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Pirates of the Caribbean: Black Tides

von

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Spiel mit dem Feuer

10. Kapitel - Spiel mit dem Feuer


 

Das Kanonen- und Mannschaftsdeck der schwarzen Galeone war nur durch ein paar wenige heruntergebrannte Kerzen in Halterungen, Kerzenständern oder auf Tellern spärlich beleuchtet, und dennoch hatte das Innere des Schiffes, das Sarah nie zuvor so genau unter Augenschein genommen hatte, eine heimelige und wohlige Atmosphäre an sich.

Die Luft im - für seine Verhältnisse ungemein großen - Speiseraum war stickig und heiß, nur ein winziger, kühler Hauch wehte durch die geöffneten Luken und ließ die Schiffbrüchige schaudern, als er sachte über ihr Gesicht strich. Der Geruch von noch warmen Speisen und süßem Rum ließ ihren Magen erneut rebellieren.
 

Die Stimmung im Speiseraum des Mannschaftsdecks hatte der jungen Frau keinesfalls zu viel versprochen: Sie erkannte die Gesichter von Pintel und Ragetti, die mal wieder vollkommen unterschiedlicher Meinungen zu seien schienen, Cotton, der es sich auf einen der alten Teakholz-Stühle gemütlich gemacht hatte und die Füße auf dem Tisch abstützte, während sein treuer, bunter Gefährte von Little Jack zeternd durch den düsteren Raum gejagt wurde, dessen Herrchen - wie üblich - kurz davor war, sich mit Sparrow gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Jim unterhielt sich mit Captain Teague, der zuerst eine Recht verblüffte Miene aufsetzte und im nächsten Moment in lautes, haltloses Gelächter ausbrach, als der junge Pirat etwas flüsterte und prompt zu feixen begann; Thomas lieferte sich ein Wortgefecht mit einem ihr unbekannten, grimmig dreinguckenden Piraten und Scrum war gerade dabei, den armen Marty erbarmungslos mit einer Flasche Rum abzufüllen. Nur noch Wenige verschlangen hastig ihre Mahlzeiten, um sich danach am fröhlichen Getümmel zu beteiligen.
 

"Nur halb so schlimm wie in meiner alten Crew", bemerkte Sarah in Richtung Gibbs mit einem frechen Grinsen und suchte sich den einzig freien Platz neben ihrem Gesprächspartner - gegenüber den beiden Streithähnen Barbossa und Jack. Absolut keiner der Anwesenden war noch als halbwegs nüchtern zu bezeichnen (und der kleinwüchsige Marty schon gar nicht). Interessiert beobachtete Sarah das Rundherum und lauschte dem Streit zwischen den beiden Captains, während sie sich etwas von dem köstlich aussehendem Hühnerfleisch nahm - Himmel, der Schiffskoch hatte seine Künste wirklich unter Beweis gestellt!
 

"... würde ich dich ohne Weiteres in einem Wettsegeln besiegen, mein Freund."

"Ach, wirklich?", kommentierte Barbossa trocken und biss in einen grünen Apfel. "Ist dir schon aufgefallen, Jack, dass die Revenge um einiges größer ist als die Pearl?"

"Ist mir aufgefallen. Aber mein Schiff mit deinem Schiff zu vergleichen, ist absolut unfair, denn - und ich glaube fast daran, dass es dir wohl entgangen sein muss - die Queen Anne's Revenge ist eine Fregatte und die Black Pearl eine Galeone. Und was lässt sich daraus schließen, Hector? - Genau! Die Pearl ist damit viel wendiger und schneller als dein protziges Zauberschiffchen. Womit wir schon beim nächsten ungerechten Punkt wären! Denn du bräuchtest nur mit deinem tollen Hokuspokus-Schwert herumzufuchteln und schon verfügst du über eine lebendige Takelage, feuerspuckende Frontkanonen und mehr Wind in den Segeln. Und ich verwette alle Flaschen Rum darauf, die hier an Bord sind, dass du bereits über eine noch viel größere Trickkiste verfügst. Wie mir vor kurzem nämlich zu Ohren gekommen ist, hast du dich schon ein bisschen mit den Voodoozauber-Künsten vertraut gemacht, mit denen Blackbeard dein Zauberschiffchen verzaubert hat. Denn ohne verzaubernde Verzauberungen wäre dein Zauberschiffchen gar nicht verzaubert, klar soweit?"

