum aushalten!

"Könnt ihr damit aufhören?!", Schnauze ich die zwei an. "Euer Geturtel nervt!"

Magnus setzt sich wieder aufrecht, grinst Daniel aber noch immer vielsagend an und packt seine Karten ein. Nur diese verfluchten Tarotkarten nicht, die er mir schon wieder zuschiebt, nachdem ich sie so unauffällig wie möglich von mir weggeschoben habe. "Nimm sie endlich und misch sie." Magnus sieht mich eindringlich an. "Bitte Justin. Lass es uns versuchen. Was soll schon groß passieren?"

"Pff!" Der hat echt nicht mehr alle Tauben im Schrank! Oder Hasen, oder was weiß ich noch für Tiere er hervorzaubern kann. Hatte er nicht mal eine Eule mit auf der Bühne?

"Mach doch mal Justin. Es lenkt dich wenigstens von Ramon ab. Magnus hat recht. Was soll schon passieren?" Jetzt fällt mir Daniel auch noch in den Rücken! Verräter! Aber ist ja klar, dass er zu seinem neuen Lover hält.

"Na von mir aus! Ich glaube ja sowieso nicht dran." Genervt schnappe ich mir die Karten und mische sie wütend-schnaubend durch.

"Konzentriere dich auf deine Fragen", mahnt mich Magnus.

Ich schließe die Augen. "Wieso lassen mich diese Irren hier nicht in ruhe pennen? Wieso lassen mich diese Irren ..."

"Justin! Jetzt mach doch mal ernst!" Ernst? Beim, jetzt mal ohne Scheiß Leute, beim Kartenlegen?!

"Seit wann bist du den so versessen auf's Kartenlegen?", schnauze ich Daniel an, während ich noch immer die Tarotkarten mische. "Sonst warst du doch immer der Skeptiker unter uns!"

"Ich bin immer noch skeptisch. Aber ich vertraue auf Magnus und seinen Fähigkeiten." Widerlicher Schleimer! Kann der Zauberer etwa auch im Bett gut zaubern? Wahrscheinlich. Sonst wäre mein lieber Daniel nicht so hingerissen von diesem ganzen Firlefanz hier!

Ein fieses Grinsen schleicht sich auf meine Lippen, als ich ihn darüber ausfrage. "Die als Zauberer oder die im Bett ..."

"Misch!", zischt er allerdings sauer, und lässt mich gar nicht aussprechen. Na schön! Mische ich eben diese dämlichen Karten!
 

Ich mische und mische und mische und mische und ... "Das reicht schon. Gib sie mir." Der Zauberer mit den wahrsagenden Kräften hält mir seine Handfläche hin, auf die ich die Karten lege.

"Woher kannst du das eigentlich?", frage ich ihn leise.

"Meine Mutter ist eine Zigeunerin." Ja, nee! Is klar! "Sie hat mir gezeigt, wie man mit den Karten in die Vergangenheit, die Gegenwart und in die Zukunft sieht."

"In die Gegenwart kann ich auch sehen", schnaube ich verächtlich.

"Ja? Und was siehst du?" Magnus Augen fixieren mich, wobei er in leichtes Lächeln auf den Lippen hat. Der Mann ist wirklich atemberaubend! Atemberaubend und total behämmert!

"Ich sehe einen Zauberer, der mich verarschen will." Hat er nun davon!

"Und ich sehe einen zerbrochenen jungen Mann, der sich seiner großen Liebe gegenüber versperrt", trumpft er auf und ich balle die Fäuste. "Du weißt, das ich recht habe. ... Und jetzt" er strafft sich, ignoriert somit meinen Todesblick, und legt den Stapel Karten vor sich auf den Tisch. "Jetzt wollen wir doch mal sehen, was die Karten zu deinem Problemchen sagen." Ich schüttle bloß mit dem Kopf. Wieso habe ich mich hierauf nur eingelassen?!
 

~Ramon~

Mit angezogenen Knien sitze ich auf der ausziehbaren Schlafcouch von Vincent und Laurin. Die beiden haben mir angeboten hier zu schlafen, was ich dankbar angenommen habe. Jetzt noch auf Hotelsuche zu gehen, wäre mir echt zu viel. Und auf eine Nacht im Auto habe ich auch keine große Lust gehabt. Und wer weiß? Vielleicht kommt Justin ja wieder zurück?

Auf den Knien habe ich das Kissen von Justin liegen, drücke meine Nase dort hinein und inhaliere seinen Duft. Ich vermisse ihn so! Eigentlich hatte ich vor meiner Abreise aus Spanien gedacht, dass die Sehnsucht nachlässt, wenn ich wenigstens in seiner Nähe bin, doch weit gefehlt. Ihn so nahe zu wissen, ihn aber nicht sehen zu können, macht es nur noch schlimmer. "Wo bist du nur, mi corazón?"

"Ramon?" Ich schrecke auf. Laurin steht im Türrahmen und sieht mich besorgt an. "Kannst du auch nicht schlafen?" Ich schüttle den Kopf. "Möchtest du auch einen Kamillentee?"

"Gerne. Danke." Laurin verschwindet wieder, kommt aber nach wenigen Minuten wieder.

Bewaffnet mir zwei Tassen Tee setzt er sich zu mir auf die Schlafcouch und reicht mir eine der Tassen. "Dir macht das doch nichts aus? Hier zu schlafen, meine ich."

"Nein. Es fühlt sich fast so an, als wäre ich so in seiner Nähe. Doof, ich weiß."

"Das ist nicht doof", sagt er leise und trinkt einen Schluck. "Willst du reden?" Ich überlege einen Moment und nicke dann. "Darf ich fragen, woher du so gut deutsch kannst?"

"Meine Mutter kommt aus Deutschland. Ich habe sogar die ersten acht Jahre meines Lebens hier verbracht. In Hamburg."

"Ach! Und dann treibt dich die Liebe wieder in unser Land. Was für ein Zufall."

"Ja ..." Zufall oder nicht, ich wünsche mir nur, dass mir dieser Zufall noch einmal zugute kommt.

"Justin kriegt sich schon noch ein", flüstert Laurin. "Was auch immer damals passiert ist, ihm muss früher oder später klar werden, dass er davon nicht sein ganzes Leben versauen lassen kann."

Ich zucke mit den Schultern. "Weißt du, ich habe sehr, sehr oft nachgedacht. Habe jeden Augenblick, den wir in Spanien miteinander verbracht haben in Gedanken wiederholt, aber da war nichts, was auch nur darauf hingedeutet hat, weshalb Justin mir plötzlich nicht mehr vertrauen kann."

Laurin schweigt einen Moment, schlürft an seinem Tee und stellt die Tasse neben sich auf den Boden. "Justin hatte mir doch anvertraut, dass es ihm einen riesigen Schrecken eingejagt hatte, dass du plötzlich mit ihm zusammenziehen wolltest."

"Ja aber wieso?!", frage ich Justins Bekannten. "Sowas ist doch was schönes, oder nicht?"

"Ja! Klar ist das was schönes! Aber Justin meinte, er könne doch nicht in einem fremden Land einfach mit einem Mann zusammenziehen." Ich schüttle den Kopf und schaue Laurin traurig an. "Das war aber noch nicht alles was er gesagt hatte. Eben im Bett ist es mir wieder eingefallen. Willst du wissen, was das war?"

"Ja." Das will ich unbedingt.

"Justin hatte in Spanien die kalte Panik gepackt, dass er, wenn er zu dir gezogen wäre, mit dir zusammen gearbeitet hätte, sprich sein ganzes Leben nur auf dich ausgerichtet hätte, dass du ihn dann irgendwann doch nur wieder abgesägt hättest. Dann säße er da, in einem fremden Land und hätte gar nichts mehr."

"Aber das ist doch Schwachsinn!", japse ich. "Ich hätte ihm das doch nie vorgeschlagen, wenn ich mir nicht total sicher gewesen wäre mit uns! Mein Gott! Ich habe stundenlang mit meinen Eltern geredet wegen ihm! Ich war mir von Anfang an so sicher, dass das mit uns klappt. Sicher genug, dass ich mit ihm zusammen das Restaurant schmeißen wollte! Es noch immer will, wenn er es denn jemals möchte."

Laurin seufzt und lächelt mich an, wird dann aber wieder ernst. "Trotzdem hat er Angst davor. Davor und ... Er meinte, er würde es nicht verkraften, wenn du ihn jemals verlassen würdest, deshalb hat er dich zuerst verlassen."

Fassungslos starre ich Laurin neben mir an. "Das ist die dümmste Ausrede, die ich jemals gehört habe", flüstere ich. "Justin hat Angst, dass ich ihn verlasse, deshalb verlässt er mich einfach?!" Wieder schüttle ich den Kopf. Diesmal energischer.

"Das hört sich total dämlich an, ja. Aber er denkt bestimmt, besser er verlässt dich, als du ihn. Und besser jetzt, als später, wenn es zu sehr wehtut."

"Nein!" Immer noch schüttle ich meinen Kopf hin und her. "Nein! Das lasse ich nicht zu! Laurin! Du musst mir helfen! Irgendwie muss ich doch zu ihm durchdringen! Und wenn ich hier bleibe und mir eine Wohnung und einen Job suchen muss! Ich gehe hier nicht weg, ehe Justin nicht endlich einsieht, dass er zu mir gehört und ich zu ihm!"

Laurins Mund geht auf, dann wieder zu. Erst wirkt es so, als wüsste er nicht was er sagen solle, doch dann: "Das ist vielleicht gar keine so schlechte Idee", murmelt er.

"Welche Idee? Das ich in Deutschland bleibe?"

"Ja. Das auch." Ich runzle die Stirn. "Aber ich habe da noch was ganz anderes im Sinn." Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen, was mich nur noch ratloser werden lässt. Doch wenn er einen Plan hat, wie ich Justin dazu bekomme, endlich zu unserer Liebe zu stehen, ist mir jedes Mittel recht!
 

~Justin~

"Hebe die Karten nun mit deiner linken Hand ab und lege drei möglichst gleichgroße Stapel nebeneinander. Immer auf die rechte Seite des anfänglichen Stapels", wispert Magnus leise. Sehr beeindruckend macht er das. Richtig mystisch, falls man auf so einen Quark steht. "Gut." Magnus nickt, nimmt vom ersten Stapel drei Karten und legt sie aufgedeckt darüber. Das macht er ebenfalls mit den anderen beiden Kartenstapeln und schaut sie sich an.

"Und? Was siehst du in meiner Vergangenheit?", frotzle ich.

"Nichts Gutes." Pfff! Erzähl mir war Neues, Wahrsager! "Dir wurde sehr weh getan, wie ich schon gedacht habe. Du hast den Mann, den du vor Ramon getroffen hast geliebt, aber nicht so sehr, wie du Ramon jetzt liebst. Und da dich schon diese Liebe fast zerbrochen hätte als sie gescheitert war, hast du jetzt noch viel größere Angst, dass du an Ramon völlig zugrunde gehen könntest." Ich schlucke hart, lasse es mir aber nicht anmerken. Das herauszufinden ist kein Kunststück! Ist das nicht meist so bei kaputtgegangenen Beziehungen? "Also. Die Karten hier bedeuten, dass deine vorige Beziehung an mangelnder Unterstützung zerbrochen ist. Ob von deiner Seite oder die deines Partners sei mal dahingestellt."

Ich lache humorlos auf. "Mangelnde Unterstützung? Nennt man das jetzt so, wenn man betrogen und verarscht wird? Wenn man zu Sachen versucht wird zu überreden, die man nicht tun möchte?!" Magnus und Daniel schauen mich entsetzt an. "Guckt nicht so! Und nein! Ich werde nicht darüber reden. ... Und? Was ist noch in meiner Vergangenheit so Schreckliches geschehen?" Hätte ich bloß nichts gesagt! Aber nun ist es raus, doch ich werde sicher nichts mehr dazu sagen. Das mit meinem Ex geht niemanden was an.

"Ähm ja. Also ... die nächste Karte deutet an, dass alles von Anfang an auf einem schwachen Fundament gestanden hatte und falschen Versprechungen ausgesprochen worden sind."

"Treffer versenkt", knurre ich.

Magnus macht unbeirrt weiter mit seinen Deutungen. "Die letzte der Karten, die deine Vergangenheit anzeigen, ist eine Gute."

"Ach?" Ich wüsste nicht, was gut war an meiner Vergangenheit. Na ja. Bis auf Spanien ...

"Ja. Das ist Die Lust." Hm ... Toll! Wirklich! Die Lust gab es also nur in meiner Vergangenheit. Klasse! "Du hast ein Angebot bekommen, das deine Zukunft hätte verändern können. Das hättest du nicht abschlagen sollen, hast du aber. Oder?" In meinem Bauch wächst ein brennend heißer Klos. Ich sage nichts weiter dazu. "Aber das Gute daran ist, es lässt sich alles wieder hinbiegen. Wo wir bei deiner Gegenwart wären." Magnus zeigt auf die oberste Karte. "Der Hohepriester. Die Karte ist umgedreht, was bedeutet, dass dein Herz regieren will. Du suchst nach neuen Wegen und du sollst nicht die Tatsachen verdrehen. Zum zweiten haben wir die Liebenden." Daniel neben mir schmunzelt und stupst mich mir dem Ellenbogen an. Witzbold! "Du brauchst eine enge Bindung. Das ist es, was du suchst und nach dem du dich sehnst."

"Wer tut das nicht?", frage ich und versuche damit von dem Offensichtlichen abzulenken.

"Wohl wahr, aber die dritte Karte hat es in sich, mein Lieber." Er schiebt die anderen weg und zum Vorschein kommt ...

"Der Tod?!" Es wird ja immer besser! "Jetzt sterbe ich auch noch?!"

"Nein!", kichert Magnus. Noch so ein Witzbold. "Der Tod ist gut. Kartenmäßig gesehen. Das hier besagt bloß, dass es endlich an der Zeit ist Altes abzuwerfen und etwas Neues zu beginnen. Etwas, was dir schon ganz nahe ist." Natürlich weiß ich, auf was, oder sollte ich sagen, auf wen Magnus damit anspielt. "Willst du die Zukunft wissen? Was passiert, wenn du dich darauf einlässt?"

Ich nicke schwach. "Erleuchte mich." Ich versuche es herunter zu spielen, aber ich muss zugeben, dass ich doch ein kleines bisschen neugierig bin. Aber wirklich nur ein kleines bisschen.

"Bin schon dabei!" Mir wird die oberste Karte gezeigt. "In deiner Zukunft liegt der Narr."

"Super! Werde ich auch in Zukunft nur verarscht?!"

"Nein. Er bedeutet, dass bald ein neuer Lebensabschnitt für dich beginnt. Allerdings nur, wenn du auf die Stimme deines Herzens hörst. Das sagt auch die zweite Karte. Der Wagen. Ein aufregender Neubeginn steht dir bevor."

"Hm ... Das sagt immer noch nichts über Ramon und mich aus", murmle ich und beiße mir anschließend auf die Zunge. Ich Plappermaul!

"Oh doch, mein lieber Justin." Grinsend hält mir Magnus die letzte Karte vor die Nase. "Die Kaiserin. Das bedeutet in deinem speziellen Fall nur eins: Erfolg in der Partnerschaft." Ich will es nicht, aber mein Herz schlägt schneller. Das soll diese Karte bedeuten?

"Das denkst du dir doch bloß alles aus!", grante ich den Zauberer mürrisch an.

"Nein. Lies es nach. Die Karten können natürlich noch viel mehr bedeuten, aber man muss es immer im Bezug zu dem Fragesteller sehen. Du hast die Karten gemischt und sie haben doch alle zugetroffen, oder nicht?"

"Das ist kein Kunststück! Die kann man sicher so auslegen, dass sie immer zutreffen." Betrügerisches Pack, diese Zauberer!

"Justin? Du erinnerst dich daran, dass wir uns vorher so gut wie gar nicht gekannt haben? Woher sollte ich all das über dich wissen?" Sauer schiele ich zu Daniel. "Daniel hat mir nichts von dir erzählt. Also gib ihm nicht die Schuld, dass ich mit meiner Weissagung Recht behalte. Und glaube mir, wenn ich dir sage: Die Karten lügen nicht. Das haben sie noch nie."

Fuck! Das gibt's doch nicht! Was läuft hier eigentlich? Ich wollte doch nur eine Nacht bei Daniel verbringen, damit ich Ramon nicht sehen muss, und dann ziehen die zwei mit mir so eine Wahrsager-Show ab! Das kann doch alles gar nicht stimmen! Niemals!
 

******
 

Übersetzungen: (alle Angaben ohne Gewähr) *peng!*

Te quiero, mi querido - Ich habe dich lieb, mein Schatz

Te quiero mucho - ich habe dich so lieb

Mi corazón - Mein Herz

Mi vida - Mein Leben

Mi querido - mein Schatz

Frescales - Frechdachs

Mi amor - meine Liebe
 

Falls es jemanden interessiert, meine 'allumfassenden' Tatrotwissenskenntnisse habe ich aus dem Buch: Tarot von Kathleen McCormack

Das habe ich mal vor Jahren geschenkt bekommen und siehe da: Es hat sich mal nützlich gemacht. ^^

Kapitel 2 - Zurück auf Anfang

Kapitel 2 - Zurück auf Anfang
 

~Justin~

Alleine liege ich im Dunkeln. Magnus ist vorhin nach Hause gefahren, was Daniel sichtlich missgestimmt hat. Sicher lag es an mir. 'Toll! Jetzt sabotiere ich auch noch die Beziehungen der anderen!', beglückwünsche ich mich selbst. Ich entschuldigte mich vorhin bei Daniel dafür, doch er meinte, dass es nicht schlimm sei, da Magnus wahrscheinlich auch ohne mein Auftauchen gegangen wäre. Was genau das zu bedeuten hatte, wollte ich nicht nachfragen. Das müssen die beiden selbst ausmachen, und es sah vorhin wirklich nicht so aus, als hätten sie Probleme. 'Wenigstens sie sind glücklich ...', denke ich, was mich wieder zu diesen bescheuerten Tarotkarten zurückbringt.

Ich glaube nicht an so einen Mist, obwohl es mich schon die ganze Nacht beschäftigt. Die Karten haben tatsächlich ins Schwarze getroffen. Das, was Magnus gesagt hatte, hat ganz schön viel in mir aufgewühlt. Erinnerungen, schöne und schlechte. Aber am meisten kam von meiner Zeit in Spanien wieder hoch. Wie ich Ramon kennengelernt hatte. Wie wir zusammen drei unglaublich schöne Wochen verbracht hatten.
 

Alles hatte begonnen, nachdem ich mich von Olaf getrennt hatte. Dieses Schwein hatte mir das Herz gebrochen. Mich verletzt und hinterrücks hintergangen. Ich war traurig und auch sauer, gab mich selbst fast auf und hatte zu nichts mehr Lust. Nach Tagen der Trauer dachte ich, dass ich unmöglich so weitermachen könnte! Was anderes musste her. Etwas vollkommen anderes.

Um dem allen aus dem Weg zu gehen und um einen freien Kopf zu bekommen, buchte ich kurz entschlossen einen Flug nach Italien. So tingelte ich, nur mit den Dingen, die ich in meinem kleinen Koffer hatte, durch die Lande. Als mir das Geld langsam auszugehen drohte, hielt ich mich mit kleinen Jobs über Wasser und kam schließlich in Spanien an. Von dort aus schipperte ich nach Mallorca. Dort wurden immer Aushilfen gesucht während der Saison, sagte man mir, also packte ich mein weniges Hab und Gut, und kam auf der Partyinsel an. Ich fand tatsächlich schnell einen Job. Flyer am Strand verteilen für eine Disse. Es war besser als nichts, und ich bekam den einen und anderen Euro zusammen. So traf ich auch Ramon.

Als ich auf dem Gehweg vor dem Strand jedem einen dieser dummen Flyer in die Hand drückte, war er einer der Wenigen, die vor mir stehen blieben und sich das kleine Stückchen Papier genauer ansahen. Und während er das tat, sah ich ihn mir genauer an. Er trug nur eine leichte, helle Stoffhose, die sich mehr als gut von seinem mocca-braunen Teint abhob. Sein Oberkörper war ebenfalls einfach nur lecker! Immer wieder blieb mein Blick an der Stelle unter seinem Bauchnabel hängen. Von dort aus schlängelten sich feine Härchen nach unten und verschwanden unter dem Hosenbund. Seine Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen, doch sein Gesicht war fein geschnitten. Sein Kinn zierte ein kleiner Spitzbart und über seinem rechten Auge prangte ein Piercing. Er hatte sofort meine volle Aufmerksamkeit und das, obwohl ich so gar nicht auf Gesichtsbehaarung stehe!

Nachdem er den Flyer ausgiebig studiert zu haben schien, sah er mich endlich an. Er lächelte und nahm die Brille ab. Schokoladenbraune Augen ließen mich stocken. "Wirst du auch dort sein?", fragte er mich in perfektem Deutsch. Das verwirrte mich. Denn eigentlich hatte ich ihn nicht für einen Deutschen gehalten, sondern für einen Einheimischen. Und die meisten Mallorquiner hier, die Deutsch sprachen, konnten es nicht so akzentfrei wie er. "Und?"

"Was?" Er lachte leise und legte den Kopf schief. Eine Geste, die er oft machte, wie ich bald feststellen sollte.

Ich umklammerte meine Flyer fester. "Ob du auch auf dieser Party sein wirst?", fragte er ein weiteres Mal und wedelte mit dem Flyer vor meiner Nase herum.

"Ähm ... nein." Sofort bereute ich meine dumme, unüberlegte Antwort!

Der Süße zuckte mit den Schultern. "Schade." Dann drehte er sich um und ließ mich stehen. Ich schloss die Augen und trat mir innerlich in den Arsch. Dieser süße Kerl hatte mich ganz offensichtlich angemacht und was hatte ich getan? Genau! Nichts! Sicher hielt er mich nun für eine Hete.
 

Der Tag war gelaufen und als ich spät nachmittags an meinem Hotel ankam, wurde er noch beschissener. Man teilte mir mit, dass ich mein Zimmer räumen müsse, da es ab morgen für jemand anderen reserviert war. Auf meine Frage hin, ob sie denn ein anderes Zimmer für mich hätten, verneinte man und entschuldigte sich scheinheilig. Jetzt saß ich auch noch auf der Straße!

Ich packte meinen Kram und rollte aus dem Hotel. Da ich nicht wusste wohin (ich hatte vorher alle möglichen Hotels und Pensionen in der Nähe angerufen, aber alle waren ausgebucht), stand ich mit meinem Talent auf dem Gehweg und spielte 'Eine kleine Micky Maus' in welche Richtung ich mich aufmachen sollte. Die Micky Maus entschied sich für links. So tappte ich den Fußweg entlang, fluchte über meinen dämlichen Koffer, dessen Rollen nicht so rollen wollten wie ich es gern hätte und wich dem partywilligen Besucheransturm aus, der mich dumm angrölte und mich zu verspotten schienen. Ich kam mir so dämlich vor! Aber es sollte sich noch steigern.
 

Ich war noch nicht weit gekommen, da blieb mein Koffer an einem großen Betonblumenkasten hängen. Ich geriet daraufhin ins Stolpern, ließ meinen Koffer los und der überschlug sich prompt. Natürlich war er dabei aufgesprungen und all meine Kleidung verteilte sich auf dem Gehweg. Ich wurde sauer. Sauer und wütend und machte mich fluchend daran, alles wahllos in meinen Koffer zurückzustopfen.

"Scheiße!", grummelte ich. "Das kann mal wieder nur mir passieren!"

"Sieht aus, als bräuchtest du Hilfe." Mit meiner Unterwäsche in der Hand und am Boden kniend, schaute ich nach oben. "Hey. So sieht man sich wieder." Ausgerechnet der süße Kerl vom Strand stand genau vor mir! Und noch ehe ich es richtig auf die Kette bekam, kniete er sich neben mich und half mir, meinen Kram einzusammeln. "Du verlässt unsre Insel also schon?", fragte er und stützte einen Arm auf seinem Knie ab.

