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Impetrire

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Impetrire

Mit einem fast schon melancholischen Gefühl stand Snape oben auf dem Turm und sah hinunter auf den Wald, hinter dem so langsam die Sonne die ersten Strahlen hervorblitzen ließ. Es war einer der wenigen Momente, in denen er sich gestattete, sich seinen Gefühlen hinzugeben und seinen Erinnerungen nachzuhängen. Seine Schüler würden das vielleicht nicht glauben, doch auch Severus hatte Gefühle, auch bei Severus bekam die Schutzmauer, die er um sich herum aufgebaut hatte, Risse. Darum liebte er den Sonnenaufgang, den Moment, wenn die ersten Strahlen ihn langsam erwärmten und die Kälte der Nacht vertrieben.

„Severus?“ Mit Mühe und Not verkniff er sich den Seufzer, der ihm fast entfahren wäre. Das war es mit dem ruhigen und friedlichen Moment des Tages, sein Typ, und zwar sein Typ als strenger, unnachgiebiger Lehrer war gefragt.

„Albus?“, erwiderte er, bewusst den gleichen fragenden Unterton verwendend, bevor er sich langsam umdrehte und dem Schulleiter einen kühlen Blick schenkte. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“

Da war es, das verschmitzte Lächeln Dumbeldores, das bis in die Augen reichte, die für Severus dennoch stahlblau waren und die Härte, die Unnachgiebigkeit seines Vorgesetzten immer wieder aufs Neue bewusst machten.

„Welch wundervoller Sonnenaufgang, nicht wahr?“ Der Schulleiter trat an seine Seite und ließ den Blick über die Landschaft Hogwarts gleiten, während er leise, als ob er den Frieden des beginnenden Tages nicht stören wollte, weitersprach: „Sie können mir in der Tat helfen, Severus. Sie sind sogar der Einzige, dem ich diese Aufgabe anvertrauen möchte.“

Obwohl Dumbledore sich auf den traumhaften Ausblick zu konzentrieren schien, wusste Snape genau, dass er nicht vergessen war und jede seiner Bewegungen wahrgenommen wurde.

„Was kann ich für Sie tun, Albus?“ Seite an Seite standen sie nun in dem bodentiefen Fenster, jeder scheinbar auf seine Weise versunken und doch waren sie beide aufmerksam wie immer. Es war nicht nur Severus‘ zweite Natur geworden, er wusste, dass auch der Schulleiter sich keine derartige Nachlässigkeit erlauben konnte. In diesen Zeiten weniger denn je.

„Sie kennen unser kleines Problem, Severus, und Sie wissen auch, dass aktuell, just in dieser Nacht, eine gefährliche Zeit ist.“ Dieser Satz reichte und er hatte eine Ahnung, was ihn nun erwarten würde. Hatte er nicht erst gestern wieder den Trank gebraut und ihn zu ihm gebracht? Hatte er nicht am Abend auf den Mond geschaut und mit einem leichten Schaudern das weit entfernte Heulen wahrgenommen? Reichte das nicht? Dumbledore kannte seine Vergangenheit, dennoch konnte er sie nicht ruhen lassen. „Severus, es tut mir Leid, dass ich ausgerechnet Sie wieder einmal um Hilfe bitten muss, doch Sie wissen, dass dieses kleine Geheimnis nur zu wenigen vertraut ist.“

Er presste die Lippen aufeinander, senkte den Kopf kaum merklich – es war nur die Andeutung eines Nickens, die Andeutung seines Verständnisses und die Andeutung seiner Akzeptanz. Auch wenn es ihm zuwider war, konnte er dennoch nichts entgegensetzen. Dumbledore hatte Recht, so ungern er das zugab.

„Was soll ich tun?“ Nur widerwillig presst er die vier Worte hervor. Zwischen logischem Verständnis und dem freien Willen, etwas zu tun, lag einfach eine zu große Distanz, die sich nicht so leicht überwinden ließ.

„Er ist noch nicht da.“ Langsam wandte der Schulleiter ihm den Kopf zu, sah ihn direkt aus den stahlblauen Augen an und Severus meinte, einen Funken Sorge zu erkennen.

„Vielleicht hat er sich zu weit vom Schloss entfernt.“ Die Erinnerung an das weit entfernte Heulen kam ihm wieder in den Sinn. Er konnte sich nicht erinnern, dass dies jemals zuvor so leise erklang.

