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Das Teehaus am Ende der Straße

von

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zu viel oder zu wenig Salz?

01 – zu viel oder zu wenig Salz?
 

Kagome salzte nach. Ihr Bento gelang ihr heute Morgen nicht so vortrefflich wie üblich und sie war froh, dass sie immer einen kleinen Salzstreuer für derartige Notfälle bei sich führte. Glitzernde Kristalle regneten auf den Reis herab. Prüfend biss sie erneut von dem Reisbällchen ab, aber seine Würze genügte nun ihren Ansprüchen. Das wäre dann wohl das Maximum an unerwarteten Ereignissen, was sie für diesen Tag erwarten könne, ging ihr gelangweilt durch den Kopf. Dieser Tag würde genauso uniformiert, gleich und bedeutungslos sein wie der Vorherige. Routine hatte ihr Leben nun wieder fest im Griff, seit der Brunnen sich vor über einem Jahr nach der Zerstörung des Juwels der vier Seelen für immer geschlossen hatte. Sie war nun eine Oberstufenschülerin wie alle anderen auch. Es gab nicht mehr diese andere Welt mit ihren unzähligen Abenteuern und magischen Momenten. In diesen modernen Zeiten gab es keine Youkai und wahnsinnig gewordenen Welteroberer mehr. Und es gab auch keinen Hanyou mit plüschigen, weißen Hundeohren mehr an ihrer Seite. Diese farbenfrohe und manchmal etwas chaotisch anmutende Welt lag für immer verschlossen hinter dem Grund des Knochenfresserbrunnens.

Es hatte einige Zeit gebraucht, bis sie wieder in ihr altes Leben zurückgefunden hatte. Sie hatte versucht Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um wieder fünfhundert Jahre in die Vergangenheit reisen zu können. Ihre Freunde fehlten ihr so sehr, sie hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt ihnen Lebewohl zu sagen. Ganz besonders fehlte ihr Inuyasha. Lange schon hatte ihr Herz für ihn geschlagen, doch immer lag der lange Schatten Kikyos über ihnen. Sie hatte es auf sich genommen trotzdem für ihn da zu sein und auf eine gemeinsame Zukunft nach dem Kampf gegen Naraku und das Juwel zu hoffen. Doch gerade als sie sich am Ziel ihrer Sehnsüchte wähnte und in einen innigen Kuss mit Inuyasha versank, riss das Schicksal sie auseinander und verbannte beide in ihre jeweilige Epoche.

Irgendwann hatte sie aufgehört dagegen anzukämpfen und hatte sich in ihr Schicksal gefügt. Doch ihre Unbekümmertheit und ihren Frohsinn hatten stark gelitten. Sie war nicht mehr das naive Schulmädchen, das alles durch eine bonbonfarbene Brille sah und glaubte die Welt verbessern zu können. Sie war der Achtzehn nun näher als der Siebzehn und verzweifelte immer wieder an der Oberflächlichkeit und Beliebigkeit der Menschen um sich herum. Aber sie wussten es ja nicht besser, sie kannten nicht die Todesangst, die man einem hungrigen Dämon gegenüber verspürte. Es gab keine wirklichen Probleme in ihrem Leben, sie hatten alles, was sie brauchten oder meinten zu brauchen; niemand trachtete ihren Freunden nach dem Leben.

Schultag an Schultag reihte sich, unterbrochen von einem Wochenende, das sie mit ihren besten Freundinnen verbrachte. Eben wie eine typische junge Frau ihrer Zeit. Aber in Momenten wie diesem wünschte sie sich einen großen Salzstreuer für ihr Leben. Ein bisschen Abenteuer und Aufregung, es musste ja nicht gleich die Wiederkehr Narakus sein. Das laute Klingeln beendete ihre Mittagspause und die trüben Gedanken und so packte sie ihr Mittagessen wieder ein und machte sich auf den Weg zurück in das Klassenzimmer.
 