"Nein ... Ich bin eben aus meinem Hotel geflogen."

"Oh." Er hielt damit inne, meine Socken vom Pflaster zu pflücken. "Hast du was angestellt?"

"Das Zimmer, in dem ich war, ist ab morgen von anderen Gästen gebucht worden."

"Einfach so?"

"Nee. Mein Aufenthalt hier war kurzentschlossen, und ich hab das erstbeste Zimmer genommen, ohne nachzufragen, wie lange ich bleiben kann. Sonst hätte ich mir schon vorher was Neues gesucht." Ja, ich war ein Idiot gewesen.

"Dann sitzt du jetzt auf der Straße?" Mitleidig sahen mich seine braunen Augen an.

"Ja", schmunzelte ich und breitete die Arme aus, nachdem meine Unterwäsche wieder im Koffer gelandet war. "Ich sitze auf der Straße."

Der Süße begriff die Situation und lachte laut. "Sag doch einfach, dass du gerade auspackst! Und ich Dussel räume einfach alles wieder in deinen Koffer." Lachend schüttelte ich den Kopf, ließ ihn dann aber hängen. Was für eine verrückte Situation. "Ich bin Ramon." Er streckte mir seine Hand unter die Nase.

Ich ließ mein Shirt fallen, das ich eben erst vom Bordstein gepflückt hatte, und ergriff sie. "Justin." Sein Händedruck war warm und fest. Ich wollte ihn gar nicht mehr loslassen, doch das hätte bestimmt dämlich angemutet.

"Gut Justin. Dann packen wir mal dein Zeug ein, und dann bringe ich dich in eine der schönsten Ferienunterkünfte auf ganz Mallorca." Ramon grinste mich breit an und sammelte den Rest meiner Kleidung ein. Ich dagegen glotzte ihn sprachlos an, bis mein Koffer wieder geschlossen war, er aufstand und mir seine Hand reichte, damit ich mich an ihr hochziehen konnte. "Dann mal nichts wie los", gluckste er, als ich dicht vor ihm stand und noch immer ganz sprachlos seine Hand hielt.
 

Wir fuhren ein gutes Stück mit seinem Auto Richtung Südosten, ließen El Arenal hinter uns und fuhren eine kaum befahrenen Straße entlang. Irgendwann kamen wir an einem kleinen, typisch mallorquinischen Haus an. Der Wagen hielt und ich staunte nicht schlecht. "Das hier ist eine Pension?" Sah ganz schön klein aus für eine Touristenherberge, aber auch einladend. Nicht so wie die Touristenhochburgen am Ballermann.

"Auch. Hauptsächlich ist es ein Restaurant, aber wir haben auch drei Zimmer, die wir ab und an vermieten."

"Ihr? Das gehört dir?" Erstaunt ließ ich meinen Blick über die Fassade wandern.

"Ja. In der dritten Generation schon." Ramon stieg aus und schnappte sich meinen Koffer. "Kommen Sie mein Herr? Ich werde Ihnen unverzüglich Ihre neue Residenz zeigen." Er deutete eine Verbeugung an, was mich kichern ließ. So ein Komiker!

Drinnen betraten wir zuerst das Restaurant, hinter dessen Theke eine ältere Frau stand. Sie lächelte uns freundlich an und begrüßte mich. "Das ist Justin, Mama. Er braucht eine Unterkunft für die nächsten Tage."

"Hola Justin. Ich bin Larissa." Daher konnte Ramon also so gut Deutsch! Larissa, seine Mutter, kam ganz eindeutig aus Deutschland. "Willkommen bei uns."

"Danke."

"So. Komm mit. Dann zeige ich dir erstmal alles, bevor ich dir meinen Vater vorstelle." Ich nickte bloß und dackelte Ramon hinterher, der noch immer meinen Koffer mit sich zog.

Wir mussten uns ducken, als wir unter einem niedrigen Durchgang hindurchschlüpften und einige Treppen nach unten liefen. Es ging durch einen Keller und nach einigen Metern wieder nach oben. "Das hier sind die Gästezimmer. Da im Moment keins belegt ist, bekommst du das schönste von allen!" Ramon schloss eine Tür auf und ließ mich zuerst eintreten.

"Wow!", war alles, was ich herausbrachte. Das und: "Das kann ich mir nicht leisten!" Das Zimmer war ja fast schon eine ganze Wohnung! Und das Beste: Betrat man das Schlafzimmer führte eine Terrassentür praktisch direkt an den Stand. Vom Bett aus konnte man das Meer beobachten!

"Quatsch! Unsere Preise sind ziemlich human, da wir unser Hauptgeschäft mit dem Restaurant machen. Die drei Gästezimmer hatten sich einfach angeboten, als dieser Teil des Hauses nicht mehr bewohnt wurde." Einfach angeboten! Wenn die schon so toll sind, wie muss dann das Wohnhaus aussehen! "Komm mi guapo! Ich zaubere dir jetzt mal was richtig Köstliches zu Essen. Danach wirst du nie wieder was anderes wollen." Ramon stellte meinen Koffer neben das Bett und ergriff meine Hand. Verdutzt folgte ich ihm. Hatte ich eben richtig gehört? 'Mi guapo?' Hieß das nicht mein Hübscher oder mein Süßer?

Groß Zeit zum Nachdenken hatte ich nicht mehr, denn was soll ich sagen? Das Essen war wirklich lecker. Fangfrisch, wie Ramons Vater mir bestätigte. Pablo war ein netter, älterer Mann, der ständig lachte. Ich mochte ihn auf Anhieb, genau wie Ramons Mutter Larissa.
 

So vergingen die ersten Tage bei Ramon und seiner Familie. Deutschland kam mir mit einem Mal jeden Tag weiter entfernt vor, ebenso die Geschehnisse, die mich aus meinem Zuhause vertrieben hatten. Ich fühlte mich gut und richtig wohl bei meiner 'Gastfamilie'.

Die Tage dort liefen meist immer auf die gleiche Weise ab. Vormittags fuhr ich mit dem Bus an den Ballermann, verteilte die Flyer, kassierte mein Geld und fuhr am späten Nachmittag wieder zurück. Dort verbrachte ich viel Zeit mit Ramon, half ihm manchmal dabei Essen auszufahren, oder wir saßen faul am Strand und quatschten einfach nur. Viele Touristen kamen nicht bis hierher, und wir hatten die meiste Zeit über den kleinen Strandabschnitt hinter Ramons Zuhause ganz für uns allein. Genau wie an Tag fünf meines Aufenthalts bei ihm.

Es herrschte schon morgens eine Bullenhitze auf der kleinen Insel, weshalb ich mich gleich ins Meer stürzte, nachdem ich mich nach der Arbeit in meinem Zimmer sofort aus meienr durchgeschwitzten Kleidung geschält hatte. "Justin!" Ich stand nicht weit vom Ufer entfernt im hüfthohen Wasser, als mich Ramon rief und mir entgegenlief.

Er winkte mir zu und ich begann zu lächeln. Schon längst wusste ich, dass da mehr zwischen uns war als bloße Freundschaft. Wenn wir uns sahen, knisterte es ziemlich oft. Was sage ich? Eigentlich knisterte es schon von Anfang an zwischen uns. "Komm rein!", rief ich ihm zu uns winkte zurück.

"Willst du nichts essen?!"

"Und willst du mich etwa mästen?!" Ich hatte in den fünf Tagen schon zwei Kilo zugenommen. Aber Ramon kochte auch so verdammt lecker!

Ramon legte den Kopf schief, seine ganz eigene Geste, die er zu gern machte. "Eigentlich nicht!"

"Dann komm du doch zu mir!" Mit den Händen schnickte ich kleine Wasserfontänen in die warme Sommerluft. "Oder musst du arbeiten?" Ich wusste, dass er das nicht musste. Nachmittags war das Restaurant geschlossen, und erst gegen Abend wurde es wieder geöffnet.

"Nein!"

"Dann komm doch endlich! Alleine Baden ist langweilig!"

"Ich muss aber erst meine Badehose holen!"

Ich biss mir auf die Unterlippe. Sollte ich es wagen? Mein Verstand war noch dabei, diese Frage auszuwerten, doch meine Finger schoben sich schon ganz von selbst unter meine Badehose. Ich stieg aus ihr heraus und hielt sie hoch in die Luft. "Ich habe auch keine!", schrie ich ihm lachend zu. Wieder legte er seinen Kopf schief und dann ... flog seine Kleidung! Mein Herzschlag geriet total aus dem Takt, als ich das sah. Verlegen blinzelte ich immer wieder zu ihm rüber, bis er komplett nackt war, sich in die Wellen stürzte und abtauchte.

Mit angehaltenem Atem hielt ich nach ihm Ausschau, konnte ihn aber nirgends ausfindig machen. "Ramon?!" Unter mir sprudelte es, und bevor ich kapierte, dass das nur mein heißblütiger Spanier sein konnte, tauchte er schon dicht vor mir auf.

"Du bist ja wirklich nackt", sagte er japsend, was mich ganz aus dem Konzept brachte.

"Bin ich …", flüsterte ich daher bloß.

Ramon strahlte mich an. Er war so schön! Wie ihm die Wassertropfen von den Haaren hinabrannen, und sich dann über sein Gesicht schlängelten. Wie seine braunen Augen sich mit meinen verflochten ...

"Mi corazón ...", flüsterte er, fischte unter Wasser nach meinen Händen und zog mich an sich. Mich überzog eine Gänsehaut, obwohl es brütend warm war.

Langsam kamen wir uns näher, ich konnte schon seinen Atem auf meiner feuchten Haut spüren, als … "Ramon?!" Wie vom Blitz getroffen fuhren wir auseinander. Ramons Mutter kam aus dem Haus. "Ramon?! Wo bleibt ihr denn?! Das Essen ist fertig!"

"Wir kommen!", antwortete er ihr und lachte leise. "Ihr Deutschen und eure Pünktlichkeit. Punkt eins steht das Essen auf dem Tisch, und wehe man verpasst es." Ich lächelte verlegen zurück und kratzte mich am Hinterkopf. Eine verpasste Chance mehr. Wehmütig watete ich hinter Ramon durchs Wasser. Hätte Larissa nicht mal das Mittagessen ausfallen lassen können?!"
 

Spät abends dann, lag ich nachdenklich auf meinem Bett. Die Terrassentür war offen und ich hörte dem Rauschen der Wellen zu. Es hatte sich angenehm abgekühlt und im Restaurant gingen gerade die Lichter aus, wie ich von hier erkennen konnte. Ob Ramon noch mal zu mir kommen würde? Er besaß selbst eine kleine Wohnung hier direkt nebenan. Ich hätte nur nach draußen gemusst, einige Meter über den Strand gehen müssen, dann hätte ich auf seiner Terrasse gestanden. Doch ich blieb liegen.

Die Minuten vergingen. Leise Geräusche drangen noch von der Küche zu mir her. Ramon und sein Vater machten anscheinend noch sauber. Ich hatte das Licht schon lange gelöscht, damit ich mir keine Mücken ins Schlafzimmer lockte. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt lag ich also still da, lauschte, dachte nach, als es draußen leise klackte. Ich blieb liegen und drehte meinen Kopf zur Terrasse. Ein Schatten bewegte sich dort. Ich verengte meine Augenlider und versuchte mehr zu erkennen. Da stand jemand! "Ramon?" Es konnte nur er sein.

"Hola Justin." Mein Herz brach alle Geschwindigkeitsrekorde. "Willst du mit mir an den Strand gehen? Es ist so eine schöne laue Nacht."

"Gern." Aufgeregt schwang ich mich aus meinem Bett und folgte Ramon hinaus in die Dunkelheit. Weiter vorn, wo die Wellen nicht hinkamen, hatte er ein großes Badehandtuch ausgebreitet, auf dem wir uns niederließen.

"Möchtest du was? Das war noch übrig." Eine Schüssel voll kleingeschnittener Früchte wurde mir hingehalten.

"Oh ja!" Ich wollte mir mit den Fingern ein Stück Ananas stibitzen, doch Ramon zog die Schüssel aus meiner Reichweite. "Hey! Ich dachte, ich bekomme was ab!"

"Bekommst du auch. Aber ..." Er fischte sich ein Fruchtstückchen aus der Schüssel und hielt es mir hin. " ... ich werde dich füttern und du musst erraten, was du da gerade im Mund hast."

Mit gehobener Augenbraue grinste ich Ramon an. "Du willst mich füttern?"

"Sí, mi guapo." Ein kleines Fruchtstückchen strich zart über meine Lippen. Ganz automatisch öffnete ich sie und begann an der süßen Frucht zu saugen. Eindeutig Honigmelone. "Precioso ..." Ramon und ich sahen uns tief in die Augen. Durch die Dunkelheit konnte ich zwar nicht viel erkennen, sah aber, wie das wenige Licht sich in ihnen spiegelte. 'Ja', dachte ich. 'Wirklich wunderschön.'

Die Melone wanderte in meinen Mund, und noch ehe ich sie runtergeschluckt hatte, tauchte ein weiteres Fruchtstückchen vor mir auf. Diesmal wartete ich erst gar nicht darauf, dass er es mir in den Mund schob, sondern schnappte danach, erwischte Ramons Zeigefinger, den ich mit einsog und mit meiner Zunge ertastete. Mein süßer Spanier kicherte dunkel und bekam so gar nicht mit, dass auch ich schnell in die Schüssel langte. "Noch mehr?", fragte er, als auch das zweite Stückchen gegessen war.

"Zuerst bist du dran", flüsterte ich ihm zu und hielt ihm mein ergattertes Fruchstückchen unter die Nase. Er machte es mir nach, lutschte meine Finger nass und die ganze Zeit über ließen wir uns kein einziges Mal aus den Augen.
 

Die Schüssel leerte sich langsam, doch eigentlich waren die kleinen Fruchtstücke nur noch Nebenakteure. Viel eher waren es unsere Finger, die unsere volle Aufmerksamkeit hatten. Als Ramon mir dann schlussendlich seine Finger entzog und die Schüssel neben uns im Sand abstellte, war mein Mund schon total verklebt vom süßen Fruchtsaft. "Justin?" Ramon rutschte dichter an mich heran. Ich hielt die Luft an. "Ich mag dich. Ich mag dich sogar sehr gern." Eine leichte Brise zerzauste Ramons braune Haare. Er strich sie sich mit den Fingern nach hinten und blinzelte mich an. "Ich bin so froh, dass du hier bist, mi corazón."

In mir fuhr alles Achterbahn. Ich fühlte mich so leicht, so schwerelos, dass ich fast schon Angst hatte, dass mich das kleine laue Lüftchen davontragen könnte. Deshalb beugte ich mich zu Ramon hinüber, überbrückte die paar Zentimeter zwischen uns, die wir noch voneinander getrennt waren, und fing seine Lippen ein. Ich musste grinsen, weil sein Mund genauso klebrig war wie meiner. Er schmeckte nach süßen Früchten, was ja auch nicht verwunderlich war, aber auch nach Sonne, salzigem Meer und einem Hauch Chili.

Ramon schob einen Arm um meinen Oberkörper, während die freie Hand sich auf meine Wange legte. Sanft drückte er mich nieder auf das Handtuch und legte sich auf mich. "Oh, mi querido! Ich kann nicht mehr warten!"

Ich schmunzelte leise und raubte ihm weitere kleine Küsse. "Ich auch nicht ...", schnurrte ich zwischen den Küssen. "Du macht mich wahnsinnig, mein süßer Spanier."

Ramon biss mir sanft ins Ohr. "Mi guapo loco ..." Ich schüttelte lachend den Kopf. Wenn hier jemand verrückt war, dann doch wohl er, mit seinen Spitznamen, die er mir plötzlich verpasste.

Als dann auf einmal Ramons Hände an meinen Seiten entlangstrichen, sich unter meine Shorts stahlen und sie mir sanft hinabschoben, erschauderte ich heftig und dachte nicht weiter über die mir verpassten Spitznamen nach. Es gab Wichtigeres, an das ich denken musste. Denn sein Mund hatte damit begonnen, sich an meinem Hals festzusaugen. Am nächsten Tag hatte ich riesige Knutschflecken dank ihm!

Ich gab mich ihm ganz und gar hin, ließ ihn meinen Körper erkunden, was er auch mehr als ausgiebig tat. Sein Mund brachte mich komplett um den Verstand, reizte mich bis aufs Äußerste, bis ich fast über die Klippe hinausgeschossen wäre. Aber er hörte im richtigen Moment auf, beugte sich über mich und küsste mich gierig.

"Gleich, mi corazón." Mein Verstand löste sich auf. Besonders, als er sich über mich kniete, sich sein Shirt über den Kopf zog, aufstand und auch noch aus seinen Shorts schlüpfte. Ich winkelte meine Beine an, damit er dazwischen Platz nehmen konnte. Mit beiden Händen streichelte ich auf seiner Haut umher, nahm erneut seinen Mund in Beschlag und umfasst seine Körpermitte. Ramons Keuchen und Stöhnen, seine geflüsterten Worte auf Spanisch, dazu das Rauschen des Meeres direkt vor uns ... Es war wie in einem Traum ...
 

Ich drücke mein Gesicht ins Kissen. Die Erinnerung daran, an unsre erste gemeinsame Nacht, lässt mich fast verrückt werden vor Sehnsucht nach ihm. Ich bin doch so ein Dummkopf! Ich bräuchte mich nur anzuziehen, in die U-Bahn zu steigen, mit dem Zweitschlüssel Vinnies Wohnung aufschließen und dann wäre ich bei ihm. Bei meinem Ramon ...

Mit knirschenden Zähnen wälze ich mich einmal herum und lande auf der anderen Seite der Klappcouch. Nein! Nein, ich werde nicht zu ihm gehen! Ich kralle mich im Kissen unter mir fest und schließe wieder die Augen ...
 

Ich wusste nicht woher Ramon plötzlich das Kondom hatte, aber als ich es bemerkte, hatte er es schon aus seiner Verpackung genommen und rollte es sich über. Bei dem Anblick entkam mir ein ungeduldiges Wimmern. "Justin ..." Ramon sah mich an, legte sich auf mich und umfasste mein Gesicht. "Bist du bereit?" Ich nickte einfach, obwohl ich kaum vorbereitet war. Aber ich wollte ihn! In mir sehnte sich alles nach ihm, wollte eins mit ihm sein.

Ich atmete tief ein, versuchte mich weiter zu entspannen und es funktionierte. Tief drang er in mich ein, nahm mich gefangen und brachte mich wie kein Zweiter dazu, mich ganz und gar gehen zu lassen.

Das mit Ramon war von Anfang an anders. Selbst die Angst, morgen könnte schon wieder alles anders sein, suchte mich kein einziges Mal heim. Noch nicht. Ich schob es darauf, dass ich im 'Urlaub' war und machte mir keine weiteren Gedanken mehr darum. Nahm es dankbar an und genoss es mit Ramon unbeschwerte Tage und heiße Nächte zu verbringen.

Diese Nacht am Meer, diese erste, denn es sollten noch weitere Folgen, war für mich etwas ganz Besonderes. Wir haben noch lange dagelegen, auf das dunkle Meer hinausgeschaut, uns in den Armen gelegen, geküsst, gelacht und uns ein weiteres Mal geliebt, bis mich Ramon geschnappt und ins Bett getragen hatte. Er blieb bei mir, kuschelte sich an meine Seite und so verbrachten wir jede Nacht zusammen. Ganze zwei Wochen lang. Bis mich Deutschland wieder einholte. Zusammen mit allen Zweifeln, Ängsten und schlechten Erlebnissen mit meinen vorigen Beziehungen.
 

Seit drei Wochen lebte ich nun also in dieser kleinen Herberge, fühlte mich wohl und genoss Ramons Nähe. Und seit zwei Wochen verließen wir das Bett nur noch, um zu arbeiten. Wenn wir gemeinsam nachmittags frei hatten, genossen wir unsere Nähe und verbrachten die Zeit bis zum Abend in wundervoller Zweisamkeit. Wenn er dann im Restaurant aushalf, saß ich ebenfalls dort, beobachtete ihn und sehnte seinen Feierabend herbei. Ramons Eltern hatten natürlich schon längst spitzbekommen, was da zwischen uns lief. Zu meiner Überraschung waren sie aber mehr als tolerant. Als ich Ramon daraufhin ansprach, sagte er mir auch den Grund dafür. "Sie wissen, dass ich schwul bin." Danach wurde ich richtig gelöst, schielte nicht ständig zu Ramons Eltern rüber, aus Angst, sie könnten etwas von uns mitbekommen. Und wenn keine Gäste da waren, schlich ich mich zu ihm in die Küche und ... Wir blieben anständig, aber einmal hätte ich fast die halbe Ablage abgeräumt, während ich in Ramons Armen hing und ihm die Luft aus den Lungen saugte. Tja, aber wie gesagt ... Drei Wochen des Glücks und plötzlich wandelte sich alles komplett.

Es geschah, als ich nach der Arbeit im Restaurant ankam. Ich ging in mein Zimmer, duschte mich schnell ab und war ganz in Gedanken, als ich nur mit einem Handtuch bekleidet ins Schlafzimmer trat. "Hola mi corazón." Ramon lang auf meinem Bett und grinste mich an.

"Hola", grüßte ich zurück. Schon längst hatte ich mich an seine Spitznamen für mich gewöhnt. Ich schlurfte auf das Bett zu und legte mich neben ihn. Sofort war er bei mir und legte seinen Kopf auf meinem Bauch. Dort verteilte er kleine, kitzelnde Küsse. Nachdenklich fuhr ich mit meinen Fingern durch sein braunes Haar. "Ich habe heute meinen Job verloren."

Ramons braune Augen schauten zu mir auf. "Wieso?"

"Alle Flyer sind ausgeteilt", scherzte ich. "Nein. Im Moment brauchen sie niemanden. Ich werde also wieder auf die Suche gehen müssen." Ramon sah mich lange an. Dabei studierte ich zum millionsten Mal sein Gesicht. Schon seit Tagen wusste ich, dass wir uns schon sehr viel näher gekommen waren, als es eigentlich für eine Urlaubsbekanntschaft gut war. Nur wollte ich es mir nicht so richtig eingestehen.

"Justin? Such dir bitte keinen anderen Job", meinte Ramon plötzlich.

Ich hielt inne mit den Streicheleinheiten. "Dann kann ich aber das Zimmer hier nicht mehr bezahlen."

Ein Grinsen schlich sich auf das hübsche Gesicht meines Spaniers. "Das musst du auch nicht!" Ramon rappelte sich auf und nahm meine Hände in seine. Ich war viel zu überrumpelt, als das ich was hätte sagen können. "Du ziehst einfach bei mir mit in die Wohnung ein! Und arbeiten kannst du bei uns im Restaurant. Meine Eltern wollen sowieso bald kürzertreten. Wir schmeißen die Bude zu zweit! Was hältst du davon?"

"Ähm ... Wir zwei?" Brennende Klumpen bildeten sich in meinem Magen. "Ich soll bei dir einziehen?"

"Sí!" Mir wurde ganz schwarz vor Augen. "Mi corazón! Mi vida! Justin!" Er umfing mein Gesicht, strich mit seinen Daumen über meine Wange. "Oh Justin mi querido ... Te quiero ... Bleib bei mir. Für immer." In mir brauste ein Sturm auf. Meinte er etwa das, was ich dachte, das er meinte? Als er mir tief in die Augen schaute, eindringlich, mit so viel Wärme und Gefühl in seinen braunen Gegenstücken, da durchzuckte mich die Gewissheit. Und seine anschließenden Worte bestätigten dies noch. "Te amo, Justin."

Mein Herzmuskel krampfte sich zusammen und in meinem Magen bildete sich ein heißer, brennender Kloß. 'Er liebt mich?!' Seine Lippen senkten sich auf meine, doch er merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte.

Fragend sah er mich an. "Alles in Ordnung?"

