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V-M4: A Long Way Home

Virus M4 - Ryan & Vik
von
Koautoren:  Silver-Rele  b4mb4m  Sinyata  Mothgirl

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Nevermind

Ryan schien ihre Gesellschaft auch zu genießen, zumindest lachte er fiel. Ein Lachen, das er zur Zeit, dank dem Einsturz der Treppe, mit Schmerzen bezahlen musste. Mit seinem Seufzen sah Vik ihn nochmal sorgenvoll an. Solche Scherze sollte sie vielleicht auch sein lassen, wo ihm doch schon das Verschlucken am Essen mit anschließenden Husten sichtlich Probleme bereitet hatte. Besorgt war sie deswegen zu ihm geeilt, um ihn auf den Rücken zu klopfen, traute sich jedoch dann doch nicht. „Kannst du dir nicht selbst irgendwas verschreiben?“, fragte sie noch. Natürlich konnte man bei einer Prellung nicht viel tun, das wusste sie ja durchaus selbst, aber noch so ein Husten- oder eher Lachanfall, im schlimmsten Falle zu einem ungünstigen Zeitpunkt, könnte doch gefährlich werden.

Ryan schüttelte knapp seinen Kopf. „Ethisch wäre das wohl nicht korrekt, Ärztekodex und so weiter. Nein, Spaß beiseite, ich hab nur noch das eine Schmerzmitelchen, welches ich dir schon angeboten habe und dies ist etwas schwer zu dosieren. Sehr viel mehr als etwas gegen die Schmerzen zu nehmen ist bei Rippen eh nicht drin, es sei denn du findest eine Anleitung für Einsteiger in die offene Brustkorb-Chirurgie und schärfst deine Klingen vorher. Ob es mir jedoch nach dieser Prozedur Schmerztechnisch dann besser geht, glaube ich kaum.“ Aus seinem Blick sprach deutlich eine gewisse Verlegenheit, Viktoria durch ein simples Verschlucken so aufgeschreckt zu haben. „Aber es ist auch wirklich noch aushaltbar, es wäre wirklich keinen Herzinfarkt wert.“

Mit einen Schmunzeln vernahm sie seinen Vorschlag zur Chirurgie. Den Rest der Antwort verwunderte sie nicht, immerhin hatte sie erwartet, das man nicht viel dagegen tun konnte. „Lieber nicht. Handwerklich war ich noch nie wirklich begabt. Also ist das Schmerzmittel wohl wirklich die bessere Alternative. Wenn es jedoch das letzte ist, sollte man sich das schon für Notfälle aufsparen“, sagte sie leicht in Gedanken versunken und überlegte wie schnell es wohl wirken würde. War es vielleicht besser es vor einer Flucht oder reichte es das Mittel während einer Flucht zu sich zu nehmen? Sie würden es wohl erst einmal drauf an kommen lassen müssen. Bisher ging es ja noch beiden gut.

„Ich denke auch, dass ich ohne funktionierenden Strom und den hygienischen Zuständen nicht mals in einem OP-Saal solch einen Eingriff schaffen würde, deswegen verschieben wir das Ein mal Eins der Thoraxchirurgie lieber auf einen anderen Zeitpunkt“, schlug er vor. Ryan langte mit seiner Hand nach oben, klopfte seinerseits, aus seiner Position recht kraftlos, Viktorias Rücken mit Anspielung auf ihre Streicheleinheit, die sich daraufhin sofort daran erinnerte, dass ihre Hand noch immer auf seinen Rücken lag.

Sofort zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. „Entschuldige... ich wollte nicht... eigentlich wollte ich nur... auch egal!“, murmelte sie schnell und setzte sich ebenso hastig wieder vor ihren Teller, ließ sich ansonsten aber nicht weiter anmerken wie peinlich es war. Wieder mit Anlauf ins Fettnäpfchen getreten.

Er sah sie verwundert mit leicht erhobener Augenbraue über den Tisch, den sie in Eiltempo wieder zwischen die beiden gebracht hat, hinweg an. „Hab ich dir einen elektrischen Schlag verpasst? Wofür willst du dich denn entschuldigen?“ Seine Stimme war ruhig, klang ernsthaft interessiert, sein Blick ruhte weiterhin fragend und etwas hilflos auf Viktoria. „Deine Nähe war sicher auch ein Grund weshalb mein Husten sich schneller beruhigt hat, keinesfalls eine Entschuldigung wert…“, versuchte er sie zu beruhigen.

Irgendwie fühlte sie sich sicherer, als sie wieder etwas entfernt saß und nun langsam ihren Teller leer machte. Dennoch hing seine unbeantwortete Frage noch schwer im Raum. Natürlich hatte er sie auf diesen Zwiespalt angesprochen. War ja auch kein Wunder, so schizophren sie sich heute aufspielte. Seufzend legte sie die Gabel auf den Tisch und betrachtete diese eine Weile. Lange zögerte sie, ob sie nun darauf eingehen sollte oder nicht, wobei sie noch kurz nervös auf die Unterlippe 'rumkaute. Vermutlich würde er sie auslachen oder sie mit Mitleid überhäufen. Auf beides war sie nicht gerade scharf.

„Schon Oka-...“ Ryan wollte sie beschwichtigen, als sie gerade das Wort ergriff.

„Naja...“, fing sie an, doch irgendwie wusste sie nicht wie sie es ausdrücken und noch weniger was sie sagen sollte. „Ich wollte dir auch nicht... zu nahe treten und… “, sie rang etwas um ihre Worte, „Ich weiß auch nicht... ich spiele gern mit Worten und Gedanken,... jedoch... war ich schon früher in der Hinsicht eher zurückhaltend,... und es gibt einige ziemlich unheimliche Typen da draußen, mit denen ich schon die ein oder andere Begegnung hatte“, plapperte sie nun doch etwas, wobei sie zügig fort fuhr und ihn aufrichtig in die Augen sah, um ihn nicht zu beunruhigen: „Mit,... mit mir ist alles okay und mir ist noch nichts schlimmeres passiert,“, log sie, „aber es reichte es mit anzusehen und zudem... bin ich seit einigen Monaten mehr oder minder allein unterwegs. Jedenfalls bin ich immer nur zeitweilig bei anderen“, sagte sie noch etwas entschuldigend. „Das ist meine erste richtige Unterhaltung seit einiger Zeit, wenn man Tauschgeschäfte mal ausschließt. Ich bin wohl etwas aus der Übung was Sozialverhalten angeht“, scherzte sie mit einem kläglichen Lächeln und begann leicht ihre Hände unter den Tisch zu kneten. Eigentlich hätte sie ja nun nervös mit ihren Schal 'rumgespielt, aber diesen trug sie ja gerade nicht. Was er jetzt wohl von ihr hielt? Sie wollte es gar nicht so genau wissen.