Bei jedem betonten Laut bohrte der Captain seinem Sitznachbarn den Zeigefinger in die Brust.

Zufrieden beobachtete Jack seinen Rivalen mit einem triumphierenden Lächeln, als Barbossa angestrengt versuchte, diesem Redeschwall zu folgen, während er irritiert den Kopf schüttelte. Er wollte gerade etwas erwidern, als der Captain der Black Pearl seine letzten Aussagen außer Acht ließ und einfach fortfuhr:

"Wie viele Knoten schafft deine tolle Revenge, Hector?"

Nun war es am Piratenlord der Kaspischen See, ein siegreiches Grinsen aufzusetzen.

"Zwanzig Knoten."

Jacks Kinnlade machte sich selbstständig und verabschiedete sich in Richtung Holzboden, seine Augen spiegelten puren Unglauben wider.

"Ist nicht dein Ernst!"

"Aye", bestätigte Hector. "Glaub es mir oder nicht, Jack, ich kommandiere dieses Schiff seit zehn Jahren und werde wohl wissen, wie viele Knoten es schafft."

"Aber sicherlich nur, wenn du mit deinem Schwert herumfuchtelst und den Wind manipulierst?"

"Das ist es ja, was die Revenge so schnell macht. Und aus diesem Grund würde ich dich bei einem Wettsegeln besiegen."

"Das wäre äußerst unfair!", empörte sich Jack, woraufhin Barbossa nur entnervt mit den Augen rollte und gelangweilt ein "Pirat!" erwiderte, während er unbewusst mit einer Hand über die gestutzte Feder seinen breitkrempigen Hutes strich.
 

Sarah seufzte lautlos, als sie das Gespräch der beiden verfolgte, hörte jedoch nur noch halb hin, wie Jack den für ihn berüchtigten Zeigefinger hob und verteidigend auf Hector einredete, eine Tirade über "Einfach meine Sprüche klauen!" und "Hinterlistige Kielratte!" haltend und vor sich hin schimpfend.

"Wie lange geht das schon so?", raunte die junge Frau dem Ersten Maat zu.

"Früher haben sie sich immer wie kleine Kinder um die Black Pearl gefetzt", begann Gibbs.

"Seit Barbossa die Queen Anne's Revenge besitzt, gibt es keinen Streit mehr um Jacks Galeone - nein, stattdessen haben sie ein neues Thema gefunden!", knurrte er und zog eine Grimasse. "Sie zanken sich ständig darum, wer das bessere Schiff besitzt. Sie finden jeden Tag weitere Dinge, die sie vergleichen könnten, und sei es die Farbe der Planken. Aye, sogar darum haben sie sich schon gestritten! Du solltest ihnen mal den ganzen Abend zuhören - es gibt kaum noch ein anderes Thema, wenn sie miteinander reden." Gibbs war unwissend dazu übergegangen, die Schiffbrüchige zu duzen; dieser war das jedoch relativ egal. Es entlockte ihr sogar ein kleines Lächeln.

Inzwischen hörte die Hälfte der Anwesenden den beiden Streitenden belustigt zu; nicht Wenige hatten ein breites Grinsen aufgesetzt.

Dieses Gezanke war ihnen nur allzu vertraut!
 