Ich schluckte hart. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich das nicht konnte. Nicht jetzt und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht. Doch ich konnte nicht. Ich sah in seine wunderschönen schokobraunen Augen und konnte es nicht. Ich wollte ihn nicht enttäuschen. "Nein ... Ich muss das nur ... sacken lassen", flüsterte ich und quälte mir ein Lächeln auf die Lippen.

"Oh ja! Natürlich!" Ramon strahlte mich an, küsste mich erneut und sprang dann vom Bett. "Ich hole uns schnell was zu Essen und dann reden wir, ja?" Ich nickte und sah ihm nach, wie er aus meinem Zimmer verschwand.
 

Da war sie wieder, die Panik, die Angst sich jetzt wieder voll und ganz an einen anderen Menschen zu verlieren, sich besinnungslos zu verlieben, alles für diesen Menschen aufzugeben, nur um dann später wieder auf dem Abstellgleis zu landen. Ich sollte bei ihm einziehen! 'Einziehen …' Dieses Wort barg so viel Furchtbares in sich. Das spülte all die so lang verdrängten Erlebnisse hoch, die ich vor meiner Abreise aus Deutschland erlebt hatte. Das wollte ich auf keinen Fall noch mal durchmachen müssen! Und schon gar nicht in einem anderen Land! Und erst recht nicht mit ihm! Das hätte ich nicht ertragen. Nicht noch einmal! Hinterher würde ich dann hier festsitzen, von Ramon im Stich gelassen, wie es schon immer jeder meiner Partner getan hatte, und hätte womöglich nicht mehr die Kraft dazu zu meinem alten Leben zurückzukehren. Dann doch lieber gleich von hier verschwinden, solange es noch ging. Bevor ich wieder mit gebrochenem Herzen dastehe, zurückgelassen und benutzt.

Aus diesem Grund sprang auch ich aus dem Bett, kaum das die Tür geschlossen war. In aller Hektik packte ich meinen Koffer, zog mich an und schlich mich durch die Terrassentür hinaus. Doch ich blieb noch einmal stehen. Der Strand ... Am Abend zuvor hatte Ramon dort für mich ein kleines Picknick aufgebaut. Mit Kerzen und allem drum und dran. Warum hatte ich nicht spätestens da die Notbremse gezogen? Ich war in etwas hineingeschlittert, das ich doch eigentlich so schnell gar nicht mehr wollte. Solch innigen Gefühlen hatte ich vor meiner Reise nach Deutschland abgeschworen. 'Das will ich nicht mehr', sagte ich mir einige Male.

Ein Ruck ging durch meinen Körper und ich eilte noch mal ins Zimmer hinein. Ich wollte ihm wenigstens noch eine Nachricht hinterlassen. Ich schrieb ihm, dass es mir leid täte, ich aber nichts Festes wolle und ihn verlassen müsse. Mehr nicht. Ich setzte noch nicht mal meinen Namen darunter, griff endgültig nach meinem Koffer und floh so schnell ich konnte.

Ich stolperte den schmalen Weg neben der Straße entlang, bis ich an der kleinen Bushaltestelle ankam, an der glücklicherweise auch schon ein Bus stand. Er brachte mich zurück nach El Arenal und von dort aus fuhr ich mit einem Taxi zum Flughafen. Der erste Flieger, den ich nach Deutschland bekommen konnte war meiner. Vor lauter Angst, dass mich Ramon hier suchen würde, verkroch ich mich bis zum Abflug in einer der Toiletten.

Keine fünf Stunden nach meiner Flucht aus Ramons Zuhause kam ich in Deutschland an. Daniel war mein erster Anlaufpunkt. Und danach besuchte ich Vinnie, der mich schlussendlich aufnahm.
 

Und nun liege ich hier. Auf Daniels Klappcouch. Zurück auf Anfang sozusagen. Wieder bin ich vor Ramons Liebe geflohen, wurde davon vertrieben, weil ich zu viel Angst davor habe, dass sie mich diesmal zunichte machen könnte, wenn ich mich darauf einlasse. Was bleibt mir jetzt noch anderes übrig, als wieder zu flüchten? Diesmal in ein Land, ohne schwule Männer. Ob's das gibt? Entweder das, oder ...

Ich drehe mich auf den Rücken und öffne meine Augen.

Oder ...

Was, wenn ich doch dieses 'oder' in Betracht ziehen würde? Was, wenn Magnus' Zauberkärtchen recht haben? Wenn ich Ramons Angebot hätte annehmen sollen? Wenn die Kaiserin mir wirklich Erfolg in der Partnerschaft bescheinigte?

"Schwachsinn!", zische ich, drehe mich wieder auf die Seite und presse meine Augen fest zu. So etwas wie eine Erfolgsgarantie gibt's nicht! Keine Tarotkarte der Welt kann einem das garantieren! Die Liebe ist unberechenbar, weil die Menschen eben unberechenbar sind. Man kann niemandem ins Innere blicken ... obwohl ich bei Ramon manchmal das Gefühl hatte, als könne ich es. So wie er mich immer angesehen hat. Mir mit seinem strahlenden Lächeln die Welt zu einem schöneren Ort gemacht hat. Seine Liebe war ehrlich. 'Fragt sich nur, wie lange sie so geblieben wäre', grüble ich und komme so allmählich auf eine nicht von der Hand zu weisende Tatsache, die mir gar nicht schmeckt. Oder besser gesagt: Sie schmeckt mir viel zu gut, als dass sie mir nicht gefällt und mir somit überhaupt nicht gefällt. Verstehe das einer!

Aber Fakt ist, ich bin jetzt schon seit gut drei Monaten wieder in Deutschland. Und in der ganzen Zeit habe ich lauter SMS, Anrufe und Nachrichten auf meiner Mailbox von Ramon bekommen. Und heute Abend, als er vor mir stand, mich im Arm hielt ... Nach all der Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben, hatte ich nicht das Gefühl, dass sich seine Liebe zu mir in irgendeiner Form abgeschwächt hätte. Ebenso wenig wie meine zu ihm. Aber das wusste ich ja schon davor. "Also meint er es vielleicht doch ernst …" Wieder reiße ich die Augen auf, als ich das feststelle.

Gleichzeitig sucht mich langsam aber sicher auch noch das schlechte Gewissen heim. Schließlich bin ich einfach abgehauen, ohne mit ihm geredet zu haben. Zweimal schon! Ob ich doch mal mit ihm reden sollte? Aber was dann? "Was soll ich nur tun?" Leider weiß die Dunkelheit um mich herum auch keine Antwort darauf. Und ich, ich weiß nur eins: Dass ich Ramon schrecklich vermisst habe, es immer noch tue, und nachdem ich ihn heute wiedergesehen habe, verzehrt sich mein dummes, kleines Herz nur noch mehr nach ihm.
 

******
 

Übersetzungen wie immer ohne Schisslabeng:

Mi guapo - mein Schöner

Hola - Hallo

Mi corazón - mein Herz

Precioso - schön, wunderschön

Mi querido/querida - mein Schatz, mein Liebster/Liebste

Mi guapo loco - mein verrückter Hübscher

Mi vida - Mein Leben

Te quiero - Ich habe dich lieb, Ich liebe dich

Te amo – Ich liebe dich

Kapitel 3 - Abgekartetes Spiel

Guten Morgäääähn!

Es freut mich, dass Jus und Ramon so gut ankommen. Sie sind ja auch knuffig ^^"

Ob Jus das endlich auch mal kappiert, erfahrt ihr bald. Aber jetzt noch nicht. :-P
 


 

Kapitel 3 - Abgekartetes Spiel
 

~Ramon~

"Und du bist dir sicher, dass das eine so gute Idee ist?"

"Die beste überhaupt!" Laurin strahlt mich optimistisch an und reicht mir eine Schürze. "Anton hat uns zugesagt, solange ich ein Auge auf dich werfe. Und wir beide machen deswegen jetzt schnell einen Crashkurs in Sachen Getränke mixen. Bereit?!" Ich murmle ihm ein leises Ja zu und werde daraufhin an Laurins hauseigene Bar gedrängelt. "Super! Jetzt zeige ich dir die Standarddrinks. Wenn du mal eine Zutat im Club nicht mehr weißt, mach dir keinen Stress. Frag einen von uns, aber zur Not haben wir auch noch unten in den Türen Spickzettel versteckt. Da steht alles."

"Spickzettel?", frage ich grinsend. Ein Barkeeper mit Spickzetteln!

"Ja. Für die Neuzugänge. Also auch für dich!" Laurin schiebt mir einen Mixer in die Hand. "So. Zuerst einen Daiquiri. Der geht super einfach!" Krachend landet das kleine Schäufelchen im Eisbehälter.

Auf was habe ich mich da denn wieder eingelassen? Mir dröhnt jetzt schon der Schädel. Ich soll über dreißig Drinks auswendig lernen, und das bis heute Abend! Ich atme tief ein. 'Das tue ich für Justin. Nur für ihn', sage ich mir immer wieder vor, während ich versuche Laurins Erklärungen zu folgen. Ihr fragt euch doch sicher, wie es dazu gekommen ist, dass ich jetzt in Laurins Wohnung stehe und ihm zuhöre, wie er mir Zutaten ins Hirn einhämmert, damit ich die so schnell wie möglich draufhabe. Nun, alles begann heute Morgen nach dem Aufstehen.

Nach einer viel zu kurzen Nacht und einem enttäuschten Aufwachen (Justin war nicht zurückgekommen), bin ich in die Küche geschlurft, wo Laurin ganz aufgeregt auf mich gewartet hatte. "Ramon! Du wirst es nicht glauben!", begann er sofort. "Ich habe eben Anton, meinen Boss, angerufen und ihm von dir und Jus erzählt. Und auch von unserem Plan."

"Unserem Plan?", fragte ich müde und goss mir dampfenden Kaffee ein. Ich war noch nicht richtig wach und mein Hirn läuft noch nicht gut, wenn ich gerade erst aus dem Bett gestiegen bin.

"Ja! Der Barkeeper Job! Du und Justin, Seite an Seite. Weißt du nicht mehr?" Oh ja. Da klingelte was bei mir. "Anton hat zugesagt und gemeint, wenn ich ein Auge auf euch habe, können wir einen Versuch starten."

"Und wann?"

"Heute Abend!" Ich hatte mich fast an meinem Kaffee verschluckt. Ehrlich gesagt, hielt ich den Plan für noch zu unausgereift, als dass wir ihn schon so schnell in die Tat umsetzten konnten. Dachte ich zumindest.

"Heute? Aber Laurin! Ich bin Koch, kein Barkeeper! Ich kann keine Drinks mixen!"

"Das bringe ich dir schon bei. Keine Angst."

Und nun stehe ich hier, lasse mich in die große Kunst des Drinks mixen einweihen und bekomme jetzt schon Herzflattern, wenn ich nur daran denke, das hier nachher in einem vollen Club zu machen. Dazu kommt noch, dass Justin ebenfalls da sein wird. Wie soll ich mich da konzentrieren?! Das frage ich Laurin auch. "Mach dir keinen Kopf darüber", meint er ruhig. "Ich bin an deiner Seite und nehme dir die gröbste Arbeit ab. Du konzentrierst dich ganz auf unseren kleinen Jus. Klar?" Ich seufze laut. Wenn das mal nicht in die Hose geht!
 

***
 

~Ramon~

"Ramon! Was für ein Name! Rrraaamon!"

"... Danke ..." Uhwa! Was sind denn das alles für Kerle?! Laurins Arbeitskollegen sind ja ... Wow! Sicher steht mir meine Unsicherheit direkt ins Gesicht geschrieben. Normal bin ich gar nicht so, aber diese Fülle an gutaussehenden und dazu noch eindeutig schwulen Jungs, die haut mich dann doch aus den Latschen.

"Bist du Schnuckel schon vergeben?!" Ein junger Mann mit dunklem, kirschrot gefärbtem Haar zwinkert mir zu. Wie heißt er noch mal? Jascha?

"Jungs! Lasst Ramon mal in Ruhe. Und ja, er ist vergeben." Laurin rettet mich. "Und jetzt husch, husch!" Er wedelt mit seinen Händen, was die anderen aus der Umkleide vertreibt, während sie noch fröhlich weiter plappern. "So! Jetzt bekommst du noch ein Shirt und eine Schürze", wendet sich Laurin an mich und reicht mir beides.

Das Shirt ziehe ich mir einfach über mein anderes. "Wann kommt Justin?"

"In zwei Stunden." Ich werde immer nervöser. In zwei Stunden sehe ich mi amor wieder und was dann passiert, das möchte ich mir gar nicht allzu bunt ausmalen.

"Hoffentlich rennt er nicht wieder davon."

"Dann ist er seinen Job los. Dafür sorge ich!", meint plötzlich jemand hinter uns. Ich drehe mich erschrocken um. "Hallo. Ich bin Marcell." Noch so ein hübscher Kerl!

"Ramon", stelle ich mich ihm knapp vor und lächle Marcell an.

"Hab's schon mitbekommen. Die anderen reden nur von dir." Oh no! Auch das noch!

"Was machst du eigentlich hier? Hast du nicht frei?", fragt Laurin seinen Arbeitskollegen.

"Eigentlich schon, aber als Anton mir erzählt hat, was du heute vorhast, musste ich einfach mit hierher kommen! Gerade wenn es um Jus geht. Wir wissen ja, was der alles für einen Unsinn verzapft, wenn er erstmal in Wallung gerät." Die scheinen meinen querido ja wirklich gut zu kennen.

"Lieb von dir! Und Anton? Ist der auch schon hier?"

"Ja. Der ist oben und ... duscht." Marcell wird rot. Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Da lässt sich wohl jemand von seinem Vorgesetzten vernaschen.

"Ach, dein Schatz duscht? Zis zis zis." Laurin grinst ebenfalls und meint zu mir: "Mit dem hier musst du dich gut halten. Der schläft mit dem Boss. Und noch viel, viel mehr ..." Daher also der Spruch vorhin, von wegen, er will meinen Justin feuern lassen, wenn er wieder vor mir flüchtet. Soweit werde ich es natürlich nicht kommen lassen.

"Danke Laurin für deine Diskretion!", feixt Marcell.

"Gern geschehen."

So lustig es gerade ist, aber mir kribbelt's im Nacken. Das tut es immer, wenn ich arg nervös bin. Nervös kratze ich mich an der kribbelnden Stelle. "Mensch! Wenn das hier klappt, lade ich euch alle nach Mallorca ein", seufze ich mit dünner Stimme.

Marcell klatscht in die Hände und zeigt dann mit dem Zeigefinger auf mich. "Abgemacht! Rausreden gilt nicht! Und wehe Justin stellt sich quer! Dann kann er was erleben!" Aus der Nummer komme ich jetzt nicht mehr raus, oder? Mir soll es recht sein. Hauptsache Justin gibt mir nochmal eine Chance. Dafür würde ich glatt alles tun.
 

Zu dritt marschieren wir den Flur entlang auf den eigentlichen Club zu. Laute Musik, wummernde Bässe und überall wo man hinsieht tanzende Menschen. "Komm mit! Wir müssen bis ganz hinten durch!" Ich folge Laurin, der mich hinter der riesig langen Theke zu meinem heutigen Arbeitsplatz führt. "Immer lächeln und freundlich bleiben, klar?"

"Klar." So doof bin ich nun auch nicht. Jedoch wird mir schon nach kurzer Zeit so richtig bewusst, was Laurin damit eigentlich gemeint hat. Die Gäste sind echt aufdringlich!

"Hey! Bist du neu? ... Bock nachher mit mir zu verschwinden? ... Wann hast du denn Pause, mein Süßer?", sind noch die nettesten Anmachsprüche.

"Die sind ja forsch!", flüstere ich Laurin ins Ohr.

"Was glaubst du denn? Du bist Frischfleisch für die. Sag mir aber jetzt bloß nicht, dass in Spanien nicht so rangegangen wird!"

"Doch! Aber ich wusste nicht, was man als Barkeeper sich alles anhören muss!" Noch schlimmer ist aber, dass ich am liebsten dem einen oder anderen gern mal einen doofen Spruch reingedrückt hätte, für seine Dreistigkeit. Aber das geht natürlich nicht.

"Lächle einfach und sag, dass du vergeben bist. Oder flirte ein wenig und kassiere ordentlich Trinkgeld!" Laurin lacht mich an und schüttelt den Mixer. Mir dagegen beginnt schon wieder der Kopf zu schwirren. Wann kommt Justin nur endlich?!
 

~Justin~

Noch etwas zu früh dran, checke ich noch mal meine Frisur in der Umkleide. Man kann nie gut genug aussehen, habe ich festgestellt. Dann sind die Trinkgelder besser und man bekommt ordentlich das Ego geputzt. Eigentlich ist mir heute ja gar nicht danach, aber ich will wenigstens meine Arbeit gut machen, wenn meine Laune schon auf dem Tiefpunkt ist.

"Der ist ja sooo geil!"

"Oh ja! Den würde ich gern mal so richtig ... Oh! Hey Jus!"

Mit einem schiefen Grinsen begrüße ich zwei meiner Kollegen. "Wer ist geil? Und wen würdest du gern mal so richtig?", frage ich, obwohl es mich gar nicht wirklich interessiert. Doch ich sehne mich nach Ablenkung. Dazu ist mir sogar der neuste Tratsch im Velvet recht.

"Der neue Barkeeper! Ein echtes Schnuckelchen!"

"Ach so." Na dann. Wieder ein Neuzugang. Im Moment geht es hinter der Bar ja zu wie im Taubenschlag.

"Angeblich isser vergeben, aber ich bekomme ihn bestimmt noch rum. Wer will mit mir wetten?"

Nach dem Spruch starre ich Achim sauer an. "Wenn der Neue wirklich vergeben ist, dann lass deine Finger von ihm!" So was kann ich ja gar nicht ab!

"Ach Jus! Jetzt schieb mal nicht so 'ne Welle", stöhnt Achim und verdreht die Augen.

"Fändest du es etwa lustig, wenn ich mich an deinen Freund ranmachen würde?"

"Ich habe keinen Freund."

"Dann hoffe mal lieber, dass der Freund des Neuen nicht hinter deinen Plan kommt. Ich an seiner Stelle würde dir nämlich gehörig den Arsch aufreißen!" Habe ich schon erwähnt, dass ich schlechte Laune habe?

"Ist das ein Versprechen, mein Süßer?", gluckst Achim bloß und zwinkert mir zu. Idiot!

"Lass mal lieber. Ich bin heute nicht in Flirtstimmung."

"Man merkt's", sagt nun Micha, der andere der beiden zu mir. "Was'n los?"

"Nichts, was euch was anginge." Neugieriges Pack!

"Ah! Liebeskummer!"

"Ach halt die Klappe Achim!" Ich lasse die beiden einfach stehen und laufe durch den Flur Richtung Bar. Die können mich heute alle mal kreuzweise!
 

Es ist mal wieder brechend voll im Velvet. Hitzige Leiber drängen sich aneinander, einige der Gäste knutschen wild auf der Tanzfläche und eine ganze Schar Trinkwütiger drängt sich an die Theke. Wunderbar! Das wird mich richtig gut ablenken. Ablenken, von meinen ständig im Kreis rasenden Gedanken, die sich natürlich nur um eins drehen: Ramon. "Justin! Da bist du ja!"

"Hallo Marcell." Verdutzt starre ich ihn an. "Du hast heute Dienst?" Der stand doch gar nicht auf dem Plan, oder?

"Nee. Ich bin nur als Verstärkung hier ... apropos ... geh du mal lieber hinten hin. Da brennt's."

"Na schön." Was auch immer da brennen mag, ich widerspreche Marcell mal lieber nicht. Nicht, weil er mit dem Boss zusammen ist, aber als erfahrener Barkeeper weiß er eben wo die Arbeit klemmt.

Ich schlängle mich also an meinen Kollegen vorbei, grüße hier und da einen von ihnen und stelle mich hinter einen gerade frei gewordenen Zapfhahn. "Hey Süßer. Was darf's sein?" Auf mein 'Hey Süßer' springen gleich drei Kerle an, die gleichzeitig ihre Bestellung bei mir aufgeben. Hach, ich liebe es ... Ich arbeite sie alle gewohnheitsmäßig ab, schiebe ihnen ihre Drinks zu, ziehe sie ab, lächle und bedanke mich für's Trinkgeld. Alles eben wie immer. Bis es plötzlich "Hola mi corazón" hinter mir flüstert. Ich schließe kurz die Augen. Jetzt bilde ich mir sogar Ramons Stimme ein! Gott! Ich vermisse ihn so!

Mein Herz zieht sich zusammen, was sich aber wieder schlagartig ändert, als mir ein Gast seine Bestellung entgegenblökt. "Mach ich dir sofort." Ich drehe mich, will gerade zu den Gläsern greifen, die hinter mir an der Wand in dem großen beleuchteten Glasregal stehen, renne aber gegen einen meiner Kollegen. "Oh! Tut mir leid. Hab dich gar nicht ... Ramon?!" Ungläubig starre ich in das Gesicht vor mir. Bilde ich mir das jetzt nur ein, oder ...?

"Justin! Endlich bist du hier!" Ramon macht Anstalten mich umarmen zu wollen, lässt es dann aber. Zum Glück, denn ehrlich gesagt, wüsste ich nicht, was ich dann tun würde. Total überrumpelt stelle ich fest, dass er Schürze und Shirt des Velvet trägt. Woher ...? "Sei jetzt bitte nicht sauer Justin, aber ich ... Lass uns bitte miteinander reden, ja?" Flehend sieht mich Ramon an. Reden ... Hatte ich das nicht sowieso vorgehabt? Ja, aber dann, wenn ich es für richtig halte. Wenn ich Zeit und Ort für eine Unterhaltung bestimmen kann. Mich vorher darauf vorbereiten kann.

Jetzt werde ich aber schon wieder von ihm überrumpelt, werde quasi überfallen, obwohl ich noch gar nicht weiß, was genau ich zu ihm sagen will. Und überhaupt: Hier, in diesem laut-bunten Durcheinander des Clubs, rede ich ganz sicher nicht mit ihm!
 

Ich senke den Blick, denke nach und schaue dann in der Gegend herum. Laurin fällt mir auf, der mich im selben Moment anschaut und mich um Verzeihung bittend anlächelt. Das macht mich wieder sauer! Er hat ihn mit hierher geschleift, nicht wahr? Ihn in unsere 'Barkeeper-Kluft' gesteckt und mir vor die Nase gestellt. Und als Marcell dann noch auftaucht und meint: "Ich übernehme deine Gäste." Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das alles ist ein abgekartetes Spiel! Nun werde ich richtig sauer!

Ich drehe mich einfach um und stürme nach vorn, nur weg von der Bar, von meinen hinterhältigen Freunden und weg von Ramon, der meinen Namen ruft und mir sicher hinterherrennt. Er will also mit mir reden? Na schön! Aber das wird er nach meinen Spielregeln machen müssen!
 

~Ramon~

"Justin! Renn doch nicht wieder weg!" So schnell ich kann haste ich meinem Schatz nach, wobei ich aufpassen muss, nicht einen der anderen Barkeeper umzurennen, die erst Justin, dann mir verblüfft nachschauen. Das ist mir allerdings vollkommen egal. Ich habe nur noch Justin vor Augen, der gerade in den Flur zu den Räumen der Angestellten verschwindet und erkenne noch gerade so, dass er in eine Tür nach links abbiegt. Die Toiletten. Ich bin nur wenige Sekunden nach ihm im Raum, und höre, wie eine der Kabinen von innen abgeschlossen wird. "Justin?!" Mein kleiner Querkopf hat sich tatsächlich in der Toilette eingeschlossen!

Kurzerhand betrete ich die Kabine neben ihm und schließe ebenfalls ab. "Jus?"

"Was willst du?!", faucht er mich an.

"Das weißt du ganz genau", antworte ich und klettere auf den Toilettendeckel. "Wieso ...?"

"Wenn du jetzt über die Kabinentür guckst, bin ich schneller weg, als du mi corazón sagen kannst." Leise lachend halte ich inne und springe wieder vom Toilettensitz herunter. Seine spanische Aussprache ist wie gewohnt total grottig!