„Mir kannst du fast gar nicht zu nahe treten. Ich selbst bin hin und wieder wohl der distanzloseste Mensch überhaupt, mein Beruf hat mich wohl dazu erzogen erst einmal drauf zu drücken bevor ich um Erlaubnis frage. Entschuldige wenn ich hin und wieder meinen Bogen überspannt habe.“ Sein Blick entspannte sich, aus seinen Augen sprach Verständnis. „Eigentlich grausam wie schnell man sich an diese Einsamkeit gewöhnen kann, was? Bis zu dem Punkt wo man sie fast schon als wünschenswert empfindet“, fügte er hinzu. Ryan schwieg einen kurzen Moment, dachte wohl selbst nochmal über seine Worte nach. Mit einem angedeuteten Lächeln blickte er wieder auf, während er weiter sprach: „Aber ich werden dir schon wieder etwas Sozialverhalten einbläuen, bist du halt nicht der Typ für Umarmungen, na und? Ich kann auch unheimlich gut Hände schütteln.“

Sie wusste nicht genau was sie erwartet hatte, als sie ihre kleine Sozialphobie erklärte, aber das beklemmende Gefühl löste sich schnell, als Ryan nicht großartig weiter nachfragte. „Nein, nein. Ich übertreib‘ es meist. Jemand hat mir mal die Schulter wegen meinem Feuerzeug aufgeschlitzt. Seit dem bin ich besonders schreckhaft und renne eher weg. Es tut aber gut auch mal normale Menschen zu treffen“, meinte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Es war einfach nur ungewohnt für sie, das jemand um sich zu haben, vor dem man sich nicht in acht nehmen muss.

„Na das muss ja ein unglaublich tolles Feuerzeug gewesen sein, aber wahrscheinlich muss man sich auch noch glücklich schätzen, dass es nur bei der Schulter geblieben ist“, sagte er leicht erstaunt.

„Oh ja, so ein silbernes zum aufklappen und zudem noch ganz voll“, bestätigte sie stolz und malte ein Rechteck in die Luft. „Ich hatten den Typen damals ein paar Tage hintereinander getroffen und wir haben ein paar Sachen ausgetauscht und uns relativ gut verstanden. Wir haben dann noch gequatscht und sind zusammen in ein Versteck. Weil es so kalt war wollte ich zumindest ein kleines Feuer machen, da die Decke unter der wir uns zusammen verkrochen hatten nicht viel half. Erst machte er noch ein paar scherzhafte Bemerkungen, wollte dann irgendwas gegen das Feuerzeug tauschen, was ich aber dann nicht wollte. Er schien es zu verstehen, wirkte aber etwas nervös, während er weiter Scherze machte. Ich dachte es läge an etwas anderen, da er schon den Arm um mich gelegt hatte, was mir bei der Kälte ganz recht war. Nach einer Weile wurde es mir das alles zu viel und ich machte Andeutung das ich gehen würde, wenn er nicht Ruhe gibt. Der Trottel geriet irgendwie in Panik, griff mich an und ehe ich wusste was passierte, lief das Blut an mir runter. Zum Glück hab ich reagieren können, bevor er meinen Hals treffen konnte. Mit einer Hand hab ich das Feuerzeug aus der Hose geholt und weg geworfen. Er sprang wie erwartet hinterher, schnappte sich zudem noch meine Essensvorräte und verschwand. Und bevor du nun doch auf dumme Gedanken kommst: Nein ich hab kein weiteres Feuerzeug und sonst nichts tolles.“ Mit den letzten Sätzen und einem kleinen Schmunzeln versuchte sie auch diese Geschichte wieder etwas zu entschärfen. Bestimmt hatte er schon ähnliches durchgemacht. Die meisten Menschen waren doch gieriger Abschaum, die wie die Geier über andere herfielen, wenn sie die Gelegenheit dazu hatten und doch war dies nicht die schlimmste Geschichte gewesen, die ihr zugestoßen war.

Er schüttelte etwas den Kopf: „Wirklich unglaublich... Die Sache, dass ihr euch auch noch flüchtig kennengelernt habt, macht es ja nochmal schlimmer.“

Viktoria konnte bei seinem Kopfschütteln nur mit den Schultern zucken. Sie hatten den Vorfall schon als 'eigene Dummheit' und 'ich hätte es besser wissen müssen' für sich abgehakt, auch wenn noch immer ein flaues Gefühl in der Magengegend wieder kam, sobald sie daran dachte. „Ich wusste schon vorher das er... naja... etwas seltsam war, aber auch ich war geschockt, um es milde auszudrücken.“ Zu erst hatte sie nur panisch versucht die Wunde irgendwie zu versorgen. Es hatte etwas gedauert, bis sie realisiert hatte, dass er sie auch leicht hätte umbringen können.

Ryan holte sich seine Jacke, während er erklärte: „Ich bin wohl auch schon ein paar Verrückten begegnet, aber die Geschichte stellt das dann doch noch etwas in den Schatten, aber ich bin auch noch nicht ganz so lange alleine unterwegs wie du…“ Seine Hand wanderte kurz in seine Jackentasche ehe er sein eigenes Sturmfeuerzeug hervorholte. Er ließ es kurz aufschnappen und drehte an dem Rad um in einem Funkenmeer zu zeigen das es leer war. „Nicht nötig. Ich hab da noch mein eigenes ,auch wenn es so ziemlich nutzlos ist, aber wer weiß vielleicht könnt‘ ich eine deiner Klingen gebrauchen.“ Sein Feuerzeug war bereits wieder in seiner Jackentasche verschwunden noch während er redete.

Ihre Augen folgten kurz dem Feuerzeug. Es war kein gieriger Blick, eher als würde sie etwas Unheil trächtiges ansehen. Hauptsache es brachte ihm nicht genauso viel Pech wie ihr. Kaum merkbar schüttelte Vik ihren Kopf, um endlich die aufkommenden Bilder zu verdrängen. Natürlich bekam sie mit, dass er scheinbar selbst vor nicht allzu langer Zeit einen wichtigen Menschen verloren hatte, wenn er noch nicht solange allein war. Zumindest einen längeren Weggefährten. Es interessierte sie schon, aber bevor sie auch bei ihm noch weitere Wunden aufriss, wollte sie lieber auf einen anderen Zeitpunkt warten, wenn es noch dazu kam. Beeindruckt nahm sie zur Kenntnis, dass er ein Feuerzeug besaß: „Na immerhin. Auch Funken können nützlich werden, aber das weiß ein Soldat ja selbst. Und ich glaube kaum das du meine stumpfen Messerchen brauchst. Du hast doch dein eigenes...“, meinte sie und nickte zu seinem Bein. Dafür waren sie extra durch den Regen zurück gestapft oder war es wirklich nur ein 'nutzloses' Andenken?