Fröhlich plappernd drängte sich die Klasse auf dem Gang. „Ey, Kagome! Du und ich und ein Kaffee nach der Schule?“, rief eine selbstbewusste, männliche Stimme durch den Gang. Aber die Angesprochene verdrehte nur genervt die Augen. Toshi, der Kapitän der Fußballschulmannschaft und berüchtigter Frauenheld, versuchte es schon eine ganze Weile sie zu einem Date zu überreden. Aber sie kannte seinen Verschleiß, er wechselte seine Freundinnen wie andere die Socken und sie hatte wenig Lust Teil seiner Sammlung zu werden. Finster blickte sie zu ihm herüber und entgegnete schnippisch: „Auch wenn du dich für das heißeste Wiener Würstchen hältst, ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass ich keine Lust habe! Zieh endlich Leine!“

Ihr kleines Wortgefecht hatte ein interessiertes Publikum gefunden, gebannt verfolgten sie die Blicke ihrer Freundinnen. „Ich verstehe nicht, warum sie jedem Jungen einen Korb gibt“, flüsterte Eri Yuka und Ayumi verschwörerisch zu. Heftiges Nicken bekräftigte ihr Unverständnis. „Seit sie wieder gesund ist, ist sie so verändert“, tuschelte Yuka weiter. „Ich versteh jedes Wort, ihr Tratschtanten!“, versuchte nun Kagome die Diskussion im Keim zu ersticken. „Aber Kagome, wenn du jeden abweist, wirst du am Ende nie jemanden finden!“, dramatisierte Ayumi weiter und brachte Kagomes Geduldsfaden in arge Bedrängnis. „Könnt ihr euch vorstellen, dass es Wichtigeres gibt als die Aufmerksamkeit von irgendwelchen Jungs? Und gerade Toshi… ihr zerreißt euch doch sonst das Maul darüber, wie respektlos er mit allen Mädchen umgeht! Und jetzt soll ich mich mit ihm treffen?“, wetterte Kagome. Jetzt war sie richtig in Fahrt. Verlegen sah Ayumi zu Boden. „Wir machen uns doch nur Sorgen um dich. Seit das mit deinem Freund in die Brüche ging, bist du so anders….“ „… und da dachten wir, besser Toshi als gar keiner“, sprang Eri ihrer Freundin bei. Kagome atmete einige Male tief durch und versuchte ihre Clique nicht anzuschreien. „Zum letzten Mal: Mir geht es gut, ich will mich auf das Wesentliche konzentrieren und selbst wenn Toshi der letzte Mann auf Erden wäre… Nein!“ Die drei Mädchen standen vor ihr wie Kinder, die sich eben eine Strafpredigt anhören mussten. Yuka versuchte das Ganze noch zu retten: „Wir haben es doch nur gut gemeint!“ Der nun ankommende Lehrer rettete sie in letzter Sekunde vor einem Wutanfall von Kagome, die auch dankbar war, dass diese sinnlose Debatte um ihr Liebesleben ein jähes Ende fand.
 

Nachdem der Unterricht endlich ein Ende gefunden hatte, verabschiedete sich Kagome von ihren drei Freundinnen und machte sich auf den Heimweg. Sie ging die lange Straße hinab, an der viele Läden und Imbisse lagen. Tische standen auf der Straße vor den Cafés, an denen viele Schülerinnen saßen und den neusten Klatsch austauschten. Auch die ersten Erwachsenen hatten Feierabend und genossen die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres bei einem Eis im Freien. Das Stimmgewirr lag schwer in der Luft und dämpfte den Lärm der vielbefahrenen Straße, auf der sich Auto an Auto reihte. Aus den Küchen der Restaurants drangen die unterschiedlichsten Düfte nach draußen und ließen Kagome das Wasser im Munde zusammen laufen. Hoffentlich würde ihre Mutter heute Abend etwas Leckeres kochen nach diesem etwas enttäuschenden Mittagessen. Sie lief zügig immer weiter die Straße entlang, die den Schrein, den ihre Familie bewohnte, direkt mit der Schule verband. Das dichte Gedrängel der Leute zwang sie zu einem Hindernisparcours und immer wieder musste sie aufpassen nicht mit jemandem zusammen zu stoßen.