"Gut. Aber reden wir trotzdem miteinander?"

"Kommt drauf an, was du bereden willst", zischt er. Dabei weiß er doch mit Sicherheit, was für Fragen in mir brennen.

"Warum bist du abgehauen?", fange ich auch gleich an, in der Hoffnung, dass er endlich mit mir darüber redet, was in Spanien, und auch davor in Deutschland, vorgefallen ist.

Ich höre Justin tief einatmen. "Du hast mich überfordert mit deinen dummen Einzugsplänen!"

"Das hättest du mir auch sagen können, anstatt mit dem nächstbesten Flieger nach Deutschland zu flüchten." Er sagt nichts dazu und ich warte ab. Was soll ich auch groß sagen? 'Außer das, was mir schon seit Wochen auf der Seele brennt.'

Ich überlege. Und dann fange ich schließlich doch an mir alles einfach von der Seele zu reden. Zögernd und mit leiser Stimme teile ihm mit, wie es mir ohne ihn ergangen ist. "Ich bin fast gestorben, als du plötzlich nicht mehr da warst." Ja, so war es. Mir ist das Herz stehen geblieben, als ich das leere Zimmer vorgefunden habe. "Ich habe dich überall gesucht. Habe alle Räume im Haus abgesucht, bin rausgerannt, habe den Strand nach dir abgesucht, danach bin ich die Straße entlanggelaufen, habe dich aber auch dort nicht gefunden. Dann bin ich zum Flughafen gefahren, weil es mir am plausibelsten vorkam. Doch dort warst du auch nicht. Ich hab mir dann noch ein Ticket gekauft, damit ich durch die Sicherheitskontrollen konnte, aber dein Flieger war schon weg." Mein Bauch fühlt sich noch immer ganz taub an, wenn ich daran denke. Die Hilflosigkeit, die Angst, Justin nie wieder zu sehen. Ich wusste ja auch nicht mal, wo genau er in Deutschland wohnt. Nie hat er was über sein Leben dort verraten, und ich habe es einfach so hingenommen. Habe geglaubt, irgendwann würde er es mir erzählen.

Nach seiner Flucht, hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Ich habe mich immer wieder selbst verflucht, wieso ich ihn nicht einmal danach gefragt habe. "Ich bin nach Hause, hab dein Zimmer nach irgendwelchen Dingen abgesucht, die mir vielleicht hätten weiterhelfen könnten, fand aber nur den Zettel."

"Den Zettel habe ich dir geschrieben, weil du mir nicht nachlaufen solltest", flüstert Justin leise. Seine Stimme halt dennoch von den Fliesen wieder. Mechanisch. Als würde er einen auswendig gelernten Text aufsagen.

"Ich sollte dir nicht nachlaufen?!" Sauer starre ich die schwarze Toilettenwand an, die uns voneinander trennt. "Meinst du, ich hätte dich wirklich einfach so gehen lassen, nur weil du mir auf so einem dämlichen Zettel mitgeteilt hast, dass es dir leid täte, du aber nichts Festes willst?!"

"Ja genau! Ich will nichts Festes! Würdest du das endlich mal versteh..."

"Scheiße Jus!" Ich patsche mit meiner Hand gegen diese dämliche Trennwand. Gedanklich kann ich meinen Süßen zusammenzucken sehen. "Red nicht so einen Stuss! Ich weiß Bescheid! Über dich und diesen Kerl, wegen dem du ins Ausland geflohen bist! Du hast bloß Angst davor, dass ich dich auch fallen lasse, nicht wahr? Und ganz ehrlich? Ich kann es sogar verstehen, dass du so denkst, wenn du so sehr verletzt worden bist, wie ich vermute. Aber bei aller Liebe! Du kannst mich nicht einfach so mit dem Rest der Welt über einen Kamm scheren! Und erst recht kannst du mich nicht mit deinem Ex vergleichen! Das ist mir gegenüber nicht fair. Das ist uns gegenüber nicht fair." Ich habe mich richtig in Rage geredet, habe die Hand noch immer auf der Trennwand liegen, die ich jetzt langsam sinken lasse. "Justin, ich liebe dich. So sehr, dass ich seit deiner Flucht nicht mehr schlafen kann. Ich bekomme keinen Bissen mehr hinunter und ans Kochen ist kaum noch zu denken. Ich lasse alles anbrennen und den Rest versalze ich. Und das nur, weil ich ständig an dich denken muss, mich ständig frage, warum du mich nicht lieben kannst ..." Ich lasse den Kopf hängen. Warum versteht er das nicht endlich?
 

"Er hieß Olaf", wispert Justin leise. So leise, dass ich ganz genau zuhören muss, um ihn zu verstehen. "Ich lernte ihn auf meiner neuen Arbeitsstelle kennen. Er war einer meiner Kollegen, mir denen ich zusammenarbeitete. Wir verstanden uns gut und kamen relativ schnell zusammen. Jetzt weiß ich, dass er mich ganz bewusst um seinen Finger gewickelt hatte, doch zu der Zeit raffte ich das noch nicht. Ich war bis über beide Ohren verliebt in ihn und trieb blind auf meiner rosaroten Wolke dahin. Er war so erfahren. So reif. Er war all das, was ich mal werden wollte. Keine zwei Monate waren wir zusammen gewesen, als er mir vorschlug, mit ihm zusammenzuziehen. Ich war im siebten Himmel. Ich kündigte also das Zimmer in meiner WG, packte mein Zeug und schaffte alles in sein Haus.

Olafs Zuhause war riesig! Ich war vorher noch nie dort gewesen. Immer waren wir bei mir gewesen, oder sind zusammen ausgegangen. Im Nachhinein war es richtig blauäugig von mir, so mir nichts dir nichts zu ihm zu ziehen. Die tolle Wohnung allerdings brachte die kleine leise Stimme in mir, die mich darauf aufmerksam machen wollte, wie verrückt diese Aktion doch eigentlich war, zum verstummen. Unzählige Zimmer mit angrenzendem Bad, unten eine große Terrasse und oben hatte fast jedes der Zimmer einen Balkon, eine große Küche und ein helles, großes Wohnzimmer mit Essbereich. Es war Wahnsinn! Viele Gedanken darum, warum er so viele Zimmer hatte, machte ich mir gar nicht. Es war halt so.

Ich ließ mir von ihm ein geräumiges Zimmer zeigen, das von nun an meins sein sollte. Nur rein formell, meinte er, wegen der Miete." Justin lacht humorlos auf. "Ich war wirklich total blind gewesen. Ich packte brav meine Koffer aus, richtete mich gemütlich in meinem tollen Zimmer ein, bis es an meine Tür klopfte. Ein junger Mann stand plötzlich vor mir. Er lächelte mich offen an und war nicht unattraktiv. Im Gegenteil. Erst dachte ich, er sei ein Bekannter von Olaf. Doch es stellte sich heraus, dass er ebenfalls in diesem Haus wohnte. Ray hieß er und machte auf mich einen ganz netten Eindruck. Noch immer dachte ich mir nichts dabei. Gut, dann ist das hier eben wie in meiner alten WG. Wen stört's? Ich war mit Olaf zusammen, das war alles was für mich zählte.

Abends dann, ich saß im Wohnzimmer und zappte durchs TV Programm, hörte ich, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Drei Männer kamen herein. Sie sahen mich, grinsten und setzten sich zu mir. Ich war total überrumpelt. 'Du bist der Neue?', fragte mich einer von ihnen und ich nickte ganz perplex. Sicher auch Freunde von Olaf, dachte ich. Warum sie ebenfalls einen Haustürschlüssel hatten, fragte ich mich zwar, doch ich verdrängte diese Frage.

Wir unterhielten uns, und alles war ganz normal, bis mich plötzlich einer von ihnen anfasste. Seine Hand ruhte schwer auf meinem Oberschenkel, die ich aber sofort wegstieß. Doch er ließ nicht locker, faselte was von 'alles miteinander teilen' und dass Olaf nichts dagegen hätte. Bestürzt sprang ich vom Sofa auf und rannte hoch. Ich wollte Olaf von seinen ungehobelten Freunden berichten, dass sie mich angemacht hatten und Unsinn über ihn erzählt hatten.

Ich vermutete Olaf in seinem Büro, wo er eigentlich arbeiten wollte, aber dort war er nicht. Ich rief ihn, schaute hinter jeder Tür nach, bis ich ziemlich eindeutige Geräusche aus Rays Zimmer hörte. Mich beschlich ein mehr als mieses Gefühl, also schaute ich nach. Und dann sah ich sie. Ray auf allen Vieren und Olaf in eindeutiger Pose hinter ihm. Sauer wollte ich meinen Partner zu Rede stellen, doch was tat er? Er grinste, klopfte dreist auf Rays Hinterteil und fragte mich, ob ich nicht mitmachen wolle. Das sei hier so üblich. In diesem Haus würde alles miteinander geteilt werden, auch das Bett.

Nun verstand ich auch, was dieser Typ unten gemeint hatte. Ich war in irgend so einer komischen Fick-Kommunen-Scheiße gelandet! Die fünf trieben es gemeinsam wild durcheinander, wollten mich auch noch dazu überreden, bei ihrem Spiel mitzumachen, aber nicht mit mir!

Ich packte die nötigsten Sachen und verschwand. Bei Daniel, einem Freund von mir, kam ich kurzfristig unter, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich wollte Olaf nicht mehr sehen, konnte es nicht, weshalb ich auch noch meine neue Arbeitsstelle schmiss. Ich wollte nur noch weg. Ganz weit weg. So kam es dazu, dass ich mein ganzes Geld zusammenkratzte und in Europa umherreiste, und schlussendlich zu dir kam." Fassungslos starre ich auf den Boden vor mir. Wenn mir dieser Olaf jemals in die Finger kommt!
 

Nebenan in der Kabine höre ich Justin leise schluchzen. Ich denke nicht groß darüber nach, rapple mich auf, steige auf den Toilettensitz und ziehe mich an der Trennwand hoch. "Was ...? Ramon!"

"Platz da mi corazón!" Mit einem Fuß auf dem Spülkasten schwinge ich ein Bein über die Trennwand. Dabei passe ich tunlichst auf, dass ich mich nicht selbst kastriere. Was für ein Glück, dass ich lange Beine habe! Zwischen Decke und Trennwand quetsche ich mich hindurch und stoße mich mit dem Fuß, den ich auf dem Spülkasten habe, ab.

"Ramon! Du spinnst! Du brichst dir noch alle Knochen!" Justin greift nach mir, stützt mich, als ich auf der anderen Seite wieder hinabrutsche und mit beiden Füßen auf dem Boden lande. Huh! Alles nochmal gut gegangen! "Ramon! Was ... Ach Mann!" Als ich mich umdrehe, macht Justin ein ganz gequältes Gesicht. Er hat geweint, wie ich vermutet hatte.

"Oh mi amor! Nicht weinen!" Meine Worte nützen nichts. Die Augen meines Süßen quellen wieder über, sodass ich ihn fest an mich ziehe. Er wehrt sich nicht, schmiegt sich sogar an mich. "Mein lieber, süßer Justin. Ich werde dir niemals wehtun. Das verspreche ich dir. Und ich werde dich auch niemals mit irgendjemandem teilen. Dazu liebe ich dich viel zu sehr." Sein schmaler Körper zittert richtig. Mit geschlossenen Augen schmuse ich mit meiner Nase durch sein Haar. "Ich liebe dich", wiederhole ich. "... Te amo mi corazón."
 

~Justin~

Wie ein Ertrinkender klammere ich mich an Ramon. Es tut so gut, ihm wieder nahe zu sein, bei ihm zu sein. Mein Widerstand bröckelt dahin und ich umarme ihn immer fester. "Te amo Justin. Glaube mir doch. Ich werde dich nicht enttäuschen. Niemals", flüstert er mir immer wieder zu. Ich würde es so gern glauben! "Mi corazón ..."

"Schwöre es mir", schluchze ich und rücke ein Stück von ihm ab, um ihm in die Augen sehen zu können. "Schwöre mir, dass du für immer bei mir bleiben wirst!" Wie soll er mir das schon schwören können?

"Solange du mich willst, werde ich dich nicht mehr gehen lassen. Das schwöre ich dir." Ramon strahlt mich regelrecht an. "Das wusste ich schon, als ich bei unserer zweiten Begegnung deine Socken vom Boden gefischt habe."

Noch immer laufen mir Tränen über die Wangen, doch jetzt fange ich an zu lachen. "Idiota!"

"An deinem Spanisch musst du wirklich noch arbeiten." Ich frage nicht nach, wieso ich das tun soll. Ich mag jetzt nicht daran denken, dass er mich immer noch mit zurück nach Spanien nehmen will. Fürs Erste reicht es mir, dass wir uns ausgesprochen haben. "Justin? Meinst du, wir können von hier verschwinden?"

"Ich weiß nicht ..." Das weiß ich wirklich nicht. "Ich muss erst nachfragen. Wieso fragst du?"

"Wir haben noch einiges zu bereden, oder findest du nicht? Und das geht viel besser, wenn wir nicht in einer Toilettenkabine stehen, oder?" Wo er Recht hat, hat er Recht.
 

******
 

Mi amor - mein Herzblatt, meine Liebe

Mi querido - mein Schatz

Te amo mi corazón - Ich liebe dich mein Herz

Idiota - Idiot

Kapitel 4 - Entscheidungen

Kapitel 4 - Entscheidungen
 

~Justin~

Im Schneidersitz sitzen wir uns auf Vinnies Schlafcouch gegenüber. Vinnie hat schon gepennt als wir ankamen, weshalb Ramon und ich uns die ganze Zeit über leise unterhalten haben.

Über alles Mögliche haben wir geredet. Über die Vergangenheit, über belangloses Zeug und auch über verflossene Partner. Ich war total überrascht, als mir Ramon gestand, dass er vorher noch nie was Ernstes oder Langfristiges mit einem Jungen hatte. Ich war doch tatsächlich der erste Junge, den er 'mit nach Hause brachte'. Auch wenn die Umschreibung nicht ganz passt.

Die kleine Lampe neben der Couch brennt, ansonsten ist es um uns herum dunkel. Vor nicht allzu langer Zeit haben Ramons Finger meine gesucht, die sich schon die ganze Zeit ineinander verhaken und sich dann wieder auseinander wursteln. Gesprochen haben wir seitdem so gut wie nichts mehr, haben nur auf unsere Finger gestarrt, uns mal gegenseitig gemustert, nur um dann wieder auf unsere miteinander spielenden Finger zu achten. Wir sind während unseres Gesprächs bei einem Thema angekommen, das zu knifflig ist, um es jetzt noch zu bereden. Meine eventuelle Rückkehr nach Spanien.

Ramon hat anklingen lassen, dass er noch immer an seinem Plan festhält. Doch als er gemerkt hat, dass ich noch nicht darüber sprechen werde, ist er verstummt. Anscheinend wartet er auf ein Zeichen von mir, ein Wort, was jetzt geschehen wird. In der Zwischenzeit habe ich wirklich darüber nachgedacht. Habe das Für und Wider durchdacht, meine Gefühle zu Ramon, die nach wie vor heiß in mir lodern und habe mir vorgestellt wie es wäre mit ihm auf Mallorca zu leben.

Leider bremst mich die Angst wieder aus, jedes Mal, wenn ich denke: Ja. Das könnte klappen. Aber vor was habe ich eigentlich Angst? Ganz klar davor, wieder in einer rosaroten Blase dahin zu schweben, nichts mitzubekommen, bis sie von einem furchtbaren Aufprall in der Realität zum Zerplatzen gebracht wird.
 

Nehmen wir mal an, Magnus Karten haben recht. Dann wäre ich ein Narr, wenn ich nicht auf Ramons Angebot eingehen würde und die Chance mit Ramon zusammenzusein nicht ergreifen würde. Und dann zum zweiten, nehmen wir mal an, am Ende würden Ramon und ich uns doch trennen. Und dann? 'Dann kann ich jederzeit nach Deutschland zurück.' Doch was ist mit mir? Mit meinem zerbrochenen Herzen? Auch wenn ich es nicht gern zugebe, aber ... mehr wehtun als jetzt kann es eigentlich auch nicht. Denn wie ich es auch drehe und wende, am Schluss war die Entscheidung, Ramon zu verlassen und die ganzen Wochen ohne ihn zu sein, sogar noch schmerzhafter gewesen, als der Betrug von Olaf.

Olaf ... Da ist nichts mehr. Meine heißen Gefühle für ihn sind dahin. Schon lange. Schon bevor ich Ramon das erste Mal im Meer fast geküsst habe. Oh ... Ramons Küsse ... "Justin?"

"Ja?!" Ich blicke in schokobraune Augen. An seine Blicke kann ich mich auch noch gut erinnern. Mehr als gut. Wie seine braunen Augen mich beobachtet haben, wenn ich im Restaurant saß und darauf gewartet habe, dass er endlich Feierabend hatte. Manchmal ist er extra einen Bogen gelaufen, damit er an meinem Tisch vorbeigehen konnte. Dann hat er mich ganz heimlich berührt, mich angelächelt und ... "Justin? Hörst du mir überhaupt zu?"

"Was? Oh, tut mir leid. Ich war in Gedanken."

"Ich hab's gemerkt", gluckst mein Spanier und legt den Kopf schief. So wie er es immer macht ... Jetzt nicht wieder ablenken lassen, Jus! "Ich wollte vorschlagen, dass wir vielleicht erstmal schlafen gehen. Also du hier und ich suche mir ein Zimmer in einem Hotel. Reden wir morgen weiter."

"Schlafen ist gut", murmle ich. "Aber du bleibst hier. Ich gehe zu Daniel."

"No! Du bleibst hier. Ich lass dich nicht mehr so spät nachts raus!"

Lachend entziehe ich ihm meine Finger und quäle mich auf. "Nichts da. Ich penn noch mal bei Daniel."

"Ihr Labertaschen geht alle beide nirgendwo mehr hin!" Laurin steht plötzlich im Wohnzimmer. Er muss Feierabend haben. "Schon mal auf die Uhr geschaut? Du!" Er zeigt auf mich. "Du krabbelst bei Vince unter die Decke, aber schön die Hände auf deiner Seite des Bettes lassen! Und ich schlafe bei Ramon." So könnte es auch klappen, denn jetzt neben Ramon schlafen zu müssen, das halte ich nicht für keine gute Idee.
 

~Ramon~

Laurins Idee ist wohl wirklich die beste Lösung. Jedenfalls hätte ich Justin ungern jetzt noch zu seinem Bekannten laufen lassen. "Dann gute Nacht Ramon." Jus lächelt mich an und schnappt sich ein paar Kleidungsstücke.

"Buenas noches Justin", wünsche ich ihm ebenfalls und ernte sein liebliches Lächeln. Es ist noch nicht alles verloren. Ich muss jetzt nur beharrlich bleiben, ihn aber nicht zu sehr unter Druck setzten. Wenn mir das gelingt, denke ich, kann ich Justins Herz von seinen furchtbaren Erinnerungen befreien. Das ersehne ich mir so sehr!

Als mein Liebling aus dem Wohnzimmer hinaus ist, seufze ich leise. "Konntet ihr euch aussprechen?" Laurin steht neben mir und schüttelt die Decke aus.

"Ja. Schon irgendwie", antworte ich ihm.

"Was heißt: irgendwie?"

"Alles konnten wir noch nicht klären. Bei dem Thema Spanien und unsere eventuelle gemeinsame Zukunft dort macht er dicht."

Laurin sieht mich traurig an. "Du musst dran bleiben. Justin ist ein sturer Esel, aber er ist nicht dumm. Er wird schon noch erkennen, dass er zu dir gehört."

"Hoffentlich ..."

"Kopf hoch", flüstert Laurin und klopft mir auf die Schulter. "Das eben sah doch ziemlich gut aus, oder nicht? So wie er dich angeschaut hat ..." Er zwinkert mir zu, was meine Laune sofort etwas anhebt. Laurin ist echt in Ordnung. Genau wie Vince. Ich wüsste nicht, was ich ohne die beiden getan hätte. Wahrscheinlich hätte ich Justin nie wieder gefunden ohne die beiden. Dafür muss ich mir für sie noch eine Überraschung einfallen lassen. Erst recht, wenn Justin und ich tatsächlich wieder zusammenkommen. "Ich mach mich mal schnell frisch und dann wird geschlafen! Und morgen nehmen wir Jus in die Mangel bis er einknickt und mit dir nach Spanien geht!" Lachend schüttle ich den Kopf. Schön wäre es.

'Und wenn nicht? Wenn er hierbleiben will?', schießt es mir in den Sinn. 'Was dann?' Fliege ich dann wieder nach Spanien zurück und tue so, als ob nichts gewesen wäre? Warte auf den Nächsten, in den ich mich vielleicht verlieben kann? Undenkbar! Für mich wird es niemals einen anderen geben als Justin!

Dann bleibt mir nur eins, oder? Dann muss ich wirklich zurück nach Deutschland ziehen. Unter der Voraussetzung, dass Justin mich überhaupt noch will. Ob das die Lösung für unser Problem ist? Wenn ich das doch nur wüsste!
 

***
 

~Justin~

Ich habe mal gehört, dass es gar nichts bringen würde, Schäfchen zu zählen, da es das Gehirn bloß wach hält und man dadurch erst recht nicht einschlafen kann. Das mag ja sein, aber was tut man dann in so einer Situation? Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Bis jetzt habe ich noch kein geeignetes Mittel gefunden, aus einem wachen, nachdenklichen Verstand einen schlummernden zu machen. Und wenn dann auch noch, so wie jetzt, eine gefüllte Blase mit ins Spiel kommt, ist an Schlaf überhaupt nicht mehr zu denken. Ich atme tief ein und krabble aus dem Bett. Dann gehe ich mich eben noch mal schnell erleichtern. Vielleicht kann ich ja dann einschlafen. Auf Zehenspitzen schleiche ich aus dem Schlafzimmer, um Vince nicht schon wieder zu wecken (er war richtig erschrocken, als ich neben ihm lag und nicht Laurin. Dafür aber haben wir uns wieder vertragen und ich habe ihm ebenfalls seine hinterlistige Aktion verziehen) und laufe dann über den Flur ins Badezimmer.

Erleichtert und zum tausendsten Mal herzhaft gähnend schlurfe ich über den Flur. Den Weg kenne ich mittlerweile blind, muss mir somit auch kein Licht machen und tapse auf die Schlafzimmertür zu. Jedoch lässt mich ein leises metallenes Klicken innehalten. Ist da jemand? In der Dunkelheit taste ich nach dem Lichtschalter, finde ihn aber nicht. Wo ist der denn blo...? "Hoppla!" Ich erstarre.

"Ramon?"

"Justin?" Das war ja so klar! "Was suchst du hier?"

"Ich musste mal."

"Ah so ... Ich muss auch mal." Meine Augen scheinen sich langsam wieder an die Dunkelheit gewöhnt zu haben, denn ich kann Ramons Umrisse erkennen. Direkt vor mir.

"Weißt du wo die Toilette ist?", frage ich unnötigerweise. Mit Sicherheit kennt er den Weg dorthin. Doch ich weiß beim besten Willen nicht, was ich sonst hätte sagen können.

"Klar!", lacht er natürlich sofort und legt den Kopf schief. Mein Herz schlägt schneller. Da steht er, mein Ramon. Nur eine Handbreit von mir entfernt.

Ich habe keine blasse Ahnung, ob es an meiner einsetzenden Müdigkeit liegt, oder daran, dass ich nur Ramons Umriss erkennen kann, aber ich strecke ohne groß darüber nachzudenken meine Hand nach seinem Oberkörper aus. Ein Stromschlag durchfährt mich, als ich endlich seine warme Haut fühle. Er trägt kein Shirt, was er in Spanien auch nie getan hatte, wenn wir zusammen im Bett ... Lassen wir das!

Ramon keucht leise auf und erstarrt. Was genau ich mit meiner Tast-Attacke bezwecken möchte, weiß ich nicht. Ich will ihn einfach nur spüren, ihm nahe sein, mich vergewissern, dass er tatsächlich von Spanien bis hierher zu mir gekommen ist.
 

