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Nach trüben Regentagen

... wird die Sonne einmal wieder scheinen
von

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Verwandle deine Traurigkeit zu Sanftheit, deine Einzigartigkeit zu Stärke

Am nächsten Morgen fiel mir das Aufstehen viel leichter als die letzten Tage. Und das, obwohl mein Wecker mich aus dem traumlosen Schlaf riss. Ich fühlte mich erholt und gestärkt, bereit, die Aufgaben dieses Tages zu meistern. Nach einer laukalten Dusche und einer Tasse schwarzem Tee machte ich mich auf den Weg zum Studio.

Im Bus beobachtete ich die Menschen um mich herum. Die letzten Tage hatte ich mit aus dem Fenster starren verbracht, aber heute freute ich mich für die junge Mutter, der bei dem Gegluckse ihres kleinen Mädchens die Freundentränen in die Augen traten, bangte mit dem herausgeputzten jungen Mann und fragte mich, ob es eine Verabredung oder ein Vorstellungsgespräch oder doch ein ganz anderer wichtiger Termin war. Und ich litt mit dem Mädchen, das ihrer Freundin mit zusammengebissenen Zähnen erzählte, was für ein schlechter Mensch ihr Exfreund gewesen war.

Als ich schließlich aus dem Bus stieg fühlte ich mich vom Leben erfüllt. Ich nahm einen tiefen Atemzug der kalten Winterluft. Dann betrat ich das graue Betongebäude. Ich hatte mich darauf eingestellt, der Erste zu sein, da ich wirklich zeitig dran war, doch aus dem Proberaum drangen bereits Stimmen und Gelächter. Anders als die vorigen Male zögerte ich nicht, einzutreten und hatte keine Angst davor, von meinen Gefühlen überwältigt zu werden.

„Och wie niie~dlich!“ Rukis begeistertes Kreischen war das Einzige, was mich an diesem Tag erschlug, als ich durch die Tür kam.

„Fast so niedlich wie du, Ruki.“, meinte Reita grinsend und drückte seinem Sänger einen Kuss auf die Backe. Und es war fast okay für mich.

„Ohayou gozaimasu.“, begrüßte ich meine Kollegen und trat ein, gespannt, was die Entzückung bei den Jungs bewirkte. Und dann sah ich sie. Drei kleine Welpen, die über die Füße und Schoße der Bandmitglieder kullertern und dabei immer wieder Fieptöne von sich gaben. Deren Mutter saß entspannt zu Uruhas Füßen, der etwas abseits von dem Getummel stand, aber auch ihn schien die Niedlichkeit des Anblickes nicht ganz kalt zu lassen.

„Wo kommen die denn her?“, fragte ich verwirrt.

Reita wandte sich mir mit einem Lächeln zu. „Die Hundedame Violetta“, sagte er und deutete auf die Hündin bei Uruha „und ihre drei süßen Jungen Ana Flavia, Amelia und Aurelian gehören meiner Cousine, die heute und morgen auf einer Tagung ist und so kurzfristig keinen Hundesitter bekommen hat. Also sind sie die Tage bei mir.“

„Und das, wo er es doch so mit Tieren hat!“, rief Ruki aus.

Reita verzog das Gesicht. „Naja, sind ja nur zwei Tage. Und die vier sind echt voll okay.“ Mit diesen Worten wuschelte er einem der Welpen durch das dichte Fell. Er war dunkelgrau mit einer weißen Pfote. Die anderen beiden waren etwas heller und hatten einen weißen Fleck am Bauch. Violetta war noch eine Nuance heller. Es waren wohl Terriermischlinge.

„Ich hoffe, dass es okay für dich ist, dass ich sie mitgebracht habe.“ Reita blickte nun etwas unsicher. Und ich wusste, dass er damit nicht nur mich als Leader ansprach, sondern auch als Freund.

„Kein Problem. Dann lassen wir das mit dem Proben für heute auch. Der Lärm täte den Kleinen bestimmt nicht gut und wir können uns auch mal zurücklehnen und entspannen. Ich finde, das haben wir uns verdient.“, beschloss ich.

Reita riss die Augen auf. „Daran hatte ich gar nicht gedacht! Oh Kai, entschuldige! Und -danke, du bist der Beste, Leader-sama.“

Ich lächelte nachsichtig. „Schon gut.“ Reita hatte daran gedacht, dass die Hunde uns von der Arbeit abhalten würden und dass ich dadurch an meine Trauer um Piccolo erinnert würde, aber nicht daran, dass laute Rockmusik die kleinen Tiere mehr als nur aufwühlen würde. Das war nur typisch. Aber ich nahm es ihm nicht übel. Tief im Inneren dankte ich dem Bassisten für seine Entscheidung und freute mich auf schöne Stunden mit meinen Freunden und Kollegen. „Ein paar Dinge können wir ja besprechen…“

„Dankeschön, Kai!“, jauchzte Ruki und vergrub sein Gesicht in dem Bauch eines der Welpen. „So flauschig! So niedlich!“, hörte ich ihn gegen das Fell murmeln.

„Ich finde auch, dass das eine gute Idee ist, Kai.“, bekannte Aoi. Seine dunklen Augen waren voller Glück, während er den letzten Welpen hinter den Ohren kraulte. Es war ein wundervoller Anblick. Ich erlaubte mir, mich für einen kurzen Moment darin zu verlieren.

Der kleine Schwarze, Aurelian, war inzwischen von Reitas Schoß gesprungen und zu seiner Mutter gelaufen.

