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Wenn Hass vergisst zu hassen

von

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Vergebung?

Ich starrte sie an, sie starrte zurück. Und das ging jetzt schon eine ganze Weile so. Eine Zeit lang hatte Kira versucht sie mit mir nieder zu starren, hat dann aber Angst bekommen vor diesen großen, im Schatten der klobigen Brauen liegenden Augen. Jetzt schlief er seelenruhig neben mir und hat es doch tatsächlich gewagt, sich an mich anzulehnen. Knacks, knacks sie tat es schon wieder. Ungefähr alle zehn Minuten knackte sie ihre großen, ledernen Hände. Ihr großer Kiefer machte sich an der zähen Hammelkeule zu schaffen, ich konnte ihre monströsen Backenzähne mahlen hören. Ja, man könnte meinen sie wäre Forns älterer und wesentlich größerer Bruder (woran auch ihre tiefe, raue Stimme keinen Zweifel lassen sollte), wenn man nicht gerade erfahren hätte, dass sie Forns Frau Greta war.
 

Als ich, Kira und Forn (ja, ich weiß: der Esel nennt sich zu letzt, Nai sei Dank bin ich kein Esel) ins Haus gelangt waren, kam sie ganz aufgeregt zu uns hin gestapft und fiel regelrecht über Forn her, wahrscheinlich etwas, was mich mein ganzes Leben lang noch verfolgen wird.

Nachdem die beiden endlich fertig waren, musterte sie uns grimmig. Sie schnaubte und stampfte in ein anderes Zimmer, nicht ohne Forn noch einen anklagenden Blick zuzuwerfen.

Der Schmied bedeutete uns ihm zu folgen, schritt dann selbst seiner Frau hinterher, bis wir vier in einem geräumigen Wohnzimmer ankamen. Es war alles aus Holz, bis auf den Boden und den großen, erstaunlich sauberen Kamin, beides aus hellem, grauem Stein. Greta setzte sich an einen scheinbar grob angefertigten Tisch mit dazu passenden Stühlen, wir taten es ihr gleich. Doch sobald ich mich setzte, merkte ich, dass der Tisch und seine Stühle keines Wegs grob oder eilig fertig gezimmert wurden. Das Holz war samtig weich unter der Haut und der Stuhl passte sich seinem Gewicht ein wenig an. Mir fiel jetzt erst auf, wie herrlich es hier duftete! Nach gebratenem Fleisch, frischen Beeren und weichem, warmen Weißbrot. Ich schüttelte ein wenig den Kopf um aus meinen Träumereien zu erwachen.

Ab da hatte es angefangen. Greta starrte mich an, ich blickte erst etwas verwirrt zurück, starrte dann ebenfalls.

Ich merkte gar nicht, wie Forn und Kira verschwanden und nach einiger Zeit mit Schüsseln, Tellern, Krügen und Silberbesteck zurückkamen. Sie deckten den Tisch um mich und Greta herum, um uns nicht beim Starren zu stören.

Mein Auge fing langsam an zu zucken, denn ich hatte viel zu selten geblinzelt. „Junge, Junge. So stur wie du war bis jetzt noch niemand. Du solltest nicht jeden Wettbewerb annehmen, und schon gar nicht so einen Unsinn als solchen ansehen!“, brummte Greta und wurde zum Ende hin dezent lauter. Ich zuckte zusammen und wendete meinen Blick auf den Tisch, überflog das Essen und blieb schließlich an den blauen Augen meines Begleiters hängen. Er musterte mich besorgt und auch etwas…amüsiert?! Was fällt dem denn bitte ein!

„Junge, beruhig dich, du verbiegst mein ganzes Besteck.“, lenkte mich Greta nun von Kira ab. Da merkte ich erst, mit welcher Gewalt ich das Messer umschlungen hatte. Und bei dem Glück, das ich besaß, war es natürlich die scharfe Seite. Ich zischte leise und besah mir den doch recht tiefen Schnitt in meiner Hand, während das Blut auf meinen leeren Teller troff.

„Hach, nicht einmal mit’m Essen angefangen, schon gibt es Verletzte“, Greta hörte sich etwas angesäuert an, „Komm mit, das muss verbunden werden, Junge“. Ich nickte etwas zögerlich und ging diesem Bär einer Frau hinterher. Bevor wir in einem weiteren Zimmer verschwanden, drehte sich Greta noch einmal um, und rief den anderen beiden zu, dass sie schon einmal anfangen konnten.