'Nur wegen mir ...' Dieser Gedanke setzt etwas in mir in Bewegung. Weshalb ich vorher noch nicht daran gedacht habe, spielt gerade keine Rolle. Ramon ist hier! Vor mir, bei mir und vor allem wegen mir. Mit einem Mal stehe ich so unter Spannung, dass ich schwören könnte, dass die Luft um mich herum beginnt zu knistern. Ich bewege mich ein Stück auf ihn zu und berühre ihn zusätzlich mit meiner zweiten Hand. Als würde ich ihm das erste Mal so nahe sein, erkunde ich seine weiche, warme Haut. Streife über jede Erhebung, fühle die harten Brustwarzen unter meinen Fingern. Er ist erregt.

Ramon berührt mich nun ebenfalls, legt seine Hand in meinen Nacken und beugt sich zu mir. Ich kann seinen Atem auf meiner Haut fühlen. So vertraut und so schön ... Gleich küsst er mich ... KLICK. Das Licht geht an.

"Oh! ... Tschuldigung!" Erschrocken weiche ich von Ramon zurück und starre Laurin an, der uns nicht weniger erschrocken anstarrt. "Das tut mir leid! Ich wollte euch nicht unterbrechen! Ich wollte nur ..." Er zeigt auf die Badezimmertür, lächelt verschämt und wetzt an uns vorbei. Mit einem leisen Schlag geht die Badezimmertür zu, nachdem er uns noch ein leises "Weitermachen!" zugeflüstert hat. Wir sind wieder allein.

Peinliche Stille. Was tut man am besten in so einer Situation? Weitermachen ganz bestimmt nicht! Jedenfalls ich nicht! Obwohl ich ja eigentlich doch will. Oh Mann! Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich jetzt tun soll. Ramon dagegen hat anscheinend die passende Antwort. "Ich wollte dich nicht überrumpeln. Tut mir leid." Hä?! Ich habe doch angefangen, soweit ich mich erinnere.

"Hast du nicht! Das war ..." Ja, was war es denn nun?

"Morgen?"

"Hm?" Ich verstehe gar nichts mehr!

"Wollen wir morgen darüber reden?" Ach so! Ich nicke und laufe total konfus an Ramon vorbei. Kurz bevor ich das Schlafzimmer erreicht habe, wispert er mir noch ein "Buenas noches" zu.

Ich halte inne und drehe mich zu ihm. "Das habe ich vermisst", gestehe ich ihm. "Dein gute Nacht. Danach konnte ich immer schlafen wie ein Stein." Ramon lächelt mich glücklich an und ich verschwinde schnell ins Innere des Schlafzimmers.
 

Die Tür hinter mir wieder geschlossen, lehne ich mich mit dem Rücken dagegen und schließe die Augen. Fast hätten wir uns geküsst! Und plötzlich ist sie da, die drängende Sehnsucht nach ihm. Ich bin verdammt kurz davor, wieder aus dem Schlafzimmer zu stürzen und zu Ramon zu eilen, da knipst Vince das Licht an. Ob es gut oder schlecht ist, dass mein Tatendrang schon wieder rüde unterbrochen wird, kann ich beim besten Willen nicht sagen. "Justin?" Verschlafen blinzelt er mich verwirrt an.

"Hab ich dich geweckt?" Fort ist die Sehnsucht. Nur ein leiser Nachhall tobt noch in meinem Bauch, wenn ich daran denke, dass ich ihm eben so nahe gewesen bin. Fast ist es, als könne ich noch seine warme weiche Haut an meinen Fingerspitzen spüren.

"Nein ... Ja. Aber ich bin schon wach, seit du aus dem Bett bis."

"Tut mir leid", flüstere ich, stoße mich von der Tür ab und schüttle meine Empfindungen vollends ab.

"Ist alles in Ordnung?", fragt er, als ich mich neben ihm unter die Decke lege.

"Ja ... Nein." Vince schmunzelt. Ich weiß auch genau wieso. Er hatte eben fast dasselbe gesagt, nicht?

"Erzähl schon", seufzt er und dreht sich seitlich zu mir.

"Ich will dich nicht vom Schlafen abhalten."

"Tust du nicht." Abwartend blickt Vince zu mir auf. Also gut. Erzähle ich ihm eben von meiner Begegnung eben im Flur.

"Ramon und ich hätten uns eben fast geküsst."

"Das ist doch gut!", jauchzt Vince und setzt sich auf. "Und? Wieso habt ihr dann doch nicht?"

"Laurin hat uns ... gestört."

Vince verzieht das Gesicht. "Der kann was erleben!"

"Er kann doch nichts dafür", beruhige ich ihn. "Außerdem war das auch ganz gut so. Wer weiß, wohin das geführt hätte, wenn wir uns tatsächlich geküsst hätten."

"Justin? Du spinnst!" Vincent stupst mich an der Schulter an.

"Danke", grummle ich und ziehe mir die Decke über den Kopf.

Leider wird sie mir gleich wieder vom Kopf gerissen. "Ihr liebt euch doch, Justin! Wo ist dein Problem? Ich dachte, ihr hättet euch heute ausgesprochen?"

"Haben wir."

"Und?"

"Ich kann nicht mit ihm nach Spanien zurück."

"Wer sagt denn auch, dass du das musst?"

Sauer funkle ich Vincent an. "Ramon kann nicht hier bleiben! Er hat auf Malle ein Restaurant." Das weiß er doch. "Ergo muss ich mit ihm mit, falls wir zusammen alt werden wollen, und ..." Ich stocke. An Ramons Seite alt werden.

"Was und?", hakt Vince nach. "Das ist es doch, was du schon die ganzen Jahre über willst! Mit jemandem der dich liebt alt werden. Ob das jetzt hier ist, oder in Spanien, oder sonst wo auf der Welt spielt doch gar keine Rolle. Mit Laurin an der Seite würde ich überall hinziehen wollen. Das hätte ich auch früher mit Niels getan."

Ich schlucke hart. Niels, Vinnies Ex, ist vielleicht nicht der beste Vergleich. Obwohl ... "Und wenn du mit Niels bis ans Ende der Welt gegangen wärst? Und er dich dann verlassen hätte? Was hättest du dann gemacht?", frage ich leise.

"Darum geht es dir immer noch? Dass er dich verlässt, und du alleine dastehst?"

"Teilweise schon", gestehe ich. "Ich habe in Spanien doch nur ihn. Dann soll ich auch noch mit in seinem Restaurant arbeiten. Wenn er mich dann rausschmeißt, was mache ich denn dann?"

"Du kommst zurück zu uns."

"Es geht doch nicht nur darum!"

"Sag bloß!" Vince tut ganz erstaunt. Dusselkopf! "Muss ich jetzt wieder mit einem Beispiel von mir und Niels ankommen, damit du es begreifst?" Ich runzle die Stirn. "Ich habe ihn sehr, sehr geliebt, wie du weißt. Als er mich verlassen hat, war es, als hätte er mein Herz gleich mitgenommen. Aber sieh mich jetzt an! Jetzt habe ich Laurin."

"Toller Vergleich! Mach mir noch mehr Mut", pflaume ich ihn an.

"So meinte ich es doch gar nicht. Damit wollte ich nur sagen, dass man niemals den Kopf hängen lassen sollte." Ich verdrehe die Augen. Hat Vinnie heute nur so tolle Glückskeks-Sprüche auf Lager? "Aber ich will dir noch was sagen", fährt er leiser fort. "Damals hätte ich Niels fast als Geschäftspartner eintragen lassen. Eben weil ich mir sicher war, dass wir zusammenbleiben. Am Ende, als Niels weg war, musste ich mir eingestehen, dass ich beinahe überfordert war mit meinem eigenen Laden. Niels hat so viel für mich gemacht. Buchhaltung, Auflistungen, Preiskalkulationen. Das musste ich alles auf einmal wieder alleine machen und ich hätte fast aufgegeben, weil der Berg an Arbeit immer mehr anschwoll und ich noch total in der Trauerphase steckte.

Im Endeffekt hat Ramon ein genauso hohes Risiko dabei dich bei ihm arbeiten zu lassen, wie ich es damals mit Niels eingegangen bin. Er würde dich ganz sicher nicht in seinem Familienbetrieb arbeiten lassen, sozusagen seine Zukunft mit dir planen, wenn er sich nicht sicher mit dir wäre. Du hast da einen Hauptgewinn, mein Kleiner. Lass ja nicht zu, dass ihn dir ein anderer wegschnappt, nur weil du so lange zögerst zuzugreifen." Nachdenklich schaue ich Vinnie an. Hat er damit recht? Seine Erklärung hört sich jedenfalls ziemlich einleuchtend an.

"Meinst du?", frage ich dennoch noch mal nach. "Es kann trotzdem in die Hose gehen. Auch wenn ich ..."

"Justin!", unterbricht er mich barsch, umfasst mein Kinn, nicht fest, aber damit zwingt er mich dazu, ihn direkt anschauen zu müssen. "Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Das Sprichwort dürfte selbst dir geläufig sein. Und glaub mir, auch wenn das mit Niels nicht für ewig war, waren es doch die wundervollsten Jahre meines Lebens."

"Und was ist mit Laurin?" Meine Stimme hört sich plötzlich so dünn an.

"Was soll schon mit ihm sein?" Vince lächelt mich an und lässt mich wieder los. "Mit ihm wird auch der Rest meines Lebens unglaublich wundervoll werden."
 

***
 

~Justin~

Sonntag, neun Uhr morgens. Vince muss heute nicht arbeiten, weshalb er noch immer neben mir liegt und schläft. Normalerweise penne ich auch noch um diese Uhrzeit, wenn ich mal ausschlafen kann. Erst recht, wenn ich die halbe Nacht nicht schlafen konnte, so wie letzte Nacht. Dennoch bin ich jetzt wieder wach und denke nach. Über meinen Spanienaufenthalt, über Olaf, und natürlich auch über Ramon.

Eigentlich wusste ich es ja schon all die Zeit. Ich will Ramon. Will mit ihm zusammen sein. Ich liebe ihn ... Aber mit ihm zusammen ein Restaurant schmeißen? In der Pampa Mallorcas? Wahrscheinlich hassen mich jetzt die meisten dafür, dass ich nicht einfach zugreife und mir diese Chance möglicherweise entgehen lasse, aber ich kenne meine Antwort darauf noch immer nicht. Werde ich mit ihm gehen, wenn er wieder zurückfliegt? Und das wird er sicher bald. Er kann ja nicht ewig hier bleiben. Ramon hat Verantwortung zu Hause auf Malle.

Wieder und wieder denke ich an die Zeit dort zurück. Es war so schön gewesen. Das Meer, die Stille, da wir abseits der Touristenhochburg waren. Trotzdem lief das Restaurant immer gut. All die Abende, an denen Ramon und ich zusammen gewesen waren. Wie wir am Strand lagen, noch total ausgepowert und verschwitzt ... Das könnte ich dann jeden Abend haben. Jeden Tag zusammen mit Ramon im Restaurant stehen, ich könnte kellnern, oder Cocktails mixen. Das kann ich ja jetzt. Ich fange an zu lächeln. Wirklich eine schöne Vorstellung.

Ein leises Klappern reißt mich aus meinen Gedanken. Hört sich so an, als käme es aus der Küche. 'Ramon!' Vielleicht ist er ja schon wach?! Mein Blut rauscht schneller, und mir ist, als habe mich ein Stromschlag getroffen. Falls er schon wach ist, muss ihn sehen! Jetzt sofort!

Schnell werfe ich die Bettdecke von mir und flitze auf leisen Sohlen aus dem Schlafzimmer. Leider stellt sich alsbald heraus, dass nicht Ramon in der Küche steht, sondern Laurin. "Morgen. Schon wach?", begrüßt er mich lächelnd.

"Ja", grummle ich und rücke mir einen Küchenstuhl zurecht.

"Oh oh. Soll ich raten wer dir über die Leber gelaufen ist?" Ganz nach Ramon-Manier lege ich bloß den Kopf schief, sage aber nichts. "Oh je", seufzt er. "dann habe ich es euch gestern doch versaut?", fragt er leise und setzt sich zu mir an den Tisch.

"Nicht so richtig. Mach dir nichts draus. So konnte ich wenigstens noch mal ein wenig über alles nachdenken. Ganz ohne die Verwirrungen eines Kusses zwischen uns." Außerdem hat es mir wieder gezeigt, dass ich ohne Ramon eigentlich gar nicht kann. Das sage ich jedoch nicht laut, sonst plappert Laurin es nur wieder herum.

"Und was ist bei deinen Überlegungen herausgekommen?" Neugierig mustert mich Vincents Freund.

"So genau weiß ich das noch nicht", weiche ich aus.

"Ach Jus!"

"Was denn? Ihr habt mich einfach so überrumpelt! Mit Ramons Erscheinen hätte ich im Leben nicht gerechnet!" Ist doch wahr!

"Dann bist du noch immer sauer auf Vince und mich?" Oh Mann!

"Nein", knurre ich, "obwohl das eine ganz fiese Nummer war! Auch Ramons Auftritt im Velvet gestern, wenn ich das mal sagen darf." Dafür habe ich ihn noch gar nicht gerügt. Na ja. Am Ende war es dann doch ganz gut gewesen, dass Ramon da war.

"Ich würde ja jetzt gern sagen, dass es mir leid tut, aber das tut es nicht."

"Spare es dir", seufze ich.

"Also bist du nicht mehr sauer?" Ich schüttle den Kopf. Erleichtert trinkt Laurin einen Schluck Tee. "Schön. Aber zu unserer Verteidigung, es war wirklich nicht mehr mit anzusehen, wie du dich nach deinem Spanier verzehrt hast. Da mussten wir einfach eingreifen."

"Wenn du meinst", blaffe ich ihn noch immer leicht genervt an und greife in das Brotkörbchen.

"Jus? Darf ich noch was dazu sagen, ohne dass du gleich wieder sauer davonrennst?" Ich nicke schwach und schmiere mir einen Toast. "Als Ramon gestern Abend hinter der Theke gestanden hatte, wurde er übelst von den Gästen aber auch von unseren netten Kollegen angebaggert. Das kennst du ja. Und weißt du was? Es hat ihn kaum interessiert. Immer wieder hat er zu den Mitarbeiterräumen geschaut, ob du nicht endlich kommst. Er liebt dich wirklich und ich glaube auch nicht, dass er ein Blender ist." Ich erinnere mich. Das Gespräch mit meinen beiden Kollegen in der Umkleide. Sie können nur meinen süßen Spanier gemeint haben.

"Und das weißt du so genau, dass Ramon sich wirklich nicht für die heißen Typen dort interessiert hat?" Ich muss es einfach nochmal hören. Will unbedingt nochmal Laurins Meinung über meinen Ramon wissen.

"Oh ja!", bestätigt er mir überschwänglich. "Ich habe schließlich eine Menge Erfahrung in Sachen Blender und Aufreißer sammeln können. Ich merke es, wenn einer nur auf Sex aus ist, oder eben doch auf mehr. Oder glaubst du etwa, mit Vince hätte ich einen Fehlgriff gemacht?"

"Natürlich nicht! Vinnie ist die treuste Seele überhaupt!"

"Siehst du! Genau wie Ramon. Das sieht man in seinen Augen. Und wärst du nicht so blind vor lauter Liebe zu ihm, würdest du das auch sehen." Meine schlechte Laune verschwindet. Laurins Beharrlichkeit sei Dank.

"Danke", flüstere ich ihm auch gleich zu. "Danke, dass du Vinnie gefunden hast. Dass du für ihn da warst, als Niels aufgetaucht ist und ihm sogar geholfen hast das durchzustehen. Und jetzt hilfst du auch noch mir."

"Kein Ding!", winkt er ab. "Und hör ja auf. Ich werde ja noch ganz rot!"

Ich fange an zu lachen. "Ich hätte dich doch vor einem Jahr anmachen sollen. Leider hatte ich nicht den Mumm dazu", scherze ich.

"Du wolltest mich anmachen?"

"Ja. Aber dein Ruf hat mich abgeschreckt."

Laurin verdreht die Augen. "Ist vielleicht auch besser so. Denn wenn du mir Vince vorgestellt hättest, hätte ich dich leider abservieren müssen."

"Pööh!" So was! Laurin streckt mir die Zunge raus.
 

Hinter mir schwingt die Küchentür auf. "Ramon?" Wieder rinnen mir elektrische Schauer durch den Körper.

"Nein. Ich bin's nur." Vince! "Morgen."

"Morgen", wispere ich und merke, wie ich rot anlaufe. Das war jetzt offensichtlich, oder?

"Morgen mein Schatz. Gut geschlafen neben unserem heißen Spanier?"

"Wie ein Engel ...", säuselt Laurin Vinnie zu und küsst ihn. "Wir hatten eine Menge Spaß."

"Ehrlich?", fragt Vince seinen Angebeteten, der wild nickt. "Justin und ich hatten den auch, nicht wahr?"

"Zieht mich da nicht mit rein!" Abwehrend hebe ich die Hände und stehe auf. "Ich muss mal schnell wo hin."

Laurin lacht leise. "Verlauf dich aber nicht! Das Wohnzimmer ist tabu für dich."

"Ha ha!" Nun strecke ich ihm die Zunge raus und flüchte aus der Küche. Sollen die sich erstmal in Ruhe abknutschen nach ihrer auferzwungenen getrennten Nacht. Solange besetzte ich das Bad. Ich stelle mich schnell unter die Dusche, merke dann aber, dass ich ja gar keine frische Kleidung parat habe, da die noch im Wohnzimmer liegt. Dann muss ich mich eben erstmal in einen Bademantel wickeln, bis Ramon ausgeschlafen hat.

Mein Ramon. Ich kann es kaum erwarten ihn wiederzusehen. Nicht zu fassen! Wie habe ich es vorher nur ausgehalten ohne ihn? War ich wirklich so verbittert gewesen, dass ich mein schreiendes Herz nicht gehört habe? Anscheinend. Aber das, was ich nicht mitbekommen habe, haben dafür meine Freunde bemerkt. Nur dank ihnen ist Ramon jetzt hier und ich bin quasi gezwungen, meinem Herzlein zuzuhören. Und was es mir zuflüstert, das muss ich erst gar nicht mühsam entschlüsseln. Allein mein Verstand warnt mich noch immer vor dem Drängen in mir, mich einfach gehen zu lassen, alles hinter mir zu lassen, und zusammen mit Ramon in ein neues Leben zu starten. Aber dafür finde ich auch noch eine Lösung!

Mir dessen vollkommen sicher steige ich aus der Dusche, trockne mich ab und wickle mich in einen von Vinnies Bademänteln. Es geht mir schon viel besser als noch vor vierundzwanzig Stunden. Und wer weiß wie es mir morgen um diese Zeit geht? Vielleicht liege ich da noch mit Ramon im Bett und ... Die Badezimmertür geht auf. "Bese... tzt ..." Zufall! Immer wieder spielt der Zufall mir seine Streiche!

Warme, braune Augen richten sich perplex auf mich. "Ich wusste nicht, dass du hier bist! Ich wollte nicht ..."

"Schon gut Ramon." Wieder stehen wir uns gegenüber, sind so vorsichtig, als könnten wir etwas Falsches machen, sobald wir uns unüberlegt bewegen. Als wären wir rohe Eier, die schwankend umeinander herumtanzen.

Das Gespräch mit Laurin fällt mir wieder ein, und ich komme nicht umhin, Ramons Augen genauer zu studieren. Sieht man es ihm an? Kann man in ihnen ablesen, dass er nicht so ist wie Olaf?

Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Alles, was ich in ihnen sehe ist das warme, liebevolle Glühen, das er schon immer in seinen Augen hatte. Das und ... Furcht. Furcht davor, dass ich ihn wieder allein zurücklasse? Ist es das? 'Nicht er hat mir weh getan, sondern ich ihm', erinnere ich mich. Ich habe uns aufgegeben, aus Angst, wieder verletzt zu werden, doch er ist sofort hierher gekommen, als er erfahren hatte wo ich bin. Was meinte Vincent gestern Nacht? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ramon hat schon viel gewagt, nicht wahr? Und ich? Ich bin wieder geflohen. So kann das nicht weitergehen! Und auch, wenn ich noch keine Antwort auf die wichtigste Frage habe, darf ich auf keinen Fall zulassen, dass Vincents Befürchtung eintritt, und mir Ramon vor der Nase weggeschnappt wird, nur weil ich so lange gezögert habe. Der Gedanke ist einfach zu unerträglich, als dass ich dieses Risiko eingehen könnte. Ramon an einen anderen zu verlieren, wäre schlimmer, als ... Ja als was? 'Schlimmer als meine Angst vor ihm irgendwann zurückgewiesen zu werden', wird mir mit einem Schlag bewusst. Ich muss ihm zeigen, dass ich was für ihn empfinde, und es ist vorerst auch vollkommen egal, wie wir das in Zukunft regeln werden! Ich darf ihn nicht verlieren! Auf gar keinen Fall!
 

Meine Beine bewegen sich von ganz allein, tragen mich die wenigen Schritte zur Tür, in der noch immer mein verdutzter Spanier steht. Ich dränge mich an ihn, vergewissere mich mit einem fragenden Blick, ob das auch okay ist, was es für ihn natürlich ist, und schlinge meine Arme um ihn. "Bleib ruhig", flüstere ich. Seine braunen Augen flackern auf. "Guten Morgen."

"... Morgen ..." Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. Ramon kann mein Verhalten anscheinend gar nicht richtig einordnen und weiß auch gar nicht, was er jetzt tun soll. Spannen wir ihn noch etwas auf die Folter.

"Morgen? So hast du mich noch nie morgens begrüßt", necke ich ihn und atme tief ein. Ich fasse es nicht, aber er duftet selbst jetzt noch nach Salzwasser, Chili und Sonne!

"Buenos días." Ramons Erinnerungsvermögen scheint langsam in die Gänge zu kommen.

Aber ... "Da fehlt doch noch immer was", helfe ich ihm auf die Sprünge.

Endlich schlüpft ihm ein Lächeln auf die Lippen und er taut regelrecht auf, als er mir ein weiteres Mal antwortet, nachdem er mir nun auch seine Arme umgelegt hat. "Buenos días, mi corazón. War das jetzt richtig?"

"Absolut!", gluckse ich und recke mich ihm entgegen. Ramon riecht nicht nur nach Urlaub, Meer und Sonne, nein! Als sich unsere Lippen nach so langer Zeit endlich wieder treffen, merke ich, er schmeckt sogar danach! 'Und nach Früchten. Nach süßen, leckeren Südseefrüchten ...'

Unser Kuss wird schnell hemmungsloser, und ich habe Mühe, mich zurückzuhalten. Am liebsten würde ich mir diesen dämlichen Bademantel vom Leib reißen und meinem Spanier hier und jetzt beweisen, was ich noch immer für ihn fühle. Aber ich tue es nicht. Es ist der falsche Zeitpunkt dafür. Schade zwar, doch auch auf eine verquere Weise anregend. Unsere Lippen, die wie zwei Ertrinkende aneinander saugen und beißen, versprechen so viel, und wenn wir diese Versprechen jetzt alle einlösen würden, dann hätten wir ein Problem. Damit meine ich Vince und Laurin. Ich will nicht, dass sie das zwischen uns schon mitbekommen. Nicht heute, jedenfalls. Erst muss ich mir dessen sicher sein, was ich will. Oder besser gesagt: Was ich bereit bin zu tun, um das hier nicht enden zu lassen.

Deshalb löse ich mich von Ramon und lehne mich stattdessen gegen seine Brust. Seine Hände haben sich in meine Haare gestohlen und kraulen mich dort sanft. Wie schnell sein Herz rast ... "Mi corazón?", flüstert er leise in mein Haar.

Ich fange an zu grinsen. Wie passend. "Hm?"

"So gerne ich hier mit dir im Arm auch stehe, aber ich müsste mal ganz dringend."

