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Einmal eine Seifenblase

von

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Ich habe keine Ahnung wie schnell, aber der kleine Wassertropfen raste, mitsamt Begleitern durch ein Kupferrohr. Es ist nicht lange her, da war er noch in der heißen Brühe von der Riesenpumpe und nun sah er vor sich ein Gitter, durch das er an die Freiheit gelangen könnte. Unten in den Kellergängen hatte man sich schon oft über solche Dinge unterhalten. Die Ältesten behaupteten felsenfest, schoneinmal dort gewesen zu sein. Angeblich hätte sie unter dem Gitter irgendetwas aufgefangen und an den Himmel gebracht. Alles Irre… Verrückte. Ein Geschenk sollte die Natur sein, in der man sich als einzelnes Molekül frei bewegen könne und von nichts und niemandem zu irgendetwas gedrängt würde.

Na wenn das keine traumhafte Vorstellung ist...

Torgu hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben; er war so oft vor diesen Gittern gewesen und immer hatte es ihn wieder in die Kanalisation geführt. Kurz vor seinem Austritt aus dem Gefängnis wurde der Wasserstrom gestoppt. Unter ihm sah er immernoch Licht.

Immerhin..

Dies war auch ein seltener Platz. Manchmal konnte man nur einmal im Monat etwas Licht sehen. Fast ein Grund zum feiern...

Torgu hatte nun endgültig genug. Er saß diesmal am Rand des Gitters und konnte noch glitzernde Artgenossen unter sich sehen. Sie strahlten vor Glück und er wollte endlich Teil dieser Gesellschaft sein. Er drängte sich mit all seiner Kraft nach vorne und war jetzt direkt vor dem Gitter, als sich die Glücklichen unter ihm wegbewegten. Das rosane Ding hatte sie jetzt und führte sie in ihr Grab oder den Wahnsinn. Aber vielleicht - mit ein bisschen Glück - auch in die Freiheit.

“Torgu was machst du!? Du kannst den Kreislauf nicht verändern…”

Der alte Tropfen über ihm war schon weit gekommen. Er war schon in Bädern mit goldenen Waschbecken und hatte mehrere Tage in einem solchen verbracht. Bis die Polizei die Leiche in der Badewanne fand und eine Menge Wasser für die Reinigung draufging. Jolka war der Wassertropfen, der am meisten zu erzählen hatte,

“Ich hab keine Lust mehr auf die ewige Warterei, bis mein Leben zu Ende ist. Ich will was erleben, die Welt sehen!”

“Es gibt keine Welt. Lass dich nicht von diesen Verrückten einlullen”

Von weiter links dröhnte eine weitere Stimme von Merol, der dem Alten beipflichtete “Hör auf mit dem Quatsch. Letzte Woche hat’s auf diese Art wieder mehrere das Leben gekostet!”

Als sich die nächste Stimme einmischte schaltete Torgu ab. Er wollte sich die Leier, die er sonst selbst fabrizierte nicht anhören. Er hatte endlich Hoffnung und an der hielt er fest. Raus sollte es gehen!

Doch die Vernunft siegte. Der kleine Wassertropfen blieb wo er war. Doch blieb er wenigstens beim Licht.

Nur einige Minuten später kam das rosane Ding mit Plastikgefäß erneut unter das Gitter. Drinnen sah Torgu wieder diese glücklichen Gesichter. Der Damm wurde gebrochen und er spürte einen enormen Druck auf sich, dem er mit keiner Kraft der Welt entgegenwirken könnte. Einige seiner Kameraden verloren sich in dem Keramikbecken unter ihm. Manche wurden direkt ins schwarze Nichts zurück gespült und sie mussten von vorne beginnen.

Der Tropfen konnte es kaum fassen. Nun lag er da, lebensfroh, in einer nicht überschaulichen Menge von ebenso glücklichen Tropffreunden.

