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2. Mai

von

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» 1. Mai 2018 «
 


 

Hilferufe von Schüler hörte man über das gesamte Gelände. Der Geruch von Onkel Georges Probe-Feuerwerk lag in der Luft. Der Bass vom Sound-Check der Schwestern des Schicksals brachte den Boden zum Beben. Es hörte sich alles so toll und berauschend an. Doch sie hatte keine Lust auf das Ganze. Der ganze Tumult, die Menschenmenge und die Freude auf den kommenden Tag. Es war für sie immer das Selbe.

Ja, Victoire Weasley war in diesem Moment miesepetrig.  

Der Zweite Mai. Jedes Mal das gleiche Spektakel. Doch morgen wurde es pompöser und größer. Mehr von allem, was sonst immer war. Victoire lehnte ihren Kopf gegen das Fensterglas und seufzte einmal laut. Sie saß in ihren Schlafraum vor einen dieser übergroßen Fensterbögen und hatte einen guten Blick auf das Quidditchfeld. Eine Menge an Leuten war dort schon am Aufbauen für das große Fest.
 

„Warum verkriechst du dich hier, Tori?“, hörte sie plötzlich von der Tür und sah erschrocken auf.  Ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder, als sie eine bekannte großgewachsene schlanke junge Frau erblickte.  Lässig lehnte sie sich gegen den Türrahmen und lächelte sie an. Wahrscheinlich hatte sie schon Victoire eine Weile beobachtet. Ihre langen rostbraunen Haare waren zu einem Fischgrätenzopf gebunden und lagen über ihre Schulter.

„Das weißt du genau, Molly“, murrte Victoire ihr nur zu. „Ich hasse dieses Fest.“ In sich lachend ging Molly auf ihre beste Freundin und Cousine zu und setzte sich neben sie auf die Fensterbank. Ein Augenblick schwieg Molly und spielte mit ihren Haaren. Molly beobachtete die junge Halb-Veela. Ihr Blick war auf die Ländereien gerichtet und war mit den Gedanken wo anders.

Ein Lächeln zeigte sich auf die Lippen der Rothaarigen, als sie in den Händen von Victoire den Tagespropheten sah.

„Ich glaube es hat auch noch andere Gründe“, und Molly lehnte sich nach hinten. Ihre haselnussbraunen Augen musterten die Halb-Veela genau. Das strahlendblonde Haar flog ihr Gesicht. Keine Reaktion. Sie ignorierte sie gekonnt, denn Molly hatte nicht Unrecht. 
 


 

» 2. Mai 2016 «
 


 

Genervt schob Victoire eine der großen Flügeltüren auf und verschwand geschwind und unbemerkt aus der großen Halle. Kaum war die Flügeltür ins Schloss gefallen, war die Geräuschkulisse um einiges leiser und gedämpfter. In der großen Halle feierten sie wie jedes Jahr den Jahrestag des Sieges. Doch für Victoire war es nicht zum Feiern zu Mute, obwohl es ihr Jahrestag war. Schon das ganze Leben hatte sie nie wirklich ihren Geburtstag gefeiert. Immer wurde dieser Jahrestag des Sieges vorangestellt und sie hatte zurückgesteckt. Oh, wie sie diesen Tag verdammte.

 

Knak!

 

Plötzlich blieb die Weasley stehen und schaute sich um. Das Geräusch war nicht in der Nähe, aber noch laut genug dass es durch die Gänge schallte. Wahrscheinlich irgendein Schüler. Damit schüttelte sie den Kopf um die Gedanken zu vertreiben.
 

Leise schlich sie durch die Gänge und drückte ihr geliebtes Sammelwerk Zauberhafte Begegnungen von Fifi LaFolle enger an sich. Es hatte schon seine Gebrauchspuren, unzählige Eselohren, die erste Seite war bereits herausgerissen als sie es bekam, doch Victoire liebte dieses Buch.

Sie konnte sich noch erinnern wie ihre Mutter mit dem Buch kurz nach ihrem dreizehnten Geburtstag zu ihr kam. Eine gute Freundin hätte es ihr gegeben und Fleur dachte es würde ihr gefallen. Die fabelhaften Geschichten über die verschiedensten Wesen faszinierten Victoire sofort und konnte einfach nicht genug kriegen.

Jedes Jahr setzte sich an ihren Ehrentag in einen der großen Sessel in dem Gemeinschaftsraum und las darin. Davon hatte sie ihrer Meinung nach mehr, denn jetzt dachte niemand mehr an ihren Geburtstag.

Am Morgen bekam sie noch per Eulenpost Geschenke und Grußkarten von ihrer Familie, herzliche Umarmungen und Wünsche von Freunden und einen kleinen Geburtstagskuchen von den Elfen. Doch nach dem Frühstück wurden keine Gedanken mehr an ihren Geburtstag verschwendet und alle dachten nur noch an das jährliche Fest anlässlich des Sieges gegen Voldemort.
 

In den Gedanken verloren, machte sie eine schnelle Biegung um die Ecke und rannte gerade in eine Jungenschar hinein. „Hey Victoire!“, begrüßte einer dieser Jungs. Die Weasley glaubte, er war im sechsten Jahr und hieß Shlafowski oder so. Das passte auch irgendwie, denn er hatte den Schlafzimmerblick drauf. Die anderen zwei konnte sie nicht zuordnen. „Hi“, drückte sie nur raus und hoffte inständig, dass sie gleich weiter kommt.