Ein Piepsen drang durch das Getöse der Stadt und neugierig zog sie ihr Handy aus der Tasche. Eine SMS ihrer Mutter, zeigte das Display an. Sie hatte beim Einkaufen vergessen, dass das Salz alle war und bat Kagome auf dem Heimweg einen Schlenker am Supermarkt vorbei zu machen. Kagome lächelte schief. Das passte ja perfekt zu dem heutigen Tag. Aber auch wenn sie überhaupt keine Lust hatte und eigentlich direkt nach Hause wollte, musste sie den Umweg in Kauf nehmen, wenn sie das erhoffte Abendessen haben wollte. Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief den Weg zur Schule zurück. Das nächste Lebensmittelgeschäft lag noch ein Stück hinter der Schule. Im Laden musste sie ein wenig stöbern bis sie das Gesuchte gefunden hatte. Sie kaufte nicht so oft ein und wusste nicht, wo sich alles befand. Ihre Mutter hingegen ging jedes Mal mit einer schlafwandlerischen Sicherheit durch die Regale, wenn sie gemeinsam hier waren. Natürlich hatte sich vor der Kasse eine lange Schlange gebildet und die junge Frau sah aus, als wäre es ihr erster Tag. Konnte dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden, seufzte Kagome und gönnte sich einen Moment des Selbstmitleids.
 

Er konnte. Als sie endlich den Supermarkt verlassen hatte, sah sie, dass Toshi ihr von weitem entgegen kam, leider genau aus der Richtung, in die sie gehen wollte. Wenn sie jetzt wieder auf ihn treffen würde, konnte sie sich seiner plumpen Sprüche sicher sein und ganz gewiss würde er sich wieder schmierig und unauffällig an sie heranpirschen. Das war nun wirklich das Letzte, worauf sie Lust hatte, wieder diesen Weiberhelden loswerden zu müssen. Noch hatte er sie nicht entdeckt, sie konnte sich also noch überlegen, wie sie ihm am besten aus dem Weg gehen konnte. Ein paar Meter vor sich fiel ihr ein Schild ins Auge, das an der Außenseite eines alten Gebäudes befestigt war. „Teehaus zum weißen Hund“, las sie auf dem verwitterten Holzschild. Die Schriftzeichen waren in einem antiken Stil in Weiß auf das dunkle Holz gemalt, aber der Zahn der Zeit hatte die Farbe an einigen Stellen verwaschen und so war der Schriftzug sehr ausgeblichen.

Sie nahm prüfend das Haus in Augenschein. Es war eins der letzten Gebäude, das im traditionellen Stil gebaut wurde und noch nicht der Erneuerung des Stadtbilds zum Opfer gefallen war. Das ebenholzfarben lasierte Holz war noch viel älter und in die Jahre gekommen als das Holz der Reklametafel und die Wand ragte direkt neben dem Gehweg hinauf. Erst kurz unter dem Dachvorsprung, der elegant geschwungen darüber lag, waren einige schmale Fenster eingebaut. Unter dem Schild war ein kleines pagodenartiges Regendach, das den Eingang vor Wind und Wetter schützen sollte. Eine alte Laterne hing davon herab, die um diese Zeit noch nicht brannte und wog sich im leichten Wind. Sonst war die Fassade kahl, keine Verzierungen, kein Schmuck und keine Werbung für irgendwelche Getränke, wie sie an allen anderen Cafés angebracht waren. Hatte das Teehaus eigentlich geöffnet oder war es bereits aufgegeben, wunderte sich Kagome, denn es drang kein Laut aus dem Inneren ihr entgegen. So unglaublich einladend wie das Etablissement aussah, wäre es auch keine Überraschung, befand sie.

Toshi näherte sich ihr weiter und gleich würde sie in seine Sichtweite kommen, wenn sie sich nicht rührte. Das unwirtliche Teehaus ohne Fenster war ideal um sich vor aufdringlichen Verehrern zu verstecken und so drückte Kagome kurzentschlossen die Türklinke herunter. Erleichtert stellte sie fest, dass es geöffnet hatte und huschte schnell durch die Tür in das Innere des alten Hauses. Beinahe verfing sie sich in einem schweren, dunklen Vorhang, der direkt hinter dem Eingang aufgespannt war und wohl die Kälte abhalten sollte. Der Wirt schien keinen Wert auf Gästekomfort zu legen, dachte Kagome.

