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Blood-red Diamond

- Blutrote Seele -
von

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Verfolgungswahn

Ich schlug die Augen auf und die morgendliche Dunkelheit empfing mich. Ich war plötzlich putz munter. Mein Blick fiel auf den Wecker neben mir und ich sah, dass dieser erst in guten 45 Minuten klingeln würde. Doch jetzt, wo ich schon mal wach war …

Ich schwang die Decke nach hinten, zog die Vorhänge auf und schaltete das Licht ein. Ich blinzelte ein paar Mal, bis ich endlich den Schlaf aus meinen Augen vertrieben hatte. Aus meinem Kleiderschrank suchte ich mich ein passendes Outfit zusammen, das ich heute zur Schule anziehen konnte. Da der Wettermann von einem sehr heißen Hochsommertag gesprochen hatte, ließ ich die lange Jeans dort liegen, wo ich sie vor kurzem hingeschmissen hatte und nahm mir etwas Kürzeres heraus, auch wenn dadurch der Verband am Arm sichtbar bleiben würde. Das war mir klar. Doch wer mich kannte, wunderte sich nicht über kleinere Verbände an meinem Körper. Dank meiner Schusseligkeit kam das öfter vor. Ich würde einfach sagen, ich wäre hingefallen. Ganz einfach und simpel. Im Grunde war das ja auch nicht gelogen …

Also überlegte ich nicht lange, nahm das Erstbeste, was mir praktisch entgegen fiel – weiße Shorts, ein lilafarbenes Top und ein grünes Kapuzenshirt mit Reißverschluss - , und ging hinüber ins Badezimmer. Ich hatte Zeit und diese nutzte ich. Keine Hektik, kein Beeilen. Einfach Ruhe. Und tatsächlich schaffte ich es die Zeit voll auszunutzen. Doch obwohl ich ziemlich trödelte, brauchte ich nicht sonderlich viel länger als sonst, was mich doch etwas überraschte. Und trotzdem war es immer noch zu früh um loszugehen. Eigentlich. Heute hatte ich zum Glück erst zwei Stunden später Schule, also konnte ich mich genauso gut noch ein bisschen amüsieren.

 

Ich schnappte meine Tasche und lief schnellen Schrittes die vielen Stufen hinunter. Als ich die Tür öffnete schlug mir bereits der Vorbote der kommenden Hitze entgegen. Es war schwül und die Luft stand. Kein Hauch rührte sich.

Auch wenn der ausgedörrten Landschaft der kurze Regenschauer sicherlich gelegen gekommen war, hatte es noch längst nicht ausgereicht, um den braunen Rasen und die hängenden Blütenköpfe wieder zu alter Schönheit zurückzubringen. Der strahlend blaue Himmel über meinem Kopf ließ aber keine große Hoffnung auf weiteren Regen aufkommen.

Aber wie gesagt. Ich mochte den Sommer. Also konnte ich auf den großen, herbstlichen Regen auch noch eine Weile verzichten.

 

Als ich die Einkaufsmeile erreicht hatte, war es erst kurz vor 9 Uhr. Und da ich nicht zu früh in der Schule sein wollte, bog ich eine Straße vorher ab und schloss mich dem Menschenstrom aus Büroangestellten und Hausfrauen an, der in Richtung des Marktplatzes führte. Dort gab es ein paar schöne Geschäfte und in mir brodelte die Lust auf ein bisschen Schaufenster-Bummeln.

 

Es war erstaunlich voll für einen Mittwochmorgen. Schon bevor wir den Marktplatz erreichten, bemerkte ich, dass heute etwas anders war. Luftballons hingen an den Straßenlaternen und schmückten die Schilder der Bäcker und Modegeschäfte. Ich streckte mich, um an dem schwarzhaarigen Herren – der locker einen Kopf größer war, als ich – vorbeizusehen und erhaschte einen Blick auf eine überdimensionale Bühne, die die Mitte des Marktplatzes voll ausfüllte. Menschen sammelten sich davor; kleine Fähnchen in der Hand. Und da dämmerte es mir. Die vielen Pappplakate, die an den Schildern befestigt waren, bunte Ballons und die laute Musik, die aus den großen Lautsprechern drang. Ein kleines Seufzen konnte ich mir nicht verkneifen. Es war Bürgermeisterwahl. Irgendwas hatte ich da in der Zeitung gelesen, aber wirklich aufgepasst hatte ich nicht.