Sein Blick folgte ihrem Nicken, worauf er selbst sein Bein kurz betrachtete. „Es ist nicht mein Messer und ich sehe nicht vor das Messer je zu benutzen.“ Die Antwort viel knapp und endgültig aus.

Die Worte über sein Messer verwirrten sie. Das er so gereizt reagierte hätte sie nie gedacht. Dann war es also doch 'nur' ein Erinnerungsstück, aber was hatte es dann damit auf sich, das er es nicht benutzen wollte? Natürlich würde sie nun nicht weiter darauf eingehen. Also wechselte sie das Thema bereitwillig.

„Es ist wirklich traurig, was passiert ist, aber alleine ist es wohl besser als enttäuscht und verraten zu werden“, sagte sie mit einen bitteren Unterton. Egal wie gut man sich kannte, das wahre Wesen eines Menschen zeigte sich wohl erst in Stresssituationen. Dann, wenn sie die Möglichkeit hätten zu überleben, dafür aber den anderen zurück lassen müssten. Für ihre Freunde wäre sie damals gestorben, doch seitdem hatte sie niemanden getroffen, für den es Wert gewesen wäre. Sie riskierte teilweise viel für manchen, aber wenn es ernst war, würde sie sich ebenfalls selbst retten. Selbst was sie von Ryan halten sollte wusste sie noch nicht ganz. Er hatte ihr schon geholfen, schien sympathisch und vertrauenswürdig, dennoch würde Viktoria weiterhin wachsam sein. Aber er schaffte es immer wieder ihr ein Lächeln zu entlocken,

„Ob es wirklich besser ist, weiß ich nicht genau, manchmal ist etwas Vertrauen das Risiko wert und es kann einen positiv überraschen, manchmal kann einem das Vertrauen auch umbringen. Also es ist sicherlich ein Spiel mit einem maximalen Einsatz. Aber es fühlt sich gut an, dass du mich noch als normalen Menschen siehst“, antwortete er.

„Bisher hab ich nicht viele Menschen getroffen, denen ich noch vertrauen würde. Im Moment bist du aber dafür ein guter Kandidat, jedoch werde ich wohl den Glauben in die Menschheit ganz verlieren, wenn du mich enttäuscht“, sagte sie theatralisch.

Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht welches sich aber kurzerhand einem Ausdruck von Überraschung wich. „Ein guter Kandidat, hm? Da muss ich mich wohl erst noch beweisen, was? Dein Glauben an die ganzen Menschheit auf meinen Schultern? Da kann ich es mir ja kaum erlauben dich zu enttäuschen.“

Vik legte leicht den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch, als er erstaunt zu ihr sah. „Na, bisher hast du alle Prüfungen noch mit Bravur bestanden. Aber so leicht lass ich mich leider nicht aufs Kreuz legen,“, etwas leiser murmelte sie etwas frech, „auch wenn du es gern so hättest“ und fuhr normal fort: „Ich hab da ein kleines Souvenir, was mich ewig dran erinnern wird.“ Ihr Zeigefinger fuhr dabei die Narbe auf der rechten Schulter nach, die unter dem Stoff verborgen lag. Nebenbei nahm sie noch einen Schluck aus der Wasserflasche und packte sie dann wieder in den Rucksack.

„Prüfungen also? Na, da erwarte ich aber eine Belohnung wenn ich bestanden habe, vielleicht Unterhalten wir uns dann nochmal über das 'aufs Kreuz legen'. Da muss ich wohl einfach das Risiko eingehen und hoffen, dass du mich nicht mit solch einem Souvenir zurücklässt...Oder kleb dir vielleicht doch ein paar Haare als Schnurrbart an, dann benötigst du die Dolche auch nicht mehr. Mich hättest du jetzt vollends auf die Bretter geschickt“, scherzte Ryan.

Viks grimmiges Lächeln, das auf seine nächste Bemerkung folgte, verhinderte zumindest, dass sie wieder knallrot wurde. „Wenn es wirklich so einfach ist, dann überleg‘ ich mir das tatsächlich. Dann wäre unser Date am Park jedoch gestorben“, stichelte sie, als sie ihn aus den Augenwinkeln ansah und sich nun über die Reste ihres Essens hermachte.

Etwas leiser mit einem Schmunzeln ging er auf Viktorias letzte Bemerkung ein, um die Stimmung nicht vollends zu ruinieren: „Stimmt wohl, mit einem Schnurrbart würde ich nur ungern mit dir gesehen werden, aber solang du ihn weglässt, wäre ich durchaus dazu in der Lage bei unserem Date die Zähne zusammen zu beißen, nicht das du doch noch deinem Herzinfarkt erliegst“, sagte er ehe er sich langsam wieder den letzten Resten auf seinem Teller zu wandte, diesmal tunlichst darauf bedacht sich noch einmal zu verschlucken.

„Na dann merke ich mir das fürs nächste mal, wenn du vor Schmerzen windend am Boden liegst.“ Nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, kam ihr sogleich wieder Bilder von der möglichen Verabredung in den Kopf, die sie schnell wieder verdrängte, er an ihren Grinsen erraten konnte was sie dachte, legte aber doch sogleich noch eine Bemerkung oben drauf: „Dir steht der Bart sowieso viel besser, aber glaub nicht, dass Zähne zusammen beißen dann ausreichen würde“, sagte Viktoria mit kleinen frechen Schmunzeln.

Während er seinen nun geleerten Teller von sich schob, verwandelte sich das zögerliche Lächeln schnell in ein etwas dümmliches Grinsen, als sie noch eine so kecke Anmerkung hinterher schob. „Bei solchen Andeutungen sieht es ja so aus, als hätte ich gar nicht mehr so viel Arbeit damit dich zu resozialisieren und wenn Zähne zusammenbeißen nicht reicht, bringt halt mal eine Frau den Mann zum Schreien. Danke für das Kompliment, leider kann ich diese Gesichtshaare nicht mehr so regelmäßig pflegen wie früher.“

Amüsiert beobachtete sie wie sein Grinsen ebenfalls breiter wurde. War er wirklich schon so schnell zu beeindrucken? „Ich kann ja mal versuchen mit den Dolchen bei deinem Bart etwas nachzuhelfen. Aber danach musst du dich wahrscheinlich selbst verarzten“, schlug sie gut gelaunt vor. Kurz hatte sie gezögert, aber nun wollte sie es doch drauf ankommen lassen: „und... vielleicht ist es auch besser so, wenn du mich nicht resozialisierst. Stell dir nur vor du hättest Erfolg und ich würde wirklich über dich herfallen... Wir wollen doch beide nicht, dass um Gnade bettelnd unter mir liegst, oder? In den Lagerhäusern wird dir zumindest niemand zur Hilfe kommen“, sagte sie noch verführerisch frecher Stimme, während sie ihn nun tief in die Augen sah. Mal sehen wie er darauf reagierte.