"Oh!" Ich Dummkopf! Ich trete beiseite und mache das Bad für meinen Spanier frei. Die Badezimmertür schließt sich vor mir und Ramons lächelndes Gesicht verschwindet dahinter.
 

Im Flur bleibe ich unschlüssig stehen, entscheide mich dann dazu ins Wohnzimmer zu gehen, um mir schnell was überzuziehen. Saubere Kleidung ist schnell rausgesucht und übergestreift. Perfektes Timing, denn gerade kommt Ramon wieder.

"Soll ich draußen warten?", fragt er und bleibt abrupt stehen.

"Nein, bin fertig." Er nickt und lächelt mich schmal an. Er weiß noch immer nicht, woran er bei mir ist. "Ramon? Komm bitte her."

"Ist das auch in Ordnung?" Unsicherheit spiegelt sich in seinem Gesicht. Daran ist nur mein dämlicher Verstand schuld! Weil er mich weiterhin zurückhält, das zu tun, was ich doch eigentlich will. Doch damit ist jetzt erstmal Schluss!

"Dann würde ich dich nicht darum bitten", sage ich und setzte mich auf die noch ausgezogene Schlafcouch. Ramon setzt sich neben mich und schaut mich erwartungsvoll an. Man kann ihm ansehen, über was er gerade nachdenkt. Welche Frage ihn bedrückt. "Lass uns nicht heute darüber reden."

"Über was denn?" Ertappt knetet er seine Hände durch.

"Tu nicht so! Über Spanien. Darüber hast du doch gerade nachgedacht, oder?"

Er verzieht das Gesicht. "Ich will dich nicht zu was drängen! Bitte versteh das nicht falsch!"

"Ist schon gut, Ramon. Ich verstehe dich ja. Und ich habe wirklich darüber nachgedacht. Die ganze Nacht lang, aber ..." Ich greife nach seinen Händen und schaue zu ihm auf. "Ich bin mir noch nicht sicher." Traurigkeit in seinen braunen Augen. Aber auch Verständnis. "Das heißt jedoch nicht, dass ich mich gegen dich entscheide! Im Gegenteil! Ich will bei dir sein. Verstehst du?"

"Ich denke", wispert er und lächelt mich an. "Aber ich habe mir die letzte Nacht auch so meine Gedanken gemacht. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich hier bleiben werde, falls du nicht mit nach Spanien kommen willst. Ich will auch bei dir sein. Auch wenn das bedeutet, dass ich zurück nach Deutschland ziehen muss." Ich glaube, ich habe mich gerade verhört!

"Du willst alles aufgeben? Dein Restaurant? Deine Eltern? Dein bisheriges Leben?! Nur wegen ... mir?" Das kann er nicht ernst meinen! Niemals würde das jemand für mich tun! So was hat noch niemals jemand für mich getan!

"Ja. Außerdem ist es ja noch gar nicht mein Restaurant. Und meine Eltern kommen schon klar. Hätte ich mich nicht dazu bereit erklärt das Restaurant in Zukunft weiter zu führen, hätten sie es sowieso irgendwann geschlossen. Da liegt nicht das Problem. Das Problem ist, dass ich nicht zurück nach Spanien kann, wenn ich weiß, dass du hier bist. Und als Koch würde mich dann auch niemand mehr nehmen", kichert er.

"Wieso? Du bist doch ein hervorragender Koch!"

"Schon vergessen?", fragt er. "Seit du weg bist, bringe ich kein einziges Gericht mehr zustande. Und eine Stelle als Koch findet sich hier sicher auch für mich." So ein Idiot! Wie kann er mir das antun?

"Ich will nicht schuld sein, wenn du alles aufgibst. Tu mir das nicht an."

"Dann komm mit mir ..." Ramon senkt den Kopf und schluckt ein paarmal. "Überlege es dir einfach. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst. Ich warte auf dich." Mir wird ganz schwindelig. Wie soll ich mich jetzt noch entscheiden können?

Unsere Zweisamkeit wird rüde unterbrochen. Ein penetrantes Handyklingeln erfüllt den Raum. Ramons Handy. Das erkenne ich an dem Klingelton. "Ich muss da ran gehen. Mein Papa." Ich nicke und lasse seine Hände los. "Hola?"
 

Ich kann dem Gespräch nicht richtig folgen, dazu ist mein Spanisch zu schlecht und seine Worte zu schnell. Doch an Ramons Miene kann ich erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist.

"Ist was passiert?", frage ich ihn deshalb gleich nachdem er aufgelegt hat. "Ramon?"

"Meine Mutter. Sie liegt im Krankenhaus." Mein armer Liebling wird mit einem Schlag total blass um die Nase herum. Mich haut die Nachricht aber auch um.

"Was? Warum denn?"

"Ich weiß nicht genau. Irgendeine Operation. Der Empfang war so schlecht." Seine Hände beginnen zu zittern. "Ich muss nach Hause!", stößt er atemlos hervor und fängt an seine Sachen hektisch zusammenzusuchen.

Ich bin selbst ganz in Sorge. Larissa war wie eine Mutter für mich, als ich bei ihnen gewohnt habe. So gut es geht helfe ich Ramon alles einzusammeln und versuche ihn zu beruhigen. Doch was sagt man da am besten? Wenn die eigene Mutter zwei Flugstunden entfernt im Krankenhaus liegt und womöglich gerade operiert wird? "Ich fahr dich zum Flughafen, ja?"

"Nein! Nein, ich habe doch einen Leihwagen. Der muss zurück."

"Das kann ich doch machen."

"Bitte Justin! Ich ... Bleib du hier, ja? Ich nehme den nächsten Flieger nach Mallorca und komme so schnell es geht wieder zu dir. Okay?"

"Ist gut", ist das Einzige was ich rausbringe. Ramon fliegt nach Malle zurück …

Draußen im Flur begegnen wir Vince und Laurin, denen ich alles erkläre. "So fährst du mir kein Auto!", ranzt Vince Ramon an. "Du zitterst ja! Laurin, du nimmst meinen Wagen und ich fahre mit Ramons Mietwagen vorneweg. Dann kannst du auch sofort in den Flieger springen, während ich deinen Wagen zurückbringe."

Laurin tippt auf seinem Handy herum. "Der nächste Flieger ist in eineinhalb Stunden abflugbereit. Da sind auch noch Plätze frei! Wenn wir uns beeilen schaffst du den noch!", informiert er Ramon und steckt sein Handy wieder ein.

"Dann mal los!" Vince öffnet die Tür und scheucht alle hinaus.

"Ähm ... Leute? Und was mache ich?"

"Bleib du am besten hier. Wir sind bald wieder zurück." Wumms. Weg sind sie, lassen mich allein im Flur stehen.

"Danke Vince", knurre ich. "Dann bleibe ich eben hier und tue gar nichts!" Und wieder bin ich zurückgelassen worden, als wäre ich ein unfähiger, kleiner Junge, der nichts auf die Reihe bekommt. "Mit mir kann man es ja machen!"

Sauer stampfe ich ins Wohnzimmer und suche ein paar meiner Sachen zusammen. Schnell noch in meine Sneakers schlüpfen und schon bin ich startklar. Auf keinen Fall werde ich hier hocken bleiben, und auf die Rückkehr der beiden warten. Und wozu auch? Ramon werden sie ganz sicher nicht mit zurück bringen. Also kann ich auch gehen. Und ich weiß auch schon wohin.
 

******
 

Buenas noches - Gute Nacht

Buenos días - Guten Morgen
 

Und?Schon gespannt, wohin es Justin verschlagen wird? Und was Ramon in Spanien erleben wird? Und ob er und Justin sich jemals wiedersehen?

Fragen über Fragen. xD

Kapitel 5 - Ein ständiges hin und her

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 5 - Ein ständiges hin und her (Ohne Adult)

Kapitel 5 - Ein ständiges hin und her (Ohne Adult)
 

~Ramon~

Mir fliegt fast die Lunge raus und mir läuft der Schweiß in Strömen an Stirn und Rücken hinab, aber ich habe es geschafft! Keine vier Stunden nach dem Anruf meines Vaters stehe ich in den klimatisierten Räumen des Krankenhauses, in dem meine Mutter liegt. Schwer nach Luft schnappend lehne ich mich gegen die Rezeption und frage nach meiner Mutter, woraufhin ich in den dritten Stock verwiesen werde. "Papa!" Kaum oben angekommen sehe ich meinen Vater auf einem der Stühle sitzen.

"Ramon? Was tust du denn hier?" Dieser ist total überrascht über mein plötzliches Erscheinen und steht langsam auf.

"Ich bin sofort in den nächsten Flieger gesprungen, nachdem du mich angerufen hast", erkläre ich ihm und falle ihm in die Arme.

Fest drückt er mich an sich, so wie er es immer macht. "Aber wieso denn?", fragt er verblüfft und schiebt mich von sich.

"Wieso?" Ich lasse ihn wieder los und schaue meinen Vater an. "Mama liegt im Krankenhaus und du fragst wieso ich alles stehen und liegen lasse, um hierher zu kommen?"

"Ja!" Jetzt bin ich derjenige der fassungslos ist. "Ramon, das war total unnötig! Du hättest nicht extra herkommen müssen." Wie bitte? "Deine Mutter hat sich den Fuß gebrochen. Mehr nicht. Sie kann auch gleich wieder nach Hause. Ich warte nur darauf, dass die Ärzte ihren Fuß fertig eingipsen."

Die weißen Krankenhauswände um mich herum beginnen sich zu drehen. Kraftlos lasse ich mich auf einen der unbequemen Stühle fallen. "Aber vorhin am Telefon hast du doch was von Operation gesagt!"

"Nun ja ... Das habe ich, aber das war falscher Alarm. Sie dachten erst, man müsste den Knochen richten, doch das ist nicht nötig."

"Oh Mann! Papa!" Ich fasse es nicht!

"Tut mir leid Ramon. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du dich gleich in ein Flugzeug setzt und zu uns fliegst." Er setzt sich neben mich und klopft mir aufs Bein. "Aber da du schon mal hier bist: Wie war es denn in Deutschland? Hast du dich mit deinem Freund wieder vertragen?" Falsches Thema, falsche Frage.

Ich zucke mit den Schultern. "Wir haben noch nicht alles geklärt", antworte ich leise. "Justin hat Angst davor mit mir zurück nach Spanien zu kommen."

"Soll mal Mama mit ihm reden? Die kennt sich doch damit aus." Ich schaue meinen Papa schief an.

"Darum geht's nicht. Das hat private Gründe. Von seinem vorigen Freund ist er ganz schön verarscht worden. Justin kann mir einfach nicht vertrauen. Noch nicht." Nachdenklich zupfe ich an meiner Hose herum.

"Dann bleibst du erstmal in Deutschland?"

"Vorerst", antworte ich ihm leise. Von meinen eventuellen Auswanderungsplänen sage ich ihm erstmal nichts. Es steht ja auch noch nicht fest. "Das heißt natürlich nur, wenn Mama und du jetzt nicht meine Hilfe braucht."

"Ach was!", donnert mein Vater los. "Nächste Woche machen wir erstmal Urlaub. Dann ist das Restaurant sowieso zu. Solange halte ich die Stellung."

"Danke Papa."

"Wofür?" Da fragt er noch?

"Dass ihr mich so sehr unterstützt." So was ist wirklich nicht selbstverständlich, dass Eltern ihren Sohn, der eigentlich gerade den Familienbetrieb übernehmen soll, einfach nach Deutschland reisen lassen, damit er seinen Freund suchen kann. Seinen schwulen Freund, wohlgemerkt.

"Na was denkst du denn?! Flieg du mal lieber schnell nach Deutschland zurück und sieh zu, dass du Justin wieder mit hierher bringst! Und sag ihm, dass wir ihn auch vermissen, den kleinen Quälgeist." Ich fange an zu lachen.

"Vorher bleibe ich aber noch etwas hier und warte auf Mama, wenn es recht ist."

"In Ordnung. Aber danach fahr ich dich zum Flughafen." Ich stöhne auf. "Willst du etwa hierbleiben?"

"Nein. Aber vom Fliegen habe ich langsam die Nase gestrichen voll!" Mein Vater lacht leise.

"Jetzt siehst du mal, wie es mir in der Anfangszeit mit deiner Mama erging! Und da waren die Flüge nicht so günstig wie heute." Typisch Papa! Jetzt gehen seine alten Zoten über die Zeit los, in der ich geboren wurde. Gönne ich ihm eben mal den Spaß und höre ihm aufmerksam zu. Hab ja nichts Besseres zu tun ...
 

Wieder drei Stunden später sitze ich zum zweiten Mal am Tag im Flieger. Zurück nach Deutschland. Meine Mutter war ganz überrascht gewesen mich zu sehen. Doch das hielt nicht lange an. Denn als sie erfuhr, dass ich ohne Justin zurückgekommen war, verpasste sie mir einen Klaps und meinte, ich solle sofort zurück und mich ja nicht mehr ohne meinen Schatz hier blicken lassen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich manchmal wirklich denken, dass meine Mutter spanisches Blut in sich trägt. Doch ich glaube eher, dass sie sich das von meiner Oma abgeschaut hat. Sie war nämlich genauso.

Müde schaue ich hinaus auf die Wolken. Es ist schon erstaunlich, wie vorurteilsfrei sie hinter mir stehen. Ich war schon ganz aus den Socken, als sie mich nach meinem Outing nicht aus dem Haus gejagt hatten. Sie hatten mich nur angelächelt und gemeint, dass sie es schon längst gewusst hätten. Aber das hier?! Das grenzt für mich schon an ein Wunder. Nicht nur, dass sie mich so akzeptieren wie ich bin, sie haben mir auch noch ihren Segen gegeben, als ich ihnen von meinen Überlegungen erzählt hatte, Justin mit ins Boot zu holen. Sie waren sogar ganz begeistert davon. Sie mögen ihn wirklich sehr.

Ich blicke noch mal raus auf die weißen Wattewölkchen und schiele auf die Anzeigetafel vorn im Flieger. Noch knapp eine Stunde Flugzeit. Ich ziehe die Blende nach unten und lehne mich an die Flugzeugwand. Den Rest des Fluges über werde ich versuchen zu schlafen. Desto schneller vergeht hoffentlich die letzte Stunde, die mich noch von Justin trennt.
 

***
 

~Ramon~

/Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte .../ Ich lege auf. Na gut. Dann werde ich Justin eben überraschen. Ich verlasse den Flughafen und winke mir ein Taxi heran. Diesmal werde ich mir kein Auto mieten. Die Fahrt bis zu Vincents Wohnung ist nicht besonders lang und scheiß auf die paar Euros, die so eine Taxifahrt kostet! Nach den beiden Flügen sind das nur Peanuts.

Entspannt lehne ich mich zurück und lasse mich zu meinem Schatz kutschieren. Dennoch könnte ich mich selbst in den Hintern beißen. Das war so was von unnötig gewesen heute! Auch wenn es ganz schön war meine Eltern wiederzusehen. Wer hätte aber auch ahnen können, dass meine Mutter sich 'lediglich' einen Knöchel gebrochen hat? Aber bei Papas abgehacktem Anruf und dem Wort Operation hatte ich wirklich an das Schlimmste gedacht. Das nächste Mal informiere ich mich auf jeden Fall besser, bevor ich kopflos davonstürme. Na ja. Wenigstens hatte ich so eine ganz gute Übung, falls ich doch hier bleibe und drüben auf Mallorca etwas passiert. Man muss eben allem was Gutes abgewinnen, nicht wahr?
 

Eine halbe Stunde später stehe ich endlich vor Vincents Wohnung und klingle Sturm. Ich hätte ihnen ja was von Zuhause mitbringen können. Als Dank für ihre Gastfreundschaft. Das muss halt erstmal warten. /Ja?/

"Hola Laurin. Ich bin's wieder!"

/Ramon?/

"Erraten." Ich lache in mich hinein. Damit haben sie eindeutig nicht gerechnet!

Der Türsummer geht und ich trete ein. Von oben nähern sich Schritte. Ist das Justin? Falsch gehofft. Es ist Laurin, gefolgt von Vince. "Was machst du denn schon wieder hier?", fragt mich Vince.

"Falscher Alarm. Meiner Mutter geht es gut. Sie hat sich zwar den Knöchel gebrochen, aber ist schon wieder zu Hause. Sie haben mich gleich wieder hierher geschickt und meinten, ich solle erst wieder bei ihnen auftauchen, wenn ich Justin bei mir habe." Noch immer werde ich mit großen Augen und offenen Mündern angestarrt. "Wie dem auch sei", quatsche ich weiter, weil die zwei anscheinend keinen Ton herausbringen. "Ist Justin oben? Ich würde ihn gern überraschen."

"Nein ... ähm ..." Laurin guckt hilfesuchend Vince an.

"Justin ist nicht hier", meint dieser dann.

"Ist er arbeiten?"

"Nein", erwidert Laurin leise. "Fakt ist, wir wissen nicht wo er ist." Wie?

"Als wir vorhin nach Hause gekommen sind, war er weg. Er geht auch nicht an sein Handy. Keine Ahnung wo er steckt."

"Bei seinen Freunden ist er auch nicht. Die haben wir schon alle angerufen", beendet Laurin Vincents Erklärung.

Die Rädchen in meinem Hirn laufen heiß. "Meint ihr, das hat was mit meiner Abreise zu tun?" Justin ist doch hoffentlich nicht sauer auf mich?!

"Keine Ahnung", flüstert Laurin. "Aber ich glaube eher, dass er sauer auf uns ist. Weil wir ihn einfach hiergelassen haben." Klingt plausibel.

"Und was machen wir jetzt?", will ich wissen und folge den beiden nach oben in die Wohnung.

"Ich habe eine Liste gemacht, wo Justin ganz gerne manchmal untertaucht." Vince hält mir ein Stück Papier hin. Das sind aber viele Orte. "Irgendwo dort versteckt er sich bestimmt."

"Die wollt ihr alle abklappern?" Vince nickt. "Und wenn wir warten?" Ich weiß, es ist nicht meine Art, aber seit ich hier bin habe ich gelernt, dass man Justin am besten in Ruhe lässt, wenn er darauf besteht allein sein zu wollen.

"Das können wir. Aber du kennst Justin nicht so gut wie ich. Falls wir ihn unbewusst gekränkt haben, dann könnte es sein, dass er für längere Zeit abtaucht." Meint Vincent das etwa im Ernst?

"Macht er so was öfter?"

"Früher ja. Justin hat sich gelegentlich wochenlang nicht mehr bei mir gemeldet, wenn er sauer auf mich war." Wochenlang?!

Ich reiße Vincent den Zettel aus den Händen. "Wo suchen wir ihn zuerst?"
 

***
 

~Ramon~

Laurin hat seinen Freund Matthias angerufen, der sich spontan dazu bereiterklärt hat uns zu helfen. Zusammen mit Theo, Matthias' Freund, klappern sie einige Orte auf Vincents Liste ab. "Es wird bald dunkel." Unruhig schaue ich nach oben in den Himmel. "Vielleicht kommt er ja doch noch zurück."

"Ich rufe ihn noch mal an", beschließt Laurin und hält sich schon das Handy ans Ohr. "Mailbox."

"Mist!"

"Wir finden ihn schon. Weit kann er nicht sein." Hoffen wir mal, dass Vince Recht behält. "Haben die anderen beiden schon was?" Laurin schüttelt den Kopf.

"Das gibt's doch nicht! Wo steckt er bloß?" Das kann doch nicht angehen, dass Justin schon wieder davonrennt! "Wie soll ich das nur schaffen?", frage ich mich selbst und lasse den Kopf hängen.

"Was denn?" Laurin, der vorn neben Vincent sitzt, dreht sich zu mir herum.

"Wie kann ich Justin endlich begreiflich machen, dass er das Wichtigste für mich ist? Wenn er schon davonläuft, bloß weil ich ihm den Stress der hektischen Fahrt zum Flughafen nicht antun wollte, was passiert dann, falls wir uns mal richtig streiten? Muss ich dann wieder nach Deutschland fliegen und ihn auf Knien anbetteln zu mir zurückzukommen? Das heißt natürlich nur, wenn er auch mit mir zurück auf die Insel kommt."

Traurig sieht mich Laurin an, und auch Vincents Blick trifft mich kurz im Rückspiegel. "Du darfst dich davon nicht entmutigen lassen", versucht mich Laurin aufzumuntern. "Und ich bin mir fast sicher, dass er nur auf uns sauer ist und nicht auf dich. Du warst besorgt um deine Mutter. Das kann er dir nun wirklich nicht vorwerfen und wird er auch ganz sicher nicht, glaub mir." Hoffentlich.

Ich schaue aus dem Fenster, den Himmel immer besorgt im Blick, als wir in eine kleine Seitenstraße abbiegen. "Was ist hier?", frage ich.

"Justins Lieblingslokal", klärt mich Vince auf.

Der Wagen hält, wir steigen aus und betreten das Lokal. Doch keine Spur von ihm. Auch auf Vincents Frage hin, ob einer der Kellner ihn vielleicht gesehen hat, bekommt er nur Kopfschütteln als Antwort. "Dann suchen wir mal weiter." Laurin klopft mir auf die Schulter und weiter geht die Suche.

Wir stehen gerade an einer Ampel, als Laurins Handy klingelt. "Theo? ... Ja wir sind noch unterwegs. ... Nein. Ihr? ... Wo?" Mir bleibt fast das Herz stehen. Sie haben ihn? "Welche Richtung? ... Ist gut. Danke." Mit strahlendem Gesicht dreht sich Laurin erst zu Vince, dann zu mir. "Theo hat eine Spur!"

"Erzähl!" Aufgeregt beuge ich mich nach vorn, während Vincent wieder losfährt.

"Einer seiner Bekannten hat ihn in der U-Bahn gesehen. Richtung Stadtpark."

"Zum Stadtpark?!", ruft Vince und bremst scharf, ehe er rechts ranfährt. "Wieso bin ich nicht von selbst darauf gekommen?!" Er setzt den Blinker und wendet, ignoriert die wenigen Autofahrer auf der Straße, die ihm genervt zuhupen und rast den Weg zurück, den wir gerade gekommen sind.

"Hast du eine Ahnung wo er steckt?" Gespannt warte ich darauf, dass Vince Laurins Frage beantwortet.

"Ja und ob. Der Stadtpark liegt auf direktem Weg zu einem kleinen See in einem kleinen Wäldchen am Stadtrand. Dort waren wir früher oft. Ein kleiner Geheimtipp an heißen Tagen. Justin ist gern dort und es ist ruhig am Ufer des Sees. Der perfekte Ort für ihn zum Nachdenken, hat er mir mal gesagt."

"Zum Nachdenken, das hat er gesagt?", frage ich noch mal nach. Vince nickt. Hatte Justin heute Morgen nicht gesagt, er bräuchte noch etwas Zeit zum Nachdenken? Dann ist er vielleicht wirklich dort!
 

***
 

~Justin~

Endlich geht die Temperatur ein wenig runter. Zwar ist es hier nicht so heiß wie in der Stadt, dennoch erschwert mir die Hitze klare Gedanken zu fassen, obwohl das ja jetzt eigentlich gar nicht mehr nötig ist. In meinem Kopf herrscht endlich Klarheit und vollkommene Ausgeglichenheit. Das bedeutet, ich habe mich entschieden. Ich weiß jetzt was ich machen werde, wie meine Zukunft in groben Zügen aussehen soll.

Am Ende ist mir diese Entscheidung sogar ziemlich leicht gefallen. Das mag an dem Anruf von Ramons Vater gelegen haben. Der kleine Zwischenfall heute Morgen hat mich einiges klarer sehen lassen. Ramons überstürzte Abreise, dass er mich einfach hat stehen lassen, vor lauter Sorge um seine Mutter. Ich kann ihn natürlich verstehen. Ich hätte nicht anders gehandelt. Und ich hoffe noch immer, dass es ihr gut geht, jedoch war das der Anstoß für meine Entscheidung gewesen. Das Zünglein an der Waage: Spanien oder Deutschland. Es wagen, oder von vornherein verlieren, dafür aber mit einem blauen Auge davonkommen. Ja, am Ende ist mir die Entscheidung ziemlich leicht gefallen.