Er fühlte sich, als würde man um ihn herum eine riesige Party schmeißen, doch war ihm nicht wohl bei der Sache. Das Rosading trieb einen Keil zwischen die Tropfen - und zwar wortwörtlich! Ein gigantischer roter Stab mit einem riesigen Kreis am Ende quetschte sich zwischen die Tropfen. Am Stabende war ein Deckel befestigt, der die ganze runde Halle verdunkelte. Es gab kein entrinnen. ”LOS GEHT’S”

Und es ging los.

Das Plastikteil wurde hin und hergeschleudert, die Wassermassen gerieten in Bewegung. Unter ihnen quoll plötzlich etwas anderes nach oben…

Und da war sie. Sie funkelte ihn an mit ihren Perlenaugen und er war dahingeschmolzen als sie ihn betanzte. Sie war die Eine, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Sie schlang sich um ihn und verbündete sich mit ihm. Sie wurden Eins,

Das Gefäß wurde geöffnet und er hatte sich mit seinem Augenstern, auf ihren Befehl hin, am roten Stab festgekrallt. Sie hatte ihm versprochen so die Freiheit zu erlangen. Er bejahte alles was sie von sich gab… alles.

Mit einer Menge anderer Päärchen krallte er sich am Stab fest und wurde nach draußen geschleudert. Sie hielten dem Druck stand und wurden nur von wenigen Mitstreitern getrennt.

Das Rosading bewegte eine Öffnung zu ihrem Haltekreis und ließ eine Menge komprimierte Luft hindurch treiben.

“ACHTUNG, ZUSAMMENHALTEN!” Die Führende Stimme trieb in jedes fröhliche Gesicht eine ernsthafte Überzeugung und sie hielten was sie konnten. Die ersten Lösten sich von dem roten Kreis und schlossen ein wenig Luft in ihrer Mitte ein. Eine Kugel aus Wasser-Seifen-Päärchen war entstanden, die federleicht über die Wiese schwebte.

Torgu traute seinen Augen nicht. Er blickte über das flackernde grün, dass sich weit in der ferne mit dem hellblauen Himmel biss, den die Sonne so wohlig warm erleuchtete. Ein Gefühl der Erleuchtung durchbrannte ihn. Er war vollkommen erfüllt und fühlte sich frei.

Scora, seine Partnerin, hielt ihn fest umklammert, als er von einem Luftstoß erfasst wurde und sie schlossen sich mit andern zusammen und waren nun selbst eine Seifenblase. Sie flogen über die grübe Wiese und ließen sich vom Wind treiben. Es war genau so, wie es die Ältesten in der Pumpe und der Kanalisation immer erzählt hatten. Durchaus der glücklichste Moment in seinem Leben. Aber Torgu wusste, dass es bald schon wieder an der Zeit war zu gehen. Seine Reise endete auf einem Grashalm, der die Spannkraft aller Päärchen mit einem Mal durchschlug. Er rollte zu Erde nieder und sickerte mehrere Jahre in die Erde ein. Er führte zusammen mit Scora ein relativ erfülltes Leben und war sicher, dass sie immer weiter glücklich Leben würden. Doch er hatte sich ein zweites Mal in seinem Leben geirrt. Er kam in die Kanalisation zurück und sah Scora niewieder.

Seine Enkel, waren die Einzigen, die seiner langweiligen Geschichte noch Gehör schenkten. Alle andern hielten ihn für Irre… verrückt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  konohayuki
2014-02-25T16:28:01+00:00 25.02.2014 17:28
~Kommentarfieber~

Hallöchen,

ich wollte hier schon vorher mal vorbeigeschaut haben. Diese Zeitaufgabe habe ich auch noch vor mir, da bin ich doch mal gespannt, wie du diese Aufgabe bewältigt hast.

>[...]aber der kleine Wassertropfen raste, mitsamt Begleitern durch ein Kupferrohr.<
Da "mitsamt Begleitern" ein Einschub ist, müsstest du nach "Begleitern" auch noch ein Komma setzen.

