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Itsuwari no Kamen / The World is ugly (but you are beautiful to me)

(Frank x Tsuzuku)
von

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No Words spoken – Some Words written

No Words spoken – Some Words written
 

Franks POV
 

Ich musste eingeschlafen sein.

Etwas wirr drehte ich meinen Kopf herum, versuchte mich zu orientieren und spürte einen stechenden Schmerz in meinem Rücken.

Küchenböden schienen kein besonders geeigneter Schlafplatz zu sein. Langsam reckte ich mich, schloss noch einmal kurz die Augen und rappelte mich dann umständlich aus meiner sitzenden Position auf.
 

Die kleine Wohnung war immer noch in Dunkelheit getaucht und ein kurzer Blick zur Uhr verriet mir, dass es erst 6 Uhr in der Früh war.

Etwas unwohl war mir ja schon bei der Sache, dass ich hier einfach so in Tsuzukus Wohnung blieb, ohne dass er wirklich anwesend war. Ich lugte zu dem Schwarzhaarigen hinüber, welcher allerdings immer noch beinahe regungslos auf seinem Schlafplatz lag und nur ein leises Atemgeräusch von sich gab.
 

Aus einem mir unerfindlichem Grund wünschte ich mir aber auch, dass er aufwachte. Wahrscheinlich ganz einfach, um zu wissen wie es ihm ging. Er hatte immerhin ziemlich einen abbekommen.

Ich verlagerte mein Gewicht von einen Fuß auf den anderen und spürte, wie steif meine Glieder von diesem unfreiwilligem Nickerchen doch geworden waren. Fast schleichend tat ich einige Schritte nach vorne und ließ meinen Blick durch den Raum streifen. Ich fragte mich, wie er hier sein Leben verbringen konnte – im Gegensatz zu dieser Wohnung war mein Hotelzimmer ein Palast – hier hatte ich das Gefühl mich nicht einmal um meine eigene Achse drehen zu können.

Meine Hand strich über die glatte Oberfläche des kleinen Tisches, der wohl eigentlich als Esstisch dienen sollte, nun allerdings eher unter Papieren und Zeug begraben zu sein schien. Auch wenn die Stapel mehr oder weniger kreuz und quer verstreut lagen, einige sogar neben dem Tisch, wirkte das Ganze nicht unordentlich – ein organisiertes Chaos. So ließ sich diese Wohnung wohl am besten beschreiben. Ein Chaos, das gerade groß genug war, um von einem Einzelnen bewältigt werden zu können. Ja – vielleicht traf dies auf den Schwarzhaarigen zu – auf alles an ihm.
 

Mehr beiläufig zog ich einen der Zettel aus dem Stapel heraus – an einigen Ecken war er zerknickt – an den Faltstellen leicht eingerissen und es schien, als würde er schon ewig in diesem Stapel liegen und als würde es auch niemand jemals wieder darauf anlegen, ihn in Gebrauch zu nehmen.
 

In kleinen eckigen Schriftzeichen standen dort kreuz und quer Begriffe und kleine Sätze geschrieben – auf den ersten Blick zusammenhangslos, doch wenn man noch einmal drüber sah, wirkte es fast wie ein Gedicht – oder zumindest wie vereinzelte Verse davon.

Vorsichtig strich ich das Papier glatt und hoffte, dass meine Kenntnisse ausreichen würden, um die Schriftzeichen zu entziffern, doch ich verstand zum Glück die meisten Sätze und Phrasen.

„I rejected the world with my mask of lies

I direct myself with my mask of lies

Am I clinging to the ground with this mask of lies?“
 

Und an einer anderen Stelle:
 

„When have I gotten so bad at living?“
 

Ich strich noch einmal über das Papier, zog ein weitere heraus, auf welchem noch mehr Worte standen. Es schienen hunderte zu sein, vielleicht sogar jeder Zettel auf diesem Tisch~

Leicht erschrak ich, zu sehr vertieft beim Wühlen in den Stapel, als ein leises, schmerz erfülltes Stöhnen zu mir herüber drang.
 