Bei ihrer nächsten Bemerkung strich er abwesend mit einer Hand durch seinen Bart.„Der Vorschlag klingt jetzt nicht so verführerisch, vielleicht bleib ich dann doch lieber bei etwas Haar.“ Mit einem Lächeln zwinkerte er ihr zu: „Du traust dir ja ziemlich viel zu... Aber, och... Ich würde nicht sagen das wir beide das nicht wollen. Ich selbst würde mich nicht beschweren. Aber ich glaube nicht das du mich auf diese Weise dazu bekommst um Gnade zu betteln. Aber das uns in den Lagerhäusern niemand hören würde ist gut zu wissen.“ Lächelnd hob er vielsagend die Augenbrauen, reichte ihr über den Tisch hinweg, in einer scherzhaften Anspielung auf sein Talent im Händeschütteln, seine Hand. „Mit so einem Anreiz sollten wir mit dem resozialisieren direkt beginnen!“, sagte er und ein unterdrücktes Lachen entfuhr ihm.

„Hände schütteln hört sich gut an. Vielleicht ist ja auch irgendwann ein gefahrloses Schulterklopfen drin“, meinte sie grinsend.

„Aber ein gefahrloses Schulterklopfen? Was hätte ich den derzeit zu erwarten, wenn ich dir auf die Schulter klopfe? Mach ich dann aus Reflex Bekanntschaft mit deinen Dolchen? Oder müsstest du fluchtartig den Raum verlassen?“

„Wenn du etwas vorsichtig bist, hast du vor mir nichts zu befürchten. Ich werde mir Mühe geben, dich nicht gleich anzugreifen. Zumindest weiß ich die sehr akzeptable Wundversorgung doch zu schätzen und werde beim Weglaufen vielleicht auch etwas Rücksicht auf dich nehmen“, sagte

sie noch mit einem Zwinkern. Während eines kleinen Kichern nahm sie das Händeschütteln gerne mit ihrer zierlichen Hand an. „Na dann bin ich ja mal gespannt wie gut es funktioniert. Aber ich hab dich gewarnt!“, hauchte sie ihm mit einem herausfordernden Blick entgegen. Zugegebenermaßen war die kleine Geste gar nicht so schlimm. Im Gegenteil, sie war fast schon enttäuscht als seine warme Hand verschwand. Überlegend tippte sie dann mit den Finger gegen die Lippen. „Ich würde sagen, es kommt drauf an, ob ich noch weiß wer du bist. Also wenn ich nicht mit dir rechne, dann wäre es besser wenn du dir ein Kettenhemd zulegst,“ meinte sie frech. „Ansonsten renn‘ ich nur panisch durch die nächsten drei Viertel“, fügte sie mit einen Schulterzucken hinzu.

Amüsiert erwiderte er: „Ein Kettenhemd also? Puh, wird sicher schwer so etwas aufzutreiben, ich werde mich mal danach umsehen, das zusätzliche Gewicht könnte auf Dauer auch eventuell etwas hinderlich werden.“

„Ooch...“, kommentierte sie enttäuscht und belustigt zu gleich. Die Idee mit dem Kettenhemd war doch so gut gewesen. „Nimm es doch als zusätzliches, kostenloses Training. Aber du kannst ja auch ein eigenes herstellen oder lieber ein Schild tragen. So wie der Soldat Captain Amerika! Das wär‘ doch mal lustig... Naja, je nach dem was dir lieber ist“, sagte sie grinsend, bevor sie kurz zu dem Fenster sah. Lange hatte sie kein Donnern mehr gehört. Entweder der gröbste Sturm wäre vorbei oder es war nur eine kleine Ruhepause. In den Regen wollte sie eigentlich nicht mehr raus, aber sobald er aufhörte, würden wohl einige Gestalten auf die Straße stürmen, um etwas Essen zu suchen. Sie könnten hier ausharren oder schauen ob sie noch Regenschirme oder ähnliches fanden.

Ryan folgte ihrem Blick zum Fenster und sein Grinsen verblasste nach und nach auf seinem Gesicht, die Realität hatte die beiden anscheinend wieder eingeholt. „Wir sollten bald wieder los, was? Sobald der Regen komplett aufhört könnte es wieder gefährlicher auf den Straßen sein. Das Haus noch durchsuchen und uns der nächsten Etappe zuwenden? Was meinst du?“

Seufzend fuhr sie sich kurz mit den Fingerspitzen durch die Haare, während sie nochmals aus den Augenwinkeln zum Fenster schielte. „Lust hab ich da eigentlich nicht, aber besser wäre es wohl...“, gab sie zu. „Aber wahrscheinlich willst du ja nur so schnell wie möglich zu deinem Date im Park“, fügte sie grinsend hinzu und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Dann schnappte sich Viktoria schon mal ihren Schal und wickelte ihn wieder um. Immerhin war er fast trocken geworden.

Ryan ließ seinen Blick kurz durch die angrenzenden Wohnräume schweifen ehe er sich bereits von seinem Stuhl erhob. „Natürlich will ich so schnell wie möglich zu meinem Date. Ich kann mich ja nicht beim ersten Date direkt verspäten. Ich denke wir sollten den restlichen Weg sprintend zurücklegen.“ Seine Hand griff bereits zu seinem Rucksack und schulterte diesen.

„Wenn wir sprinten sollten wir auch nicht lange brauchen“, überlegte sie. Als Viktoria aufstand, fiel ihr wieder ein, warum sie so lange saßen. Ein kleines Brennen bei einer falschen Bewegung verriet ihr, dass die Betäubung mittlerweile nachgelassen hatte.

Sie massierte kurz genervt die anliegende Stelle, was Ryan nicht entging. Sorgenvoll legte sich seine Stirn in Falten. „Na, rennen fällt damit über die ganze Distanz hinweg wohl flach... Wenn es mit deinem Bein nicht geht trag‘ ich dich auch bis in den Park, bei dem Ausblick auf Belohnung wäre es die Anstrengung auf jeden Fall Wert.“ Seine Augen blieben sanft, aber er zwang sich zu merkbar mehr Ernsthaftigkeit. „Spaß beiseite, als dein behandelter Arzt sagst du mir hoffentlich wirklich sofort, wenn dein Bein Probleme macht, okay? Selbst wenn du einfach nur eine kurze Pause brauchst“, ermahnte er und erhob sich auch träge vom Stuhl.