Glücklich darüber, endlich zu wissen was ich will, schaue ich auf das ruhige Wasser vor mir hinaus. Trotz der Wärme, haben sich hier heute kaum Badegäste eingefunden und die, die da waren sind schon wieder verschwunden. Ich bin also allein hier, genieße die Stille und liege im Gras unter einem schattenspendenden Baum.

Es knackt im Unterholz. Eindeutig menschliche Schritte, die auf mich zukommen. Will hier doch noch jemand schwimmen gehen? "Justin?! ... Justin!" Ist das Vince?

"Vinnie?" Ich stehe auf. "Hier bin ich!"

Zwischen den Büschen und dem tiefhängenden Geäst taucht Vincents Gesicht auf. "Oh Justin, was für ein Glück!" Hä? "Ich hab ihn!", ruft er über seine Schulter hinweg.

"Was ist denn los?" Erstaunt über den Aufruhr, den mein langjähriger Kumpel gerade an diesem idyllischen Örtchen veranstaltet, stemme ich die Arme in meine Hüfte.

"Wir suchen dich schon überall!"

"Wir?"

"Ja wir", erwidert er schnippisch. "Laurin und ich, Theo und Matthi und natürlich Ramon." Ramon?

"Er ist hier? Aber ich dachte ..."

"Justin! Da bist du ja!" Mir wird die Luft aus den Lungen gepresst, so fest zieht mich mein verrückter Spanier an sich, der eben mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit aus dem Gebüsch gerast kam.

"Was machst du denn hier?", frage ich verblüfft. "Ich dachte, du bist in Spanien!"

"War ich auch! Aber es war alles falscher Alarm."

"Deiner Mutter geht es gut?" Ramon nickt und erklärt mir, sie habe sich 'nur' einen Knöchel gebrochen. "Und das Restaurant?"

"Das bekommt mein Vater schon hin. Nächste Woche ist es erstmal wegen Urlaub geschlossen. Sie waren ganz sauer auf mich, dass ich einfach ohne di... dass ich überstürzt zu ihnen geflogen bin. Mein Vater hat mich wieder zum Flughafen gefahren und ich bin zurück nach Deutschland geflogen, wie du siehst." Und wie ich das sehe! Ich hätte heute wirklich mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass Ramon plötzlich wieder auf der Matte steht. "Ich soll dir liebe Grüße von meinen Eltern ausrichten und dass sie dich vermissen." Ramon lässt mich wieder los und starrt auf den Boden vor sich. Ich merke, dass er mir etwas verschweigt.
 

Hinter Ramon stehen Laurin und Vince, die uns abwartend beobachten. "Könnt ihr uns mal allein lassen?", frage ich sie.

"Klar! Wir warten dann solange im Auto, ja?" Ich nicke dankbar. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich mein Gespräch mit Ramon noch aufschieben könnte, meine Worte vorher noch zurechtlegen könnte, doch das muss jetzt wohl oder übel ausfallen. Improvisieren ist angesagt.

"Setzten wir uns?" Ich deute auf das Gras, auf dem ich schon den ganzen Tag lang gesessen habe. "Das hier ist mein Lieblingsplatz", beginne ich ganz zwanglos zu erzählen. "Hierher komme ich immer, wenn ich ..."

"Nachdenken muss?" Ramon lächelt mich an.

"Ja, woher weißt du das?"

"Vincent", erklärt er und zupft sich einen dicken Grashalm zurecht. "Und? Hast du nachgedacht?"

"Habe ich." Ramon atmet tief ein und schaut auf den See hinaus. "Und ich habe mich entschieden." Der Grashalm segelt auf Ramons Schoß. "Darüber würde ich gern mit dir reden."

"Ist gut." Er ringt sich ein Lächeln ab, das allerdings kaum seine Augen erreicht. Man sieht ihm an wie angespannt und nervös er ist. Willkommen im Club, mein Lieber. Mir geht es nicht anders.

"Als heute morgen der Anruf von deinem Vater kam, und du so besorgt um deine Mutter warst, das hat mich richtig zum Grübeln gebracht."

"Inwiefern?", will Ramon wissen. Er hat einen weiteren Grashalm in der Mangel, den er mit zitternden Händen zerpflückt.

Ich greife nach seinen Händen und halte sie fest. "Du kannst nicht hier bleiben. Falls etwas auf Mallorca passiert, und du sitzt hier fest, das würde ich mir niemals verzeihen."

"Aber ...!"

"Lass mich ausreden, ja?" Zähneknirschend bleibt Ramon ruhig und hört mir weiterhin zu. "Weißt du noch, als du in Vincents Küche gestanden hast und ich abgehauen bin?" Schwaches Kopfnicken. "Ich bin bei Daniel untergekommen. Er hat anscheinend einen Neuen, einen Zauberer", lache ich und fasse es noch immer nicht, dass unser stets skeptischer Daniel an einen gedankenlesenden Magier geraten ist. "Jedenfalls hat er mir schon an diesem Abend viel zum Nachdenken gegeben. Alles zu erklären würde jetzt zu lange dauern, aber es endete damit, dass er mir die Karten gelegt hat."

"Die Karten gelegt?" Ramon beginnt schmal zu grinsen.

"Jepp. Denk jetzt aber ja nicht, ich glaube an so was! Tue ich nämlich nicht, doch trotzdem haben mich Magnus' Worte irgendwie beruhigt. Er sagte, dass in der Zukunft was Tolles auf mich wartet, ich müsse nur auf mein Herz hören."

"Wirklich? Das hat er dir vorausgesagt?"

"Mehr oder weniger", sage ich leise und verdrehe die Augen. "Und auch, wenn ich wirklich und unwiderruflich nicht an so einen Humbug glaube, hat er vorher etwas sehr Wahres zu mir gesagt." Ich schaue tief in Ramons braune Augen. "Er sagte, wir wären füreinander bestimmt und dass ich mich nicht dagegen sperren sollte, weil es dir und mir große Schmerzen bereitet."

Ramon legt den Kopf schief und ich widerstehe dem Drang ihn deshalb an mich zu ziehen. "Dieser Zauberer kennt mich?"

Ich setzte zu einer Antwort an, bekomme aber kein Wort heraus. Stattdessen lache ich laut. "Nein!", keuche ich schließlich. "Frag mich besser nicht, woher er das wusste. Dieser allwissende Zauberer ist auch noch ein hervorragender Gedankenleser!" Ramon sieht immer verwirrter aus. "Ich habe keinen blassen Schimmer wie er das eigentlich hinbekommen hat und woher er das alles wusste. Es bleibt mir selbst ein Rätsel, aber es ist auch egal. Außerdem will ich dir doch noch viel mehr erzählen." Noch immer kichernd lege ich meine Stirn an seine. Mein armer süßer Spanier! Er versteht gerade wohl gar nichts mehr!
 

~Ramon~

Zauberer? Karten legen? Gedanken lesen? Was bezweckt Justin damit? Was will er mir damit bloß sagen? Ich dachte, hier geht es um uns! Unsre gemeinsame Zukunft, die ich mir so sehr ersehne. Warum redet er jetzt von Zauberern und dergleichen? "Schau nicht so. Ich komme bald auf den Punkt. Ich verspreche es dir." Das hoffe ich! Ich sterbe gleich vor Aufregung! Justins Stirn, die mich eben noch berührt hat, weicht wieder vor mir. Seine Hände aber bleiben auf meinen liegen, was in mir leise Hoffnung weckt. Noch sieht es nicht so aus, als würde er mir einen Korb geben. Einzig seine Aussage, ich könne nicht in Deutschland bleiben, weil er es sich nie verzeihen würde, wenn bei mir Zuhause etwas passiert während ich hier bei ihm bin, bringt mich leicht aus der Fassung. Das kann man jetzt positiv oder negativ auslegen. Je nachdem wie Justin sich entschieden hat.

Justin spricht weiter und bringt damit hoffentlich mehr Licht ins Dunkel. "Als wir voneinander getrennt waren, ging es mir schlecht, aber das weißt du ja. Darüber haben wir uns schon unterhalten. Und auch weshalb ich aus Spanien geflohen bin weißt du. Dass ich dir so gern vertrauen würde, es aber nicht richtig kann. Daran bist nicht du schuld. Das ist allein meine Schuld, und ich kämpfe wirklich so gut es geht dagegen an, nur ..."

"Das ist nicht deine Schuld!", widerspreche ich ihm. "Es ist doch ganz klar, dass man das Vertrauen irgendwann verliert, wenn man ständig verarscht und hintergangen wird. Aber ich schwöre dir, alles was ich will ist, dass wir zusammenbleiben! Ich will dich Justin! Ich liebe dich!" Meine Haut pulsiert und kribbelt. Ich weiß, er hat sich schon entschieden, aber ich möchte einfach, dass er das noch mal von mir gesagt bekommt. Dass er mir vielleicht doch sein Vertrauen schenken kann.

"Ramon, lässt du mich erstmal ausreden?" Ich seufze. "Danke." Er lächelt mich an. Ich würde ihn so gern küssen, traue mich nur nicht. "Nachdem wir uns also ausgesprochen hatten, ging es mir zwar schon besser, aber noch immer wusste ich nicht, was ich jetzt tun soll. Dann kam Vince, mit dem ich mich unterhielt. Und er erklärte mir alles aus seiner Sicht. Er ist noch nicht lange mit Laurin zusammen und hatte vorher eine langjährige Beziehung mit Niels, der auch mit ihm zusammen im Antiquitätenladen gearbeitet hatte. Am Ende meinte er, dass ..." Justin verstummt und lässt meine Hände los.
 

Panik erfasst mich. Was ist denn jetzt los? "Justin?" Ich bin versucht nach ihm zu greifen, mich ihm anzunähern, wage es aber nicht.

"Weißt du was?", flüstert er schließlich und leckt sich über die Lippen. "Es ist egal, was er gesagt hat, und was dazu geführt hat, dass ich mich schlussendlich entschieden habe. Eigentlich wollte ich dir all das erzählen, aber es ist unnötig. Ich bin feige, Ramon." Traurig sieht er mich an und mir schnürt sich das Herz zusammen. "Feige und einsam."

"Sag das nicht", wispere ich.

"Doch. Denn so bin ich eben, so war ich schon immer. Ich habe mir selbst nicht vertraut und konnte somit auch anderen nicht vertrauen, obwohl ich es immer wieder versucht habe. Und das hat mich regelrecht blind gemacht vor dem Offensichtlichen. Ich kann mir in Liebesdingen selbst nicht vertrauen." In meinem Inneren herrscht völliges Chaos. Ist das jetzt das Ende? Verlässt Justin mich? Das könnte ich nicht ertragen! "Mein Leben lang bin ich etwas nachgerannt, das ich immer bei dem Falschen gefunden zu haben glaubte. Habe all die Anzeichen übersehen, die bei einem normal denkenden Menschen alle Alarmglocken hätten schrillen lassen. Das wurde mir jetzt erst klar. Es gab seitdem nur einen Moment, einige wenige Tage, in denen das nicht so war." Ich wage es kaum zu atmen. Meint er das, was ich glaube, das er es meint? "Das waren die Tage, die ich mit dir zusammen verbracht habe", sagt er leise. "Es ist mir erst heute aufgefallen, als du weg warst, ab nach Mallorca und ich dachte: Warum bist du Trottel nicht mit? Ich hatte plötzlich solche Sehnsucht nach dir. Nach diesem kleinen Haus am Meer, sogar nach deinen Eltern." Justin lacht leise. "Ich wusste schon heute Morgen, dass ich nicht ohne dich sein will, aber als dich die Nachricht von deinem Vater erreichte, da wusste ich, dass wir nicht in Deutschland leben können. Du gehörst auf diese kleine Insel. In dein Zuhause. Genau wie ich."

Es dauert, bis ich begreife, was Justin mir da gerade erzählt hat. Es braucht lange, bis seine Worte von meinem Hirn verarbeitet worden sind und ich das Ausmaß von ihnen begreife. "Du kommst also mit? Mit zurück nach Mallorca?", stammle ich schließlich.

"Ja. Wenn du mich noch willst."

"Ob ich dich noch will?" Daran zweifelt er noch?! Ich bringe keine weiteren Worte mehr raus, falle meinem süßen Chaoten einfach in die Arme und zerquetsche ihn an meiner Brust. Nie wieder! Nie wieder lasse ich ihn jetzt noch mal los!
 

~Justin~

Lachend erwidere ich seine Umarmung. "Du zerdrückst mich", japse ich, kann es aber selbst nicht lassen, ihn zwischen meinen Armen einzuklemmen.

"Mi vida", flüstert er leise in mein Ohr, gefolgt von sanften Küssen. "Mi corazón ... Mi guapo loco ..."

"Verrückt bist hier nur du", lache ich leise und schiebe ihn ein Stück von mir. "Mein verrückter Spanier. Fliegst einfach kopflos durch die Lande, für die Menschen die du liebst." Ich versinke in seinen schokoladenbraunen Augen.

"Das ist doch wohl klar. Für meine Familie mache ich alles." Sein Lächeln wird breiter. "Dazu gehörst auch du ab jetzt. Ob du willst, oder nicht."

"Oh je!", seufze ich. "Da gibt's nur ein Problem dabei."

"Welches?"

"Mein Spanisch ist total grottig. Wie soll ich mich da mit deiner Familie unterhalten können?" Wir lachen leise, bevor ich Ramon ganz loslasse, ihn nach unten auf den Rücken drücke und mich bäuchlings auf ihn lege. Das Kinn bette ich auf meinen Armen, die ich über Kreuz auf seiner Brust abgelegt habe. Dabei kreist Ramons Zeigefinger sanft auf meiner Stirn umher. Die Sonne steht mittlerweile so tief, dass sie schon hinter den Laubbäumen hinter uns in Deckung gegangen ist. Nicht mehr lange und es wird dunkel. Doch eins muss ich ihm noch sagen, bevor wir uns durchs Unterholz schlagen, zurück zu Vinnie und Laurin. "Weißt du, was ich noch nicht getan habe?", frage ich ihn leise.

"Was denn?"

"Ich habe dir noch gar nicht gesagt, dass ich dich auch liebe", wispere ich und spüre, wie Ramons Finger aufhört sich zu bewegen. Er hält sogar die Luft an. "Ramon? Te amo mucho mi querido." Die braunen Ringe um seiner Pupille herum werden kleiner. "War das so richtig?"

Zögerliches Nicken, ehe er mir japsend antwortet: "Ja ... Ja! Das war so richtig!" Ich werde auf einmal herumgewirbelt und lande unter meinem feurigen Spanier. "Absolut perfekt!", lacht er rau und verschließt mir den Mund.

Seufzend bette ich meinen Kopf im Gras und schließe die Augen. Ramons Zunge stürmt meinen Mund, plündert ihn regelrecht, bevor ich sie zurückdränge und im Gegenzug nun seinen Mund auslote.

Unser Tun lässt uns beide nicht kalt. Ganz klar, haben wir doch so lange aufeinander verzichtet. Ich war ja so dumm! Hart drückt sich Ramons Schritt gegen meinen Oberschenkel. "Ramon ...? Wir sollten zurück und ... zu Hause ..."

"Geht nicht!", keucht er ungeduldig und rutscht an mir hinab. Ich kann gar nicht so schnell gucken, wie er mir die Hose öffnet. Unsicher schaue ich Richtung See. Er ist immer noch verlassen, und sicher kommt um diese Uhrzeit niemand mehr hierher. Wir wären demnach ungestört, wenn da nicht Vince und Laurin im Auto auf uns warten würden.

"Ramon? ... Bitte! Wir können dohoooo!" Ich sinke zurück ins Gras. Müssen Laurin und Vince eben noch etwas länger warten …
 

*
 

~Ramon~

Oh Dios mío! Increíble! Ich löse meine verkrampften Finger aus Justins Haar und hänge noch immer dem erlösenden Pochen nach, das in mir pulsiert und nur langsam nachlässt. Aus schmalen Schlitzen schaue ich hinab zu meinem Süßen, sehe ihm zu, wie er mich noch immer in der Mangel hat. Dabei sieht er mich ebenfalls an und ... lächelt! Himmel! Das ist fast schon wieder zu viel! Es sticht heiß in meinen Lenden und ich erschaudere. Diesen Anblick muss ich mir unbedingt einprägen!

"Und? War's gut?" Freches Aas!

"Hm ... Weiß nicht ..." Leider kann ich ein Grinsen nicht unterdrücken, weshalb mir Justin einen Klaps auf den Bauch verpasst.

"Lügner!", lacht er.

"Warum fragst du mich erst, wenn du weißt, dass es mir gefallen hat?"

"Nur so ..." Seufzend schmiegt er sich an meine Brust und krault über die Stelle auf meinem Bauch, der er eben noch den Klaps verpasst hat.

Stille kehrt ein. Eine himmlisch erschöpfte Stille. Ich könnte jetzt auf der Stelle einschlafen, wäre da nicht die Freude über Justins Entscheidung, die mir ein wärmendes, ruheloses Bauchgefühl beschert. Er kommt tatsächlich mit mir! Ich fasse es noch immer nicht richtig, frage deshalb lieber noch mal nach. "Du kommst also wirklich mit mir? Nach Spanien?"

Justins Hand hält inne. "Habe ich dir das vorhin nicht gesagt?"

"Ich wollte es nur noch mal hören", flüstere ich.

Mi corazón dreht seinen Kopf zu mir und sucht meinen Blick. "Sobald du zurück nach Spanien fliegst, werde ich dich begleiten." Ein Kuss folgt. "Hast du eigentlich eine Ahnung, was da für ein bürokratischer Hickhack auf mich zukommt? Ich muss da doch sicher auf tausende Ämter, wenn ich in Spanien bleiben will."

da doch sicher auf tausende Ämter, wenn ich in Spanien bleiben will."

Ich nicke schwach. "Mit Sicherheit. Meine Mutter hilft uns da bestimmt weiter. Die hat das auch schon alles mehr oder weniger durch."

"Na schön. Aber vorher lass uns noch ein bisschen die Ruhe genießen, ja?" Da bin ich doch voll und ganz seiner Meinung!
 

******
 

Mi vida - Mein Leben

Mi corazón - Mein Herz

Mi guapo loco - Mein verückter Süßer/Hübscher

Te amo mucho mi querida - Ich liebe dich so sehr, mein Schatz

Oh Dios mío! - Oh mein Gott!

Increíble - Unglaublich

Kapitel 6 - Te amo

Es tut mir ja leid, es sagen zu müssen, aber das hier ist vorerst das letzte Kapitelchen. Ich beeile mich aber mit meinen anderen Barkeeperstorys. Versprochen!

Und wer weiß? Vielleicht treffen wir Justin und die anderen bald mal wieder. ^^

Jetzt kommt aber erstmal das Ende von 'Barkeeper in Love' und danach geht's mit neuem Schwung an die nächsten Geschichten. *Gelenke in den Fingern knacken lasse.* Ran an den Speck!
 


 

Kapitel 6 - Te amo
 

~Justin~

"Fuck! Mein Auge!" Ich bleibe wie angewurzelt stehen.

Ramon rennt in mich rein, doch wir fangen uns wieder. "Hast du einen Ast abbekommen?" Ich nicke, was er im Dunkeln gar nicht sehen kann.

"Ja", krächze ich deshalb und reibe mir über das linke Auge.

"Sehr schlimm?"

"Nein. Geht schon wieder. Lass uns lieber weiterlaufen."

"Gut. ... Und wo lang? Hier sieht man die Hand vor Augen nicht! Oder die niedrig hängenden Äste ..." Ha ha!

"Folge mir einfach. Ich kenne den Weg." Ich umfasse Ramons Hand fester und laufe weiter. Diesmal mit gesenktem Gesicht. Sicher ist sicher.

Als wir dann endlich auf dem kleinen Kiesweg stehen, bin ich richtig erleichtert. "Vincents Auto steht irgendwo da vorn." Ramon zeigt in die Richtung.

"Dass sie uns noch nicht suchen", überlege ich. "Oder vielleicht tun sie es ja, und irren auch im Wald rum!" Ich bleibe stehen. "VINNIE?! LAURIN?!" Ich lausche. Nichts.

"Gehen wir erstmal zum Wagen, bevor du den halben Wald zusammenbrüllst", schlägt Ramon vor.

"Von mir aus." Der Gedanke, meine beiden Freunde irren nun wegen mir im dunklen Wald herum, bereitet mir Bauchschmerzen. Warum mussten wir auch einschlafen?

Circa zwanzig Meter weiter sehe ich Vinnies Wagen im Dunkeln vor uns auftauchen. "Da!" Wir rennen los. "Vinnie?!" Schlitternd komme ich zum Stehen, Ramon direkt an meiner Seite. Drinnen im Auto bewegt sich was. "Was für ein Glück!", stöhne ich. "Sie sind uns nicht suchen gegangen!" Total froh darüber, öffne ich die Fahrertür. Doch kaum habe ich sie einen Spalt weit geöffnet, wird sie von innen wieder zugezogen.

"Moment!", zischt mir Vinnie zu. Verdutzt starre ich auf die verschlossene Tür.

Ich kapiere erst gar nicht was das soll, bis Ramon mich am Arm packt und kichernd vom Auto wegzieht. Ich zähle eins und eins zusammen. "Die haben doch eben nicht ...? Oh Mann!" Wie peinlich! Ich schlage die Hände vors Gesicht.

"Anscheinend haben sie unsere Abwesenheit mehr als genossen", gluckst Ramon und legt seinen Arm um mich.

"Sieht so aus."

Geduldig warten wir, bis im Innenraum des Autos endlich Ruhe eingekehrt ist und sich die Fahrertür wieder öffnet. Ein zerknautschter Vincent lächelt uns verlegen an. "Ihr dürft jetzt", sagt er leise räuspernd und winkt uns heran.

Ich unterdrücke ein Lachen, während wir hinten einsteigen. "Ich hoffe, ihr wart nicht hier hinten", foppe ich die beiden. Ramon stößt mir leicht gegen die Rippen. So was!

Laurin murmelt irgendwas und versinkt tiefer im Beifahrersitz. Na toll! Sie waren hier hinten ... Dafür verdienen sie noch einen dummen Spruch. "Vinnie? Deine Frisur ist ganz zerzaust. Außerdem liegt hier ein Socken ..."

"Wo?!" Laurin schnellt herum. Mit zusammengepressten Lippen, damit ich nicht laut loslache, und spitzen Fingern reiche ich ihm seinen abhandengekommenen Socken. "Danke."

"Immer wieder gern."
 

Die Fahrt über bleibt es still im Auto. Woran das nur liegt? Hihi! Bis auf Ramon und mein gelegentliches Kichern und unseren leisen Kussgeräuschen gibt es nichts zu hören. Erst in Vincents Wohnung kehrt wieder Leben in die beiden. Laurin schiebt gerade zwei Pizzen in den Ofen, während Vincent Ramon und mich eingehend mustert. Mal sehen, wann er beginnt uns auszufragen.

Geschirr klappert, Besteck wird aus dem Schubfach geholt. Aber noch immer fragt uns niemand, was jetzt eigentlich zwischen uns abgelaufen ist. Der Ofen piepst, Laurin zerrt die dampfenden Pizzen heraus und schneidet sie in gleichgroße Stücke. Danach stellt er sie auf die Mitte des Tisches, während er und Vincent uns gegenüber Platz nehmen. "Guten Appo!", wüsche ich allen und greife zu. Doch Laurin klatscht mir auf die Finger, noch bevor ich mir ein lecker duftendes Stück schnappen kann. "Hey!"

"Erst erzählt ihr uns, was zwischen euch am Seeufer vorgefallen ist, und weshalb ihr uns habt so lange warten lassen", herrscht mich Laurin an.

"Das Warten hat euch doch mehr als gefallen, oder?" Laurin hebt eine Augenbraue, und Vincent lacht leise.

Falsche Reaktion! Warum ist ihnen das nicht peinlich? "Am Ende schon, aber davor haben wir uns richtig Sorgen um dich Querkopf gemacht! Warum bist du einfach abgehauen und hast uns noch nicht mal eine Nachricht hinterlassen?"