Also schälte ich mich aus dem Strom, nicht ohne den einen oder anderen anzustoßen, was mir einige, nicht sehr nette Kommentare einbrachte. Gerade, als ich den Rand der Menschentraube erreichte, brach plötzlich großer Jubel los, der nur von der noch lauter gewordenen Musik übertrumpft wurde. Wie auf ein Stichwort betrat ein kleiner, dicklicher Mann die Bühne. Seine kurzen, dunkelbraunen Haare, die sorgfältig in Form gelegt waren, und der schwarze Anzug ließen ihn ungeheuer seriös wirken. Und nicht zuletzt das überfreundliche Lächeln in seinem kantigen Gesicht deutete darauf hin, dass er Politiker war.

 

Ich hatte mich bis an den Seitenrand der Bühne durchgekämpft und stand etwas abseits von seinen Anhängern kurz hinter der Absperrung. Die überdimensionalen Wahlplakate verbreiteten seinen Namen in der ganzen Innenstadt: Theodor Leynardh. Der Frauenversteher, der perfekte Schwiegersohn und derjenige, der der Mittelschicht aus dem Herzen sprach. Der perfekte Politiker. Und als dieser wartete er nicht lange, ehe er begann seine Botschaft zu verkünden.

„Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wie freue ich mich heute hier vor Ihnen stehen zu dürfen und in Ihre fröhlichen Gesichter blicken zu können! Ein wundervoller Tag wie dieser bietet die perfekte Gelegenheit für unser kleines Zusammenkommen. Schon bald, meine Freundinnen und Freunde, werden wir erneut hier zusammentreffen und den Start in eine bessere Zukunft feiern! Eine Zukunft, die nur durch sie alle möglich gemacht werden kann, wenn sie mir in drei Wochen ihre Stimme geben!“

Tosender Applaus brandete auf und ich verdrehte bloß die Augen. Wahnsinn, was so ein paar eintrainierte Worte für eine Wirkung auf einige Menschen hatten. Doch ich würde mich damit nicht weiter beschäftigen. Nur weil ich jetzt wählen durfte, hieß das noch lange nicht, dass ich es auch tun würde. Schon alleine, was der so von sich gab …

„Dass diese Stadt die schönsten und klügsten Einwohner des ganzen Landes hat, ist bereits weltweit bekannt.“ Ein Raunen ging durch das Publikum – das überwiegend aus Frauen bestand (wen wundert’s) – und ein geschmeichelter Ausdruck machte sich auf ihren Gesichtern breit. „Und genau darum braucht diese Stadt einen neuen Bürgermeister, der sich den vielen Fehlern seines Vorgängers ohne zu klagen annimmt und Summer Hills endlich wieder zu einer florierenden Metropole macht!“

Erneut brandete tosender Applaus auf und Fähnchen schwangen sirrend durch die Luft.

„Weg mit Berger!“, schrie einer aus der Menge und der Rest jubelte noch lauter. Arthur Berger. Der amtierende Bürgermeister der Stadt.

„Ja, weg mit ihm! Er hatte die Chance diese Stadt zum Wohlstand zu führen und konnte sie nicht nutzen! Und warum? Weil er eher an der Macht interessiert war, als an seinen Mitmenschen! Wollt ihr wirklich so jemandem weiter die Führung überlassen?“

Energisches Kopfschütteln und lauter Jubel.

 

Ich konnte dieses Eingeschleime kaum ertragen. Glaubten die Leute wirklich das, was der Typ sagte? Oder machte es ihnen Spaß belogen zu werden? Aber nicht mit mir. Ich hatte da keine Lust drauf.

