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Ein kleines Gespräch

von

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Kapitel 1

“Kuroto, probier mal”, höre ich Senshiros Stimme neben mir und als ich die Augen öffne, sehe ich direkt vor mir einen mit weißer und dunkler Schokolade überzogenen Keks. Ein wenig skeptisch lasse ich mir den Keks in den Mund schieben und blicke zu Senshiro, der neben mir sitzt und mich fragend anschaut.
 

“Schmeckt ganz gut”, gebe ich zu und er lächelt.
 

“Die habe ich heute Vormittag gebacken, während du trainiert hast”, erklärt er. “Ich wollte sehen, ob sie dir schmecken.”
 

“Sind okay”, sage ich und richte mich auf. Ich habe nach meinem Training ein wenig gedöst, es ist gleich schon wieder Zeit fürs Mittagessen. Senshiro lächelt mich immer noch an, dann streicht er mir über die Haare. Ein wenig irritiert sehe ich ihn an und er lacht leise.
 

“Deine Haare waren ganz wirr”, erklärt er. “Komm, gleich gibt es Essen.”
 

“Ja, ich komm doch schon”, brumme ich und stehe auf. Gemeinsam mit Senshiro gehe ich nach unten in das Esszimmer. Wir schweigen auf dem Weg, aber das macht mir nichts aus. Ich gehe gerne einfach so neben Senshiro her oder sitze mit ihm zusammen ohne irgendwas zu tun. Das habe ich ihm zwar nie gesagt, aber ich glaube, er weiß es. Kurz taucht Oboros Gesicht vor mir auf und ich seufze tief. Ich fühle mich immer etwas schuldig, wenn ich Senshiros Nähe genieße. Immerhin waren Oboro und ich Partner und Freunde und… Ich schiebe diese Gedanken beiseite. Jetzt will ich nicht über meinen ehemaligen Partner nachdenken. Das tue ich schon jeden Abend, wenn ich alleine in meinem Bett liege und mich nichts von meinen Gedanken ablenken kann.
 

“Alles in Ordnung?” fragt Senshiro auch schon und ich nicke.
 

“Ja”, antworte ich knapp und spüre, wie er mir durch die Haare wuschelt. “Lass das!” fahre ich ihn an und er lacht leise.
 

“Du weißt doch, dass mir das Spaß macht”, erklärt er und ich schnaube. Natürlich weiß ich das. Senshiro ist immer in meiner Nähe und wenn er merkt, dass mich etwas bedrückt, versucht er immer mich aufzumuntern. In dieser Hinsicht ähnelt er Oboro. Er hat mich auch immer aufgemuntert, wenn es mir nicht gut ging… Wir erreichen das Esszimmer und stellen fest, dass die anderen schon da sind, sie sitzen alle schon am Tisch und schauen auf, als wir zu ihnen reinkommen. Senshiro rückt einen Stuhl für mich zurecht und ich setze mich. Das Essen ist auch bald da und wie immer füllt Senshiro meinen Teller auf. Die Gespräche um uns herum rauschen nur an mir vorbei, bis ich irgendwann meinen Namen höre.
 

“Hm? Was ist?” frage ich und Senshiro lacht leise.
 

“Na ja, Hotsuma erzählte gerade von deiner Mitschülerin, die so interessiert an dir ist”, erklärt er und ich funkele Hotsuma erbost an.
 

“Wieso erzählst du so einen Mist?!” will ich wissen und er zuckt mit den Schultern.
 

“Wieso nicht? Ist doch schließlich wahr”, meint er.
 

“Na und? Musst es trotzdem nicht jedem auf die Nase binden!” fahre ich ihn an.
 

“Hey, ich darf das doch wissen, oder? Immerhin bin ich dein Partner”, sagt Senshiro und lächelt milde. “Und? Magst du sie? Du könntest sie doch mal auf ein Eis einladen.”
 

“Vergiss es!” fauche ich und Senshiro seufzt.
 

“Ach, Kuroto, nun sei nicht so. Du bist jung, du bist hübsch, da ist es doch nur normal, dass die Mädchen dir hinterherlaufen”, meint er. “Willst du denn keine Freundin?”
 

“Senshiro, hör auf damit mich immer verkuppeln zu wollen!” rufe ich empört.
 

“Ich will doch nur dein Bestes”, behauptet Senshiro und ich schnaube.
 

“Danke, ich verzichte”, schnappe ich beleidigt.
 

“Was hast du denn gegen das Mädchen?” fragt Hotsuma. “Ich weiß zwar wirklich nicht, was sie von einem Knilch wie dir will, aber wenn sie so einen miesen Geschmack hat…”
 

“Was mischst du dich denn hier ein?” frage ich sauer und Hotsuma zuckt mit den Schultern.
 

“Ich werde doch ständig von denen belagert, weil ich dich kenne”, sagt er. “Da darf ich mich dann auch einmischen.”
 

