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Adonis

Eine Pferdegeschichte
von

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Wie auch die andere Pferdegeschichte hier, stelle ich auch diese online, weil meine Lehrerin vor etwa 15 Jahren meinte, dass ich das mal veröffentlichen sollte, aber bisher hatte ich nie Gelegenheit dazu, und jetzt will ich es eben hier machen...
 


 

ADONIS
 

Die Luft war kühl, es war noch ein wenig dunkel, und der Tag war noch nicht richtig erwacht. Es war früh am Morgen, als ich vor dem Pferdestall auf meine Freundin Birgit wartete. "Na, komm endlich!" rief ich ihr entgegen, als ich von weitem ihre Gestalt auf mich zu kommen sah. Sie gab keine Antwort, kam langsam näher und wünschte mir dann einen Guten Morgen.
 

Gemeinsam betraten wir dann den Stall, wo wir von unseren beiden Pferden mit erfreutem Schnauben begrüßt wurden. Es war angenehm warm hier, und die Luft war erfüllt vom Duft würzigen Heus und dem typischen Pferdegeruch. Ich verschwand gleich in der Box meines geliebten Hengstes Adonis und kraulte ihn an den Ohren, was er mit einem wohlwollenden Grunzen quittierte. Nachdem ich ihn mit Kraftfutter und Heu versorgt hatte, begann ich mit dem Striegeln.
 

Im Gegensatz zu Birgits wunderschönen haselnußbraunen Wallach mit der ebenmäßigen Stern auf der Stirn, der eigentlich nur kurz vom Staub befreit werden mußte, legte sich mein Pferd ständig in den eigenen Kot, und ich hatte danach größte Mühe, es einigermaßen sauber zu kriegen.
 

Seufzend begann ich mit einer gröberen Bürste, die verklebten Stellen seines schwarzen Fells zu bearbeiten. Adonis war ein Araber und deshalb auch nicht besonders groß, so hatte ich wenigstens nicht so viel Fläche zu putzen. Während ich mich abmühte, schweiften meine Gedanken ab.
 

Als wir Adonis gekauft hatten war er nicht viel älter als ein halbes Jahr gewesen, ein kleines, dunkles, struppiges Fohlen mit wachem Blick, und schon damals ließ er einen späteren sehr guten Körperbau erahnen. Er war mir von Anfang an wie ein Hündchen gefolgt, und wir waren gute Freunde geworden. Nur vor Motorrädern hatte er panische Angst, weil ein verrückter Motorradfahrer sich einen "Spaß" gemacht hatte und mit seiner Maschine in Adonis' Koppel gefahren war. Dort hatte er den armen Kerl gejagt, bis dieser einfach nicht mehr weiterkonnte.

Seither konnte man den Rappen nicht mehr auf der Straße reiten, weil er sofort in Panik geriet, wenn er auch nur ein Motorrad hörte.
 

Den gröbsten Dreck hatte ich mühsam abgekratzt, als ich bemerkte, daß mich Birgit durch die Stäbe der Box beobachtete. "Was, noch nicht fertig", kicherte sie und schaute interessiert zu. Ich grinste und konterte: "Na, du brauchst bei deinem Sauberkeitsfanatiker ja nur mit dem Staubtuch darüberwischen!", während ich die Klümpchen aus der Mähne bürstete. "Soll ich dir helfen?" Birgit schien heute besonders großzügig zu sein. Ich drückte ihr wortlos eine Bürste in die Hand, und sie nahm sich Adonis' langen Schweif und summte eine Melodie, während sie mit kräftigen Strichen den Schweif bürstete.
 

Als wir mit unseren Pferden ins Freie traten, war es heller geworden, und die Sonne sandte ihre warmen Strahlen vom Himmel. Keine Wolke war zu sehen, ein leichter Windhauch regte sich. Es würde ein herrlicher Tag werden!
 

Im Schritt trieben wir unsere Pferde voran und lenkten sie auf den schmalen Waldweg. Dort fielen sie dann in einen leichten Trab, und schließlich jagten wir in wildem Galopp dahin. Mal war Adonis eine Nasenlänge vorne, dann wurde er wieder von Birgits Hannoveraner Merlin eingeholt. Mitten in dem scharfen Ritt, hörte ich plötzlich etwas höchst Beunruhigendes. Der Lärm eines Motorrades! Ich zuckte zusammen und zog vorsichtig die Zügel an. Adonis lehnte sich leicht dagegen auf. Dies hier war doch der Weg, den er immer galoppieren durfte! Er schien das Geräusch noch nicht gehört zu haben, als er gehorsam, aber doch mit einer Spur von Widerwillen in den Schritt fiel.
 

