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Das wird doch nichts...

Mit gebrochenen Flügeln kannst du nicht fliegen!
von

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Ein kurzes Abenteuer? Das wird doch nichts!

„Was soll das heißen: Ihr wisst nicht, wo er ist?“, die schlangenartige Frau, fuhr sich über die langen blauen Haare und sah scharf über ihre Brille, direkt in Candis Augen, welche wie immer der Gruppe voraus ganz vorne schwirrte.

„Najaaaa...“, wie immer war das mückenartige Monster nicht um eine Erklärung verlegen: „Wir haben halt Verssssstecken gesssspielt!“, solidarisch griff Ionin ein: „Ja! Aber Randy hat sich derart gut versteckt, dass wir ihn überhaupt nich finden konnten!“, vor Nervosität schlug sein klares Inneres viele kleine Blasen. Jack wippte vor und zurück und klammerte sich an seinen Vater, der mittlerweile – wie die meisten Eltern – zu der kleinen Gruppe gestoßen war.

Ernst sah Jacks Vater mit seinen 9 Augen auf seinen Sohn hinab. „Junge. Das ist wirklich wichtig. Wo könnte er denn sein? Bis wann habt ihr denn gespielt?“ Der Angesprochene zwirbelte eine seiner schwarzen Haarsträhnen und zuckte die Schultern – unwillig, schuldbewusst und zu müde dieses fiese Thema weiter zu vertiefen.

„Wir spielen schon seit über einer ¾ Stunde nicht mehr.“, antwortete schließlich Dixie, das weißgelockte Drachenmädchen und ihre mittlere Schwester warf ein: „Ja! Also muss Randy ja bestimmt bald wieder herkommen! Wir waren vorhin so ziemlich genau hier...“

Radegundis – so der Name der großen, schlängelnden Frau – warf nur einen zweifelnden Blick in die Runde, ehe sie ihr schlitzartiges Auge abwandte und von dannen preschte. Noch währenddessen drehte sie sich noch einmal um und meinte – wohl aggressiver als gewollt - „Mr. Corneus, bitten sie einen meiner Hilfsstudenten, hier die Stellung zu halten. Ich gehe zum Sekretariat, mache eine Durchsage und suche dann allein weiter!“
 

~
 

Randy war derweil noch immer ganz verzaubert von diesem hölzernen Raum mit der fremdartigen Atmosphäre.

Vom Bücherregal aus, glitt er zum Fenster und spähte hinaus in die lichtgeflutete Landschaft. Erstaunt krallte er seine Spinnenfinger in den staubigen Fensterrahmen, denn der Blick führte direkt auf Nadel- und Laubbäume. Irgendwie stand dieses Zimmer direkt in einem dichten Wald! Dabei...gab es doch an der Uni gar keinen Wald? Oder war das nur eine optische Täuschung und in Wahrheit waren es doch nur ein paar Bäume? Oder vielleicht war der Wald ja erst letzte Nacht hier her gebracht worden? Randalls seltsam-ehrfurchtsvolles Gefühl wurde durch dieses Rätsel noch verstärkt. Und irgendwie sah die Sonne da draußen so warm aus – dabei war doch Herbst und es hatte es vorhin schon gedämmert...

Auf einmal kam Randy dieses – eben noch so zauberhafte – Zimmer ganz unheimlich vor. Mit einem hämmernden, fast schmerzvollen Herzschlag und zittrigen Händen griff er nach einem der Bücher aus dem Regal. Er öffnete es, sah das Bild, schrie vor Entsetzen auf und lies das Buch fallen.

Da war ein giftiges Menschenkind abgebildet! Daneben noch ein Erwachsener dieser Kreaturen und darüber stand:

„Verständnisvoller Umgang und Hilfe für geschädigte Kinder.“ Es schien nicht darum gehen, diese Menschen erschrecken zu wollen, so wie es für ein Lehrbuch normal war. So, wie der Erwachsene in die Kamera grinste, musste dies hier ein Horrorbuch sein! Vielleicht wohnte hier ja ein ganz gestörter, menschenfreundlicher Student, der seltsame Experimente an unachtsamen Kindern durchführte?

Von Panik erfüllt, stürzte Randy zur Tür zurück – war innerhalb von nur 2 Sekunden dort – und drückte die Klinke. Was er dann aber sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Da war NICHTS! Nur ein leerer Vorratsschrank! Verzweifelt schlug das Reptil die Tür zu, nur um sie sofort wieder aufzureißen – aber noch immer das selbe Bild! Kein Uniraum. Kein Zurück!