Nicht darüber nachdenkend, was ich tat, faltete ich einiger der Zettel zusammen und stopfte sie in die Taschen meiner Hose – sofern das möglich war, bei diesem engen Röhrenteil.

Dann drehte ich mich zu dem Bett hinüber, auf dem Tsuzuku lag und konnte gerade noch sehen, wie er sich aufsetzte und seine Beine aus dem Bett hievte.

Sollte ich etwas sagen? Fast wie versteinert stand ich da und beobachtete den Schwarzhaarigen dabei, wie er sich nun auf seinen Händen abstützte und etwas wankend in eine stehende Position kam.

Kurz fasste er sich an den Kopf, strich durch seine stufigen, schwarzen Haare und zog einige längere Strähnen nach Vorne, dann fasste er an seine Nase und verzog schmerzerfüllt das Gesicht.

Zum Glück machte er noch keine Anstalten sich zu drehen, sondern stand einfach mit dem Gesicht zur Wand – dabei wusste ich immer noch nicht genau, wie ich und ob ich mich bemerkbar machen sollte.
 

Leider schien mir meine neue Bekanntschaft da nicht wirklich entgegen kommen zu wollen, denn wie benommen wanderten seine Hände über seine Lederjacke und zogen diese langsam von seinen Schultern, dann tasteten sie weiter, fanden den Saum des weißen T-shirts, das er trug und auf dem verblüffender Weise kaum Blut zu sehen war.

„Ähm…“, wollte ich ansetzten, doch je mehr seiner nackten Haut am Bauch enthüllt wurde, umso leiser wurde mein Versuch auf mich aufmerksam zu machen.

Stattdessen stand ich einfach nur da und starrte ihn an, wie ein Stalker, der in seine Wohnung eingedrungen war, seine persönlichen Sachen stahl und ihn beim Ausziehen beobachtete - na super Frank neues Level erreicht...
 

Und nun musste ich auch noch zugeben, dass mir sein Anblick gefiel, mehr als nur gefiel – die gut durchtrainierte Brust, die sichtbaren Bauchmuskeln~

Wie von selbst scannten meine Augen Millimeter für Millimeter die weiße Haut ab, welche in dem schwachen Licht so glatt und Makellos zu sein schien, nur vereinzelt durchzogen von Tattoos. An seinen Armen prangten Figuren und Personen, Symbole, Fratzen und Ziffern.

Ich verfluchte mein Gehirn dafür, dass es sich jetzt wünschte, der Schwarzhaarige würde sich zu mir drehen und mir dadurch einen Blick auf weitere Tattoos und seine Haut verschaffen – nur angedeutet konnte ich weitere Zahlen auf seinem Becken erkennen.
 

Er zog sich in einer letzten schwachen Bewegung das weiße Shirt komplett über den Kopf, sodass seine glatten, schwarzen Haare wieder kreuz und Quer über sein Gesicht fielen. Sie sahen schön bei ihm aus, passten zu seinem feinen Gesicht und seiner schmalen Statur – doch mir währ es viel zu anstrengend solch lange Haare zu pflegen, auch wenn es bei ihm nur einige hintere Strähnen war, die wirklich lang zu sein schienen und die er nun wieder, nach vorne holte und über seine Brust fallen ließ.
 

Ein bisschen erinnerte mich sein Haarschnitt an einige Leute, die ich heute bei der Stadtführung durch Harajuku gesehen hatte – dieser stufige Schnitt – mehr Haare ins Gesicht hängend, als sonst wo – der Stiel gefiel mir und im Gesicht rumhängen konnte mein langer Pony auch ganz gut.