Auch Viktoria zog ihre Jacke wieder an und schultere ihren Rucksack. „Naja, tragen wird schon nicht nötig sein. Das kann ich dir mit der Prellung eh nicht antun. Aber wenn was ist melde ich mich schon“, ob sie es wirklich tun würde, wusste sie selbst noch nicht. Es kam darauf an was da draußen nun los war. Vik entging selbstverständlich nicht der besorgte Blick von Ryan., daher verdrehte sie nur leicht die Augen, als er sich anscheinend wieder Sorgen machte. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen. Ich wollte nur schauen wie gut deine Arbeit wirklich ist. Ich renn‘ dir auch jetzt noch davon. Also pass‘ lieber auf das du den Anschluss nicht verlierst...“, sagte sie nur. Gut, das war leicht übertrieben. Aber auch Viktoria wollte so schnell wie möglich in das nächste Versteck, daher würde sie versuchen so viele Schmerzen wie möglich einfach zu ignorieren. Es war schon fast Mittag und die meisten Leute würden langsam auf Nahrungssuche gehen. Mal sehen wie viele bei dem Regen schon unterwegs waren. Jedenfalls war sie nicht darauf erpicht diesen ihren voll gestopften Rucksack zu überlassen. Zur Not müsste sie das aber wohl tun. Kämpfen war für sie Beide nicht wirklich drin.

Als sie ihn gescholten hatte quittierte er dies mit einem Lächeln. „Das werden wir ja sehen, ob du mir davonlaufen kannst, aber ich hoffe meine Arbeit konnte ihren peniblen und hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden?“

Sie streckte sich nun noch mal genüsslich und sah ihn dann auffordernd an. „Mach dir um mich keine Sorgen. Also: Am besten schauen wir einmal in der Küche und in Wohnzimmer nach. Vielleicht such ich noch im Flur nach neuen Schuhen. Eine Frau kann ja schließlich nie genug haben“, meinte sie mit einen Zwinkern. Aber Tatsache war, das ihre nicht mehr lange brauchten, bis sich die ersten Löcher bemerkbar machen würden. In ein oder zwei Monaten musste sie spätestens neue haben. Viktoria ging schon mal in die Küche und öffnete alle Schränke. Nebenbei bemerkte sie, dass das Laufen doch etwas besser klappte. Viel war nicht mehr da, vermutlich hatte ihr 'Gastgeber' oben noch einiges verbraucht, bis er sich entschloss nie mehr aus dem Bett aufzustehen. So fand sie nur eine Packung Nudeln und drei Tütensuppen, sowie zwei Dosen. Den Kühlschrank und das Gefrierfach machte sie lieber nicht auf. Es stank ja so schon etwas.

Noch einmal sah er sie abschätzend an, bevor er sich aber dann seiner Entdeckungstour im Wohnzimmer zu wandte. Er ging zu den Schränken und Regalen des Wohnzimmers, während er ohne nach Viktoria zu sehen, erneut das Wort ergriff: „Na solange ich sie nicht schleppen muss, deck dich mit allen Schuhen ein die du finden kannst. Ich wäre ja für was aufreizendes, würde dir sicher gut stehen, vielleicht einen offenen Schuh mit Absatz? Aber dann müsstest du dir wohl noch ein passendes Sommerkleid suchen... Zu deiner Jacke würde sicher auch so ein riesiger Stiefel mit Killer Absatz passen, Rawr heiß.“ Ein erneutes Lachen entrann seiner Kehle das jedoch von einem scharfen einziehen von Luft abgeschnitten wurde. „Ah, ich sollte es langsam besser Wissen...“, erklang es etwas leiser.

Auch ihr Lachen hallte bis ins Wohnzimmer. Als sie kurz darauf wieder kam, sah sie noch wie der Soldat mal wieder durch sein eigenes Lachen leiden musste. „Mit Highheels und Sommerkleid lässt es sich aber schlecht rennen und klettern, auch wenn ich mir vorstellen kann, das du dabei deinen Spaß hättest. Aber eigentlich wäre mir ‘ne Lederhose mit hübschen Stiefeln doch lieber. Früher hab ich mir das nie getraut anzuziehen und nun wird man die wohl schwer finden...“, meinte sie mit theatralischen Seufzen. So nahm sie alles und stellte es erstmal auf den Tisch im Wohnzimmer, wo ja noch die Dose mit Chili con Cane stand. Gleichzeitig packte sie schon ihren Anteil an Essen in ihren Rucksack. Bewusst nahm sie sich weniger, immerhin hatte sie noch immer ein schlechtes Gewissen wegen den medizinischen Kram. Sie nahm sich 2 Tütensuppen und eine Dose. Für Ryan standen daher noch 2 Dosen - inklusive der die Viktoria ihm vorhin schon geben wollte - die Packung Nudeln und eine Tütensuppe auf dem Tisch. Sie hoffte, das er nicht mitbekam, dass sie sich weniger einpackte. Soviel konnte sie eh nicht mehr tragen. Ihr Rucksack war zur Abwechslung mal fast voll und ihr Bein sollte sie ja eh nicht zu sehr belasten. „Hast du schon was gefunden?“, fragte sie Ryan und sah sich nach ihm um.

Alles was sie dann in den offenen Schränken sehen konnte war gutes Porzellan und Besteck in der einen Schublade, einige Kristallgläser in einer weiteren Vitrine, früher war das Zeug viel Wert, heutzutage jedoch selbst zum Tauschen unbrauchbar. Die Bedürfnisse hatten sich zu geändert, Statusobjekte brachten die wenigsten weiter, wurden nur noch als der Ballast angesehen, der sie waren, immerhin ein positiver Effekt. Sie hatte zumindest gehofft einige Kerzen zu finden, aber die meisten Haushalte hatten schon vor der Katastrophe keine mehr. Ihr eigene Familie hatte selbst nur ein oder zwei Kerzen in der Abstellkammer gehabt. Bei jedem Stromausfall wurden die dann aufs neue gesucht. Es war möglich das die Familie oder der Tote die Kerzen schon selbst verbraucht hatte, wenn es welche gegeben hätte.

Ryan ging einen Schrank voller Bücher durch, an deren staubigen Einbänden er mit seinem Finger entlang fuhr. Dennoch schien er nicht sonderlich interessiert an den Büchern zu sein. „Das Wohnzimmer sieht wie eine Nullnummer aus, es sei denn du stehst auf Wahrsagerei und ähnliche Ratgeber“, antwortete er enttäuscht.