Und außerdem wusste ich wirklich bessere Sachen, die ich mit meiner Freizeit anfangen konnte. Ein letztes Mal sah ich auf die Bühne, auf der der Kandidat gerade wieder begonnen hatte zu sprechen, bevor ich mich abwenden und meiner Wege gehen wollte. Doch gerade in diesem Moment trafen sich auf einmal unsere Blicke. Seine eisblauen Augen starrten direkt in meine. Sofort durchfuhr ein eisiger Schauer meinen Körper und ich zuckte ganz automatisch zurück. Sein Blick war plötzlich hart und irgendwie kalt. Die Freundlichkeit, die ihn eben noch wie eine Aura umgeben hatte, war verschwunden. Ich hatte so ein seltsames Gefühl, als ob ich hier nicht erwünscht war.

 

Obwohl das alles nur wenige Sekunden gedauert haben konnte, ging plötzlich ein fragendes Raunen durch die Reihen, welches mich zurück in die Realität holte. Ich wandte meinen Blick von dem Politiker ab und erhaschte die Augen einiger umstehender Passanten. Fragend sahen sie hinauf zum Rednerpult; ihre Schreie und Jubelrufe waren verstummt.

Erst jetzt bemerkte ich, dass es merkwürdig ruhig war. Leynardh hatte seine Rede mitten im Satz unterbrochen und ich stellte fest, dass er mich noch immer ansah. Langsam wurde es wirklich unheimlich. Obwohl mein Verstand mir sagte, ich solle einfach gehen, damit der Möchtegern-Bürgermeister weiter seine – wahrscheinlich gekauften – Anhänger bespaßen konnte, konnte ich mich nicht rühren. Meine Beine waren schwer wie Blei. Es war richtig unangenehm Leynardhs intensiven Blick auf mir zu spüren.

 

Erst als plötzlich ein aufgebrachter Schrei hinter mir ertönte, löste sich meine Starre und ich sprang erschrocken zurück. Keine Sekunde später hechtete ein Mann an mir vorbei und über den Sicherheitszaun, direkt an den Rand der Bühne. Er rief aufgebracht irgendwelche Beschimpfungen, als er den Politiker mit – wie es für mich aussah – faulen Eiern bewarf.

 

„Lügner! Spinner! Die Menschen sind dir doch völlig egal! Du Mistkerl!“, rief der junge Mann immer und immer wieder, als er sich gegen die starken Hände der Sicherheitsbeamten wehrte, die ihn unter großer Anstrengung versuchten, vom Marktplatz zu entfernen.

Die geschockte Menge war plötzlich unheimlich still. Die vorderste Reihe hatte sich im Schrecken etwas zurückgezogen, was auch nachfolgende Menschen weiter von der Bühne weggeschoben hatte. Angst und Entsetzen lag ihn ihren Augen, was ich sehr gut verstehen konnte. Mein Herz schlug wie wild und in meinem Magen blühte eine heftige Übelkeit auf. Und trotz meiner inneren Panik versuchte ich einigermaßen klar zu denken. Das war es also, was Leynardh gesehen hatte. Er hatte gar nicht mich gesehen, sondern den Typen, der sich seitlich an die Bühne heran geschlichen hatte. Seine Blicke hatten nicht mir gegolten, sondern ihm. Aber ich hätte schwören können ...!

War es jetzt soweit? Litt ich schon unter Verfolgungswahn? Das war wirklich viel zu viel Aufregung für mich …

 

Ohne weiter auf die mich umgebenden Menschen zu achten, drehte ich mich um und ging schnellen Schrittes zurück in Richtung meiner Schule. Auch wenn es immer noch viel zu früh sein musste, klang der Gedanke an altbekannte Räume ohne jeglichen Überraschungseffekt wirklich verlockend.

 

Und so dauerte es auch nicht lange, bis ich mich müde und völlig fertig auf meinen Stuhl sinken lassen konnte. Der Klassenraum war leer. So wie sämtliche Gänge dieses Gebäudes. Und das würde wohl noch für gute 30 Minuten so bleiben.