Vor ihr lag ein spartanisch eingerichteter Gastraum, der von dem wenigen Licht, dass durch die schmalen Fensterschlitze fiel, beleuchtet wurde. Die Hängelampen über den Tischen waren dunkel und sie konnte keinen Gast entdecken. Die Luft war vom Geruch kalten Rauchs geschwängert, der sich auch in Form einer gelblichen Patina an den Wänden festgesetzt hatte. Das war der Qualm von Jahrzehnten, hier schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Alles hier wirkte alt und renovierungsbedürftig. Die runden Tische hatten unzählige Scharten auf ihrer Oberfläche und die Stühle waren wild zusammengewürfelt. Keiner glich dem anderen. An den Wänden hingen alte Fotos der Stadt in vielen kleinen Rahmen. Wenige größere Bilder zeigten Kalligraphie in der gleichen altmodischen Schrift wie auf dem Schild über der Tür. Das Papier war trotz des schützenden Glas aber vergilbt. Am Ende des Raums war eine schlichte Theke, über der eine brennende Lampe von der Decke baumelte. Davor standen einige abgewetzte Barhocker, die aber auch verwaist waren. Kein Gast war zu sehen.

Unsicher ging Kagome weiter in den Raum hinein und setzte sich auf einen der hohen Stühle an den Tresen. Weiter erkundete sie mit ihrem Blick den Raum. An der Wand hinter der Theke war ein Regal angebracht, in dem einige Teller und Tassen gestapelt waren. Auf dem obersten Boden standen einige Flaschen, deren Etiketten lange verblichen waren und deren Inhalt sich am zersetzen war. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass jemand davon getrunken hatte. Versteckt in der hintersten Ecke des Raums war ein kleiner Durchgang in den Rest des Hauses, der aber von einem Bambusvorhang verborgen wurde vor allzu neugierigen Blicken. Feine Rauchschwaden reizten ihre Nase. Sie kamen von einem überquellenden Aschenbecher, der auf dem Tresen stand und an dessen Rand eine halb gerauchte, brennende Zigarette glomm. Also hatte das Teehaus tatsächlich geöffnet und war nicht völlig verlassen. Sie würde der Höflichkeit halber eine Tasse Tee trinken und dann wieder gehen. Ihre Mutter erwartete sie daheim und Toshi wäre in der Zwischenzeit sicher weitergelaufen. Sie drehte sich mit dem Rücken zur Theke und besah sich weiter die mit Bildern vollbehangenen Wände und versank in der nostalgischen Atmosphäre des Raumes.
 

Sie war so verzaubert, dass sie nicht mitbekam, wie sich der Bambusvorhang teilte und der Wirt an seinen Tresen zurückkehrte. Gelangweilt griff er nach seiner angefangenen Zigarette und nahm einen tiefen Zug. „Was willst du hier?“, sagte er genervt zu seinem unerwarteten Gast. Kagome war empört über die Unfreundlichkeit und noch bevor sie sich wieder umgedreht hatte, blaffte sie im selben Tonfall zurück: „Einen Tee, was denn sonst?“

Alle weiteren wütenden Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie die gelangweilt auf einen Ellbogen gestützte Gestalt am Tresen sah. Dort stand in einem schwarzen Hemd gekleidet niemand geringeres als Sesshoumaru, Herr der westlichen Länder und Daiyoukai der Hundedämonen, der seine Kippe in dem überbordenden Aschenbecher ausdrückte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Vigeta_Lord_d_T
2019-05-12T17:31:02+00:00 12.05.2019 19:31
Waaaaaaaaaaaaaaaaaßß
WERRRRRRRRRRRRR Sesshomaru??,,???????? Eau jetzt bin ich platt. Das hätte ich nicht erwartet
Von: abgemeldet
2014-12-11T11:32:40+00:00 11.12.2014 12:32
Tolles Kapitel. Ich fand Kagomes schnippische Antwort gegenüber Toshi gut. Das mit dem heißesten Würstchen. Ich musste lachen darüber.^^
Von:  igorrrr
2014-10-15T19:13:00+00:00 15.10.2014 21:13
Lese die Geschichte jetzt ein zweites mal :) und möchte dir ein paar Kommis schreiben. Gefällt mir.
Von:  nicoleherbster
2014-06-30T07:23:37+00:00 30.06.2014 09:23
tolle Geschichte. Bin gespannt wie es weiter geht.
Antwort von:  Seelenfinsternis
30.06.2014 22:00
Ich auch :) Bin am schreiben, deswegen dauert es ein bisschen bis es weiter geht


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