„Gibt es wirklich nichts anders?“, fragte sie leicht deprimiert. „Ansonsten blätter mal durch ob da drin steht, wann die Welt wieder normal wird oder zumindest wann ich meinen Traummann kennen lerne“, meinte sie mit ernüchterten Lächeln.

Aber Ryan antwortete ihr nicht, sah stattdessen mit resignierten Blick in eine Schublade.

Sie runzelte die Stirn und ging dann zu ihm. „Was hast du?“, fragte sie noch, aber als sie über seine Schulter sah, breitete sich auch auf ihren Lippen ein melancholisches Lächeln aus.

Er hatte einen staubbedeckten Plattenspieler gefunden, der selbstverständlich nie wieder Töne von sich geben würde. Ryan hielt sich damit auf einige der gut verpackten Schallplatten von ihrer Staubschicht zu befreien und die Titel zu lesen. So hockte er einige Augenblicke gedankenverloren vor dem niedrigen Schrank.

Viktoria atmete einmal schwer durch und setzte sich dann neben ihn auf den Boden, wobei sie Ryan ein wenig erschreckte. Kurz lächelte sie entschuldigend, als auch sie begann die Platten durchzusehen. „Schade um die Platten. Einen guten Geschmack hatten sie jedenfalls“, murmelte sie leise. Bei der ein oder anderen Platte hatte sie auch sofort wieder die Melodie im Ohr. Dabei sah sie hin und wieder kurz zu ihm. Irgendwas war anders an ihm, irgendwas in seinem Blick. Es wirkte etwas erschöpft. Dennoch widmete sie sich erneut den Platten.

„Wirklich eine schöne Sammlung. Schade um die ganze gute Musik. Ich hab schon ewig kein richtiges Lied mehr gehört“, sagte er leise.

„Ich hab auch lange keins gehört“, murmelte sie nur sehnsüchtig. Musik hatte früher in ihren Leben einen großen Platz eingenommen. Früher hatte sie fast immer Musik um sich herum gehabt, hatte es selbst gespielt oder ihren Mp3 Player mitgeschleppt, wenn es ging. Als Vik die Sammlung durch ging, begegneten ihr auch Titel die sie selbst mit der Violine nach gespielt hatte. In dem Fall sah sie das passende Notenblatt vor ihrem geistigen Auge. Ein recht trauriges Schmunzeln brachte sie hervor, als ihr unerwartet ein Album von Nirvana in die Hände fiel. 'Smells like teen Spirit' hatte sie oft geübt, war aber nie wirklich zufrieden mit ihrer Version gewesen.

„Nirvana was?“, fragte er schmunzelnd. „Ich sehe schon die Dame, die mich begleitet, hat Geschmack. Wobei ich bisher noch niemanden kennengelernt habe, der es wagte sich negativ gegen Nirvana zu äußern.“

„Ja, Nirvana war großartig. Ich habe 'Smells like Teen Spirit' geliebt... auch wenn ich viele Lieblingslieder hatte“, sie schenkte ihn einen kurzes müdes Lächeln bevor sie noch gedankenverloren über das Cover strich und dann die Augen schloss. Nun stellte sie sich die Bewegungen dazu vor und begann geistig das Lied mit ihrer Violine zu spielen.

Einige Zeit war es still zwischen ihnen.

Dennoch stieß er sie nach einer Weile sanft mit der Schulter an. „Nevermind...“, unterbrach er sie mit einem Schmunzeln, passend zum Titel der Platte. „Das Album darf in keiner Musiksammlung fehlen, die was auf sich hält, aber wir sollten uns aufmachen, ich hab in einem der Bücher gelesen das du deinem Traummann heute begegnen wirst und wenn du nicht mit mir vorlieb nehmen willst sollten wir schnell aufbrechen.“

Viktoria zuckte zusammen, als er mit dem kleinen Schubser ihr imaginäres Violinenspiel abrupt beendete. Kurz sah sie zu Ryan und dann mir einem Seufzen zurück zu der Platte in ihrer Hand. Die harte Realität hatte sie wieder, doch am liebsten hätte sie sich in ihrer Welt verkrochen.

„Und ich bin schließlich schrecklich, wenn ich dich zitieren darf“, fügte er scherzend hinzu.

„Na dann sollten wir uns beeilen, ich will meinen Traummann doch nicht warten lassen. Hauptsache er hat auch Nirvana in seiner Sammlung...“, sie versuchte es irgendwie vergnügt klingen zu lassen, scheiterte jedoch dabei.

Plötzlich zog er sie mit einem Lächeln zu sich und Viktoria verkrampfte sich sofort. Sie drehte ihren Kopf nur leicht weg, damit er nicht wieder sah wie sich das Rot auf ihren Wangen ausbreitete und schloss die Augen. Aber sie ließ seine Nähe zu. „Und... vielleicht nicht ganz so schrecklich. Eigentlich bist du ganz erträglich“, murmelte sie. Es kostete sie tatsächlich viel Überwindung nicht in Panik zu verfallen, immerhin schlug ihr das Herz bis zum Hals. Als er ihr auch noch über die Schulter rieb, die er noch umschlossen hielt, presste sie leicht die Lippen zusammen und hoffte inständig, dass er das leichte Zittern der Hände nicht wahrnahm, auch wenn er sich vorbeugte und versuchte einen Blick von ihr zu erhaschen.

„Entspann dich, du bist diejenige mit den gefährlichen Dolchen und sieh mal, ich bin noch nicht aufgeschlitzt.“ Er lächelte sie strahlend an, nahm ihr mit seiner freien Hand die Schallplatte ab.

Erst danach sah sie zögernd zu ihm auf. Als sie ihn lächeln sah, konnte sie nicht anders als es entschuldigend zu erwidern, auch wenn sie nur kurz wagte ihn direkt anzusehen. „Noch nicht...“, sagte sie vorsichtig und atmete einmal tief durch. Es half zumindest ein wenig, damit sie sich etwas beruhigte.

„Mit ganz erträglich kann ich Leben, immerhin mach ich Fortschritte. Ich werd‘ dich schon noch dazu kriegen das du wieder zu Vertrauen lernst. Und jetzt hab ich auch endlich wieder ein Nirvana Album in meiner Sammlung. Ich glaube die Sterne stehen ganz gut“, versuchte Ryan sie zu beruhigen. Er drückte sie ein abschließendes Mal lächelnd an sich, ehe er von ihr ließ und sich aufrichtete, ihr sofort eine Hand anbietend um ihr aufzuhelfen.