Also kramte ich in meiner Tasche nach meinen Schulbüchern und begann lustlos darin herumzublättern. Dieser Tag würde wohl wieder auf der Liste mit den schlimmsten Tagen überhaupt landen …

 

Die restlichen Stunden bis zur Mittagspause verliefen ziemlich ereignislos. Bis auf die vielen besorgten Blicke, die mir meine Mitschüler den Vormittag über zugeworfen hatten, war alles wie immer. Ich versicherte allen, mir würde es gut gehen und wenn ich diesen blöden Verband nicht getragen hätte, wäre ich auch schnell aus der Sache wieder herausgekommen. So jedoch …

„Das war es also, weshalb du gestern nicht gekommen bist, was? Bist auf dem Heimweg hingefallen und musstest den nächsten Tag zum Arzt, hab ich recht? Ach, das ist so typisch du!“, schlussfolgerte Mary aus meiner erfundenen Ich-bin-gestolpert-Geschichte und Tala hatte ihr nickend zugestimmt.

„Das hättest du uns aber auch sagen können! Dann wären wir mit dir zusammen zum Arzt gegangen!“

„Beim nächsten Mal lassen wir dich nicht alleine nach Hause fahren!“

Ich lächelte sie an und dankte für ihre Fürsorge. Doch das half mir nicht besonders, mich innerlich zu beruhigen. Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit und ich war wirklich froh, als Mr. Warner den Klassenraum betrat und uns um Ruhe bat. Beinahe wäre ich weich geworden und hätte es ihnen erzählt. Zu meinem Glück aber schaffte es die Geschichte über den Kakaoanbau an der Elfenbeinküste mich wieder zu beruhigen.

 

Als wir dann endlich den Klassenraum verlassen durften, gingen wir drei sichtlich geschafft von dem vielen Stoff, der plötzlich auf uns eingeprasselt war, hinaus auf den Schulhof, um uns in eine der hintersten Ecken zu verziehen. Dort, wo niemand uns beim Essen störte. Und auch, wenn es bei mir heute nur ein billiges, belegtes Brötchen vom Schulbäcker gab, freute ich mich schon wahnsinnig auf etwas Essbares. Sogar auf dieses harte Wurfgeschoss mit dem verschrumpelten Salatblatt und dem merkwürdig riechenden Käse.

 

Doch gerade, als Mary sich über Talas kiwigrünes T-Shirt mit dem Bild einer Kuh auf der Vorderseite lustig machte und ich genüsslich in das steinharte Ungetüm beißen wollte, raschelte es plötzlich im Gebüsch hinter uns und ich hielt inne.

 

„Schönen Tag, die Damen!“ Erschrocken wandten wir uns in die Richtung, aus der die Stimme kam. Dort, zwischen den Büschen standen zwei junge Männer und lächelten uns an.

Okay, das Lächeln des Dunkelhaarigen war eher einschüchternd, als freundlich. Seine kurz geschorenen Haare und die gut trainierten Muskeln, die sich unter seiner Kleidung abzeichneten, hatten einen respekteinflößenden Charakter. Dazu kamen noch die stark gebräunte Haut und seine tiefen, dunkelgrünen Augen, die sein kantiges Gesicht vervollständigten. Allgemein jagte mir seine muskulöse Gestalt eher eine Heidenangst ein …

 

„Hey, was macht ihr denn hier?“, war es Mary-Sae, die als Erste aufsprang, um dem Blonden, der in vorderster Reihe lässig an einen Baum gelehnt stand, in die Arme zu springen. Ein breites Lächeln zierte ihre Lippen.

„Hallo Süße. Ich hatte Sehnsucht nach dir. Und wenn du so ein bezauberndes Kleid trägst, wäre es eine Schande, dich nicht darin zu sehen“, kam es als Antwort und Marys Wangen glühten. Sie küsste den jungen Mann, der gleich seine Arme um seine Freundin schlang und sie fest an sich drückte. Noel machte, im Gegensatz zu seinem Freund, einen sehr netten und sympathischen Eindruck. Seine hellbraunen Augen, die einen leichten Stich ins grünliche hatten, funkelten fröhlich und seine Gesichtszüge waren perfekt geformt. Er war groß und schlank und immer gut gekleidet. Definitiv ein Kandidat für den perfekten Schwiegersohn.