Der Sechstklässler legte einen Arm um ihre Schulter und grinste sie an. „Du willst schon so früh weg?“, wollte er wissen. „Ach, komm doch noch ein bisschen mit zum Fest.“ Sofort kapierte Victoire, was los war. „Nein, danke“, wehrte sie ab und hoffte, dass er dies schluckte. Wie viele von der Schule waren einige Jungs ihre angeborene Ausstrahlung nicht gewachsen. Das hatte so seine Tücken, denn das Veela-Blut in ihr war ihr eher eine Last als ein Geschenk. Die Kerle der Schule hangen nur so an ihren Fersen.

 

„Nur ein, zwei Butterbier“, versuchte der Junge mit dem Schlafzimmerblick sie zu überreden, drängte sie dabei wieder zurück Richtung Große Halle. Die Weasley wollte etwas einwenden, doch der Junge kam ihr zuvor.

„Ach, hab dich nicht so! Es ist der Jahrestag!“ Und ihr Geburtstag, fügte sie in ihren Gedanken hinzu. „Ein anderes Mal“, lächelte sie eher gezwungen als gewollt. „Heute steigt doch die Party, wann –“ Knak!

Da war es schon wieder. Und das Geräusch war ziemlich in der Nähe. Knak!

Das Herz von der Weasley hämmerte wie wild und ihr Atem wurde schneller. Ihr Zauberstab war irgendwo in ihrer Innentasche ihres Umhanges, doch dort würde sie nun nicht rankommen.  

Victoire und die drei Jungs drehten sich um 180 Grad.

 

Knak!

 

„Urgh! Trollrotz!“ Ihr Herz sackte in die Hose. Einige Meter entfernt stand Ted Lupin. Gegen die Wand lehnend und warf fast im Sekundentakt eine Bertie Botts Bohne nach der anderen in den Mund. Sein Gesicht war für ein Moment verzerrt. Doch dann richtete sich sein Blick auf Victoire und die anderen. Es hatte etwas Unheimliches an sich, jedoch wusste die Weasley nicht genau was. „Hey Vic“, begrüßte er sie und blickte dann zu den andern, „Smethwyck, Piekes, Miller.“ Ted nickte ihnen zu. Nun erkannte sie auch das Unheimliche an Ted. Seine Iris flammte gefährlich rot-golden auf.

„Hast du mir heut morgen nicht erzählt, dass du dein uraltes Buch lesen wolltest, Vic?“, fragte er nach und sah sie intensiv an. Als ihre Blicke sich trafen, entstand eine Spannung. Sie hatte ihm rein gar nichts erzählt. Wahrscheinlich hatte Molly sich wieder in der Vertrauensschüler- und Schulsprechersitzung verplappert.

Mit einem Seufzen entschied sie sich mitzuspielen.

 

„Ja schon“, fing sie an. Auf einmal spürte sie den Arm von dem Schlafzimmerblick-Jungen – Smethwyck, so hieß er, sie war nur knapp vorbei – nicht mehr auf ihren Schultern. „Wir wollten dich wirklich nicht aufhalten“, meinte er schnell und murmelte zu den anderen irgendwas vom schnellen Verschwinden. Ein kurzer Blick von Ted und die drei Sechstklässler waren schneller verschwunden, als Victoire Nox sagen konnte. Es war beeindruckend, wie Ted die Schüler rein durch sein Aussehen verängstigen und verscheuchen konnte.         

 

Nun drückte sich Ted von der Wand und schlenderte zu ihr. Er setzte sein übliches Grinsen auf. Jedes Mädchen auf Hogwarts war schon einmal wegen diesem Grinsen verfallen. Selbst Victoire konnte nur mit viel Mühe diesem Charme widerstehen. Seine Augen waren wieder normal.

Für sie normal. Azurblau. Sie mochte diese Farbe. Es erinnerte sie an Zuhause. Geborgenheit. Shell Cottage.

„Und nochmal, Hey Vic“, sprach er und lief neben sie her, da sie sich in Gang setzte. Sie schielte zu ihm kurz hinauf, dann wandte sie ihren Blick wieder nach vorne. „Ted“, sagte sie nur als Begrüßung.

Knak! Da war es wieder. Er aß wieder seine Bertie Botts Bohnen.

 

„Willst du wirklich in dem Buch lesen?“, fragte er eher beiläufig, „Du hast es doch schon zigmal durch.“ „Es ist mein Lieblingsbuch. Und das weist du“, sagte sie schnippisch. Ted seufzte und steckte seine Hände in die Taschen seines Kapuzenpullis. Kurz schweigend liefen sie nebeneinander her: „Jedes Jahr das selbe.“ Darauf musste Victoire in sich lachen. Es stimmte. Jedes Jahr verkroch sie sich im Gemeinschaftsraum, während alle anderen unten in der großen Halle in die Nacht feierten. Doch jedes Mal traf sie auf dem Weg dort hin auf Ted. Sei es dass er gerade vom Klo kam oder im Klassenzimmer die Wichtel im Käfig ärgerte.

Aber eins war klar: Ted mochte den Jahrestag genauso wenig wie sie. Eine Gemeinsamkeit, die sie schweigend teilten.