„Na dann viel Erfolg dabei, du wirst es brauchen“, meinte sie mit schwachen Schmunzeln und keuchte lautlos als er sie nun auch noch drückt. Beschämt sah sie wieder zu Boden. Es war doch albern wie sie sich anstellte, dennoch war sie wie gelähmt.

„Ich bin ungern der Spielverderber, aber wir sollten uns wirklich in Bewegung setzten, es scheint zumindest nicht mehr zu Donnern und sobald der Regen aufhört werden wohl die Ratten ihre Nester verlassen.“ Aus seiner Stimme klang ernstes Bedauern, dennoch lächelte er als wäre er ernsthaft erfreut keinen Dolch abbekommen zu haben.

Als er sich wieder von ihr löste, saß sie kurz noch regungslos da, dann sah sie auf seine Hand. Sie seufzte und nahm diese nur nickend an. „Tut mir leid, ich bin wohl echt gestört“, murmelte sie eher für sich selbst, als sie mit seiner Hilfe auf stand. Sie strich sich noch mit den Fingerspitzen durch die Haare und sah sich um. „Du musst dein Essen noch einpacken. Dann kann ich gleich auch nach den Schuhen sehen. Danach können wir aufbrechen“, meinte sie nüchtern. Sie war noch immer leicht Rot um die Nase als sie zum Flur ging, um nach den Schuhen zu sehen. Wenn sie Glück hatte konnte sie sofort neue anziehen, vorausgesetzt es waren zufällig welche in ihrer Größe da. Doch Hoffnung hatte sie da kaum. Jedenfalls war es eine gute Möglichkeit Ryan kurz aus dem Weg zu gehen.

Ryan blieb wie angewurzelt stehen, sah seiner Begleitung hinterher, die in Richtung des Flures verschwand.

Viktoria ging in den Flur und sah sich nach dem Schuhschrank um. Als sie diesen erblickte setzte sie sich davor und vergewisserte sich kurz, dass sie aus dem Wohnzimmer nicht gesehen werden konnte. Erst dann stützte sie den Kopf in die Hand und bedeckte dabei die Augen. Sie atmete einige Male tief durch und dachte an den bisherigen Tag. Es gab keinen Grund so durch zudrehen. Und doch tauchten die Bilder von einem Angriff auf, den sie so krampfhaft zu vergessen versuchte. Ryan war anders, er war ein Sanitäter, er würde niemanden verletzten oder ihr so etwas antun. Sie fuhr sich abermals mit den Fingern durch die Haare und verkrallte sich kurz darin, während sie mit der anderen an ihrem Schal rumspielte. Sie übertrieb wieder. Das hatte sie schon immer gemacht, aber seit sie alleine war, war es schlimmer geworden. Aus den Augenwinkeln sah sie zur Wand, hinter der Ryan jetzt wohl stand und seine Sachen packte. Sie sollte sich besser auch beeilen. Viktoria öffnete nun doch endlich den Schrank und wühlte ihn förmlich durch.

„Ich würde mich immer noch für die High Heels aussprechen wollen, das Sommerkleid finden wir sicher auch noch.“ Mit den Worten durchbrach Ryan die Ruhe, die sich nun gelegt hatte und kündigte so auch an, dass er ihr in Richtung des Flurs folgte.

Ob Ryan sie gehört hatte? Zumindest fragte er wieder nach den High Heels. Nun brachte sie doch wieder ein Schmunzeln zu Stande. „Leider ist hier wohl nichts passendes. Ich finde hier nur Jungenschuhe mit modischen Comicfiguren in Größe 29, sowie Herrenschuhe aus Echtleder und Lackschuhe in Größe 43 und Damenschuhe in 40. Daher wird es wohl mit den Stöckelschuhen in meinen 37 nichts“, rief sie ihm entgegen und stand schwerfällig wieder auf. Sie war gerade dabei den Dreck von ihren Klamotten zu klopfen als er zu ihr kam.

„Also, wegen gerade...“, fing Ryan an, „du bist nicht gestört, vielleicht ein wenig schräg, aber wer ist das heutzutage nicht? Normal ist jawohl auch langweilig“, erwiderte er nur lächelnd, bemüht es locker klingen zu lassen.

„Und welche Macke hab ich bei dir zu erwarten?“, fragte sie mit einem kleinen Lächeln. Direkt in die Augen sah sie ihm noch nicht, aber es ging ihr doch schon deutlich besser. „Ich wäre dann so weit für den Aufbruch bereit. Ich brauch dann nur noch schnell meinen Rucksack aus dem Wohnzimmer...“, sagte sie noch beiläufig um abzulenken.

Sein Blick war auf Viktoria gerichtet sein Mund öffnete sich stumm, schloss sich dann ohne ein Wort hervorgebracht zu haben. Stattdessen zuckte er auf ihre Frage hin seine Schultern.

Sie fragte sich, was er hätte sagen wollen, beließ es aber dabei. Es war vermutlich erstmal besser so zu tun als wäre nichts gewesen. Für Ryan schien das zumindest in Ordnung zu sein.

„Ich? Ich bin die Ausnahme, soweit ich weiß habe ich keine Macke, eigentlich bin ich ziemlich perfekt“, erklärte er nicht ohne ihr noch zu zuzwinkern. Ryan auf dem Absatz kehrt, ging erneut ins Wohnzimmer um ihr wortlos ihren Rucksack entgegen zu bringen, erst als er ihn ihr überreichte fuhr er fort, „vielleicht bin ich ja ekelhaft zuvorkommend? Ich hab sicherlich einige Macken, aber die darfst du alle selbst herausfinden, wenn es dir Wert ist sie kennen zu lernen. Es lohnt sich bestimmt.“

Eigentlich hätte sie ja ihren Rucksack auch selbst geholt, aber da er schon mal unterwegs war, testet sie die Belastbarkeit des Beines noch mal aus. Es schmerzte immer noch, aber bis zum Park würde es sicher gehen. Lieber würde sie da heulend zusammenbrechen, als dass sie noch mehr Zeit verloren. Schmunzelnd nahm sie den Rucksack entgegen und setzte ihn sogleich auf. „Vielen Dank, Mr. Perfekt. Mal sehen wie lange es dauert, bis ich die erste Macke gefunden habe.“ Nun bekam sie sogar ein kleines Grinsen hin.