 

Auch Tala hatte sich erhoben und zu dem Schwarzhaarigen gesellt, der noch immer etwas im Verborgenen stand. Ein Lächeln zierte beide Lippen und wenn ich mir die beiden so ansah, wurde mir wieder klar, warum andere Passanten vor Angst, dass gleich ein Verbrechen passieren würde, gleich ihr Handy zückten. Bereit die Polizei zu rufen. Tja, wenn die wüssten.

 

„Hey Lina!“, begrüßte mich nun der Blonde, als er sich endlich von Mary gelöst hatte. Was nicht hieß, dass er sie losgelassen hätte.

„Hey Noel, hey Damian“ meinte ich und nickte zur Begrüßung in die Richtung des Gebüsches, wo die beiden Dunkelhaarigen noch immer im Schatten verborgen standen. Ein kurzer Laut, der wohl so etwas wie ein „Hallo“ sein sollte drang hinter einem Baum hervor. Ich konnte nicht anders, als zu grinsen.

„Meine Damen und Herren: Die Polizei, ihr Freund und Helfer!“, witzelte Noel, während er eine ausladende Handbewegung in Damians Richtung machte und mir dabei verschwörerisch zuzwinkerte. Es war manchmal fast so, als könnte er meine Gedanken lesen.

Mary stimmte in mein Kichern mit ein, als sie und Noel sich mir gegenüber auf den Grasboden setzten.

 

Jetzt endlich traute ich mich in mein Brötchen zu beißen und versuchte krampfhaft diesen seltsamen Geschmack zu ignorieren. Ich wusste, dass ich für den Rest der Pause sowieso abgemeldet sein würde.

„Wie seid ihr hier reingekommen? Immerhin hat euch Mrs. Crouch doch letztes Mal eine halbe Stunde lang eine Standpauke gehalten“, lächelte Mary-Sae und lehnte sich an die Schulter ihres Freundes.

„Ihr gehört nicht auf diese Schule! Ihr habt hier nichts verloren! Wenn ich euch noch einmal erwische, dann werde ich richtig unangenehm!“, äffte Noel die quietschige Stimme unserer Lehrerin nach. Selbst diesen starren Gesichtsausdruck, bei dem ihre Augen immer gefährlich weit aus ihrer Höhle krochen, konnte er perfekt nachmachen. Wir kicherten.

 

„Nicht zu vergessen, dass wir auch noch Ärger bekommen haben“, mischte sich Talamarleen ein, die gerade mit ihrem Freund hinter dem Baum hervorkam und sich zu uns setzten. Sie waren also fertig mit ihrem minutenlangen sich anstarren. Das taten sie jedes Mal, wenn sie sich trafen. Sie sahen sich einfach nur in die Augen. Wir hatten die Szene schon mehrmals beobachtet, weil wir als ihre besten Freundinnen neugierig waren. Doch ihre Begrüßung war wirklich so langweilig, wie sie sich anhörte.

 

Damian brauchte wegen seiner breiten Schultern mindestens doppelt so viel Platz wie ich, also rückte ich bereitwillig etwas zur Seite. Ich wollte ja nicht zerquetscht werden …

„Ja, aber das war auch irgendwie lustig“, lachte Mary und verdrehte ihre Augen. „Wie seid ihr diesmal hier reingekommen?“

„Als ob man über die Mauern nicht locker drüberklettern könnte.“ Damians tiefe Stimme ließ beinahe die Erde beben. Es war immer wieder eine Überraschung, ihn sprechen zu hören, denn sonderlich gesprächig war er wirklich nicht.

„Die Ziegelsteinmauer? Ihr seid echt verrückt. Das Ding ist gute drei Meter hoch!“, meinte Mary nicht ohne Bewunderung in ihrer Stimme.

„Du kennst uns doch, Süße. Uns kann keiner von so etwas abhalten.“ Das überhebliche Lachen des Blonden erfüllte die Luft und ich steckte mir das letzte Stück Brötchen in den Mund. Es war immer wieder schön zu sehen, was für ein Selbstbewusstsein Noel hatte. Und Mary schien das auch noch zu gefallen.