Dem Brillenträger stand vor Entsetzen der breite Mund auf, seine scharfen Zähne glänzten im orangen Licht. Die Hautfarbe wechselte unkontrolliert von Lila nach Bleichgrün, zu wässrigem Blau und zurück. Er wiederholte die Prozedur des Türöffnens, aber egal, wie oft er sie auch aufriss und schloss – das Ergebnis blieb gleich. Verzweifelt japste er nach Luft. Was sollte das hier alles heißen? Befand er sich wirklich im Haus eines Zauberers? Würde er je wieder nach Hause kommen? Was würde seine Mama davon halten? Oder sein Papa? Sie machten sich bestimmt arge Sorgen...Vielleicht würde sein Papa wieder weinen und seine Mama unausstehlich zickig werden? Ob die anderen Kinder wohl nach ihm suchten und nun ganz traurig waren, dass er fort blieb?

Von Angst und Verzweiflung gebeutelt, sank Randy in sich zusammen und presste die Hände an den Kopf – zwei an die Schläfen, eine unters Kinn und eine über die bebrillten Augen, aus denen ein paar dicke Tränen flossen.

Wie hatte er nur in so ein Schlamassel geraten können? Schluchzend nahm er die Brille ab, seine Haut verschmolz – ohne, dass er es wollte – mit der Farbe des hölzernen Hintergrundes.

Doch lange Zeit zu trauern hatte er nicht, denn auf einmal hörte er Schritte und Stimmen. Voller Verzweiflung sprang er auf und wurde augenblicklich ganz blassgrün. Vielleicht war das ja dieser Horrorfan, der nur darauf wartete, einen Eindringling wie ihn in die Finger zu bekommen, um ihm dann unaussprechliche Dinge anzutun! Voller Panik suchte das schuppige Nervenbündel nach einem Versteck, sprang in seiner Not auf den Schrank, der laut krachend zu Boden fiel. Nun hörte er hinter der anderen Tür des Raumes – bestimmt führte die auf einen Flur! - ein lautes: „Was war denn das!?“ und das Geräusch von Laufschritten. Randall quietschte ängstlich und krabbelte wendig unter eines der Doppelstockbetten.

Nur eine Sekunde später öffnete die Flurtür sich und zwei schreckliche Wesen betraten den Raum.

Der eine hatte braune Haut, der andere ein kränkliches, helles rosa. Beide hatten nur zwei Beine zwei Arme und zwei Augen. Sie sahen sich in ihrem Körperbau absolut ähnlich! Auf dem Kopf und unten im Gesicht hatten beide schwarzes Fell. Randy wusste, was das für Kreaturen waren! Es waren giftige, boshafte, abscheuliche Menschen! Wenn einer von beiden ihn berührte, war es aus mit ihm!

Zitternd drückte er sich mehr unter das Bett, der ganze Staub kitzelte ihn in den Nasenlöchern.

„Hier scheint das Regal umgefallen zu sein! Sehr merkwürdig...Na...vielleicht wars ja der Zahn der Zeit!“, meinte der braune Mensch locker und der Rosane fügte ein: „Ja...aber vielleicht waren es ja auch Holzwürmer...Das ganze Gebäude ist in Äußerst schlechten Zustand. Ich weiß wirklich nicht, ob sich eine Investition da lohnt...Vielleicht reißen wir es auch ganz ab.“ Der Erstere wirkte bestürzt: „Das Camp Summerteam abreißen? Ich bitte sie! Es hat eine langjährige Traditi-“, doch noch bevor er zu Ende sprechen konnte, musste Randall - aufgrund des ganzen Staubes – niesen und lenkte die Aufmerksamkeit so auf sich. Alarmiert sahen die Menschen sich an. Jetzt würden sie ihn finden! Der schmale Reptilienkörper zitterte wie ein Grashalm im Wind und nur mit viel Mühe hielt er die Tränen zurück. „Ach Mami...“, dachte er sich verzweifelt und sandte ein Stoßgebet in den Himmel. Der braune Mann beugte sich hinunter, während der Rosafarbene mit verschränkten Armen zurück trat. Randys Augen weiteten sich – wie in Trance nahm er die Brille ab – und genau in dem Moment, als diese furchtbaren Menschenaugen auf ihn fielen, wurde er endlich unsichtbar. Die Brille drückte er dabei schlauerweiße direkt unter die Matratze, so dass sie nicht zu sehen war.