Scrum hatte die Arme vor der Brust verschränkt, sich den alten Dreispitz etwas tiefer ins Gesicht gezogen und lehnte mit einer lässigen Haltung an der Wand, amüsiert der Auseinandersetzung zwischen Captain Sparrow und seinem Gegenspieler belauschend. Seit ihrer gemeinsamen Reise zur Quelle der Ewigen Jugend waren nun schon zehn lange Jahre vergangen und noch immer war es ein seltsames Gefühl, hier nun an Bord der Black Pearl zu sein. Hätte er damals kein Glück im Unglück gehabt, dann wäre er von einer widerspenstigen, bösartigen ... unglaublich attraktiven, wunderschönen Meerjungfrau verschlungen worden und würde nun nicht unter seinem jetzigen Captain einen guten Bootsmann abgeben. Als Captain Barbossa seine Rache an Blackbeard ausgeführt und ihn ins Jenseits befördert hatte, um danach dessen Schiff und Crew zu beanspruchen, hatte Scrum sich kurzfristig dazu entschieden, nicht länger auf der Revenge anzuheuern und war nach einem kurzen Gespräch mit Captain Sparrow zu dessen Crew gewechselt. Nicht, dass er unter Hector Barbossa einen schlechten Captain und Befehlshaber sah, ganz im Gegenteil: Er schätzte den Mann, der den Teufel der See persönlich in einem Duell besiegt und mit einem vergifteten Schwert durchbohrt hatte. Doch mit seiner Zeit auf der Fregatte hatte er mit Jack Sparrow so etwas wie Freundschaft geschlossen. Er erinnerte sich an den Abend zurück, als die junge Miss Teach Sparrow an Deck der Queen Anne's Revenge das Ritual des Jungbrunnens verraten hatte und fragte sich, was aus der temperamentvollen Spanierin inzwischen geworden war. Nach Captain Sparrows Erzählungen hatte er sie tatsächlich auf einer Insel ausgesetzt, nachdem er ihrer unbändigen Wut und Mordlust begegnet war - doch er wurde das Gefühl nicht los, Blackbeards Tochter nicht zum letzten Mal gesehen zu haben.
 

Hector hatte die Diskussion mit Jack inzwischen in eine andere Richtung gelenkt - nun ging es nicht mehr um die beiden Schiffe selbst, sondern um deren Besatzungen. Seit einigen Jahren achtete der Piratenlord genauestens darauf, wen er an Bord seiner geliebten Fregatte anheuerte und wen nicht: Ihm war es wichtig, unter den Mitgliedern seiner Crew ein paar kampferprobte Männer zu haben, während Sparrow jeden Piraten an Bord ließ, den er kriegen konnte. Und das war eines der nächsten Dinge, die er in seinem Wortgefecht mit seinem Erzfeind ansprach, denn das frustrierte Gesicht Jacks hatte ihm eine diebische Freude bereitet, als er ihm von der Geschwindigkeit seines Schiffes erzählt hatte.

"Im Gegensatz zu dir, Sparrow, achte ich auf die ... Beschaffenheit meiner Crew. Viele meiner Männer wären in einem Duell tödliche Gegner."

Hector unterschätzte die Besatzung des karibischen Piratenfürsts auf keinen Fall; oft genug hatte er gesehen, wie sie ihren Captain aus dem ein oder anderen Schlamassel gezogen hatten, ganz zu schweigen von der Rettungsaktion aus Davy Jones' Locker. Doch er wusste genau was es hieß, ehrliche Meinungen und Anerkennung unter einer schattenhaften Fassade zu verstecken, und zu gern würde er wissen, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde ...
 

Im Raum wurde es urplötzlich stiller, die meisten der Männer im Mannschaftsdeck warfen dem Captain der Queen Anne's Revenge empörte oder gar giftige Blicke zu, die er jedoch gekonnt ignorierte.

Auch Sparrow klappte den Mund mehrmals auf und zu, wie ein Fisch auf dem Trockenen, bevor er hörbar nach Luft schnappte und zum Gegenangriff ansetzte: "Soll das heißen, du zweifelst an der Treue meiner Crew?!"

"Denk nach, Jack", erwiderte der Angesprochene etwas ungeduldig, "ich rede nicht von der Treue, sondern von ihren Kampfkünsten."

"Meine Männer können genauso gut mit Entermesser, Schwertern und Pistolen umgehen wie deine!", fauchte der Captain.