 

„Es ist dein letztes Jahr. Willst du nicht einmal die Sau rauslassen?“, wollte Victoire wissen und schielte zu ihm hinauf. Ein trauriges Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Etwas dass Victoire selbst ein beklemmendes Gefühl verpasste. Seine azurblauen Augen blickten dann zu ihr und die Traurigkeit war in dem Moment verschwunden. „Na!“, verneinte er und zeigte dieses unwiderstehliche schiefe Lächeln. Gemeinsam liefen sie die gigantischen Treppen hinauf, bis zu dem Punkt als sich ihre Wege trennten. Sie drehte sich zu ihm um und hob ihr Haupt um direkt in sein Gesicht zu sehen. „Wirst du Hogwarts nicht vermissen?“

 

„Das Einzige, was ich vermissen werde, bist du“, sagte er mit einer Ernsthaftigkeit, sodass ihr kurz das Herz stehen blieb. „Die Streiche an dir waren immer die Besten. Deine entgleisten Gesichter waren ein Festschmaus für meinen Bauch.“ Damit fing er einen Schlag gegen die Rippen ein. Mit Schwung drehte sich Victoire um und wollte ihre Weg zum Gemeinschaftsraum fortsetzten. Dabei warf sie ihm „elender Tebo“ an den Kopf, doch weit kam sie nicht. Ted packte sie im Oberarm und drückte sie gegen die steinerne kalte Wand.

Ihre Blicke konnten töten, das wusste sie. Jeder andere würde bei ihrem Antlitz nun erschaudern, aber Ted konnte ihr standhalten. Neben ihrem Vater und Onkel Charlie, einer der wenigen.

 

Plötzlich tauchte ein kleiner Strauß von Blumen auf. Wahrscheinlich war er selbst gepflückt, denn einige Wurzeln waren noch dran und einige Blüten waren schon abgeknickt. Ihr Blick des Todes wandelte sich in Fassungslosigkeit. Noch nie bekam sie Blumen von Ted.  

„Solche Momente zum Beispiel“, sagte er nur mit einem Grinsen, „Alles Gute zum Geburtstag, Vic.“ Unbewusst nahm sie die Blumen entgegen und wollte etwas sagen, doch Ted kam ihr zu vor und warf ihr eine Bertie Botts Bohne in den Mund.

Knak! Zitrone. Es war sauer. Victoire verzog das Gesicht, so dass Ted lachen musste.

 

Er drehte sich um und ging los, höchstwahrscheinlich zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum. „Nimm es als Geschenk, Vic.“ Dann war er weg. Völlig verdutzt stand die Weasley da und musste sich gegen die Wand lehnen, um nicht auf die Knie zu fallen. Ungläubig betrachtete sie die halb geknickten Blumen. Ihr Herz pochte als hätte sie gerade einen Marathon gelaufen. Wahrscheinlich war ihr Gesicht puterrot. Der säuerliche Geschmack in ihrem Mund. Erst musste sie leise lachen. Dann hörte man ein wunderschönes Lachen, das durch die Gänge von Hogwarts hallte.       
 


 

» 25. Dezember 2016 «
 


 

Es war Weihnachten. Wie jedes Mal feiern alle zusammen im Fuchsbau. Jeder Weasley war da. Jeder Potter. Auch Ted mit seinen Großeltern.

An einer übergroßen Tafel waren alle versammelt. James erzählt seiner Mutter von den ersten Erlebnissen in Hogwarts. Die Unterrichtsstunde mit dem Besen zu fliegen hatte er mit Bravur gemeistert und war völlig aus dem Häuschen. Da prahlte Opa Arthur nur, dass James es von seiner Mutter und seinem Vater geerbt haben konnte.

Onkel George erzählte seinem Bruder Percy von seinen Geschäften und dass die Filiale in Hogsmeade boomte. Es war ein großes und lautes Fest.

 

„Tori wird von den Jungs verfolgt, wie keine andere“, hörte sie genau neben ihr Molly ihrem Onkel Charlie erzählen. Plötzlich schoss Victoire die Röte ins Gesicht, genau in dem Moment musste Charlie schallend lachen. „Ist doch klar. Mit ihrem Veela-Charme liegt ihr doch jeder männliche Gnom zu Füßen“, antwortete ihr Onkel darauf und nahm ein Schluck von seinem Eggnog. „Molly, dass ist doch gar nicht wahr. Bei dir stehen sie doch auch Schlange!“, versuchte sie sich aus dem Bilde zu rücken. Darauf musste ihre beste Freundin nur laut auflachen. „Ach Tori, die zwei Jungs sind nichts gegen deinen Fan-Club!“, damit wandte sie sich wieder zu Charlie, „Einer hatte ihr vor den Weihnachtsferien ein Strauß rote Rosen geschenkt.“ Da pfiff Charlie nur durch die Zähne und zwinkerte Victoire zu. Beschämt versteckte sie ihr scharlachrotes Gesicht in ihren Händen.

 

Molly zählte noch einige Vorkommnisse in Hogwarts auf. Dabei erzählte Charlie die Geschichte wie sein Bruder Ron in seiner Schulzeit auch Fleurs Charme nicht widerstehen konnte.

Dabei bemerkte die Veela nicht, wie Ted die Unterhaltung komplett mitanhörte. Erst als Harry sein Patenkind ansprach, schaute Victoire auf und blickte zu ihrem Gegenüber. „Hey Teddy, alles klar?“, wollte Harry wissen. Verwirrt blickte Ted zu seinem Paten: „Erm, ja wieso?“ Die Weasley bemerkte auf einmal, weshalb Onkel Harry fragte. Teds Haare waren feuerrot. Eine ungewohnte Farbe bei ihm. Harry lächelte ihn an, sagte aber dann: „Nur so.“ Und fing dann mit einem anderen Thema an. „Wie war Brasilien?“ Da holte Ted tief Luft und zeigte sein berüchtigtes Grinsen. Er erzählte von magischen Städten im Tropischen Regenwald, die hoch oben in den Baumkronen lagen.