„Hier ist nichts!“, verkündete der Mann und wandte sich wieder an den anderen. Dieser gab zu verstehen, dass dieses Zimmer ihm wirklich unheimlich war und nach kurzer Zeit, gingen beide fort.

Randy atmete auf. Das eben war super gefährlich gewesen! Er hatte solche Angst gehabt...hatte geglaubt, jetzt sterben zu müssen. Kurz erhellte sich sein Gesicht. Wenn er DAS den anderen erzählte, würden sie Augen machen! ER würde das absolut coolste Kind weit und breit sein. Vielleicht noch cooler, als Candis deren Mutter als Schreckerin in der Monster AG arbeitete! Vielleicht war dieser erste Kontakt mit diesen Killermaschinen, ja sein Ticket, später selbst einmal Schrecker zu werden?

Aber schnell verflog diese Freude...vielleicht würde er ja nie wieder nach Hause finden…
 

Erst nach einer ganzen Weile, traute er sich wieder unter dem Bett hervor.

Dies hier war also ein Menschenraum. Mit Menschenmöbel und Menschenbüchern. Aber wie konnte das sein? Es musste etwas mit der Tür zu tun haben!

Aber auch eine erneute Folge von verzweifeltem Öffnen-und-Schließen brachte nicht das erhoffte Ergebnis. Und so entschied er sich, in die immer dunkler werdende Welt hinaus zu kriechen.

In die Menschenwelt!

Mit einer geschickten Bewegung, öffnete er die Tür und kletterte die Wand hinab.
 

~~
 

Noch am selben Abend suchte ein ganzes Profiteam den Campus ab, doch vom 9 Jährigen Randy Boggs fehlte weiterhin jede Spur.

Mittlerweile war auch der Vater eingetroffen – ein froschartiger Mann mit 3 Armen (einer war ihm bei seiner Arbeit einst abhanden gekommen) und 4 Beinen, 3 großen Kugelaugen und einer intensiven, lederartigen und violetten Hautfarbe.

Während er kopflos herum rannte und laut jammerte, glitt Radegundis wie ein Raubtier an den Fenstern vorbei. Sie hatte mittlerweile höchstpersönlich jeden einzelnen Seminarraum des Campus mindestens zweimal durchsucht. Jeder ihrer Studenten hatte bereits eine Mail bekommen, in der um Mithilfe und Aufmerksamkeit geboten wurde. Der Typographieprofessor, hatte einen Steckbrief erstellt, die Polizei war landesweit eingeschaltet und viele Studenten hatten sich freiwillig zur Mithilfe gemeldet.

Als sich um 1:30 Uhr in der Nacht noch immer nichts getan hatte, wurde die Suche für den Tag beendet.

Das Profiteam trat an das betroffene Elternpaar und meinte:

„Es tut uns wirklich außerordentlich leid. Aber ihr Sohn scheint wie vom Erdboden verschluckt-“, er musste kurz inne halten, den Mr. Boggs markerschütterndes Aufheulen verhinderte jede Konversation. Er konnte erst weiter machen, als Mrs. Boggs ihrem Mann - mit steinernder Miene und totem Blick - einen ihrer langen Arme um die Schultern legte und ihn näher an sich zog, woraufhin er das Gesicht mit einem schauerlichen Schluchzen an ihrer schwarzen Designerbluse vergrub.

„Also wie gesagt...uns fehlt wirklich jede Spur von ihm. Wir werden die Suche natürlich weiter fortsetzen. Eine Entführung...kann allerdings nicht ausgeschlossen werden. Aber wir wissen nichts Genaueres, vielleicht-“, der Sicherheitsmann stockte erneut, als Radegundis die dürre Hand erhob.

„Wenn sie nichts Genaueres wissen, schweigen sie bitte dazu. Ich wäre erfreut, erneut von ihnen zu hören, sobald sie reale Informationen haben.“

Wieder klang sie forscher, als geplant. Und ohne weiteres Kommentar wurde sie unsichtbar, wenige Sekunden später schlug die Tür zu.

Mr. Boggs – sein Vorname war Henry – stand nur verlassen da, nickt dem Polizisten zu und verschwand – die Wand hinabkletternd und mit gruseligem Wehklagen – aus dem offenen Fenster.
 

An diesem Abend fand irgendwie keiner, der am Nachmittag noch fröhlich spielenden Gruppe so schnell seinen Schlaf.



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