„Ja. In der Nacht kam es mir so vor.“ Albus‘ Blick wurde etwas milder, als ob er in die Ferne gerichtet wäre. „Sie haben es also auch gehört, Severus.“

Dies war keine Frage, sondern nur eine Feststellung, so dass sich die Antwort für ihn erübrigte. Er sollte lieber gehen, bevor die Schüler die Flure bevölkerten und seinen Aufbruch beobachteten. Snape wollte ihnen keinen Grund für frohe Gerüchte geben, dass er nun endlich Hogwarts verlassen würde. Er bevorzugt die stillen Momente und einen ruhigen Abflug. Mit einem leichten Nicken zu Dumbledore eilte er davon, seine schwarzen Umhänge rauschten leise, während er so leicht wie eine Fledermaus die Treppen zu seinem Gemach heruntereilte. Das „Ich danken Ihnen, Severus“ hörte er zwar noch, doch wollte er nicht darauf antworten. Vielleicht war es selbstverständlich, dass man einen Kollegen unterstützte, doch konnte er von sich nicht behaupten, dass ihm dies leichtfallen würde, dass dies aus vollem Herzen geschah, denn noch immer war da dieser Widerwille, diese Unmut, die ihn langsamer machten als er hätte sein können.

Dennoch brauchte er nicht lange, um seinen Besen zu holen und sich, nachdem er sich elegant darauf geschwungen hatte, in die Lüfte zu heben. Sein Zauberstab lag bereits auf seiner Hand, als er ihn ansah und ein beschwörendes „Weise mir die Richtung“ murmelte. Im Bruchteil einer Sekunde drehte sich der Zauberstab und zeigte in Richtung des Sonnenaufgangs und Severus folgte dem gewiesenen Weg.

Es war kein Geheimnis, dass er ihn, den er nun suchen musste, verachtete. Zu viele Dinge waren geschehen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten, zu vieles hatte man ihm angetan, was nicht verziehen werden konnte. Und doch saß er nun hier auf dem Besen, spürte, wie sein Mantel sich hinter ihm in der Luft aufbauschte, spürte den noch nicht von der Sonne erwärmten Wind in seinem Gesicht und war auf der Suche nach dem Wolf. Nach dem Mensch, der den Wolf in sich trug. Genügte es nicht, ihm Monat für Monat den Trank zu brauen? Genügte es nicht, dass er seinen Lehrplatz genommen hatte? Es gab genug, dass seinen brennenden Groll anfeuerte, die Suche hier war nur noch ein kleiner Funke, der dazu kam.

Als sein Blick auf den Zauberstab fiel, musste Severus sich eingestehen, dass er unkonzentriert war und sich zu sehr in seinen Gedanken hatte gehen lassen. Hastig wandte er sich nun in die Richtung, die sein Stab ihm verriet und beschloss, alle seine Gefühle wieder zu zügeln, sie einzusperren und sich nicht davon leiten zu lassen. Er war Severus Snape, Hauslehrer von Slytherin, Professor für Zaubertränke und enger Vertrauter von Albus Dumbledore. Er würde sich nicht von vergangenen Dingen vom Besen werfen lassen und würde stattdessen seinen Auftrag ordnungsgemäß ausführen. Sein Rücken straffte sich, seine Gesichtszüge nahmen den bekannten harten Ausdruck an, den seine Schüler bereits fürchteten. Severus Snape war wieder vollkommen entschlossen, seine Aufgabe korrekt zu erfüllen. Doch sollte es noch eine gewisse Zeit brauchen, bis er dies konnte. Konzentriert folgte er dem Zauber, hatte das Gefühl, im Kreis zu fliegen und unnötige Wege zurückzulegen, doch dann schien er sein Ziel erreicht zu haben.

„Wo bist du?“, murmelte er leise und beschloss dann, mit einem Zauber seinen Blick für kurze Zeit zu schärfen. Unter ihm konnte er ohne diese Hilfe nur Bäume entdecken, die menschliche Sehkraft half ihm nicht weiter und auf dem Boden zu suchen sah Severus als reine Zeitverschwendung an. Mithilfe seines Zaubers jedoch konnte er sein Ziel auf dem Boden ausmachen, wenn auch dies einige Minuten kostete. So löste er den Zauber auf, kam schließlich sanft auf der Erde zum Stehen und schwang sich elegant von seinem Besen runter.