Als er dies erzählte, beobachtete Victoire, wie die Haare von Ted wieder in seine vorherige Haarfarbe, hellbraun, verwandelten. Sie konnte nicht sagen, ob er es merkte. Denn er zeigte keine Regung.    

 

 
 

» 2. Mai 2017 «
 


 

Ein großes Raunen ging durch die Gänge. Ihre Schritte hallten. Zügig versuchte Victoire zum Gemeinschaftsraum zu gelangen. Bevor Molly sie noch einholte und sie wieder in die Große Halle schleifte. Doch sie hatte so eben einen Brief von Ted bekommen. Sie hatte ihn noch nicht geöffnet, denn sie wollte ihn in Ruhe lesen. Seit dem letzten Jahr hatte sie ein komisches Gefühl bei Ted. Sie mochte ihn, ja. Jeder mochte ihn. Er war charmant und witzgewandt. Aber er hatte auch seine Eigenarten und sagte nicht gerade immer, was er dachte.

Victoire hatte schon oft solche Momente mit ihm in Hogwarts als auch daheim. Eine Frage an ihn, und er beantwortete sie mit einer Gegenfrage oder gar nicht und ließ sie damit allein.

 

Ein ‚Rumps‘ aus einem Klassenzimmer ließ sie aufschrecken. Leise tapste sie zu der Tür und lugte hinein. Zuerst erkannte sie nichts, da es zu dunkel war. Doch als sich ihre Augen an das unbeleuchtete Klassenzimmer gewöhnten, sah sie den Übeltäter. Speckle, der Kniesel von James Potter. Der Glückpilz hat den kleinen Kniesel verlassen im Wald gefunden und aufgezogen. Dafür blieb Speckle James treu an der Seite.

Speckle blickte Victoire mit seinen giftgrünen Augen an, fauchte kurz, ließ sie aber dann in Ruhe. Victoire erinnerte sich. Vor einigen Jahren hatte sie hier Ted zum ersten Mal am zweiten Mai getroffen.

Natürlich wollte sie wissen, warum er nicht in der Großen Halle war, wie all die anderen. Damals antwortete er nur mit: ‚Für mich ist das eher ein Trauertag.‘

Erst später hatte Victoire verstanden. Es ging um seine Eltern.

Von da an traf sie ihn immer auf den Fluren von Hogwarts, wenn sie sich aus der großen Halle davonschlich. Ein lauter Seufzer kam aus ihrer Kehle. Dieses Jahr war es anders. Erst jetzt bemerkte Victoire, was die zwei hatten. Diese kleine Gemeinsamkeit, der zweite Mai, sie verband.

 

Als sie in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaw betrat, fachte der Kamin von selbst an. Sie trat an die riesigen Fensterbögen näher, legte eine Hand auf das kalte Glas. Regentropfen prallten dagegen und perlten entlang. Auf dem kleinen Beistelltisch neben einem Ohrensessel lag ihr geliebtes Buch schon bereit. Sie kannten die Geschichten eigentlich schon auswendig, doch sie tauchte so gerne in diese Welt.

Doch gerade war etwas ganz anderes interessanter. Sie hielt den weißen Umschlag in den Händen. In ihren Fingerkuppen kribbelte es. Von wo der Brief wohl herkam? China? Afrika oder doch irgendwo aus Europa? Wo Ted sich gerade rumtrieb, war immer ein Rätsel. Der kleine Potter erzählte, dass Ted zurzeit durch die Weltgeschichte reiste bis er endlich wusste, was er wirklich machen will.

Sie schnupperte am Papier, aber bemerkte keinen speziellen Geruch. Dennoch musste sie zaghaft lächeln, denn schon allein der Brief verursachte ihr Herzklopfen. Sie konnte es nicht erklären, aber sie hatte solche Gefühle noch nie. Molly würde es Verliebtheit nennen, doch soweit wollte Victoire noch nicht gehen. Vorsichtig und mit zittrigen Fingern riss sie das Couvert auf und entfaltete das Papier:
 

 
 

Hey Vic,

Alles Gute zum Geburtstag.

Letztens war ich in Australien und habe die verrücktesten Tiere gesehen.

Sie würden dir gefallen.

Bis dann.
 

             
 

Mehr stand nicht drin. Verwirrt drehte Victoire den Brief um, doch selbst auf der Rückseite stand nicht vielmehr drauf. Enttäuscht starrte sie aus dem Fenster, lehnte dann ihre Stirn gegen das kalte Glas. Der Regen trommelte gegen die großen Fenster und machten einen Lärm, der erdrückend war. Sie schloss ihre Augen und presste ihre Lippen aufeinander.

„Bis dann…“ presste sie erst zwischen ihre Lippen hervor, „bis dann! Du mich auch! Verflucht seist du Lupin und das Wetter! Was ist das für ein Wetter?! Es ist mein Geburtstag!“ Ihre Stimme wurde lauter und etwas brüchiger. Ihre Faust knallte gegen das Fenster. Es hallte nach, aber dann war es still und nur der Regen war zu hören. Knak!