Fast schon Melancholisch erschien mir dieser Mensch in dem schwachen Licht seiner kleinen Wohnung – er machte mich neugierig, alles an ihm – nicht nur sein Aussehen, oder seine Tattoos auch wenn ich gerne wissen wollte, welche Bedeutung sie für ihn hatten, liebte ich doch selber Tattoos und besaß auch selber einige.

Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich jemals ein Gespräch mit ihm führen konnte, denn wenn er mich jetzt entdeckte, lag die Wahrscheinlichkeit, dass er ausrastete erschreckend hoch, auch wenn ich ihn mir als wütende Furie nur schwer vorstellen konnte – er schien eher der stille Typ zu sein – so schätzte ich ihn immerhin.
 

Ja, meine Vorstellungskraft schien wirklich verrückt zu spielen, wenn es um den halbnackten Fremden ging, in dessen Wohnung ich mehr oder weniger eingedrungen war und der meiner Meinung nach interessanter schien, als die meisten Sehenswürdigkeiten, die ich heute, beziehungsweise Gestern gesehen hatte.

Und schon zerplatzte meine Seifenblase aus schmachtenden Überlegungen, von denen ich gedacht hatte, diese schon lange aus meinem Leben verbannte haben zu können.

Tsuzuku drehte sich in meine Richtung und schien gerade den Weg in Richtung Bad antreten zu wollen, eine Hand an seinen schmerzenden Kopf gelegt, mit der Anderen sich an der weißen Wand abstützend.
 

Er humpelte einen Schritt vorwärts, blieb dann allerdings stock steif stehen – blickte auf.

„Ähm…“, ja mehr konnte ich Moment wirklich nicht von mir geben, als hätte ich alle Worte vergessen, sowohl die meiner Muttersprache, als auch die hart erlernten Japanischen.

„Raus!“, hörte ich eine leise, dunkle Stimme, die mir das Blut in den Andern gefrieren ließ. Was hatte ich auch erwartet; dass er mich zum Frühstück einlud?
 

Als ich keine Anstalten machte, mich zu rühren, trat er einen Schritt auf mich zu, allerdings mehr schlecht als recht und immer noch stark schwankend: „Verschwinde!“, raunte er noch einmal mit Nachdruck und stütze sich lieber wieder ab, denn sein Kopf schien ihm nicht wirklich ruhig handeln zu lassen.
 

„Es… also… es tut mir leid, aber ich konnte dich doch nicht einfach in der Bar liegen lassen und ich musste doch wissen, ob es dir soweit gut geht.“, versuchte ich mich etwas stotternd zu retten und ein gewisser Anflug von Wut keimte wirklich in mir auf, hätte er sich doch eher bei mir bedanken sollen, als mich anzukeifen. Immerhin hätte ich ihn auch wirklich da liegen lassen können und ob ihm irgendwer dann geholfen hätte, bezweifelte ich einfach mal ganz stark.

„Das kann dir doch egal sein.“, keuchte der Schwarzhaarige wieder und schien gerade so einem Würgen entgehen zu können.
 

„Kann es eben nicht – dir hätte auch sonst was passiert sein können und es ist immer noch nicht sicher, ob du nicht doch mehr Schäden davon getragen hast, als die paar oberflächlichen Wunden und deine angeknaxte Nase – eigentlich hätte ich dich direkt zum Arzt schleifen sollen – wollte ich allerdings nicht ohne deine Zustimmung – aber es ist doch wohl das mindeste, dass ich dich zurück in deine Wohnung gebracht habe und geguckt habe, dass es dir einigermaßen gut geht und jetzt finde ich, dass es auch das Mindeste ist, sich bei mir zu bedanken, oder mich wenigstens nicht so anzukeifen, also sein mal schön leise!“

Ich war etwas lauter geworden, doch ich fand, dass ich damit durchaus recht hatte – er sollte sich mal nicht so anstellen. Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings auch sagen, dass ich selbst ziemlich am Ende war, denn besonders bequem war der Boden nicht gewesen, ich war müde und hatte leichte Kopf- und Rückenschmerzen...da kann man schon mal ganz dezent überreagieren.