"Das wage ich zu bezweifeln." In seiner Stimme schwang ein leises, tiefes Lachen mit, das Sparrow die mit Kohle umrandeten Augen verengen ließ.
 

Nun konnte es nur noch zunehmend interessant werden. Hector richtete seine Aufmerksamkeit nur für einen winzigen Moment auf die Schiffbrüchige, die vor Kurzem unwirsch die Versammlung der Bruderschaft unterbrochen hatte und die er vor einer weiteren Bekanntschaft mit dem Meer bewahrte - und dieser kleine Augenblick reichte ihm aus, um sie eingehend zu studieren.

Die junge Frau, die er höchstens auf Ende Zwanzig schätzte, hatte etwas ungewöhnlich stolzes und selbstbewusstes an sich, wie ihm schon des Öfteren beim Hohen Rat aufgefallen war und ihn unwillkürlich an den weiblichen König der Bruderschaft erinnerte. Das lange, gelockte Haar war an den Spitzen noch nicht ganz getrocknet und konnte schon fast mit der Farbe von dunklem, flüssigen Gold verglichen werden. Die dunkelblauen Augen funkelten amüsiert und auf den schmalen Lippen zeichnete sich der Hauch eines Lächelns ab, was überhaupt nicht zu ihrem noch recht kränklichem, blassem Aussehen passte. Die Spuren der vielen Tage, die sie ohne Schiff auf dem Ozean verbracht hatte - und das ohnmächtig - waren immer noch deutlich an ihr zu sehen. Ihre zierliche Gestalt war in einen beeindruckend schwarzen Mantel gehüllt und nur zweimal hatte er sie ohne das dunkle Stück Stoff gesehen; darunter konnte man die Ärmel eines weißen Hemdes und den Ansatz eines Gürtels mit silberner Zierschnalle sehen. Der Rest war unter dem Mantel gut verborgen - und das war es, was er herausfinden wollte. Sie hatte sich den Waffengürtel sicherlich nicht umsonst gekauft ...
 

"Was soll das heißen, du wagst es zu bezweifeln?", brauste Jack auf.

"Nun ..." Hector hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete die junge Frau, die ihm gegenüber saß, nun genau.

"Vor nicht allzu langer Zeit habe ich gehört, dass ... gewisse Personen in deiner Crew nicht einmal mit einer einfachen Pistole umgehen können." In die letzten Worte seines Satzes legte er einen Spott, der seine Wirkung nicht verfehlte, denn die Schiffbrüchige fühlte sich sehr wohl angesprochen. Alle Anwesenden im Speiseraum hielten den Atem an; eine schon fast hörbare Stille legte sich über die Besatzung und die Captains, nicht wenige Blicke richteten sich unverwandt auf die beiden Rivalen, deren Diskussion langsam aber sicher aus dem Ruder zu laufen schien.

Hector betrachtete zufrieden die junge Frau, die beabsichtigt langsam den Kopf hob, nach der Stimme suchte, die sie soeben eindeutig angesprochen hatte und ein zuckersüßes Lächeln aufsetzte, als sie dem Blick des Piratenlords der Kaspischen See begegnete - aus ihren Augen schossen jedoch gefährliche Blitze, die jedem anderen Mann einen kalten Schauer über den Rücken gejagt hätten; Barbossa aber spielte die Ruhe in Person. Sarah entging die abwartende, schon fast lauernde Aufmerksamkeit ihres Gegenübers nicht und sie fragte sich im nächsten Moment, woher der Piratenfürst das Wissen über ihre Schwäche hatte, mit Pistolen umzugehen.
 

"Ihr bezweifelt also meine Kampfkünste, Captain Barbossa?", fragte sie mit einer gefährlichen Ruhe, die nicht nur bei Jack und dessen Vater sofort alle Alarmglocken schrillen ließ.

"Verzeiht, wenn das ein wenig unwirsch klingt, Missy, aber ich habe Euch tatsächlich noch nie kämpfen sehen, und dass Ihr mit einer Pistole nicht umgehen könnt - nun, ich habe meine Quellen."