 

Auch wenn die beiden mir manchmal reichlich merkwürdig erschienen, konnte ich nicht leugnen, dass sie mir sehr sympathisch waren. Und das lag nicht nur daran, dass sie die Seelenpartner meiner besten Freundinnen waren.

Ich blickte auf das Display meines Handys und bemerkte, dass es jede Sekunde zum Nachmittagsunterricht läuten würde. Etwas ungelenk stand ich von dem warmen Fußboden auf und zischte, als ich bemerkte, dass mein linker Fuß eingeschlafen war.

„Wir müssen los“, sagte ich und versuchte das widerliche Kribbeln zu vertreiben. Auch die anderen erhoben sich, aber nicht, ohne den Partner keine Sekunde aus den Augen zu lassen.

 

Ich musste mir bei den leidenden Gesichtsausdrücken meiner Freunde ein wenig das Kichern verkneifen. Sie taten beinahe so, als würden sie sich das ganze nächste Jahr nicht wiedersehen.

„Nun sieh mich nicht so an, Süße“, kam es von Noel, der aber ebenfalls einen mitleiderregenden Eindruck machte. „Ich weiß, morgen ist doch Donnerstag! Ich muss morgen nicht in der Bank erscheinen und Damian hat nur vormittags Berufsschule. Und ihr seid auch schon um 3 Uhr fertig. Was haltet ihr davon, wenn wir zusammen in die Stadt gehen? Ein Eis ist bei dieser Hitze genau das Richtige!“

Marys blaue Augen leuchteten. Ich hatte fast Angst, ich könnte erblinden, wenn ich weiter in ihre Richtung sah.

„Super! Ich bin dabei!“ Sie gab ihm einen leichten Kuss auf den Mund.

„Perfekt“, entgegnete der Blonde. „Tala, Damian? Kommt ihr auch mit?“ Die beiden Angesprochenen blickten auf. Ein schüchternes Nicken war die einzige Antwort, die er bekam. Aber das reichte auch. „Lina?“ ich zögerte einen kurzen Moment. Es war zwar immer schön mit ihnen was zu unternehmen, aber ich konnte das Gefühl des fünften Rad am Wagens nicht abschütteln. Besonders im Moment nicht. Und trotzdem.

„Natürlich! Geht bloß nicht ohne mich!“, lachte ich und versuchte, es möglichst ernst zu meinen.

„Abgemacht!“

 

Genau in diesem Moment ertönte die Schulglocke und ein stilles Seufzen lief durch unsere Reihen. Ihre Gesichter sprachen Bände.

„Wir müssen dann wieder. Die Mauer ruft!“ Noel zwinkerte mir zu und ich lächelte zurück. „Viel Spaß noch, ihr drei!“

Die Lautstärke auf dem nahen Schulhof schwoll an und kündete von den Schülermassen, die sich wieder in ihre Klassenräume begaben. Die Pärchen trennten sich – wenn auch mit sichtbarem Widerwillen – und bald darauf waren die Jungs im Gebüsch verschwunden.

 

Und wir hatten noch vier Stunden Schule hinter uns zu bringen. Vier langweilige noch dazu. Aber immerhin gab es etwas, auf das es sich lohnte zu warten. Etwas, um meine Gedanken wieder in richtige Bahnen zu lenken. Und vor allem: Wieder ein Tag, an dem ich nicht alleine in meiner Wohnung sitzen musste.

 

Eis essen. Tja, warum eigentlich nicht?



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Saph_ira
2015-03-01T17:42:11+00:00 01.03.2015 18:42
An ihrer Stelle, würde ich auch lieber Eis essen mit Freunden gehen, um mich abzulenken, schon alleine wegen dem Unfall von gestern...^^ Apropo Unfall... Hatte denn niemand von ihren Freunden oder Klasse bzw. Schule die Nachrichten gesehen? Wenn ja, dann müsste es doch auffallen, dass sie mit dem Bus von der Unfallstelle gefahren ist und da sie auch noch verletzt ist, könnte man doch glatt einen Verdacht schöpfen? Vor allem ihre beide Freundinen, die es ja gesehen hatten, wie sie in eben diesen Bus einstieg? Das zumindest die Fragen, die ich mir gerade stelle...^^ Ein ruhiges und gelassenes Kapitel, aber wieder einmal schön geschrieben. ;-) Der neue Kanditat zum Bürgermeister ist mir auch nicht geheuer - ich hoffe, er wird nicht gewählt...^^ Aber mal sehen, fals doch, dann wird es noch spannender zum Lesen. ;-)
Antwort von:  MarySae
01.03.2015 19:27
Ich danke dir wieder einmal sehr für dein Kommentar! :D