Allerdings schien der Schwarzhaarige mir mehr oder minder zuzustimmen, denn er erwiderte nichts mehr darauf, taumelte nur einige Schritte zurück und suchte sofort wieder Halt.

„Du kannst ja nicht einmal aufrecht stehen.“, fügte ich hinzu, dieses Mal allerdings etwas leiser.
 

Eigentlich hatte ich mich schon innerlich auf einen Konflikt eingestellt, auf beißende Wiederworte, doch Tsuzuku blieb still – er war wohl einfach nicht der Kerl für Konflikte – dafür schaffte er es aber anscheinend leicht in welche zu geraten, wie die Platzwunde an seiner Lippe nur allzu gut verdeutlichte, aus der wie auf Kommando nun wieder anfing Blut zu laufen.

Fast wie in Trance versuchte er es mit der freien Hand aufzuhalten, doch es lief über seine Finger und tropfte auf seinen Oberkörper.

„Na los… setzt dich hin, ich hol dir ein Tuch.“, sagte ich seufzend über seine Dickköpfigkeit und trat einige Schritte auf ihn zu, doch er wich wie ganz von alleine schwankend zurück, als ich ihn aufs Bett bugsieren wollte und setzte sich, mehr fallend und etwas unkontrolliert zurück auf die Matratze.
 

„Was ist dein Problem?“, regte ich mich leise auf, während ich in das winzige Bad stolperte und nach dem nächstbesten Waschlappen griff.

Gut vielleicht war er etwas überrumpelt, aber musste er gleich so komplett abweisend und pissig sein? Na toll das konnte ja noch lustig werden~
 

Ich tränkte den Lappen in kaltem Wasser und lief zurück in den Wohnraum, wo Tsuzuku in gekrümmter Haltung auf dem Bett saß und irgendwie mehr tot als lebendig wirkte, eine Hand an seiner Lippe, um den Blutfluss etwas zu stoppen.

„Okay warte.“, ich kam zu ihm herüber, wollte seine Hand von seinem Gesicht wegziehen, um besser an die Lippe heran zu kommen, doch er zog mir nur das Tuch aus der Hand und ich wich lieber mit erhobenen Händen zurück. Ich fing einfach an zu erzählen, während er mit dem nassen Tuch das Blut von seinem Gesicht wischte.
 

„Okay ich versteh ja, dass du nicht besonders glücklich mit der Situation bist, glaub mir ich könnte mir auch was schöneres vorstellen, als dich unter diesem Umständen kennen zu lernen – aber du kommst mir bekannt vor. Vor ein paar Tagen habe ich in einer Fußgängerzone hier in der Nähe ein bisschen Gitarre gespielt und jetzt, wo ich so darüber nachdenke, erinnere ich mich ganz deutlich an dich. Ich bin übrigens Frank – wäre ja unfair, wenn ich dir gegenüber einen Vorteil mit dem Namen habe – Sorry übrigens, dass ich einfach so deinen Ausweis angeschaut habe, aber ich dachte, wenn ich dir schon helfe, könnte das von Nutzen sein und...“

„Was ist Gestern eigentlich genau passiert?“, unterbrach er mich einfach und schaute leicht auf, allerdings nicht zu mir herüber, sondern wieder vor sich an die Wand.
 

„Ähhhm… naja da waren so drei Typen und soweit ich das mitbekommen habe, schuldest du ihnen wohl Geld und darauf haben sie gar nicht gut reagiert und jetzt sitzt du hier, vermutlich mit leichter Gehirnerschütterung, aufgeplatzter Lippe und schmerzender Nase – aber sie ist nicht gebrochen. Glaub ich zumindest.“, endete ich und schenkte meinem Patienten ein vorsichtiges Lächeln.
 