“So viele Verehrerinnen und du willst keine von ihnen kennenlernen? Ach, Kuroto…”, seufzt Senshiro und in diesem Moment klinkt sich etwas in mir aus.
 

“Lass mich doch in Ruhe!” schreie ich meinen Partner an, dann springe ich so ruckartig auf, dass mein Stuhl hintenüber kippt. So schnell ich kann, laufe ich nach draußen und halte erst an, als ich in einem der hinteren Gärten bin. Schnaufend komme ich vor einem Brunnen zum Halten und stütze mich an dem kühlen, grauen Stein ab. Ich kann es wirklich nicht ausstehen, wenn man versucht mich zu verkuppeln, aber normalerweise raste ich dann nicht so aus. Dass es jetzt doch passiert ist, liegt einfach daran, dass Oboros Todestag so nah ist. Noch eine Woche, dann ist wieder dieser eine Tag, den ich mehr als jeden anderen hasse.
 

“Kuroto?” höre ich Senshiros Stimme hinter mir, aber ich drehe mich nicht um. Er tritt neben mich und ich spüre seine Hand auf meinem Arm.
 

“Geh…”, murmele ich, aber statt mich allein zu lassen legt er einen Arm um mich und ich fühle, wie er mich an seine Seite zieht. Warum kann er mich nicht einfach alleine lassen? Warum ist er immer da? Das macht es für mich nicht gerade leichter…
 

“Es tut mir leid, Kuroto. Ich wollte dir bestimmt nicht weh tun”, sagt er leise und ich seufze.
 

“Du verstehst es einfach nicht…”, nuschele ich. Natürlich versteht er es nicht. Wie auch? Nicht einmal die anderen wissen, was los ist, wie soll Senshiro es da wissen?
 

“Was verstehe ich nicht?” will er auch schon wissen. Ich seufze erneut.
 

“Schon gut. Vergiss es”, murmele ich.
 

“Kuroto, bitte sag mir doch, was los ist”, bittet er leise. Ich löse mich von ihm und gehe ein paar Schritte um den Brunnen herum. Hier steht eine Bank und ich lasse mich auf ihr nieder. Senshiro setzt sich natürlich direkt neben mich. Verdammt noch mal… Dieser Kerl weiß wirklich nicht, was er tut, was er mit mir anstellt.
 

“Ich mag es einfach nicht, wenn du versuchst mich zu verkuppeln”, sage ich und spüre seinen Blick auf mir.
 

“Hat das einen bestimmten Grund?” fragt er ruhig und ich schließe für einen Moment die Augen. Oboros Gesicht taucht in meiner Erinnerung auf.
 

“Oboro”, wispere ich und öffne die Augen wieder. Unsicher schaue ich zu Senshiro, doch seinem Gesicht ist nicht abzulesen, was er wohl gerade denkt. “Dass ich keinen anderen Partner nach seinem Tod wollte, lag… nicht nur daran, dass er vor meinen Augen getötet wurde.” Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen, es war immer mein Geheimnis. Meines und Oboros. Aber Senshiro ist mein Partner. Ihm sollte ich vertrauen, auch in dieser Hinsicht. “Ich… hatte einfach das Gefühl ihn zu hintergehen, wenn ich einen neuen Partner auswählte. Und jetzt… jetzt habe ich dich als meinen Partner angenommen und… und jetzt kann ich ihm nur noch in einer Hinsicht treu bleiben…” Ich werde immer leise zum Ende hin und wende schließlich den Blick von Senshiro ab, da ich Angst davor habe, was ich in seinen Augen lesen könnte. Wenn er mich jetzt ablehnt, nicht mehr mein Partner, mein Freund sein möchte… Das könnte ich nicht ertragen. Deshalb habe ich ihm bisher nie hiervon erzählt.
 

“Kuroto”, höre ich Senshiro leise sagen, dann spüre ich seinen Arm um meine Schultern. Sanft zieht er mich an sich und ich spüre, wie mir Tränen in die Augen treten. Will er mich jetzt nicht mehr als seinen Partner? Aber warum sollte er dann so sanft zu mir sein, mich in den Arm nehmen? “Du hast ihn geliebt, nicht wahr?” fragt er ruhig und ich klammere mich an ihn. Ich kann gerade nicht anders, ich brauche ihn einfach.
 

“Ja”, antworte ich erstickt. “Wir… wir waren ein Paar. Die anderen wussten davon nichts, aber… das machte auch nichts. Und als er starb… Ich wollte einfach niemand anderen an meiner Seite. Er war alles, was ich wollte. Aber jetzt… jetzt habe ich einen neuen Partner und… und wenn ich jetzt auch noch mit jemand anderem zusammen wäre… dann würde ich ihn komplett hintergehen…”
 

“Denkst du nicht, dass Oboro sich wünscht, dass du glücklich wirst?” fragt Senshiro.
 