Na ja, vielleicht hätten sie es wirklich merken können. Aber meistens fahren ja mehrere Busse pro Buslinie gleichzeitig durch die Stadt. Selbst wenn sie also das Fahrzeug im Fernsehen gesehen hätten, das Nummernschild haben sie sich wahrscheinlich nicht gemerkt ^^
Zumindest habe ich beschlossen, dass die beiden in dem Punkt nicht besonders aufmerksam waren xD

Danke nochmal! <3
Liebe Grüße,
Mary
Antwort von:  Saph_ira
01.03.2015 20:09
Gerngeschehen. ;-)
Aha, alles klar, dann ist es natürlich verständlich. XD

Liebe Grüße
Saph_ira
Von:  Nott
2014-09-22T16:03:46+00:00 22.09.2014 18:03
Hihi, wo kommen denn diese zwei reizenden Herrschaften her :D Die kommen mir doch bekannt vor...
Insgesamt nicht so viel passiert dieses Kapitel, aber trotzdem sehr interessant zu lesen (: Kann ja auch nicht immer überall irgendwas explodieren, irgendwer verletzt werden oder sonst was (ja, liebe leute von kobra 11! *hust*). Auch wenn ich nicht glaube, dass der Bürgermeister echt nur so doof vor sich hingestarrt hat >: Politiker sind eh generell kacke, so. Der wird noch doof, ganz bestimmt! D:

Antwort von:  MarySae
22.09.2014 20:17
Ich hasse diese langweiligen Kapitel ja auch, aber es muss leider sein xD
Wie du schon sagst. Es wäre etwas unrealistisch, wenn sie aus der Action gar nicht mehr heraus kämen xD

Der Kerl hat mit Eiern auf ihn werfen wollen O.o Natürlich glotzt man da blöd in die Luft xD
Würde ich auch machen. xD
Von:  RhapsodosGenesis
2014-06-29T21:35:35+00:00 29.06.2014 23:35
Und das naechste Kapitel! Sehr schoen, im Gegensatz zu den vorherigen beinahe unspektakulaer. Aber nur beinahe. Wenn der Ich-Charakter unter Verfolgungswahn leidet, haben die Leser turbulente Zeiten vor sich. Hoffentlich beruhigt sich Lina wieder ...
Und hoffentlich weiss sie jetzt, dass man die Zeit im Bett ausnutzen sollte und nicht zu Politiker-mit-Eiern-bewerfen-Reden gehen sollte! Der fruehe Wurm wird gefangen!
Aber es ist gut, dass sie zur Schule gegangen ist, auch wenn es sehr schade ist, dass sie ihren Freundinnen nicht die Wahrheit sagt. Natuerlich will Lina nicht, dass sie sich sorgen, aber ... Das verursacht einfach ein ungutes Gefuehl!
... Warum beruhigt es sie, vom Kakaoanbau auf der Elfenbeinkueste zu hoeren? Da sollte sie eher noch aufgewuehlter werden! Theoretisch xD

Haha, was fuer Erlebnisse man mit Brot haben kann (ich rieche das Brot bis hierhin xD) ...
Noel und Damian scheinenja wirklich ganz nett zu sein, auch wenn man Linas Gefuehle nachvollziehen kann - das fuenfte Rad zu sein, muss sich schlimm anfuehlen ... Da freue ich mich ja schon aufs naechste Kapitel, um zu schauen, wie die Eis-Geschichte ausgeht! (ganz kurz hatte ich befuerchtet, dass Lina gar nicht zum Mitkommen gebeten wuerde x.x Aber gut, dass sie soweit noch an sie denken! :)

Das Kapitel hat mir also wieder sehr gut gefallen! Ich freue mich schon aufs naechste! Hoffentlich komme ich bald dazu!