Die Atmosphäre knisterte förmlich vor Spannung und Hitze, als Hector sich langsam von seinem Stuhl erhob und mit humpelnden Schritten, sowie das Klopfen seines Holzbeines den Tisch umrundete, während er dabei weiterredete, als wäre es das normalste von der Welt, eine offenbar sehr temperamentvolle Frau mit Worten herauszufordern. Ausnahmslos alle Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Er lehnte sich gemütlich gegen den vordersten Mast der Black Pearl, warf amüsiert einen Blick in die Menge, die erneut den Atem angehalten hatte und fuhr unbeirrt fort: "Mit Verlaub, aber jeder Pirat, der den Umgang mit einem Degen oder Schwert beherrscht, sollte auch mit einer einfachen Pistole schießen können. Wie wollt Ihr Eure Gegner sonst aus der Ferne ausschalten, Miss Blackwood?"

Nun erhob auch Sarah sich von ihrem Platz mit der lauernden Eleganz eines Raubtieres, das soeben seine Beute gesichtet hatte, baute sich etwa dreizehn Fuß (vier Meter) entfernt direkt vor Barbossa auf, um ihrem Gegenüber in die Augen sehen zu können.
 

"Glaubt mir, ich habe so meine ... Methoden."

Jack bekam eine ungewöhnliche Gänsehaut und ein sehr fieses Gefühl beim Anblick Sarahs, auf deren Lippen sich langsam ein angriffslustiges Lächeln zeigte, bei dem augenblicklich wohl jeder vernünftige Mensch die Flucht ergriffen hätte. Er dachte jedoch nicht daran, dieses kleine Schauspiel zu unterbrechen und wartete hibbelig und gespannt wie ein kleiner Junge darauf, dass sein neues, 'unfreiwilliges' Besatzungsmitglied seinen Erzfeind vor aller Augen demütigte.

"Ach, tatsächlich?", höhnte Barbossa und reckte das Kinn, "dann beweist es mir!"

Wie zu einer einladenden Geste breitete er die Arme aus, sich sehr genau bewusst darüber, dass er die Schiffbrüchige damit nur noch mehr provozierte. Sarah schürzte abschätzend die Lippen, als würde sie tief über etwas nachdenken, dann zog sie einen Schmollmund.

"Macht Ihr es mir so einfach?", spottete sie nun zurück. Captain Teague war wohl der einzige im Raum, dem die rasche, kaum merkliche Bewegung ihrer Hand nicht entging, die plötzlich unter dem schwarzen Mantel verschwand und den Wächter des Kodexes nichts Gutes vermuten ließ. Auch Barbossa hatte die Finger bereits provokant um den Griff seines Säbels gelegt.

"Ich würde ... wehrlose Frauen niemals angreifen oder gar töten, weshalb ich Euch den ersten Schritt lasse", erwiderte er mit einem herausfordernden Glitzern in den Augen, wurde jedoch stutzig, als die junge Frau nichts darauf antwortete.

"Was ist los, Missy, seid Ihr etwa zu feige, um m-"

Seine letzten Worte gingen unerwartet in einem sekundenschnellen Surren und Zischen unter, das die stickige Luft förmlich zerschnitt und dann von einem Geräusch begleitet wurde, welches davon zeugte, dass Stahl sich durch Holz hindurchbohrte und dort auch steckenblieb.

Einige Sekunden herrschte vollkommene Stille; dann verwandelte sich Sarahs angriffslustiges in ein triumphierendes Lächeln; die gesamte Besatzung brach in lautes, höhnisches Gelächter aus - selbst Thomas hatte mit einem ungnädigen Lachkrampf zu kämpfen und hielt mühsam die Tränen zurück.
 

Captain Barbossa, der für seine Reaktionsgeschwindigkeit, sein Geschick und seine Erfahrung im Umgang mit Waffen bekannt war und von jedem Piraten gefürchtet wurde, wich alle Farbe aus dem Gesicht, während er vollkommen perplex versuchte, das soeben Geschehene zu verarbeiten.