"Ihr hättet mich doch anrufen können", blaffe ich Laurin an.

"Dein Handy war aus", schaltet sich nun auch Vinnie ein. "Wir haben es bestimmt hundert Mal versucht."

"Was?" Stirnrunzelnd ziehe ich mein Handy hervor. "Oh, hab ich gar nicht bemerkt." Ich schalte es an und schon trudeln die verpassten Anrufe ein. Viele davon sind von Ramon. "Tut mir leid", seufze ich.

"Vergeben und vergessen, wenn du mir endlich sagst, was jetzt mit euch ist!" Hui! Laurin platzt ja gleich.

"Was soll schon mit uns sein? Wir sind hier, oder nicht?" Ich zucke mit den Schultern. Ganz stolz darauf, dass ich in dieser Situation so ernst bleiben kann.

"Was sein soll?!" Laurin macht ganz große Augen. "Seid ihr jetzt wieder zusammen oder nicht?!" Huijuijuijui! Bevor der Arme mir noch einen Herzkasper bekommt, antworte ich lieber.

Fragend schaue ich Ramon an. "Und? Sind wir zusammen?"

Mein Spanier grinst vom einen bis zum anderen Ohr. "Sí", haucht er mir zu. "Natürlich sind wir das." Ich habe keine andere Antwort von ihm erwartet.

Er beugt sich zu mir und legt seine weichen Lippen auf meine. Laurin keucht ein "Na endlich!" und Vincent schmunzelt. "Ich hätte dir auch eine geschossen, wenn ihr noch immer nicht auf einen Nenner gekommen wärt! Ich war schon nahe dran euch bei einer Partnertherapie anzumelden." Mal ganz ehrlich? Laurin hat sie manchmal echt nicht alle!
 

***
 

~Ramon~

"Reichst du mir mal die weißen Bohnen?"

"Alle?"

"Ja. ... Danke."

"Hmm ... Riecht das gut! Das weckt Erinnerungen." Justin fächert sich mit der Hand den hellen Dampf, der aus der Pfanne steigt, zu.

"Welche denn?", frage ich grinsend.

"Das weißt du ganz genau!" Justin schiebt sich zwischen mich und den Herd. Nicht ungefährlich, da wir gerade vor einem Gasherd herumhantieren.

Fix trete ich einen Schritt nach hinten und ziehe mi corazón mit mir. "Hilf mir doch auf die Sprünge, mein Hübscher. Ich bin doch so vergesslich", schnurre ich ihm zu.

"Wenn du das sagst ..." Mir fallen die Augen zu. Sanft bewegen sich seine Lippen gegen meine, die sich ganz von selbst öffnen, als er mit seiner Zunge darüberfährt.

"Leute! Das brennt an!" Erschrocken löse ich mich von Jus und eile zur Pfanne. Laurin rührt schon wie ein Wahnsinniger darin herum. "Muss man die ganze Zeit ein Auge auf euch haben?", fragt er uns und schüttelt nicht ganz ernst gemeint den Kopf.

"Eigentlich nicht", erwidere ich. "Aber eins ist schon mal sicher." Ich suche den Blick meines Freundes. "Wenn Justin bei uns arbeitet, muss er die Küche meiden." Wir grinsen uns an.

"Ich dachte, du hättest alles anbrennen lassen, weil ich eben nicht bei dir war", fragt mich mein Schatz und drückt sich von hinten an mich.

"Das dachte ich auch ..." Hmm ... Er küsst aber auch zu gut ...

"Leute! Das Essen! Die Mannschaft hat schon Kohldampf!" Laurin drängelt und zerrt meinen Süßen von mir weg. "Du kümmerst dich ab jetzt um die Getränke, damit Ramon hier weitermachen kann. Hopp!" Lächelnd schaue ich den beiden nach, wobei mir Justin noch einen Luftkuss zuwirft. Kleiner Wirrkopf! Aber ich glaube, Laurin hat recht. Besser, ich koche ohne meinen caótico.
 

Alle, die ich in der kurzen Zeit hier kennengelernt und ins Herz geschlossen habe, sitzen an einem langen Tisch, den Vince heute Morgen zusammen mit Laurin im Hinterhof des Hauses aufgebaut hat. Marcell mit seinem 'Boss' Anton, Laurins Kumpel Matthias, der seinen Partner Theo mitgebracht hat, dann natürlich noch Laurin selbst mit Vince an seiner Seite und zu guter Letzt Justins guter Freund Daniel, der nebst seiner neuen Eroberung, dem Magier Magnus, hier aufgetaucht ist. Ein komischer Kauz, aber furchtbar nett.

Justin und ich betreten gerade mit der großen Pfanne im Schlepptau den Hinterhof, als all unsere Gäste erfreut anfangen zu jubeln. 'Ganz wie Zuhause', kommt es mir in den Sinn. 'Wie ein riesiges Familienfest.'

"Sieht das lecker aus!"

"Her damit!"

"Hunger!!!"

Vorsichtig stellen wir die riesige Pfanne auf den extra dafür vorgesehenen Tisch. Es war gar nicht so einfach gewesen, die Pfanne zu organisieren. Theo hatte das Wunder gestern Abend noch zustande gebracht. Er hat seinen kleinen Bruder um Hilfe gebeten, der auch prompt aushelfen konnte. Als Dank habe ich ihn natürlich auch eingeladen, doch leider muss er heute arbeiten. Schade, denn da er ebenfalls als Koch arbeitet, hätte ich ihn gerne kennengelernt.

"So Leute!", rufe ich zur langen Tafel gewandt und lege meinen Arm um Justin. "Hiermit wollen wir uns bei euch bedanken, dass ihr euch für uns ins Zeug gelegt habt und meinem Justin so lange ins Gewissen geredet habt, bis er gar nicht mehr anders konnte, als sich für mich zu entscheiden." Am Tisch lachen alle, nur Justin streckt mir die Zunge raus. So ein Frechdachs! "Danke an euch alle. Besonders an Laurin und Vince, ohne die ich meinen Justin niemals gefunden hätte." Ich drücke meinen Schatz fester an mich. "Wir hoffen, euch schmeckt die Paella! Que aproveche mis amigos! Greift zu!"
 

~Justin~

Arm in Arm treten wir zur Seite, damit die Vielfraße sich auf die Paella stürzen können. "Das hast du aber schön gesagt", flüstere ich meinem Spanier zu. Er lächelt mich breit an und verpasst mir einen Kuss.

Nachdem alle mit einem Teller voll Paella versorgt sind, setzten auch wir uns mit an den Tisch. Die Stimmung ist gut und wir müssen ein paar Mal erzählen, wie wir schlussendlich zusammengekommen sind. Auch werde ich oft gefragt, was nun ist, ob ich mit Ramon zusammen nach Spanien gehe. "Ja, das werde ich", antworte ich dann jedes Mal glücklich und freue mich mit jeder Minute mehr darauf.

"Echt?! Dann fliegen wir bald nach Malle?!" Mein Arbeitskollege Marcell macht große Augen.

"Warum das?", frage ich.

"Weil dein Lover uns alle dazu eingeladen hat euch zu besuchen, wenn du deinen Trotzkopf überwindest und ihm endlich in die Arme fällst." Kann mir mal einer sagen, seit wann Marcell so frech geworden ist?

"Aus der Nummer komme ich wirklich nicht mehr raus, was?", lacht Ramon und rührt in seiner Paella herum.

"Nein!" Marcell grinst sich einen ab. "Wir wollen alle nach Malle!"

"Und wie machen wir das dann?", will Anton nun von Marcell wissen. "Dann ist die halbe Belegschaft von meinem Club im Urlaub, oder wie sehe ich das?"

"Der Club läuft auch mit dem Rest der Belegschaft. Außerdem", Marcell grinst Anton breit an "stellst du dann eben endlich mal einen Buchhalter ein*", zirpt er.

"Damit ist es aber immer noch nicht getan, das weißt du. Ich bräuchte zuerst jemanden, dem ich meinen Club vollkommen anvertrauen kann! Außerdem ..."

"Leute, muss das jetzt ausdiskutiert werden?", frage ich. Kopfschütteln. "Gut so." Ich grinse immer noch, als ich mir eine gefüllte Gabel in den Mund schiebe und meinen baldigen Ex-Boss und seinen Freund anschaue. Was für ein ungleiches, aber dennoch schönes Pärchen.**
 

***
 

~Justin~

Gerne denke ich an diesen Tag zurück. War er doch der Beginn meines neuen Lebens. Unseres neuen Lebens.

Dass mir zu diesem Zeitpunkt der richtige Stress eigentlich noch bevorstand, das wusste ich damals noch nicht. Ewiges Gerenne zu sämtlichen Ämtern und schier unendliche bürokratische Vorgänge. Es war furchtbar! Zum Glück hatte ich Larissa an meiner Seite, die zwar noch ein wenig gehandicapt war mit ihrem Fuß, aber sie erklärte mir alles, half mir auf den spanischen Ämtern und stritt sich mit den Beamten. Ohne sie wäre ich verloren gewesen! Kaum zu glauben, dass das alles schon bald ein Jahr her sein soll, aber so ist es.

"Hast du alles fertig?" Ramons Kopf schiebt sich durch die geöffnete Küchentür.

"Ja. Alles sauber."

"Klasse! Dann lass uns mal Feierabend machen!" Die Lichter gehen aus und ich warte an dem Tresen gelehnt auf meinen Schatz. Pablo und Larissa haben heute frei gehabt. Sie helfen noch immer tatkräftig mit, auch wenn das Restaurant mittlerweile meinem Freund gehört. Die beiden können gar nicht anders, obwohl Ramon immer mit ihnen schimpft, sie sollen endlich ihre Freizeit genießen. "Ich freue mich schon so! Meinst du, die Bande passt in unser Auto?" Ramon kommt aus der Küche heraus und ist noch dabei sich die Hände mit einem Handtuch abzutrocknen.

Ich zucke mit den Schultern. "Wenn nicht, verfrachten wir einen Teil von ihnen in ein Taxi." Mich vom Tresen abstoßend, laufe ich zu meinem Schatz und umarme ihn. "Jetzt lass uns aber noch schnell den freien Abend genießen, ja? Bevor wir in unsrem Urlaub die ganze Bande Tag und Nacht bewirten müssen."

Ramon lacht leise und tupft mir einen Kuss auf. "Sí mi corazón."

Wir laufen durch den Keller und schließen die Tür dort noch ab bevor wir ins Freie treten und über den Strand auf unser Zuhause zulaufen. Hand in Hand schlendern wir durch den noch warmen Sand. "Ich muss Vinnie und Laurin noch mal wegen ihrer Ankunftszeit anrufen", überlege ich laut, "nicht, dass wir zu spät am Flughafen ankommen."

"Tu das. In der Zwischenzeit bereite ich noch was vor." Ramons dunkle Augen leuchten im Mondlicht.

"Du willst was vorbereiten?" Er nickt. "Was denn?"

"Wird noch nicht verraten." So ein Geheimniskrämer! Doch auch daran habe ich mich schon längst gewöhnt. Dass er immer wieder neue Dinge plant, um mich zu überraschen.

"Dann bereite du mal ruhig das vor, was du vorbereiten musst. Währenddessen rufe ich Vinnie an." Ich deute einen Kuss an und löse mich lächelnd von ihm. Hat er nun davon!
 

Drinnen im Haus wähle ich Vincents Nummer und schleiche mich mit dem Telefonhörer am Ohr ins Wohnzimmer. Von dort kann man von der Terrasse aus zum Strand runterschauen. Leider kann ich Ramon nicht richtig erkennen. Allein seinen hin und wieder umherhuschenden Schatten erspähe ich ab und zu. /Justin?/

"Hola Vinnie!"

/Ist deine Sehnsucht nach uns schon so groß, dass du es nicht mehr aushältst und mich aus dem Bett werfen musst?/, fragt er mich lachend.

"Und wie!", antworte ich, wobei die Fensterscheibe direkt vor mir beschlägt. Jetzt sehe ich gar nichts mehr! "Ich wollte nur wissen, wann genau ihr noch mal am Flughafen ankommt."

/So um kurz nach zehn. Ich schick dir aber morgen eine SMS, wenn wir durch die Kontrollen sind./

"Ist gut." Ich verenge meine Augenlider. Schleppt Ramon da gerade einen Eimer mit sich herum?

/Justin? Ist noch was?/

"Hm? Ach so! Eigentlich nicht."

/Was heißt eigentlich?/ Vincents Stimme nimmt einen strengen Ton an.

"Das heißt, eigentlich wollte ich dir erst morgen davon erzählen."

/Morgen? Sicher? Wenn wir euch zu acht belagern?/ Auch wieder wahr.

"Na schön", seufze ich und drehe mich von der Terrassentür weg. Nachdenklich plumpse ich auf die Couch. "Vor drei Wochen bin ich hier jemandem begegnet."

/Wem?/ Vinnie ist sofort alarmiert. Was er wohl gerade denkt?

"Ramon und ich waren in Palma. Ein bisschen ausspannen und durch die Läden tingeln. Jedenfalls stehe ich gerade vor einem Schuhladen und schaue ins Schaufenster, da ..."

/Ja?/

"Da war plötzlich Olaf", flüstere ich leise und schiele zum Strand.

/Ist nicht wahr! Und was hast du gemacht?/

"Gar nichts."

/Gar nichts?!/

"Ich hab mir bloß Ramon geschnappt und bin weitergelaufen."

/Du hast es ihm nicht gesagt?!/

"Nein, wozu auch? Das ist vorbei." Zum Glück! Und es hätte auch nichts gebracht, es ihm zu sagen. Nur Ärger und böses Blut. Wozu diesen Stress extra heraufbeschwören?

/Und du? Wie geht's dir?/

"Wie soll's mir schon gehen? Prima natürlich!"

/Keine erneuten Fluchtgedanken?/, will Vincent zögernd von mir wissen.

"Nein. Er ist mir egal, Vinnie. Alles was noch zählt stampft gerade vor unserer Terrasse durch den Sand." Ein warmes Kribbeln entflammt sich in meinem Bauch.

/Da bin ich aber froh!/, stößt Vinnie hervor. /Aber dass gerade Olaf in Palma rumrennt! So ein Zufall./

"Och, so außergewöhnlich ist das nicht. Du würdest dich wundern, wen ich hier schon alles getroffen habe." Das stimmt wirklich. Manchmal denke ich, ich würde noch immer in Deutschland leben, so viele Bekannte habe ich hier schon getroffen. Besonders an den einschlägigen Touristenhochburgen. Die Insel ist eben klein. "Okay Vinnie. Wir reden morgen weiter, ja? Schlaf gut und gibt Laurin einen eklig-feuchten Kuss von mir."

Vincent lacht. /Mach ich. Und du grüß mir deinen Ramon. Der kann sich schon mal auf was gefasst machen. Laurin ist schon ganz aus dem Häuschen, dass er ihn endlich wiedersieht./ Was?

"Und ich? Über mich freut er sich gar nicht, oder was?"

/Doch! Klar! Aber du weißt doch wie er ist. Ramon hat's ihm angetan./ Pffft! Vielleicht sollte ich Laurin wieder ausladen ... /Jetzt schmoll nicht! Bis morgen./

"Ist gut. Bis morgen mein Dicker."

/Dicker?! Na war.../ Schnell auflegen! Ramon klopft nämlich gerade an die Terrassentür. Hihi!
 

~Ramon~

Leise zischend schiebt sich vor mir die Glastür auf. "Hey du. Fertig telefoniert?"

"Ja! Und du? Fertig vorbereitet?"

"Sonst wäre ich nicht schon hier. Darf ich bitten?" Ich halte Justin meine Hand hin, die er hastig ergreift. Zusammen laufen wir zum Strand hinunter. "Weißt du noch? Unser erster Abend hier?"

"Natürlich weiß ich das noch", gurrt mein Süßer und lehnt im Gehen seinen Kopf gegen meine Schulter. "Aber da waren wir weiter vorn. Dort am Felsen." Justin zeigt zu besagter Stelle.

"Ich weiß. Deshalb gehen wir ja auch jetzt dorthin."

Mi corazón lacht leise und verpasst meiner Schulter einen Kuss. "Als hätte ich es geahnt."

"Echt?"

"Ja. Da flackert nämlich ein schwaches Licht." Der merkt auch alles!

Den Rest des Weges schweigen wir, bis wir vor der großen Decke halten, die ich im Sand ausgebreitet habe. Bestückt ist sie natürlich mit einer Schüssel voller Früchte, wie an unserem ersten Abend hier. Daneben habe ich ein hohes Glas in den Sand gestellt, in dem eine Kerze flackert. "Ein Candlelight-Dinner", flüstere ich Justin zu und ziehe ihn mit mir auf die Decke. "Bevor morgen die Hölle losbricht und uns unsere Freunde aus Deutschland belagern."

"Wir umsichtig von dir", gluckst mein Schatz und rutscht auf meinen Schoß. "Und wofür ist die hier?" Er deutet auf die rote Rose.

"Die ist für dich. Als Geschenk." Justin legt den Kopf schief. "Weißt du nicht mehr? Heute vor genau einem Jahr habe ich dich am Ballermann aufgegabelt."

Mi corazón macht große Augen. "Das war heute?" Ich nicke und fahre mit den Fingern über seine Wange. "Das weißt du noch so genau?"

"Natürlich. Das war schließlich der wichtigste Tag in meinem Leben." Zärtlich fahre ich mit meinen Lippen über seine. Wir beginnen uns zu küssen und Justin rückt dichter an mich heran, und als wir uns wieder voneinander lösen, liegen wir schon halb auf der Decke, Justin schräg unter mir. Seine Augen funkeln im schwachen Licht, als würden sich alle Sterne über uns darin spiegeln. "Und ich habe gar nichts für dich. Aber das hole ich nach, versprochen!"

"Das brauchst du doch gar nicht. Dass du jetzt bei mir bist reicht mir vollkommen. Außerdem", ich ziehe die Schüssel zu uns heran, "habe ich was für uns beide."

"Ich sehe es", kichert Justin und fischt ein Stückchen Ananas aus der Schüssel. "Wie an unserem ersten Abend?"

"Wie an unserem ersten Abend", bestätige ich und schnappe nach seinen Fingern. "Lecker! Solltest du auch mal probieren! ... Jus?"

"Das hier ist nicht ganz wie unser erster Abend. Weißt du wieso?"

"Wieso?"

"Weil", Justin reckt sich hoch zu mir, küsst mir über's Ohr und flüstert: "Te amo, Ramon. Mi vida. Mi corazón. Mi amor. Mi caahhhmmmnnn …!" Lachend fixiere ich Justin unter mir und verschließe ihm den Mund. Irgendwann ist auch mal gut mit den Kosenamen! Es gibt eindeutig Wichtigeres und vor allem Besseres, um seinem Liebsten zu zeigen, wie sehr man ihn liebt. Nicht wahr?
 

******
 

* Da kommt mir doch gerade eine kleine Idee ... ^_-

** Höhö! Natürlich bin ich schon fleißig dabei, die Story von Anton und Marcell fertig zu stellen.
 

Caótico - Chaot

Que aproveche mis amigos - Guten Appetit meine Freunde



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  -Phenix-
2016-08-14T09:09:35+00:00 14.08.2016 11:09
Puh, bin durch :P

Justin, du kleiner Obertrottel. *schimpf*
Ramon, du bist einfach Zucker :3 - gut gemacht!

Das war ja ein ganz schönes hin und her. Der kleine Zauberer ist eine sehr geheimnisvolle Figur - ich war schon fast versucht zuerst diese Story zu lesen. Aber ich wollte Justins Happy End natürlich nicht verpassen.

Laurin hat meine größte Hochachtung - Der kriegt alles wieder gebacken, oder? XD
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.08.2016 13:23
Ramon, der hartnäckige, heißblütige Spanier *roar* Kein Wunder, dass er Justin klein bekommt ;-)
Die Story über den Zauberer habe ich noch gar nicht fertig. :-S Die steckt immer noch fest bei einem Jahrmarktbesuch. *Haare rauf* Ich brauche mehr Zeit! Und mehr Hände. Ein zweiter Kopf wäre auch nicht schlecht ... xD

Irgendwie schon, ja. *gg* Laurin hat nicht nur beim Mixen geschickte Hände (wehe, du hast jetzt an was anderes bei dem Wort Mixen gelesen :-P) xD
Antwort von:  -Phenix-
14.08.2016 13:26
Das wird schon! *ein kreativ-hoch schick*

Ic? Neeeeeeein, niemaaaaaals - wie kommst du denn auf sowas? ;3
Von:  BloodyAugust
2014-11-19T20:01:34+00:00 19.11.2014 21:01
Hach Justin macht es einen aber auch nicht leicht, wie kann man nur so stur sein. Allerdings ist es sehr schnell passiert das man Menschen für die Fehler Anderer verantwortlich macht. Aber sie haben ja doch die Kurve gekriegt und Laurin ist ein ziemlicher Kuppler, war der schon immer so? Mir kam er vor Vincent irgendwie auch ein bisschen verbittert vor.
Antwort von:  Fara_ThoRn
20.11.2014 07:21
Ich hatte beim Schreiben auch das Gefühl, dass sich Laurin ziemlich verändert hat, nachdem er Vince kennengelernt hatte. Zum Positiven. ^^
Sicher hat er Justin und Ramon so sehr unter die Arme gegriffen, weil er gnau weiß, wie es sich anfühlt, alleine zu sein. Wahrscheinlich war er deshalb so 'euphorisch'. *gg*
Von:  tenshi_90
2014-09-10T06:58:51+00:00 10.09.2014 08:58
Das ist ein schöner Abschluss der Story :)

Endlich haben die beiden zusammen gefunden ^^
Von:  selena
2014-09-05T20:32:22+00:00 05.09.2014 22:32
waaaaaaaaaaaaaah wie zucker is das denn????!!!!!!
yay ich freu mich für die beiden. gut entscheidung, justin. *justin knuddelt*
glückwunsch ramon. *ramon auch knuddelt und ins ohr flüstert:* jetzt halt ihn aber auch sehr gut fest. am bestern fesseln und nie wieder los lassen. ;-D
Von:  tenshi_90
2014-09-03T18:32:04+00:00 03.09.2014 20:32
Also da geht es ja ganz schön drunter und drüber...Gefühlschaos pur
Von:  selena
2014-09-02T17:54:43+00:00 02.09.2014 19:54
neeeeeiiiiieeeeeeeeeeeeeennnnnnn!!!!!!!!!!!!!!!!
jetzt sind sie endlich schon soweit und dann muss sowas passieren?????? *sturzbachtränen heult*
arme larissa. ich hoffe es ist nix ernstes und ihr geht es bald wieder besser.
Antwort von:  Fara_ThoRn
03.09.2014 18:21
Ich weiß, ich bin gemein. ^^
Von:  tenshi_90
2014-08-31T18:04:22+00:00 31.08.2014 20:04
Ich liebe ramón :-) er ist einfach nur total süß
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.09.2014 07:13
Oh ja! Ich hätte auch gern so einen süßen Spanier. ;-)
Von:  selena
2014-08-31T17:50:12+00:00 31.08.2014 19:50
oh wie süüüüüüß!!!
die beiden sind ja sowas von knuffig zusammen.
dieser olaf is ja echt en scheißkerl, eh. hoffentlich taucht der nicht mehr auf.
und justin? ramon is echt zucker. behalte ihn jetzt bloß und lass den nicht mehr gehn, der meint es wahrhaftig ernst mit dir.
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.09.2014 07:13
Genau! Wasch dem ollen Jus mal den Kopf. Vielleicht hört er auf dich. ^^
Von:  tenshi_90
2014-08-29T15:28:35+00:00 29.08.2014 17:28
Die beiden sind aber auch süß zusammen... Hoffentlich springt jus über seinen Schatten
Von:  tenshi_90
2014-08-28T12:46:38+00:00 28.08.2014 14:46
Sehr toller Beginn der Story :)


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