>Ein Geschenk sollte die Natur sein, in der man sich als einzelnes Molekül frei bewegen könne und von nichts und niemandem zu irgendetwas gedrängt würde.<
Ein ganz toller Satz, den ich hier einfach mal hervorheben wollte, weil er mir so gut gefallen hat ;)

>Na wenn das keine traumhafte Vorstellung ist...<
Da müsste nach dem "Na" ein Komma stehen.

>Unter ihm sah er immernoch Licht.<
"Immer noch" schreibt sich auseinander.

>Fast ein Grund zum feiern...<
Da "zum" ein Nomen impliziert, müsste "Feiern" meiner Meinung nach groß geschrieben werden.

Ich mag den alten Tropfen, Jolka. Ich finde es klasse, wie du den Tropfen ein Gesicht und einen Charakter verleihst, ich bin ja allgemein ein Fan von Personifikationen.

>“Es gibt keine Welt. Lass dich nicht von diesen Verrückten einlullen”<
Da hat sich ein Punkt davongeschlichen. Kleiner Vertipper.

Ich finde es toll, wie du die Geschichte praktisch einen großen Kreislauf werden lässt, Torgu glaubt nicht an das, was die Alten sagen, dann erlebt er es selbst und seine Enkel glauben ihm nicht, so wie er damals den Alten nicht geglaubt hat. Das finde ich sehr gelungen.
Das Ende fand ich ein wenig gehetzt, aber in Anbetracht der Wortzahl und der zur Verfügung stehenden Zeit ist das eher ein kleiner Kritikpunkt, weil du es schaffst, deine Botschaft herüberzubringen. Vielleicht wirkt es auch nur so, weil du im letzten Absatz relativ oft "Er" als Satzanfang nutzt, vielleicht kannst du da noch ein wenig variieren.
Ansonsten aber eine runde Sache, hat mir gefallen und es hat mir gefallen, wie du die Aufgabe umgesetzt hast.

Liebe Schreibziehergrüße,

konohayuki
Von: abgemeldet
2014-01-24T14:43:14+00:00 24.01.2014 15:43
~ Kommentarfieber ~

Huch, eine Schreibzieheraufgabe, na, wer hätte damit gerechnet. Vielleicht kann ich dir ein wenig deiner gewünschten Rückmeldung geben.
Achso, bei den Schreibziehern kann man die Themen nur sehr selten verfehlen, da wir meistens auf die unterschiedliche Interpreation hinaus wollen und diese auch fördern. ;)

Na wenn das keine traumhafte Vorstellung ist...
Mir gefällt der Anfang sehr, die Erzählperspektive mit allem drum und dran. Ist ja auch naheliegen, dass auch Wassertropfen vielleicht von anderem träumen.

Sie funkelte ihn an mit ihren Perlenaugen und er war dahingeschmolzen als sie ihn betanzte.
Eine wunderbare Stelle, hübsch formuliert.

Er blickte über das flackernde grün, dass sich weit in der ferne mit dem hellblauen Himmel biss,
...flackernde Grün (groß geschrieben), das (mit einem s) sich weit...
Zudem fehlen hier und da Satzzeichen, das bezieht sich auf Kommas und Punkte. Vielleicht liest du nochmal drüber.

Also zuerst einmal finde ich die Idee zu dieser Geschichte enorm spannend. Darauf muss man erstmal kommen, das macht für mich das Künstlerische aus. Meistens werde ich dann ein bisschen neidisch. Und als nächstes mag ich die Umsetzung sehr, sowohl technisch, als auch stilistisch und inhaltlich ist der Text sehr gut geworden. Er erzählt das, was in jeder Generation und in jeder Rasse passiert. Sogar den Wassertropfen.

Mit begeisterten Schreibziehergrüßen,
abgemeldet



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