Sarah Blackwood hatte den Piratenfürsten buchstäblich an die Wand genagelt: Sie hatte die Gunst der Stunde genutzt, in der er einen winzigen Augenblick lang unaufmerksam gewesen war, hatte blitzschnell zu den Waffen gegriffen und mit fünf kurzen, aber mit tödlich scharfen Klingen versehenen Dolchen nach ihm geworfen.

Irritiert bemerkte Hector, dass er sich plötzlich kein Stückchen mehr bewegen konnte, warf einen vorsichtigen Blick auf die Stellen, an denen er soeben einen merkwürdigen Druck verspürt hatte und schluckte seine aufkeimende Wut beim Anblick der lachenden Männer hinunter, während sein Gesicht eine tiefrote Farbe annahm.

Das würde Rache geben!

Der linke Ärmel seines graublauen Mantels war durch die Spitze eines silbernen Dolches durchbohrt, der in den hölzernen Planken der Wand hinter ihm steckte, ebenso wie der rechte. Auch die Außenränder seiner schwarzen Stiefelhosen waren nicht verschont geblieben.

Erst jetzt bemerkte er den brennenden Schmerz auf seiner linken Wange und wurde sich unmittelbar danach des fünften Dolches bewusst, der den Kragen seines Hemdes an die Wand genagelt hatte und die Klinge dabei wohl eine kleine Schramme hinterlassen haben musste.
 

Das Gelächter der Männer beruhigte sich langsam, die ihre Aufmerksamkeit wieder vollends auf das Geschehen richteten. Sarah fühlte so etwas wie Genugtuung in sich aufsteigen, als sie sich ihrem mehr als nur zornigen Herausforderer gegenüber sah.

"Ihr wagt es -!", fing der Captain an, schnappte empört nach Luft und wollte eine Schimpftirade starten - allerdings fehlten ihm mal wieder die passenden Worte, und das innerhalb von ein paar Stunden! Peinlich berührt senkte er den Blick und ballte die Fäuste, den Gesichtsausdruck Sparrows mühsam ignorierend, und hätte er sich bewegen können, wäre er in diesem Augenblick am liebsten wie ein Berserker mit dem Säbel auf die Frau losgegangen, um ihr zu zeigen, wer hier die Oberhand hatte.

Die Schiffbrüchige ging mit herausfordernd langsamen Schritten auf ihren Gegner zu, blieb direkt vor ihm stehen und stützte sich lässig mit einer Hand an den morschen Planken ab, sodass er fast gezwungen war, den Blick wieder zu heben und tödliche Blicke auf sie abzufeuern.

"Ja, ich wage es", hauchte sie wieder mit dieser honigsüßen Stimme, sich nicht bewusst, dass sie damit noch mehr Öl ins Feuer goss.

"Ihr hättet die Möglichkeit gehabt, mich zu töten", knurrte Barbossa, "nur ein einfacher Handgriff hätte genügt. Warum habt Ihr es nicht getan?"

Er kannte diese Sorte von Frauen, die sich nicht umsonst Piratinnen nannten und in ihren besonders temperamentvollen Momenten mit teuflischen Furien zu vergleichen waren. Er zweifelte nicht daran, dass die Tochter des Mannes, den er vor zehn Jahren zurück in die Hölle geschickt hatte, unweigerlich sofort auf ihn losgegangen wäre, hätte ihr Herz in diesem Moment vor Trauer um ihren Vater nicht geblutet, als sie ihn um sein Leben ringend am Boden liegen gesehen hatte - und die Schiffbrüchige, die er hier nun vor sich hatte, war keinen Tick besser! Auch Elizabeth Turner war inzwischen eine nicht zu unterschätzende Gegnerin geworden.
 

Sarah lachte ganz leise, aber deutlich amüsiert auf.

"Wieso sollte ich Euch töten? Ich könnte es zwar - aber besonders viel Sinn sehe ich nicht darin."