"Was ist los?" Birgit hielt Merlin erstaunt an. "Hörst du nicht?" fragte ich fast tonlos, und meine Freundin wurde blaß. "Ein Motorrad", flüsterte sie entsetzt und warf einen Blick auf meinen Hengst, der plötzlich unruhig geworden war. Er tänzelte erregt, während ich ihm gut zuredete. Plötzlich tauchte hinter uns die Maschine auf. Ein großes, wuchtiges Objekt aus blitzendem Stahl und einem ganz in schwarz gekleideten Fahrer. Bildete ich mir das nur ein, oder war das der selbe, der vor einigen Monaten auf der Koppel gefahren war?
 

Mit heulendem Motor fuhr er auf uns zu.

Adonis stieg in Panik, wirbelte mit den Vorderbeinen durch die Luft und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Ich hatte Mühe, mich im Sattel zu halten, und aus den Augenwinkeln sah ich, wie Birgit Merlin mühsam unter Kontrolle hatte. Adonis rannte los, während er ständig ausschlug und buckelte. Er mußte wahnsinnige Angst haben!

Hinter uns heulte der Motor und kam immer näher. Adonis strauchelte und fiel hin. Ich konnte mich nicht mehr halten und wurde aus dem Sattel geschleudert. Während ich hart am Boden aufprallte, sah ich, wie sich mein Hengst aufraffte und im rasenden Galopp davonrannte, dicht gefolgt von dem Motorradfahrer!
 

"Oh, Gott! Ist dir etwas passiert?" Birgit hatte ihren Braunen kaum zum Stehen gebracht, als sie auch schon aus dem Sattel sprang und auf mich zueilte. "Mir geht's gut", murmelte ich. Ich war auf dem Bauch gelandet und war so aufgeprallt, daß ich die Härte des Sturzes hatte abfangen können.

"Adonis! Wir müssen hinterher!" kam es mir plötzlich in den Sinn. Birgit nickte und schwang sich in den Sattel, während ich um einiges mehr Mühe hatte, hinter ihr auf das Pferd zu krabbeln. Ich saß noch kaum richtig, als meine Freundin Merlin auch schon den Befehl zum Galoppieren gab.
 

Vom Motorradfahrer war nichts mehr zu hören. Wahrscheinlich war ihm sein grausames Spiel langweilig geworden, oder er hatte auch ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ich durch seine Schuld vom Pferd gefallen war, jedenfalls schien er verschwunden zu sein. Das hielt aber Adonis sicher nicht davon ab, weiter zu flüchten!
 

Wir folgten den Spuren des Hengstes, dessen Hufen tiefe Furchen in den Erdboden gegraben hatten, dahinter konnte man eine Reifenspur entdecken, die aber plötzlich abzweigte. Wir folgten natürlich der Spur des Pferdes.
 

Meine Angst wurde immer größer. Diesen Weg, den Adonis eingeschlagen hatte, waren wir mit den Pferden nie gegangen! Er führte an eine einige Meter tiefe Schlucht, die man allerdings erst richtig erkennen konnte, wenn man direkt davor stand. Und Pferde können vor sich doch nur wenig sehen!

"Weiter! Weiter!" brüllte und krallte mich an meiner Freundin fest. Sie versuchte, Merlin zu einem noch schnelleren Galopp zu bewegen, aber er gab bereits sein bestes. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen steigen, während ich dafür betete, daß Adonis rechtzeitig abgezweigt war, oder noch vor der Schlucht hatte Halt machen können. Ich schloß die Augen und sah ihn vor mir, wie er tot am Fuße der Schlucht lag! Nein, das durfte nicht passieren!
 

Die Spuren zweigten weder vom Weg ab, noch schien der Hengst langsamer geworden zu sein. Wenn er so kopflos dahinraste... ich wollte gar nicht daran denken!
 

"Neiiiin!" Mein Schrei erfüllte die sonst so beruhigende Stille des Waldes. Ich sprang von Merlins Rücken, wagte aber nicht über die Schlucht zu sehen.

Adonis' Spuren reichten bis zur Schlucht. Man sah, daß er im letzten Moment hatte bremsen wollen, aber sein Schwung hatte ihn über den Rand hinauskatapultiert.
 