„Jammer nicht wie ein Augurey, davon wird das miese Wetter auch nicht besser.“ Eine Stimme aus der Dunkelheit, die Victoire abrupt umdrehen ließ. Ihr Herz pochte ihr zum Halse. Sie versuchte die Person im Schatten ausfindig zu machen. Knak!

„Hey Vic“, begrüßte sie die soeben von ihr verfluchte Person. Ihr Herz rutschte ihr von Hals plötzlich in die Hose, als sie in das Gesicht von Ted sah. Ungläubig schaute sie in seine azurblauen Augen, die im Schein des Feuers etwas Zauberhaftes haben. Das Schlucken fiel ihr schwer, doch sie konnte den großen Kloß im Hals loskriegen: „Wie…?“ Es war nicht viel. Aber für mehr war ihr Kopf momentan nicht mehr fähig.

 

Er grinste sie an und lief zu ihr. „Also wirklich, solche Rätsel kann doch jeder“ – „Das mein ich nicht!“, unterbrach sie ihn, „Wie kommst du nach Hogwarts?“ Er musste kurz auflachen, stellte seine Tüte Bertie Botts Bohnen auf ein Tischchen und näherte sich ihr. „George hatte bei mir noch was gut. Deswegen hat er mir den Geheimgang von seiner Filiale in die Schule gezeigt“, dabei zwinkerte er ihr zu. „Es gibt einen Geheim“ – „Nicht erwähnenswert“, unterbrach er sie diesmal und winkte das Thema ab. Er stand nun neben ihr und lächelte sie verschmitzt an.

Es machte sie verrückt, dass er nun vor ihr stand. So unerwartet, dass sie nicht wusste wie sie reagieren sollte. In ihr tobte ein Tornado und hinterließ ein reines Chaos. Es machte sie wahnsinnig, denn das kannte sie sonst nicht von ihr. Hoffentlich bemerkte er es nicht, wiederholten sich die Worte in ihrem Kopf jedes Mal, wieder und wieder.

„Und warum“ „Ich da bin?“, vollendete Ted den Satz, „Die Tradition wahren, was sonst.“ Ja, was sonst…

Sie versuchte leicht zu lächeln, doch Ted lief zu dem Sessel, wo ihr Buch lag. Er nahm es in die Hand und strich mit der flachen Hand über den alten Einband. „Das besagte Buch“, lachte er und hob es ihr in die Hand entgegen. „Es wird mal Zeit, dass du mir daraus vorliest.“

 

Victoire blickte ihm in die Augen. Sie schwieg. Denn erst glaubte sie, er scherzte mit ihr, doch dieser Blick war fest und ernst. Die presste die Lippen aufeinander, bildete aber dann ein zauberhaftes Lächeln. Ohne ein Wort nahm sie das Buch entgegen und schlug das Buch auf. Sie setzte sich auf die Fensterbank und er mit ein wenig Abstand daneben.

 

„In der größten Einöde der Welt wanderte ich umher bis ich sie fand. Die Siricas. Sie sind sie schwer zu finden. Eine Gattung der Suricata. Sie sind kleine Wesen, die in großen Kolonien leben. Sehr sozial, hilfsbereit und mutig, wenn es um ihre Familie geht. Selbst mich sahen sie erst als Bedrohung an und griffen mich an.

Ihre Zuhause sind Erdlöcher, die sie gemeinsam graben und als große Familie bewohnen. Trotz allem sind diese wundervollen Tiere vom Aussterben bedroht. Ein Problem sind die Männchen. Sie sind sehr wählerisch. Sie beobachten die Weibchen mehrere Monate, bis sie den ersten Schritt wagen. Sind sie aber ein Paar, bleiben sie auf Ewig zusammen…“ Victoire legte das Buch auf den Schoß und hob ihren Blick an. Ted schaute nur schweigend sie an.

 

Sie haben noch nie wirklich ein ernsthaftes Gespräch mit ihm geführt und trotzdem löste er in ihr etwas aus, dass sie nicht benennen konnte.

„Warum bist du wirklich gekommen?“, flüsterte sie vorsichtig. Im Schein des Kaminfeuers lächelte er sie an. Nicht das gewohnte schiefe Grinsen von ihm. Nein es war anders. Wärmer.

„Warum wohl, Vic“, sagte er ruhig streckte seine Hand aus und strich eine blonde Haarsträhne von ihr hinter ihr Ohr. Diese Berührung. Noch nie hatte er sowas getan. Es fühlte sich gut an. Für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen um den Augenblick zu genießen.

Als sie diese wieder öffnete und direkt in seine azurblauen Augen sah, wusste sie es. Sie beide wussten es. Er legte seine Hand auf ihren Nacken und zog sie zu sich.

Der stürmische Regen wurde weniger, hörte gar auf. Hinter den dunklen Wolken lugte der Mond hervor und erleuchtete den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum mit seinem silbernen Licht. Victoires Gedanke waren weit weg. Sie dachte nicht darüber nach, etwas was sie sonst immer tat. Diesmal ließ sie einfach ihr Herz entscheiden. Später wird sie sich erinnern, dass er nach Bertie Botts Bohnen Geschmacksrichtung Zitrone schmeckte. 

 

 
 

» 1. September 2017 «
 

 

 

Dampfschwaden der scharlachroten Lok stiegen empor. Das Getümmel auf dem Gleiß 9 ¾ war groß. Familien verabschiedeten sich von ihren Kindern, drückten, umarmten und küssten sie zum Abschied.