“Ich bin glücklich”, murmele ich an seiner Schulter. “Ich brauche keine Freundin, um glücklich zu sein.”
 

“Aber du kannst nicht bestimmen, ob du dich nicht doch irgendwann wieder verliebst”, sagt er sanft und ich seufze leise. Das weiß ich auch. Und ich spüre, dass sich meine Gefühle so langsam ändern. Senshiro hat es irgendwie geschafft sich in die Stelle meines Herzens zu schleichen, in der bisher immer nur Oboro Platz hatte. Es ist noch keine so tiefe Liebe wie zu Oboro, aber Senshiro ist mir bereits sehr wichtig. Und er wird mir immer wichtiger.
 

“Mag sein”, antworte ich auf Senshiros Worte. “Aber bitte, hör einfach auf mich verkuppeln zu wollen. Ich möchte das nicht, Senshiro.”
 

“Okay, versprochen”, sagt er ruhig. Eine Weile sitzen wir so da und ich genieße Senshiros Nähe. Schließlich blicke ich zu ihm hoch.
 

“Senshiro?”
 

“Hm?”
 

“Bald… ist wieder Oboros Todestag”, sage ich leise und Senshiro nickt.
 

“Ich weiß”, erwidert er sanft. “Verbringen wir den Tag wie immer?” Ich nicke nur und vergrabe mein Gesicht wieder an seiner Schulter. Seit Senshiro mich gebeten hat ihn als Partner anzunehmen, haben wir Oboros Todestag immer gemeinsam verbracht. Nun, mehr oder weniger gemeinsam. Ich habe mich in mein Schlafzimmer zurückgezogen und Senshiro saß im Wohnzimmer und wartete ab, ob ich etwas brauchte. Essen, Trinken, ihn… Meistens kam ich bis zum späten Abend nicht raus, aber Senshiro machte das nie etwas aus. Er wartete einfach geduldig auf mich und widmete sich seiner Malerei. Und er fragte nie, was ich in all den Stunden tat, die ich mich einschloss.
 

“Senshiro?” spreche ich ihn nach einer Weile wieder an.
 

“Ja?”
 

“Lass uns reingehen”, bitte ich leise und schaue zu ihm hoch. Er lächelt mich an und steht dann auf, wobei er mich mitzieht.
 

“Du hast doch bestimmt noch Hunger”, stellt er fest und ich nicke zaghaft. “Ich hol dir noch etwas zu essen.”
 

“Senshiro…?”
 

“Ja?”
 

“Macht… es dir wirklich nichts aus?” will ich mit leiser Stimme wissen.
 

“Was denn?” stellt er eine Gegenfrage.
 

“Na ja… dass Oboro und ich… na ja…” Wieder senke ich den Blick, ich kann ihn einfach nicht anschauen. Immer noch habe ich Angst vor seiner Ablehnung.
 

“Solange ihr glücklich wart, ist es doch in Ordnung”, erklärt er mit sanfter Stimme und hebt mein Kinn etwas an, um mir ins Gesicht zu schauen.
 

“Hmm”, mache ich und senke den Blick erneut. Irgendwie ertrage ich seinen Anblick gerade nicht mehr. Ob er versteht, dass ich immer noch so fühle? Nicht nur die Liebe zu Oboro, sondern auch überhaupt, dass ich mich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühle und nicht auf Frauen stehe. Was würde Senshiro wohl sagen, wenn ich ihm gestehe, dass ich ihn mag und langsam Gefühle für ihn entwickele, von denen ich bisher immer dachte, dass ich sie nur für Oboro empfinden würde? Nein, das sage ich ihm besser nicht. Ich will ihn nicht doch noch abschrecken, nachdem es gerade den Anschein hat, dass er mich nicht von sich stoßen will.
 

“Komm, gehen wir”, sagt Senshiro sanft. Gemeinsam gehen wir wieder ins Haus und Senshiro bringt mich auf mein Zimmer, bevor er kurz in die Küche verschwindet, um etwas zu essen zu holen. Ich setze mich solange in einen Sessel am Fenster und schaue nach draußen. Irgendwie fühle ich mich jetzt besser, nachdem ich Senshiro von Oboro und mir erzählt habe. Die Angst, dass Senshiro mich ablehnen könnte, ist geschrumpft, ich spüre, dass sie bald ganz verschwinden wird. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass Senshiro es akzeptieren würde. Ich seufze leise und lehne mich in dem Sessel zurück. Vielleicht hätte ich es ihm viel früher sagen sollen, aber ich konnte es bisher einfach nicht. Doch ich bin froh, dass ich jetzt den Mut dazu hatte.
 

Und vielleicht bringe ich diesen Mut auch ein zweites Mal auf, um Senshiro noch etwas anderes zu sagen, etwas, was mir jetzt fast unausweichlich erscheint.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mor
2015-11-15T17:08:29+00:00 15.11.2015 18:08
Nanü, noch kein Kommi. Dabei ist die ff richtig gut ^^


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