Und noch eine Frage aus reinem Interesse: Sagt man wirklich Schaufenster-Sighyseeing oder hast du das in die Welt gesetzt? xD

(irgendwo hast du das "wohl" gross geschrieben und anstatt "landen" steht "laden". Leider gehts grad nicht genauer xD)

Toll gemacht, weiter so! :3
(Huh, wenn jetzt neue Kapitel dazu kommen, sollte ich mich beeilen, dass ich nicht in Verzug gerate! Wuensch mir Glueck xD)
Antwort von:  MarySae
30.06.2014 12:22
Und wieder ein großes Dankeschön für dein nettes Kommentar! :)
Ich freu mich immer riesig, wenn ich sehe, dass du geschrieben hast :D

Na, ich kann ja nicht in jedem Kapitel eine Bombe hochgehen lassen xD
Es wird noch einiges an Action geben, dass kann ich versprechen, aber ab und zu muss auch mal die Story an sich durch Informationen vorangetrieben werden ;)

Amelina ist zwar eher in sich gekehrt und will auch die beiden Paare nicht groß stören, aber immerhin sind das ihre besten Freunde. Da gehört es sich eben auch mal mitzugehen. ^^
Und die anderen Vier schließen sie auch nicht aus. Die haben Lina selber gerne mit dabei :)

Na ja. Es gibt das Wort Sightseeing und es gibt Schaufenster ^^
Ich hätte wohl auch einfach sowas wie 'Schaufensterbummel' schreiben können, aber das Wort Sightseeing kam mir einfach so in den Kopf.
Ich schätze also schon, dass man das so sagen kann, auch wenn das kaum einer tut. xD

(Keine Panik. Hab den Turnus erst Mal auf einen Monat gesetzt (Auch wenn ich eigentlich lieber schneller posten würde >_< Bin so neugierig, was ihr sagt xD). Kapitel 20 ist grade in Arbeit. Ich hab also noch ein bisschen was zum Hochladen ;) )

An dieser Stelle nochmal Danke! :D
Von:  Flordelis
2014-06-14T16:18:41+00:00 14.06.2014 18:18
Wow, die fangen aber früh am Morgen mit den politischen Aktivitäten an. °_°

> Schon bald, meine Freundinnen und Freunde, werden wir erneut hier zusammentreffen und den Start in eine bessere Zukunft feiern!
Ich kann mir nicht helfen, das klingt wie ein typischer Antagonisten-Ausspruch, wenn der sich gerade darauf vorbereitet, die Weltherrschaft an sich zu reißen. :,D
Ist keine Kritik, ich musste es nur unbedingt bemerken. XD

Oh und wie Theodor schleimen kann. XD
Unfassbar. :,D

> Das taten sie jedes Mal, wenn sie sich trafen. Sie sahen sich einfach nur in die Augen.
Einerseits stelle ich mir das auch sehr langweilig und ein wenig creepy vor - aber gleichzeitig finde ich das auch total romantisch, muss ich sagen. :,D

Also bislang bin ich immer noch sehr interessiert hieran. Es ist immer noch wie immer, deine - für mich langen - Kapitel lesen sich echt schnell weg, weil sie sehr gut geschrieben sind.
Ich bin schon gespannt, wie es weitergehen wird - aber jetzt muss ich erst mal die beiden Creator-Games ausprobieren, die du in den Steckbriefen verlinkt hast, bevor ich weiterlese. *.*
Antwort von:  MarySae
15.06.2014 19:49
Der frühe Vogel kriegt den Job :D

Tja. Er ist eben Politiker aus vollem Herzen ;) Der Spruch passt so gut zu so einem möchtegern Politiker xD

Geht mir nicht anders xD
Die beiden sind aber irgendwie trotzdem süß. Da haben sich zwei gesucht und gefunden :)

Sehr schön, das freut mich sehr :)
Dann wünsche ich dir viel Spaß beim Rumspielen ;)

Wie immer, danke für deinen Kommentar! :D


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