An einer Säule weit entfernt von ihrer Familie standen Victoire und Ted. Die Arme um ihre Hüfte gelegt, zog er sie näher an sich. „Und wehe ich krieg nicht jede Woche einen Brief!“, drohte sie ihm an und musterte ihn mit einem strengen Blick. Dabei musste er nur grinsen.

„Ich schreib dir ein Dutzend die Woche!“, und beugte sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. Dabei musste sie laut auflachen. „Von wegen, du solltest auch noch arbeiten, mein Lieber“, tadelte sie ihn und er verdrehte die Augen. „Das mach ich doch mit links!“ Misstrauisch beäugte sie ihn. Er sollte seinen neuen Job lieber ernst nehmen, denn immerhin war es nur ein Praktikum beim Tagespropheten. Nur wenn er sich gut anstellt, bekäme er den Job. „Streng dich an, Ted. Das ist deine Chance.“ Er lächelte und gab ihr einen Kuss. „Na gut.“

 

Sie strich über seine blauen Haare. „Glaubst du wirklich die Farbe ist passend für deinen ersten Tag?“ Die Skepsis hörte man ihr an. „Ich dachte, dir gefällt die Farbe“, sagte er mit seinem schiefen Grinsen. Sie lächelte ihn nur an und küsste ihn. Er zog sie näher zu sich und vertiefte den Kuss leidenschaftlich. Versunken in eine andere Welt, genossen sie die letzte Zweisamkeit für eine lange Zeit. Die gesamten Ferien haben sie in Shell Cottage verbracht. Ab und zu ging Ted dann immer zu den Potters um Abendessen, damit der Schein gewahrt wird. Doch anscheinend hatte ihre Mutter das Geheimnis nicht für sich bewahren können. Letztens hatte Onkel Harry Ted indirekt darauf angesprochen.

 

„Was treibt ihr da?“, kam auf einmal eine Frage von der Seite und Victoire und Ted schreckten auseinander. Der 12-jährige Potterspross stand da mit großen Augen, da als hätte er einen Riesen gesehen. Ted räusperte sich, als sich Victoire beschämt und mit hochrotem Kopf ihr Gesicht in Teds Schulter versteckte.

„Nach was sieht’s denn aus, Jamie?“, fragte Ted nur und grinste ihn an. James schluckte und versuchte was zu stammeln. „Ich verabschiede sie nur, und jetzt verschwinde“, sagte er mit einem Zwinkern. Kaum ausgesprochen, rannte der Wirbelwind los um wahrscheinlich die Neuigkeit überall herum zu posaunen.     

 

 
 

» 2. Mai 2018 «
 


 

Der Tag der Tage war gekommen. Von allen mit Freude erwartet. Das Wetter war hervorragend. Warm, sonnig und keine Wolke am Himmel. Victoire wurde von Molly mitgeschleift. Keine Ausrede hatte an ihr gewirkt. Auf dem Weg zum Quidditchfeld, das als Festivalgelände benutzt wurde, trafen sie schon einige Schüler, die auf dem Weg dorthin waren. Vom weiten hörte man schon die laute Musik. Später wird es wahrscheinlich noch lauter, wenn die Schicksalsschwestern auftreten.

Kleine Stände waren aufgereiht. Süßigkeiten, kleine Spielzeuge und selbstgemachte Andenken wurden von Schülern verkauft. In der Mitte des Feldes war eine riesige Bühne. Überall hangen bunte Girlanden und große runde Laternen schwebten in der Luft.

Eins musste Victoire aber zugeben: Die Schüler haben sich wirklich Mühe gegeben. Es sah überwältigend aus.

 

„Wahnsinn!“, kam es von Molly begeistert. Einige Gäste waren bereits anwesend. George sahen sie als erstes, denn er hatte noch einiges zutun. „Hey ihr zwei!“, begrüßte er sie schnell, blieb aber ein Moment bei ihnen stehen. Man merkte aber, dass er auf dem Sprung war. „Hi George“, begrüßte Molly ihn und umarmte ihn zur Begrüßung. „Tori, alles Gute!“, kam es dann von George, umarmte sie ebenfalls und drückte ihr noch eine Kuss auf die Wange. „Danke dir“, kam es nur von Victoire. „Und schon ordentlich gefestet?“ „Noch nicht“, lachte sie. „Dann wird das nachher auf jeden Fall mit paar Butterbieren nachgeholt!“, drohte George ihr an und war schon auf weiter gelaufen. „Ich muss weiter. Das Feuerwerk entsteht leider nicht ohne mich!“ Und weg war er.

 

Victoire und Molly liefen die Stände ab. Es gab alles Mögliche. In Geschicklichkeitsspiele war Molly unschlagbar. Kleine schwebende Kugeln mit Aguamenti abschießen, sobald sie aufleuchten. Victoire versagte darin völlig. Molly hingegen schaffte es bereits mit dem zweiten Versuch. Als Gewinn bekam sie einen 50%-Rabattgutschein für Weasleys Zauberhafte Zauberscherze.

„Na Super! Ausgenommen für Familienangehörige. George ist echt spitzfindig!“, zischte Molly und drückte den Rabatt irgendeinen Erstklässler in die Hände. „Du weist schon, dass der Rabatt verfällt, sobald er in andere Hände als dem Gewinner gelangt“, meinte Victoire beiläufig und deutete auf den Erstklässler hinter ihr, der völlig aus dem Häuschen war.