„Lupin?“ Er hörte selbst den harten Unterton seiner Stimme, die Verachtung, die mitschwang, und hatte auch nicht vor dies zu ändern. So beschloss er auch, direkt neben dem Besen stehen zu bleiben. Keinen Meter wollte Severus sich ihm nähern. Es war die Schuld dieses Wolfes, der sich nicht an die Abmachung gehalten hatte, den er nun hier, weit außerhalb der Wälder Hogwarts finden musste. Das musste reichen.

Doch als keine Antwort kam, nur ein leichtes, kaum wahrnehmbares Stöhnen von Remus‘ Lippen erklang, musste Severus seine sture Haltung aufgeben. Es war abzusehen, dass er seinen wertgeschätzten Kollegen nicht mit nur einem Wort aus dem Schlaf der Gerechten wecken konnte. Ihm war klar, dass dieser weite Weg auch den Wolf erschöpft haben musste. Lupin musste mitten auf dem Weg zurück in die Wälder Hogwarts zusammengebrochen und eingeschlafen sein. Severus hatte ihn schon einmal nach einer dieser Nächte schlafend, ohne Kleidung, mitten vor den Eingangstoren des Schlosses gefunden. Nach einigen Flüchen hatte er Remus schließlich aufgeweckt und stützend in das Zimmer des Wolfes gebracht. Nicht zu denken, wenn nicht er, sondern ein Schüler ihn gefunden hätte.

Scheinbar lag es nun wieder an Snape, den Wolf zu wecken und zurückzubringen, ohne dass jemand in der Schule dies bemerkte.

„Lupin!“, sprach er ihn wieder an, ließ seine Stimme noch härter werden, wenn auch nur wenig lauter. Bereits früh hatte er herausgefunden, dass Lautstärke keine Wirkung auf seine Schüler hatte – in der Ruhe lag die Kraft, ein Sprichwort, das ihm durchaus zusagte. Langsam trat er auf den Wolf zu, der in seiner Menschengestalt ungeschützt vor ihm lag, ihm den Rücken zuwendend. Je näher er kam, umso detaillierter nahm Severus ihn wahr: das Zittern, die Kratzer, die wunden Fußsohlen. Unbewusst zog er eine Augenbraue hoch, denn es war deutlich, in dieser Nacht war etwas vorgefallen. Mit jedem Schritt wurde er etwas schneller und ging schließlich hinter dem Wolf auf die Knie. Vorsichtig berührte Severus dessen Schulter, ließ jedoch gleich wieder los, als Remus mit einem schmerzerfüllten Stöhnen wegzuckte.

„Lupin…“, versuchte er erneut zu dem menschlichen Wolf vor ihm durchzudringen, hatte jedoch keinen Erfolg. So leise und fließend, wie es ihm eigen war, richtete Snape sich wieder auf, um Remus zu umrunden. Als er den schmächtigen, ausgemergelten Körper des Wolfes von vorne sah, entfuhr ihm ein ungewolltes „Verdammt“. Mitleid wollte er mit ihm nicht haben, doch angesichts der Fluchwunden, die schon die Seite zierten und auf der Brust in einem grausamen Gemisch aus Blut und Erde verkrustet in voller Pracht zu sehen waren, konnte er nicht anders. Wolfsjäger. Werwolfjäger, um es präzise auszudrücken. Das Ministerium schickte immer mehr von ihnen aus, doch weder Severus noch Dumbledore oder gar der Wolf hatten gewusst, dass sie schon so nahe waren, obwohl diese Wälder ein gutes Stück von Hogwarts entfernt waren. Mit einer schnellen Bewegung löste Snape die silberne Schnalle, die seinen Umhang zusammenhielt und ließ ihn zu Boden fallen. So konnte er den Wolf nicht mitnehmen, so konnte er diesen noch nicht einmal berühren, geschweige denn auf einem Besen transportieren. Heilzauber waren nicht seine Stärke, Severus vertraute lieber auf seine Tränke, jedoch blieb ihm hier keine Wahl. Der Zauberstab lag vertraut in seine Hand, als er ihn auf die Verletzungen richtete und leise die Zaubersprüche murmelte, die langsam, aber beständig ihre Wirkung taten. Er war nicht Madame Pomfrey und wusste, dass hier seine Geduld gefordert war.



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