„Redest du eigentlich immer so viel?“, sagte er wieder leise und ließ sich zurück fallen, sodass er wieder in seinem Bett lag, allerdings Quer und mit seinen Beinen Außerhalb.

Mein Grinsen wurde erst etwas breiter., dann wich es allerdings einem ernsteren Ausdruck.

„Jetzt mach aber mal halblang, ja? Immerhin hab ich mich ganz schön abgerackert um dich nach Hause zu bringen. Am besten hol ich dir erstmal was zu essen – willst du duschen oder so? Sag wenn du Hilfe brauchst, aber wahrscheinlich quälst du dich lieber, als dir von mir helfen zu lassen“, etwas bissig klang ich ja schon dabei, aber erstens hatte ich beschlossen ihm wenigstens ein bisschen unter die Arme zu greifen und zweitens würde er „gewinnen“ wenn ich jetzt einfach abzog und ihn alleine lies – also blieb ich. Wenn das so weiter ging, war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns gegenseitig die Köpfe einschlugen, denn dickköpfig konnten wir anscheinen beide ganz gut sein.

Tsuzuku antwortete allerdings nicht weiter, sonder lag einfach nur auf seinem Bett, den nassen Lappen auf seiner Brust.
 

Mit einem extra genervten Seufzen schlenderte ich hinüber zu seinem Kühlschrank, welcher mich auch gleich mit gähnender Leere begrüßte.

„Weißt du, langsam frage ich mich, wie du es schaffst, alleine zu überleben. Scheinst ja nicht gerade vernünftig zu sein.“
 

Ich drehte mich wieder zu ihm um, doch er hatte sich genau keinen Zentimeter bewegt.

„Also gut ich frag mich gerade selber, warum ich das mache, aber ich geh jetzt schnell was zu essen holen, denn ich hab auch ein bisschen Hunger und ich appelliere an deine anscheinend nicht vorhandene Vernunft, mich dann bitte wieder rein zulassen, oder soll ich mich lieber auf die Suche nach einem Schlüssel begeben, bevor ich los gehe?“
 

„Mach doch was du willst… mir egal.“, hauchte der Liegende, sodass ich fast Schwierigkeiten hatte ihn zu verstehen, doch irgendwie schien er so fertig mit sich und der Welt, dass ich lieber in die Taschen seiner Lederjacke griff und auch sofort einen kleinen Schlüssel fand: „Nur für den Fall, dass du es nicht mal mehr bis zur Tür schaffst.“, sagte ich, dieses Mal sogar etwas beschwichtigender und tatsächlich schienen sich seine feinen Gesichtszüge etwas zu glätten.
 

„Weißt du, ich glaub ja, dass du gar nicht so schlimm bist – vielleicht hattest du einfach nur einen beschissenen Morgen. Bis gleich.“, mit diesen letzten Worten verließ ich seine kleine Wohnung ohne eine Antwort abzuwarten – hätte ich doch wahrscheinlich eh keine von ihm bekommen.
 

Tsuzukus POV
 

Ich hatte das Gefühl, dass jede kleinste Bewegung meinen Kopf zum explodieren bringen könnte. Meine Lippe Pochte und ein ungutes Stechen in meinem Hinterkopf, schien von Sekunde zu Sekunde stärker zu werden.

Wahrscheinlich hatte ich diese Schmerzen verdient, war ich doch dumm genug gewesen, um mir Geld zu leihen. Geld, dass schon lange wieder weg war und das ich wahrscheinlich nicht mehr in meinen Besitz bekommen würde – also endete wohl mein Leben aufgrund von ein paar tausend Yen, die ich nicht auftreiben konnte.

Wirklich ruhmreich~
 

Ruhmreich wie mein gesamtes Leben bisher. Ja ich hatte all das hier wahrscheinlich verdient – selbst diese kleine Nervensäge, die mir meine letzte Ruhe raube wollte – meine letzte Ruhe, die ich noch hatte bevor ich von irgendeiner Band zu Tode geprügelt werden würde.