In dem neuen Raum angekommen befahl sie mir, mich auf die gepolsterte Liege zu setzten, denn anscheinend war das hier das Krankenzimmer. Ich knurrte, setzte mich aber brav auf die Liege, denn hätte ich es nicht getan, würde sie wahrscheinlich nicht mehr so freundlich darum bitten. Sie scharrte in den Schubladen herum und trat mit einer Salbe in der einen, einem sauberen Verband in der anderen Hand an mich heran. Nachdem sie die Utensilien auf der Liege ausgebreitet und noch ein dünnes, scharfes Messer hinzu gelegt hatte, streckte Greta ihre Hand aus, woraufhin ich nur meine nicht erkennbare Augenbraue hochzog und sie skeptisch ansah. Sie rollte ihre ungewöhnlich hellen, braunen Augen und sagte: „Meine Güte, du solltest aufhören, zu denken, jeder und alles wolle dir an den Kragen! Was kann so ein kleiner Knirps wie du schon anstellen, he?“ Ich kniff meinen Mund zu einem engen Strich zusammen und senkte meinen Blick widerwillig. Meine Hände zitterten etwas, wahrscheinlich der Erinnerungen wegen, die sich vor meinen inneren Augen (mal wieder) abspielten. Ich blickte auf sie herab, befahl ihnen stumm, endlich still zuhalten, doch sie wollten nicht hören! Dann spürte und sah ich plötzlich die klobigen Hände Gretas auf meinen. Verwirrt blickte ich zu ihr hoch und sah ihren immer noch strengen, aber wesentlich wärmeren Blick. „Was ist geschehen? Sag es mir doch, Junge. Ich merke, dass etwas nicht stimmt. Warum willst du mir denn nichts sagen?“ Ich lachte kurz auf, dann antwortete ich: „Ah ja! Entschuldige, kleine Kinder, die einen großen, unheimlichen Mann mitten in der Nacht auf einer menschenleeren Straße treffen, in sein Haus eingeladen werden und dort von seiner Bärenfrau stundenlang angestarrt werden, ohne dass die sich auch nur selbst vorgestellt hätte, sollten wirklich nicht so übervorsichtig sein! Ha! Tut mir Leid, dass ich ja sooo misstrauisch bin, nachdem mein ganzes Leben lang belogen und verprügelt wurde! Ah ja, und da wäre ja noch die kleine Tatsache, das ich daraufhin mein komplettes Dorf abgeschlachtet habe!“ Ich schrie. Ich heulte. Ich schrie und heulte, denn diese dumme Frau wusste gar nichts! Nichts wusste sie von mir und verlangte dann auch noch mein Vertrauen! Doch anstatt irgendwie erstaunt zu wirken, mich ebenfalls anzuschreien oder mich raus zuwerfen, nahm sie meine Hand und verband sie seelenruhig. Wäre ich nicht damit beschäftigt gewesen, sie entgeistert anzustarren, hätte ich das wohl nicht zu gelassen.

Als sich mein beschleunigter Atem, genau wie meine Wut, wieder beruhigt hatte, schaute ich Greta in die Augen. „Wenn du jetzt irgendein Trost von mir erwartest, eine Umarmung, dann sag es nur. Ich kann dir zuhören und dich jammern lassen, oder wir gehen jetzt zurück und tun etwas gegen deinen Hunger. Du solltest nur wissen, dass ich kein Mitleid mit dir habe. Ich finde, du hast es dir nicht verdient. Und das meine ich sowohl im guten, als auch im schlechten Sinne.“

Ich schniefte. „Mitleid will ich auch gar nicht“ Sie neigte den Kopf etwas zur Seite und fragte: „Was willst du dann?“ Ihre Stimme beruhigte mich ein wenig. Doch trotzdem senkte ich meinen Blick erneut.
 

„Vergebung“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KankuroPuppet
2014-10-08T20:55:54+00:00 08.10.2014 22:55
Hey ho!

Also erst einmal zu geil: Greta :'D
Greta, das Mannsweib. Ich stelle sie mir vor, groß und breit und haarig und mit zwei geflochtenen Zöpfen auf jeder Seite. Der Wikingerhelm kann auch irgendwie nicht aus meinen Gedanken verbannt werden - was ist da los? :D Aber ich meine, so eine Figur ist am Ende eigentlich immer die Gute, oder? Eine erst sehr harsch wirkende Frau, die aber eigentlich einen liebevollen Kern hat, der nur erst einmal zum Vorschein gebracht werden muss. Der Starring Contest? - Einfach genial!

Kid veruscht also der Aufpasser zu sein - zu Recht! Die beiden Erwachsenen sind ihnen fremd und man kann nicht genau sagen, ob sie den beiden Kindern wirklich etwas Gutes wollen oder ob sie vielleicht doch Menschenfresser sind D: Ok nein... Meine Phatasie geht wieder mit mir durch! Das Haus war aber schön beschrieben, auch das Essen - eigentlich war es eine ganz heimelige Atmosphöre, kein Wunder also, dass sich Kid nicht ganz so wohl fühlt - was der Bauer nicht kennt und so :D Kira ist da etwas anders und kuschelt sogar - so süß *.* (und auch seine Unterstützung beim Starren! Die beiden gehören zusammen wie Max und Moritz :D)