„Lass ihm die kurze Freude“, zwinkerte ihre beste Freundin ihr zu.

 

„Sollen wir zu den Duellen? Ich glaube, James sollte bald dran sein“, schlug Victoire vor und deutete auf die große Bühne. Doch Molly reagierte nicht. „Molly?“

„Bunter Vogel auf zwei Uhr“, murrte sie nur und nickte in die Richtung. Ihr Herz machte einen Aussetzer. Molly konnte wohl ihr Schlucken hören. Sie zögerte sich um zudrehen und nachzusehen.

„Tori. Ich weiß, du willst ihn wohl nicht sehen. Aber vielleicht hat er gute Gründe“, versuchte sie auf die Halb-Veela einzureden. Doch darauf musste Victoire nur abfällig lachen. „Ein halbes Jahr kaum geschrieben und an Weihnachten nicht aufgetaucht? Molly, dafür gibt es keine Gründe“, sagte sie mit trockener Kehle.

 

„Regel es, Tori. Er gehört doch schon fast zur Familie.“ Sie schloss ihre Augen. Sie atmete tief durch und drehte sich um. Da stand er in einem Gespräch vertieft. Harry stand auch bei dieser Gruppe.

Eine Gruppe von Siebtklässlerinnen sprach ihn an. Sie haben ihn wohl wieder erkannt. Wer würde ihn denn nicht wieder erkennen? Er lachte mit ihnen und das lachende Gesicht zu sehen, schmerzte.

Als ob er ihren Blick gespürt hatte, schaute er in ihre Richtung. Wie zu Eis erstarrt stand sie da, konnte sich nicht bewegen. Er lächelte sie an und wandte sich von den Mädchen ab. Kaum zehn Sekunden später stand er vor ihr. „Hey Vic“, sagte er mit seiner tiefen Stimme. Dies holte die Weasley zurück. Sie bemerkte, dass Molly sie auch allein gelassen hatte.     

 

„Wie geht’s?“ Da klatschte es. Victoire hatte ausgeholt und ihm eine ordentliche Ohrfeige verpasst. Innerlich entschuldigte sie sich bei Molly. Sie wollte gerade nichts regeln. Sie wollte lieber alles herausschreien. An ihm ihre ganze Wut rauslassen. Er hatte sie verletzt.

„Wie es mir geht?! Du fragst, wie es mir geht? Nachdem du ein knappes halbes Jahr kaum geschrieben hast? Ich kann die Briefe an der Hand abzählen! An Weihnachten bist nicht aufgetaucht. Ich wusste nicht mal wo du dich herumtreibst! Nicht einmal ein frohes neues Jahr hast du mir gewünscht?!“ Ihre Stimme war laut. Wahrscheinlich bekam es gerade ein Großteil der Schule und ihrer Familie mit. Victoire war bei allen bekannt als ruhige Natur. So einen Ausraster war selten. Eigentlich war es sogar noch nie in der Öffentlichkeit vorgekommen.

„Du kannst mich mal, Lupin!“

 

Diese Worte pfefferte sie mit einer Kraft an seinen Kopf. Die Weasley nahm einen tiefen Atemzug und ging mit großen Schritten an ihm vorbei. Nun wollte sie nur zurück zu Molly, die ungläubig ihre beste Freundin anstarrte. Die Hand fassungslos auf den Mund geschlagen.

Doch weit kam die Blondine nicht. Ted hatte sie, als sie genau auf seiner Höhe war, mit einem festen Griff am Oberarm gepackt. „So entkommst du mir nicht“, sagte er ruhig und bestimmt. Sein Blick fiel auf die Seite, zu ihr hinab. Es versetzte ihr einen Schauer, denn er war noch nie so ernst zu ihr gewesen.

 

Er zog sie mit sich zu einem Eck, wo weniger Leute sind. „Kannst du mich bitte loslassen?“, fragte sie zynisch und wollte ihm nicht in die Augen schauen. Ted tat, was sie sagte. Sie spürte den starken Griff nicht mehr um ihren Oberarm, doch der Nachdruck konnte sie noch fühlen.

„Was willst du von mir?“

„Was wohl?“, knurrte Ted ihr zu. „Das du mich wenigstens anhörst!“

Ein ‚Pah‘ entfuhr Victoire und drehte sich halb weg. „Vic, es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe.“ Ted sah, dass sie ihr nicht wirklich zuhörte. Ihre Augen waren ins Leere gerichtet. Ihre Lippen aufeinander gepresst.

 

„Dann was war an Halloween? Oder eher gesagt, danach? Du hast mir da gerade mal zwei Mal geschrieben!“, zischte sie und blickte ihn an. Ted atmete tief ein. Es erleichterte ihn. Immerhin wollte sie wissen, was los war. „An Halloween war ich in Irland um eine Recherche nachzugehen. Ich sollte einen Bericht über die Mythologie der irischen  Todesfee anfertigen. Das war mein erster eigener Bericht. Ich musste mich da reinhängen.“

Victoire schaute ihm in die Augen und atmete aus. So langsam hatte sie sich beruhigt. „Und an Weihnachten? Weshalb bist nicht einmal zu Familienfeier gekommen?“ Beschämt fuhr er sich durch die Haare.