Ich hatte gar nicht an meine Schulden gedacht in letzter Zeit, bis mich irgend so ein Kerl ansprach, mich auf der Straße aufgabelte und mir drohte, besser zu zahlen~

Wahrscheinlich hatte ich jede Erinnerung daran bereits versoffen, wie es so oft der Fall war – alles egal.

Aber er hatte recht gehabt – Frank – der kleine Schnorrer aus der Fußgängerzone. Ja ich erinnerte mich. Fast verblüffend in meinem Zustand, dass ich sein Gesicht noch problemlos hatte einordnen können.

Irgendwie gequält lächelte ich – ja, Recht hatte er gehabt – meine Unfähigkeit selber für mich zu sorgen – gut für mich zu sorgen, war schon lange begraben unter einer Sucht nach unvernünftigen Dingen – Dingen, die mir viel versprachen, mich im Grunde allerdings nur noch mehr ins Unglück trieben.
 

Vorsichtig drehte ich mich herum und hievte mich wieder aus dem Bett – was würde ich jetzt geben für eine warme Dusche – doch warmes Wasser hatte ich schon länger nicht bezahlen können. Unglaublich, dass bei mir überhaupt noch Licht brannte.

Langsam stolperte ich ins Bad und streifte mit die Jeans von den Beinen – irgendwo war ich das kalte Wasser schon gewöhnt~
 

Ich duschte nur kurz – eher um klar im Kopf zu werden, als sauber.

Ich mochte es nicht, wenn andere Menschen mir zu nahe kamen, da reichte es schon, wenn sie sich zu einem anderen Zweck in meiner Wohnung aufhielten, als Sex. Eigentlich würde ich alles und jeden sofort wieder rausschmeißen, wenn sie ihren Zweck erfüllt hatten.
 

Besonders in dieser Situation – ich zeige nicht gerne Schwäche vor anderen und schon gar nicht vor Leuten, die ich nicht kenne. Es kommt mir so vor in seiner Gegenwart, als würde alles an mir verzweifelt nach Hilfe schreien, als würde meine Nutzlosigkeit, meine Unfähigkeit mir selber zu helfen geradezu darum betteln, dass er wiederkam. Aber so war ich nicht und so wollte ich auch nicht sein. Bisher hatte ich es doch auch geschafft alleine zu Überleben, ohne das mir irgendein Touri unter die Arme greifen musste – lächerlich sowas.
 

Noch schlimmer war allerdings, dass ich ihm etwas schuldete.

Ich würde ihm gerade lieber Hunderttausende an Yen schulden, als einen Gefallen~

Aber nein, er musst mir ja unbedingt helfen und ich musste ja nun unbedingt in seiner Schuld stehen... Verarscht fühlte ich mich – ja schlicht und einfach verarscht und ein Wunsch machte sich in mir breit, einfach den kompletten letzten Tag auszuradieren – ich wünschte mir einfach die Drohungen ignoriert und meine Wohnung nicht verlassen zu haben.

Ja ich wünschte mir gerade sogar mehr, irgendwo verblutend in der Kälte zu liegen, als Frank einen Gefallen zu Schulden, denn auch wenn mein Leben nichts mehr zu bieten hatte, so fühlte ich mich von solch einer simplen Sache in meinem Stolz verletzt.
 

Meine Gefühle und vor allem mein Denken über mich selber, waren ein Widerspruch für sich. Vielleicht war auch das ein Grund, warum ich mich abschottete – fand ich doch nie die richtigen Worte und sprach allgemein nicht gerne. Früher hatte ich viel geschrieben – es gab sogar mal eine Zeit, als Leute stolz auf mich waren, weil ich „Talent“ hatte, ihrer Meinung nach. Ich hatte versucht mein Leben in Worten zu verarbeiten – etwas was mir wahrscheinlich jeder nur geraten hätte, doch ich hatte es aufgegeben, nur selten rührte ich noch die Stapel auf meinem Schreibtisch an, um an etwas weiter zu arbeiten – wusste ich doch nicht einmal mehr wofür meine Mühen gut sind. Diese Tätigkeit hatte für mich den Sinn verloren. Talent hin oder her~