Er zog den Riemen seines eigenen Rucksacks etwas fester, sah aus dem Augenwinkeln kurz zu seinem Bein hinunter und überzeugte sich von dem sicheren Sitzt seiner Ausrüstung, dabei sagte er: „Hm meine Macken zu finden wird eine schwere Aufgabe, das versichere ich dir. Ich werde es dir nicht leicht machen und sie so gut ich kann verbergen.“

Gut verborgene Macken? Viktoria nahm das als kleine Herausforderung an. Sie fragte sich wirklich was Ryan verbarg. Er hatte ihr ja schon einiges entlockt, da würde sie später auf eine kleinen Ausgleich beharren. Zumindest wenn es eine gute Gelegenheit dazu gab. Dennoch war sie sich sicher, dass noch eine Geschichte hinter Ryans Messer stecken musste. Immerhin überprüfte er wieder ob es richtig fest war. Vielleicht verbarg sich dahinter die erste Macke? Aber da er nicht darüber reden wollte, würde sie es auch nicht ansprechen.

„Brauchst du noch etwas?“, forschend sah er sie an.

Sie streckte sich noch einmal, ließ die Knochen in ihrem Genick etwas knacken und sah ihn dann wieder mit entschlossenen Blick an, der wohl eher für 'Viktor' typisch war. „Wir können los“, bestätigte sie noch.

Dann war Viktoria schon zur Tür unterwegs, wobei ihr Humpeln schon deutlich besser aussah, und öffnete die Tür ein Stück. Es war niemand zu sehen und bis auf den Regen auch alles still. „Die Luft ist rein. Also wenn ich mich nicht irre, müssen wir jetzt links und laufen dann weiter bis zur Kurve, dort noch einmal rechts und dann zwei Straßen weiter wieder links...“, sagte sie leicht in Gedanken, als sie die Straßenkarte im Kopf durchging. Dabei sah es aus, als würde Ryan wirklich versuchen sich die Strecke zu merken. „Und falls ich gleich bewusstlos zusammenklappe, verlasse ich mich auf dich“, meinte Viktoria frech, als sie aus den Augenwinkeln zu ihm sah.

Nickend folgte er ihr an die Tür und lächelte kurz. „Klar kannst du dich auf mich verlassen, Wenn du mir zusammenbrichst, werfe ich die Hände in die Luft und renn‘ schreiend im Kreis. Aber mach dich mit irgendeinem Laut aufmerksam, bevor du Ohnmächtig wirst, damit ich mich nicht erschrecken muss.“

Viki unterdrückte ein Kichern, nickte aber. „Ich werde mein Bestes geben möglichst lautstark umzukippen, um auf dich Rücksicht zu nehmen.“ Sie hielt kurz die Luft an und kniff die Augen zusammen, als sie widerwillig abermals in den Regen trat. Ebenfalls dehnte Ryan grob seine müden Muskeln, folgte Viktoria auf dem Fuße nach draußen. Der kühle Regen schlug ihnen entgegen, hatte aber definitiv an Intensität seit dem vergangenen Morgen nachgelassen. Dennoch, der Regen prasselte auf sie hernieder, als sie hinaus traten. Die Kälte und Nässe versuchte sofort wieder in ihre trockene Kleidung zu kriechen. Jedoch tröstete es Viktoria ein wenig, das es hoffentlich für heute das letzte Mal war. Danach konnte sie im trockenen einige Tage rumgammeln, bevor ihre Vorräte verbraucht wären. Seufzend sah sie in den Himmel. Wie es aussah würde es auch bald besser werden, was ihnen aber nicht unbedingt half. Wer weiß welche Gestalten nun ebenfalls auf die Idee kam schon mal aus den Häusern zu kommen. Jetzt wurde sie doch etwas nervös und ließ ihren Blick abermals über die Straße wandern. Sie sah sich nochmal zu Ryan um, zog die Gurte ihres Rucksack fester und nickte ihm nochmals zu. „Sag Bescheid wenn ich dir zu schnell bin“, sagte sie noch mit einem frechen Lächeln.

„Wenn mein Schnaufen hinter dir immer leiser wird, solltest du dich vielleicht einmal nach mir umdrehen.“ Trotz seiner lockeren Antwort nickte er ihr ernst zu, das er sich bemerkbar machen würde wenn er nicht mehr mit ihr mithalten könnte. Einige Schritte lief Ryan rückwärts, während er die Straße zur rechten Seite der Tür für einige Momente im Auge behielt. Auch diese Seite wirkte bisher noch wie ausgestorben.

Erst danach rannte Vik endlich los. Ihr Bein schmerzte leicht, aber einige Zeit würde sie es sicherlich ohne Probleme aushalten. Auch wenn sie den Regen noch immer verfluchte, lenkte es sie zusätzlich ab. Immer wieder sah sie sich zu Ryan um, während sie rannte, auch wenn sie nicht wirklich glaubte einen Soldaten davon zu laufen zu können. Jedoch wollte sie auch wissen, ob er irgendwas bemerkte, was ihr entgangen war. Auch sah Vik oft aus den Augenwinkeln in die Fenster der Häuser, in die kleinen Gassen zwischen den Häusern und sogar zu einigen Dächern. Der bisher bewölkte Himmel fing wieder an, vereinzelt einige Sonnenstrahlen auf die Erde scheinen zu lassen, dennoch hatten sich bereits viele Pfützen auf ihrem Weg gebildet. Viktoria und Ryan liefen nun schon eine ganze Zeit. Viki hatte ihr Lauftempo etwas angepasst, allein deswegen, damit sie später nicht zu sehr aus der Puste kam. Aber auch jetzt schon ging ihr Atem schneller und ihr wurde ziemlich warm.

Auch ihr Gefährte schien langsam ins Schwitzen zu kommen. „Schade das... ich als Anreiz kein wehendes... Sommerkleid vor mir habe“, brachte Ryan es kaum hörbar zwischen flachen Atemzügen heraus, keine Antwort erwartend während er sich wieder dem beobachten der Straßen zu wandte.

„Besorge mir eines... fürs nächste Mal“, erwiderte sie keuchend. Ihr Lächeln währte aber nicht lang, dann wurde es schon wieder von dem ernsten Ausdruck ersetzt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier erfährt man also, das Vik noch eine schlimmere Begegnung hatte, über die sie nicht reden will. Mutmaßungen darfst du hier an dieser Stelle schon anstellen, aber noch behält Vik es für sich. Bei dem Kapitel, wie auch dem davor, hatte ich viele Probleme die Gespräche zusammen zu puzzeln. Ich hoffe, dass man dies nicht zu sehr merkt. Eigentlich bin ich mir unsicher, ob überhaupt jemand bis hierher ließt ^^° Aber eines Vorweg: Es wird auch noch sehr viel passieren, was die beiden niemals erahnen würden und ich damals ebenfalls nicht. Richtig spannend, wird es besonders ab Kapitel 10, wenn weitere RPG Spieler dazu kommen

Edit:
Hier mal die erwähnte Musik: "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana; "Smells Like Teen Spirit" (Violine) Komplett anzeigen

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