„Um Weihnachten gab es ein Projekt, das ich nicht ausschlagen konnte“, murmelte er vor sich hin. „Und du konntest mir zu der Zeit nicht irgendwie schreiben?“ Er schüttelte den Kopf. „Wir waren in den heißesten Wüsten und dort hätten unsre Eulen oder irgendein anderer Vogel nicht überlebt. Dass wollten wir den Tieren nicht zumuten.“

 

Plötzlich machte es bei Victoire ‚klick‘. „Moment, du sagtest ‚wir‘?“, hakte Victoire nach. „Ja, wir. Meine Kollegin Emma und ich. Wir haben das Projekt gemeinsam durchgezogen“, erklärte er für sich eher nebensächlich und wollte fortfahren. Doch Victoire erhob ihre Hände, holte tief Luft.

„Okay, okay. Stop! Du willst mir gerade weiß machen, dass du aufgrund deines Praktikums ein knappes halbes Jahr kaum schreiben konntest und warst mit einer Emma über Weihnachten in Weiß-Merlin-wo. Das sieht für dich gerade nicht besser aus als vor fünf Minuten, Ted!“

 

 

„Vic, ich hab dir doch im Februar geschrieben“, versuchte er sich irgendwie rauszureden. „Ja, das hast du! Konntest es mir aber nicht erklären, was du getrieben hast!“ „Ich durfte nicht! Nicht bevor der Artikel veröffentlicht wurde!“, wurde er nun selbst ein wenig lauter. „Also vertraust du mir nicht?“ „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Es ging um den Job! Sie haben mich damals getestet, ob ich Informationen für mich behalten kann. Du hast mir gesagt, ich soll mich reinhängen, mein Bestes geben! Das hab ich getan, Vic. Und nun hab ich den Job als Journalist! Weil ich auf dich gehört habe!“

Er steckte seine Hände wieder in die Hosentasche. Victoire suchte nach Worten, fand aber keine. „Es tut mir Leid, Vic. Es tut mir leid, dass du solange nichts von mir gehört hast“, sagte er nun mit einer ganz ruhigen Stimme. Er fuhr sich durch seine Haare, dabei flog etwas aus seiner Hosentasche. „Genieß den Abe-“. Er stockte, als er sah, dass Victoire das Etwas aufhob. „Vic, nein“, wollte er sie daran hindern, konnte es aber nicht mehr. Zu bekannt fühlte sich dieses Papier für sie an.

 

In ihren Fingern war ein vergilbtes Papier. Mehrfachgefaltet. Es wurde wahrscheinlich schon lange aufbewahrt. Zaghaft entfaltete sie es und ihr Atem stockte. „Vic, das ist“, murmelte er nur mit einer trockenen Kehle. „Ich weiß was das ist“, flüsterte sie. Sie schlug ihre Hand auf den Mund. Tränen kamen und sah Ted ungläubig an. Das Papier war knittrig und mit Tinte befleckt.

 

 

 
 

» 29. April 2013 «
 

  
 

Es war ein kleines Zimmer. Helles Licht drängte sich durch die Vorhänge. Ein leises Kratzen der Feder war zu vernehmen. Immer mal wieder hörte man ein ‚Knak!‘. Der fünfzehnjährige Ted beugte sich über seinen Schreibtisch. Die Konzentration konnte man förmlich spüren. Er merkte nicht einmal, dass seine Großmutter schon an der Zimmertür stand. Ein Stöhnen entrann seiner Kehle. Kurz lehnte er sich zurück und dann setzte er die Feder wieder an.

„Edward, was machst du denn solang?“, versuchte Andromeda ruhig zusagen um ihn nicht zu erschrecken. Was misslang.

 

Ted fuhr zusammen und man hörte nur noch ein Papier reißen. „Granny!“, rügte er sie, „Du sollst doch anklopfen, wenn du in mein Zimmer kommst.“ Da lächelte sie nur zaghaft und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Das habe ich, Edward. Dreimal von der Küche aus gerufen, zweimal geklopft, doch du hast nicht geantwortet. Was machst du denn da?“

Ted schaute wieder auf seinen Schreibtisch und merkte, was er angerichtet hatte. Er hatte eine Seite aus dem Buch rausgerissen. Verzweifelt fuhr er durch seine schwarzen Haare. „Oh je, soll ich es reparieren?“, wollte seine Großmutter wissen, doch er schlug nur schnell das Buch zu. „Ne, aber kannst du mir einen Gefallen tun? Immerhin bist du es mir schuldig, nachdem du in mein Zimmer eingedrungen bist“, stand dabei auf und ging mit ihr aus dem Zimmer, drückte ihr das Buch in die Hand.

 

Zurück blieb die herausgerissene Seite. Ein wenig geknittert, mit Tinte befleckt:

 
 

Zauberhafte Begegnungen

von Fifi LaFolle

Sammelwerk

Für Vic

In Lie

Alles Gute

Ted
 


 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Sissel, ich wünsche dir alles Liebe und Gute zum Geburtstag!
Ich hoffe konnte dir den Ehrentag mit der kleinen Wichtel-Geschichte den Tag versüßen :D

Schon lange, lange ist es her, dass ich eine Geschichte geschrieben und sogar fertig gestellt habe!
Ich wollte schon so lange eine Ted/Vic Story schreiben und das war der Anspron! Danke :)

Liebe Grüße
Leine Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Guardian
2014-03-15T17:33:33+00:00 15.03.2014 18:33
Sehr schön geschrieben, auch durch die zeitlichen anspannen und schön formulierten Wörter. Das Design ist schlicht und ansehnlich :)

Nur weiter so.


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