Im Grunde konnte Frank auch nichts für mein Launen – meine abweisende Haltung mehr Gewohnheit, als Wille~
 

Franks POV
 

Auf meinem Lippenpiercing herum beißend, eine Tüte mit Einkäufen in der einen Hand, versuchte ich etwas unkoordiniert das Schlüsselloch zu treffen – klar wäre Klingel einfacher gewesen, doch war ich mir nicht sicher, ob Tsuzuku mir überhaupt öffnen konnte, geschweige denn wollte.

Wenn ich so darüber nachdachte war das meine wirklich erste echte japanische Bekanntschaft, die ich während meines Urlaubs gemacht hatte – und dann gleich so ein mies gelaunter Kerl, naja was solls..
 

Mit einer Schulter konnte ich endlich die Tür weiter aufdrücken und trat zurück in die kleine Wohnung ein – es war recht kühl und ich erblickte den Schwarzhaarigen, wie er am Fenster stand und den Rauch einer Zigarette in die kühle Luft blies, nur bekleidet mit einer locker um seine schmalen Hüften liegenden, grauen Jogginghose.

Er hatte mir den Rücken zu gedreht und ich konnte ein weiteres Tattoo ausmachen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es würde nicht recht zu ihm passen – ein Schmetterling, gefärbt in schwarz mit leichten lila und orange Tönen.
 

Wieder entließ er etwas Rauch aus seinem Mund und stütze seinen Kopf auf einer Hand ab.

Etwas wirr im Kopf trat ich näher an ihn heran: „Ein Schmetterling?“

Ich erwartete keine Antwort auf meine Frage, auch wenn ich nur zu gerne den Hintergrund zu diesem Bild auf seinem Rücken wissen würde, doch es schien unlösbares Rätsel, wie alles bisher an ihm.
 

Er schwieg, drehte sich nicht einmal zu mir um.

„Ich hab dir n bisschen was zu essen mitgebracht. Hab eben schon was auf dem Weg gegessen, also wenn du jetzt lieber wieder alleine sein willst in deinem Trott, dann kann ich auch ruhig gehen. Scheinst ja eh nicht mit mir sprechen zu wollen.“

Ich legte das Essen kurz auf der Küchenzeile ab, stellte mich dann wieder einige Meter hinter ihm hin, sodass ich schon fast direkt an der Tür stand.

„Also… ich geht dann mal. War nett dich kennen gelernt zu haben…oder auch nicht.“, fügte ich leise hinzu und mein Unterbewusstsein meinte genau jetzt mir leise mitteilen zu müssen, dass ich ihn wahrscheinlich niemals wieder sehen würde, wenn ich jetzt durch diese Tür ging.

Ich drehte mich um, legte meine Hand zögerlich auf die Klinke.

„Warte.“, hörte ich eine leise, ruhige Stimme hinter mir. Ich konnte ausmachen, dass er immer noch mit dem Rücken zu mir stand und aus dem Fenster schaute.

Zögernd wand ich mir wieder um, glaubte schon, mir das leise Wort nur eingebildet zu haben, doch er sprach weiter mit einer melodischen Stimme, die gar nicht so tief war, wie ich anfangs gedacht hatte – wahrscheinlich grummelte er einfach nur gerne vor sich hin.