Uruha hob den Welpen auf und trug das kleine Wesen zu mir herüber. „Sie sind so voller Wärme.“ Er hielt ihn mir hin. Große braune Augen blickten mich an. Sein hohes Bellen klang beinahe herausfordernd. Ich nahm ihn entgegen. Noch einmal bellte er, doch etwas sanfter. Dann leckte er über meine Nase. Ich blickte ihn in seine großen braunen Augen. Wieder ein Bellen, dann stupse er gegen meine Nase. Mir entwich ein Lächeln. „So viel Liebe.“, murmelte ich und drückte den Kleinen gegen meine Brust. Auf einmal war er ganz still. Doch ich spürte, wie er sich an mich schmiegte. Unvorstellbares Glück erfüllte mich in diesem Moment. All diese lieben Menschen um mich rum, die wir alle zusammen etwas Großartiges geschaffen hatten, und dieses kleine Wesen an meiner Brust, dass mich mit seiner Wärme und Liebe beglückte. Eine einzige Träne rann mir an der Wange hinunter.

„Alles okay?“, frage Uruha besorgt.

„Alles wunderbar.“, erwiderte ich strahlend.

Den Rest der Probe verbrachten wir vor allem damit, mit den Hunden zu spielen, bis sie erschöpft auf unserer Couch einschliefen. Danach sprachen wir über ein paar organisatorische Dinge, jedoch nicht, ohne immer wieder verzückte Blicke zu dem Fellhaufen zu werfen, der dafür verantwortlich war, dass wir alle auf dem Boden saßen.

Als wir uns schließlich voneinander verabschiedeten, konnte ich nicht fassen, dass der Tag schon vorüber war. Die Stunden waren wie im Flug vergangen. „Danke Jungs und bis übermorgen dann. Ich freue mich schon.“, rief ich ihnen hinterher, als sie den Proberaum verließen. Und ich meinte es sogar so.

„Wir freuen uns auch schon, Leader-sama!“, brüllte Ruki und drehte sich noch einmal winkend zu mir um.

Ich hatte gerade beschlossen, mich noch eine Weile hinter mein Schlagzeug zu setzen, als die Tür aufging und Miyavi hereinkam. Er stoppte in seiner Bewegung, dann verzog er das Gesicht. „Ihr hattet scheinbar Tierbesuch.“, bemerkte er.

„Ahh! Ich wollte noch lüften!“, fiel mir sofort ein und ich riss die Fenster auf. „Ja, Reita hatte die Hunde seiner Cousine dabei.“

„Du weißt, dass wir das eigentlich nicht dürfen?“, fragte der Sänger, während er sich auf die Couch setzte und ein paar helle Haare von der Sitzfläche wischte.

Mir wurde ganz heiß bei seinen Worten. „Das hatte ich ganz vergessen. Wir alle. Oh Mist.“

„Dann hattet ihr eben gar keine Hunde hier. Ich hab ja nichts gesehen.“, meinte Miyavi schulterzuckend. Dann grinste er: „Dein Blick gerade war ein Anblick für die Götter. Du bist so niedlich, wenn du dir einer Schuld bewusst wirst.“

Ich merkte, wie ich etwas rot wurde. Eigentlich wollte ich irgendetwas Geistreiches zurückschießen, doch stattdessen murmelte ich nur: „Danke.“

„Dass ich euch nicht verpfeife? Ach, das ist doch selbstverständlich. Ich finde die Hausordnung hier ohnehin bescheuert.“, bekannte Miyavi mit einem weiteren Grinsen.

„Abgesehen davon: Soll ich dich später mit heim nehmen oder hattest du vor, gleich zu fahren?“

„Ich bin mit dem Bus hier…“, nuschelte ich.

„Das war mir klar. Soll ich dich nun mitnehmen?“

„Ich hätte den Bus um fünf Uhr dreiundfünfizig genommen.“

„Bis dahin bin ich fertig. Dann treffen wir uns um kurz vor sechs am Parkplatz?“, beschloss Miyavi. Wieder keine Widerrede.

Ich nickte und brummte leise: „Ist okay.“

„Dann bis dann!“ Mit diesen Worten war er aufgesprochen und im selben Moment schon aus dem Raum geschossen.

Ich schüttelte den Kopf und machte die Fenster wieder zu. Dann begann ich zu proben.

Als wir später zusammen im Auto saßen, kam Miyavi erneut darauf zu sprechen:

„Warum fährst du eigentlich immer mit dem Bus? Du brauchst dadurch fast doppelt so lange und bist noch dazu ziemlich unflexibel, weil dieser blöde Ort so mies an das öffentliche Netz angebunden ist.“

Ich schnaubte leise. „Na, aus dem Grund, dass weil sich das jeder denkt, jeder von denen mit seinem Auto die Luft verpestet. Und ich will nicht einer von denen sein.“

„Kai, du bist so ein toller, verantwortungsvoller Mensch. Aber von tollen, verantwortungsvollen Menschen gibt es leider viel zu wenig. Viel zu viele von ‚denen’. Ha, und ich bin einer von ihnen.“, erkannte Miyavi und schnitt eine Grimasse.

Ich war einen Moment sprachlos. Dann nuschelte ich etwas wie, dass ich es ja nicht so gemeint hatte. Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück.

„Danke fürs Mitnehmen, Miyavi.“, sagte ich, während ich nach dem Schlüssel zu meiner Wohnung kramte.

„Gar kein Problem und gerne wieder.“ Dann verschwand er hinter seiner Haustür.



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