Das Nächste, was Sarah tat - und sie war sich durchaus über die Wirkung auf diesen Mann bewusst - nahm ihm schon fast die Luft zum atmen; gleichzeitig weckte ihr nächster Satz einen Zorn in ihm, der beständige Wut auf diese Frau versprach. Und er schwor sich, sobald er die Gelegenheit dazu hatte, würde dieses unfassbar freche Weibstück seine Rache zu spüren bekommen!

"Außerdem töte ich keine ... wehrlosen ... Männer."

Bei jeder kleinen Pause, die sie absichtlich zwischen ihre Worte legte, kam sie ihm provokant nahe - so nahe, dass sich schon fast ihre Nasenspitzen berührten und er ihre geflüsterten Worte einen Augenblick lang auf den Lippen spüren konnte. Verflucht, diese Frau wusste ganz genau, wie man mit Gegnern wortwörtlich spielte, und es fiel ihm verdammt schwer, das zu ignorieren.

Sarah nutzte die kurze Gelegenheit, als sie bemerkte, wie ihr Herausforderer mit sich und seiner Wut rang, schloss die Finger um den Griff des Dolches, der seinen Kragen an die Wand genagelt hatte und zog ihn mit einem Ruck aus dem Holz, ohne dabei den Blick von ihm abzuwenden. Dann hielt sie die leicht rötlich schimmernde Klinge direkt vor seine Augen.

"Spielt nicht mit dem Feuer, Captain Barbossa. Ich warne Euch!"
 

Ihre letzten Worte entsprachen mehr einem wütenden Zischen denn eines Flüsterns, was ihn ungemein überraschte. Erst spielte sie mit ihm - und verfehlte ihre Wirkung dabei keinesfalls ...! - dann schlug ihre Laune so plötzlich um und es lag ein gefährliches Glitzern in ihren Augen, das sogar ihn kurz schaudern ließ.

Nun war es an ihm, ihr die Stirn zu bieten - wenigstens mit Worten, da er immer noch bewegungsunfähig war - und knurrte mit ebenso gefährlich ruhiger Stimme: "Glaubt nicht, dass ich mit Euch schon fertig bin, Missy. Ich war unvorbereitet auf Euren Angriff, aber das nächste Mal zieht Ihr den Kürzeren, denn jetzt weiß ich, wie ihr in einem Duell vorgehen würdet. Ihr habt mich vor ausnahmslos allen Männern hier blamiert - und vor Sparrow! - glaubt nicht, dass ich das einfach so auf mir sitzen lasse. Ihr vergesst, wer ich bin!"

Sein Ton war im Verlauf seiner Drohung zu einem leisen, zornigen Fauchen geworden und Sarah entging nicht, wie er es in seiner Rage und seiner unbändigen Wut geschafft hatte, sich von den lästigen Dolchen zu befreien. Mit einer stummen Glut in den Augen, die so ziemlich jeden Gegner in die Flucht geschlagen hätte, drückte er sie beiseite und rauschte mit gesenktem Blick sowie immer noch hochrotem Gesicht an ihr vorbei, bevor die Zugangstüren zum Speiseraum lautstark zufielen.

Sie hatte es sich eindeutig mit ihm mehr als nur verscherzt - und sie wusste, er würde nicht zögern sie zu töten, wenn er ein kaltblütiger Mörder wäre.
 

Mit geschürzten Lippen neigte Jim den Kopf leicht zu Captain Teague hinüber, der nach wie vor neben ihm an der Wand lehnte, jedoch zu einer Salzsäule erstarrt zu seien schien.

"Das war ...", begann er, fand aber nicht die passenden Worte, die eine ungewöhnliche Kampfkunst wie die Sarahs beschreiben konnten.

"... erstaunlich", beende sein Gesprächspartner mit einem beunruhigten Knurren Jims Satz, ohne dabei den Blick von der Schiffbrüchigen, die sein Sohn vor kurzem aufgegabelt hatte, abzuwenden.

"Nich' schlecht, Kleine", unterbrach Pintel dann die lautlose Stille, während sich auf seinen Gesichtszügen etwas verblüfftes zeigte und sein nächster Satz wie ein Lob für die junge Frau klang.