„Du hast recht – weißt du das? Eigentlich würde ich jetzt lieber irgendwo leidend herum liegen, als dir das zu sagen, aber irgendwie auch nicht~“
 

Ich zog eine Augenbraue hoch und als ich keine Anstalten machte etwas zu Antworten, redete er weiter: „Musst du nicht verstehen aber weißt du Frank: Niemand macht etwas einfach so, weil er freundlich ist und weil sein Bewusstsein ihm sagt, dass es sich so gehört – und niemand sollte es meiner Meinung nach auch nur aus diesen Gründen tun. Ich schulde dir was – irgendwas. Sag mir, was du haben willst und ich werde mich bemühen es dir zu geben – das ist es, was mein Bewusstsein mir sagt. Eine Gegenleistung~“
 

Es war das erste Mal, dass er mich beim Namen nannte und ich drehte mich nun wieder vollkommen in seine Richtung, schaute auf die glatte weiße Haut seines Rückens, unter der sich leicht die Wirbelsäule und Schulterblätter abzeichneten.

„Bist du eigentlich öfters in der Bar?“
 

Er schien kurz über meine Frage nachzudenken, nickte dann aber leicht.

„Dann möchte ich, dass du mir einen ausgibst – nicht Morgen, nicht Übermorgen, aber bevor ich abreise... und ein Gespräch. Ich glaube, das du mir da wohl ein bisschen entgegenkommen kannst.“

Ich zögerte kurz: „Und bring das mit deinen Schulden in Ordnung; ich will dich nicht nachher von der Straße kratzen müssen.“
 

Er lachte kurz auf, doch es lag etwas Bitteres darin: „Ist in Ordnung – doch danach sind wir Quitt und unsere Wege werden sich nie wieder kreuzen. Ich bin eigentlich so gut wie jeden Abend da, also sollten wir uns nicht verpassen.“

Ich drehte mich wieder weg, legte meine Hand auf die Klinke und sprach, bevor ich die Wohnung verließ: „Geht klar.“
 

Dann viel auch schon die Tür hinter mir ins Schloss und ich lief die Treppen hinunter zum Eingang des Hauses – ich würde ihn wiedersehen, doch ob das gut oder schlecht war wusste ich noch nicht so genau.
 

-
 

Es war dunkel in meinem Hotelzimmer und ich stolperte fast über einen Stuhl, der an einer der Wände stand und dessen Zweck mir nicht ganz klar war. Es war spät und der Tag war hart gewesen – Ich war echt ein mieser Tourist, langweilte ich mich doch eh nur während den ganzen Rundführungen...
 

Ich fühlte mich zu erschlagen, dass ich nicht einmal mehr Lust hatte ein bissen auf meiner geliebten Gitarre zu spiele, wie ich es doch eigentlich abends nur allzu gerne Tat.

Ich zog mir meinen Hoody über den Kopf und meine Motivation jetzt noch ins Bad zu gehen und mich Bettfertig zu machen, ging gen Null, doch was sein muss, dass muss eben sein.

Fast beiläufig fuhr meine Hand in die Tasche meiner Hose und geriet an etwas Spitzes. Ich zog ein Bündel gefalteter Papiere hervor und erinnerte mich wage an meinen kleinen Diebstahl.

Ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht, ob diese Papiere für Tsuzuku noch einen Wert hatten, oder nicht, doch ich schätzte jetzt einfach mal, dass diese zerknitterten Dinger schon lange nicht mehr von ihm angerührt wurden. Dafür interessierten sie mich umso mehr – was er schrieb, wenn diese Zeilen denn überhaupt von ihm waren, doch ich konnte mir nicht erklären, von wem sie sonst stammen könnten.
 

Ich legte das Bündel Zettel auf mein Bett – ich würde sie lesen, ob er es mir erlaubte oder nicht – doch etwas in mir wollte verstehe, warum er so war wie er war, so einsilbig und wenn er schon nicht mit mir sprechen wollte so konnte ich doch vielleicht aus diesen Sätzen auf dem Papier etwas schlauer werden, bevor ich ihn wieder treffen würde..

Wenn ich ihn denn wieder treffen würde – ich hoffte, dass er ein Mensch ist, der seine Versprechen hält, wenn er welche macht. Tsuzuku…



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