Birgit stand plötzlich hinter mir und legte mir die Hand auf die Schulter. Das konnte mich nicht trösten, aber ich war froh, daß sie da war! Vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den anderen und hoffte, daß ich unten am Fuße der Schlucht nichts sehen würde, weil mein Hengst vielleicht doch noch ausweichen hatte können.
 

Dort unten lag er. Ein schwarzer Fleck, gebettet auf Blättern und Steinen. Er war tot! Er war bestimmt schon tot! Er konnte das nicht überlebt haben...

Ich ging einige Meter am Rande der Schlucht entlang und wagte dort den Abstieg. "Nein, tu das nicht", bat Birgit flehend. Sie wusste, dass ich seinen toten Anblick fast nicht ertragen würde, aber etwas in mir wollte ihn noch einmal sehen. Ich kam einige Meter von meinem Hengst entfernt unten an und blieb stehen. Tränen standen mir in den Augen. Ich sah nur ihn, wusste aber, dass meine Freundin hinter mir stand, und ihre Anwesenheit tat mir gut.
 

Plötzlich hörte ich leises Stöhnen und Keuchen! Adonis bewegte sich. Ich sah es, war aber wie erstarrt und war nicht fähig, zu ihm hinzugehen.

Dann stand er auf. Langsam und mühevoll. Das rechte Vorderbein schien an mehreren Stellen gebrochen zu sein. Aus der Schulter floß ein dichter Strom dunklen Blutes. Es zerbrach mir fast das Herz, aber ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Zitternd stand er da und humpelte dann mühevoll auf mich zu. Langsam und strauchelnd kam er mir entgegen. Es schien, als wolle er sich von mir verabschieden.

Ich lief zu ihm hin und umarmte seinen blutverschmierten Kopf. Langsam brach er zusammen und sank stöhnend zu Boden, knickte erst mit den Vorderbeinen ein, wobei das gebrochene in einem seltsamen Winkel vom Körper wegstand, und sank dann auch mit den Hinterbeinen zu Boden. Ich setzte mich vor ihm hin, während meine Tränen an meinen Wangen herunterliefen. Seine schaumverklebte Zunge leckte an meiner Hand, während ich ihn unentwegt mit der anderen an den Ohren kraulte. Seine Zunge wurde schwerfälliger und steifer und blieb schließlich reglos auf meiner Hand liegen. Ein letztes krampfartiges Zucken des schwarzen Körpers, ein schweres Keuchen, und Adonis war tot.
 

Der Wind fuhr sanft durch seine Mähne, und seine gebrochenen Augen starrten mich noch an. Ich saß da, den schwarzen Kopf auf meinem Schoß, und weinte hemmungslos. Birgit berührte mich sanft an der Schulter, und ich stand auf. Schweigend ritten wir auf Merlin nach Hause.
 

Ich war nicht dabei, als man ihn holte und irgendwo hinbrachte. Ich behalte ihn in Erinnerung als den wunderschönen, schwarzen Hengst, der er immer war. Auch, wenn ich jetzt meinen braunen Wallach genauso liebe wie einst Adonis, so denke ich doch oft an den kleinen dunklen Hengst zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  DemonLady
2004-12-14T17:57:11+00:00 14.12.2004 18:57
*Wieder Tränchen versteck*
Also Silverbird war ja schon schön, aber die hier gefällt mir noch besser. Sehr traurig am Ende, aber die geht echt unter die Haut.
*sniff* Maus
Von: abgemeldet
2004-09-01T18:56:59+00:00 01.09.2004 20:56
Das ist eine wunderschöne, traurige und ergreifende Geschichte. Ich bin selbst ein großer Pferdeliebhaber und wenn ich mir vorstelle einen unserer Isis würde ein solches Schicksal ereilen, würde ich vermutlich auch gleich sterben *sniff*. Du schreibst sehr schön...
Grüßchen,
Maddy
Von: abgemeldet
2004-04-15T13:44:41+00:00 15.04.2004 15:44
Ist super traurig die Geschichte. Mußte echt nach Taschentücher suchen. Berührt mich schon wenn ich nur dran denke.
Von: abgemeldet
2003-07-12T19:02:52+00:00 12.07.2003 21:02
Wie grausam. Die Story fing so schön an und endet so traurig. Ich musste echt mit den Tränen kämpfen, weil es mich so sehr berührt hatte. Das schaffen echt nicht viele Storys. Das war wunderschön, schluchz, so schön traurig.

La Loba, die sich kaum noch einkriegt vor Emotionen


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