"Nur Wenige schaffen es, einen geübten Schwertkämpfer wie ihn zu besiegen ... oder gar zu überlisten. Er is' normalerweise ziemlich gerissen und clever!"

"Aye, das war nicht übel!", grinste Scrum, während um das Geschehen herum anerkennende Pfiffe und schätzende Rufe erklangen.

"Hab' ihn noch nie so aus der Fassung gesehen."

"Ihr habt Barbossa an eine sichere Grenze des Wutausbruchs gebracht, Mädchen", nickte nun auch Teague und tippte sich feixend mit zwei Fingern gegen den Hut.

"... und ihn richtig blöd dastehen lassen!", freute sich Jack, der förmlich aus dem Häuschen war.
 

Sarah rollte über das Kommentar ihres Captains mit den Augen, grinste jedoch von einem Ohr zum anderen, als allgemeiner Beifall laut wurde, und verbeugte sich leicht in Richtung der immer noch teils sprachlosen Männer.

"Er hat's verdient", rief sie und zuckte gleichgültig mit den Schultern, "er ist doch selbst Schuld, wenn er mich provoziert."
 

Während die Schiffbrüchige wieder ihren alten Platz einnahm, um ihr Mahl zu beenden und dabei lobendes Schulterklopfen von Gibbs erntete, war Captain Teague tief in seine Überlegungen versunken.

"Ich kenne Barbossa", flüsterte er dann dem jungen Piraten neben ihm zu, "er fordert nicht ohne Grund irgendjemanden heraus."

Und als es auch hinter Jims Stirn zu arbeiten begann und Jack dieses für ihn typische Dauergrinsen, wenn ihm etwas eine diebische Freude bereitete, wohl einige Tage lang nicht mehr loswerden würde, Barbossa sich in seine Kajüte zurückgezogen hatte, wütend seinen alten Hut auf den Tisch warf und das allgemein heitere Getümmel unter Deck noch weitere zwei Stunden munter anhielt, spielte sich in Port Royal auf Jamaika eine ganz andere Szene am Schreibtisch des dortigen Gouverneurs ab, die bald eine erschreckende Auswirkung auf die weiteren Geschehnisse in der Karibik haben würde ...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und, wie sieht's aus, ihr Lieben? ;) Hab ich euch zu viel versprochen? ^-^

So, jetzt ist es also geschafft - die ersten zehn Kapitel sind online und damit ist sozusagen ein weiterer Grundsatz angefertigt. Jetzt kann das große Abenteuer losgehen, vor allem nach
einem so fiesen Cliffhanger :P
Nun kommen nämlich auch bald die altbekannten Feinde der Royal Navy hinzu, und auch die East India Trading Company wird sich ordentlich mit einmischen und für reichlich Wirbel sorgen. Denn die Piraten sind nicht die Einzigen, die von unserem dunklen Engel erfahren ...
Lasst euch überraschen! ;)

Dieses Kapitel widme ich meinem allerbesten Beta-Leser - Danke, René, für deine Zeit und
die Arbeit, die du hier in mein Projekt steckst, ich wäre ohne dich bestimmt schon
am verzweifeln und ohne deine grandiosen Ideen (und auch Kritiken) wäre diese Story längst nicht so gut! :)

Ganz rechts oben neben meinem (noch) kleinen Werk gibt's einen gaaaanz hübschen
Review-Button, der euch förmlich danach anschreit und bettelt, angeklickt zu werden,
damit ihr sein kummervoll leeres (Ergibt das Sinn? .__.) Textfeld füllen und dann
auf "Absenden" drücken könnt, dann ist er nämlich wieder glücklich und kann zufrieden bis
ans Ende seiner Tage leben. :3
Oder kurzgefasst: Überhäuft mich bitte, bitte mit Reviews! Biiiiitte! ^-^ *Dackelblick aufsetz*

Ja, ich weiß, ich bin komisch drauf heute. *lach* ... Das musste jetzt einfach sein. ;)

Bis zum nächsten Kapitel (das mal einen kleinen, spannenden Wendepunkt bekommt),
eure Sharyne ;) Komplett anzeigen

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