Ich muss sagen, dass ich es ja riesig mag, wenn du Kids Gedankengänge darstellst. Gerade in diesem Kapitel passiert ja unglaublich viel bei Kid > Er ist durcheinander, in dieser fremden Umgebung, dann starrt Kira ihn auch noch an und er verletzt sich (immerhin besser als auszurasten) und die ihm unsympathische Frau versorgt ihn dann auch noch, wobei er schlussendlich "zusammenbricht" und seiner Trauer freien Lauf lässt. Greta reagiert ganz richtig, lässt Kid den Schmerz abtrauern, aber stellt auch sicher, dass sie kein Mitleid mit einem mutmaßlichen Mörder hat (wahrscheinlich werden die Nachrichten über die Zerstörung inzwischen auch Nahiko erreicht haben). Kid kommt dadurch zu der Erkenntnis: Er will, trotz dessen, dass er sich über seine Tat bewusst ist, Vergebung erfahren. Das ist ein krasser Prozess, den du da beschreibst und ich muss sagen, ich hätte mir noch etwas mehr Gedanken von Kid gewünscht, die die einzelnen Stufen genauer darstellen. Warum auf einmal das Weinen? Wieso hört es wieder auf? Wie genau erkennt er, dass er Verbung will, warum aber kein Mitleid? Wie kann das eine ohne das andere sein, schließlich ist er doch der Täter?
Deine Beschreibungen sind gut, besonders die zitternden Hände, aber ich hätte gerne noch etwas mehr dazu gelesen - einfach weil mich der psychologische Aspekt interessiert :D

Die Entwicklung der FF gefällt mir dabei weiterhin sehr sehr gut ^-^
GLG KankuroPuppet
Antwort von:  Plixel
20.10.2014 19:27
Hellooo! :D

Nach einem beleöden ersten Schultag gibt es nichts besseres, als auf deine wunderbaren Kammentare zu antworten! :D (Ich tu einfach mal so, als hätte ich mir deinen Kommi wirklich für heute aufgesparrt, damit du nicht merkst, wie verpeilt ich bin! ... Ups :p) ;D

Haha :'D Jaaa...Greta! Ich hatte wirklich viel Spaß als ich sie beschrieben hab' --und hier muss ich kurz einwerfen, dass wir die exakt gleiche Vorstellung von ihr haben! xD
Ich denke Greta hast du bis jetzt gut zusammen gefasst! ;) Ich wollte einfach schon am Anfang so viele Zweifel wie möglich abschütteln -- Wer passt da besser als ein großes, haariges Mannsweib..? - Haha, danke! Wenn Kid schon so mit seiner Männlichkeit konkurriert wird, muss ja irgendwas passieren ;)

Stimmt, er hat sich ja auch vorgenommen seine Taten gegenüber Kira 'wieder gut zumachen', da ist sowas schon mal ein guter Schritt nach Vorne.
Heimelige Atmosphäre? Schön, dass dir das aufgefallen und mir das gelungen ist :) Ich schreibe ja grundsätzlich nach Lust und Laune, und bei dem Kapi hatte ich Kekse :3 Kekse machen alles heimelig (<--btw bestes Wort der Welt :D) Hach ja, Kira ist echt knuffig, nicht? Mit seinen großen blauen Augen und dem strubbel-blonden Schopf *knuddelt mit irgendwas* (Da hast du absolut recht! xD)

Wow, deine Analysen und Interpretationen sind echt Weltklasse! :O Es freut mich wirklich sehr, dass dir dieser Teil gefallen hat, da er ja ein wichtiger Wendepunkt in diesem Kapi, aber auch in Kid und Gretas Beziehung ist.
Aber du hast auch Recht, ich hätte so einen komplizierten Vorgang wirklich noch mehr beschreiben und darauf eingehen sollen (Ich bin mir grad nicht sicher, deswegen frag ich einfach mal, obwohls mega doof klingt: Sollte ich das Kapi nochmal überarbeiten?) Oh, aber ich bin jetzt kein Psychologie-Professer-Doctor-Doctor, ich weiß ehrlich gesagt echt wenig darüber ^^'

Viiiielen lieben Dank für einen weiteren wundervollen Kommentar! :D Ich entschuldige mich hier mal für meine 'kurzen' Antworten, ich bin irgendwie schlecht :p Wir lesen uns noch ! ;)
LG Xuscha :3
Von:  lealove
2014-06-28T21:42:34+00:00 28.06.2014 23:42
Also ich stell mir hier schön Forns Frau vor .___. ... xD ich und meine pöööse Fantasie xD aber naja... fands aufjedenfall wieder sehr spannend x3 *cookies hinstell* irgendwie werd ich bei deiner FF immer so sentimental xD *wink* bin gespannt auf ihre reaktion aber am meisten wies weiter geht *-*

Lg Lea^^
Antwort von:  Plixel
29.06.2014 12:26
Hihi ja...die liebe Greta xD *cookies auffress* Du wirst bei meiner FF sentimental? xD Na, das hab ich auch noch nicht gehört, aber schön, dass ich dich rühren konnte :)
Also dann lesen wir uns nächstes Mal! Danke, für das Lob! *Oreos hinstell*
LG Xuscha :3


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