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Crystal Riders

Reanimation
von

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Unzerbrechlich

Jet – Unzerbrechlich
 

Sacrifice - Alice from Shadow Hearts (soundtrack)
 

Es wurde stärker. Und stärker. Mit jedem Schritt, mit jedem Atemzug. Es fraß mich auf. Riss meinen Körper von innen heraus in Stücke. Sog alles in sich auf. Schmerz, überall Schmerz.

Mit einem Stöhnen sank ich blind gegen die nächstbeste Wand. Die Wasserflasche fiel mit einem dumpfen Ton auf den Boden und rollte ein Stück den Gang hinauf. Ich versuchte, mich auf den Beinen zu halten, aber die Stiche in meinem Herzen ließen es mit einem Mal hunderte von Kilos wiegen. Verdammt, wieso nahm das nicht endlich ein Ende?

Schwer atmend rollte ich mich auf den Rücken und kämpfte mich stückchenweise wieder hoch, als ich aus der Richtung, aus der ich gekommen war, Schritte vernahm. Jetzt war es zu spät, sich nach einem Versteck umzusehen, also biss ich nur die Zähne aufeinander, um hinüber zur Wasserflasche zu schwanken und sie aufzuheben. Dann blieb mir nur noch Zeit für einen tiefen Atemzug und das innere Stoßgebet, mich halbwegs zusammenreißen zu können, als sie ein, zwei Meter hinter mir zum Stehen kam.

„Jet“, brachte sie hervor und ich spürte, wie es mir durch und durch ging, als sie meinen Namen aussprach. Ihre Stimme hatte etwas Raues an sich, wie Samt, den man gegen den Strich kämmt. Als ich mich umdrehte, konnte ich auf ihren Wangen zahllose rote Flecken erkennen, was sie zusammen mit ihren überhellen Augen kraftvoll, fast wild aussehen ließ, aber wieder stand es in Kontrast zum Rest des Körpers.

„Ich… ich wollte…“ Sie ballte die Hände zu Fäusten und verzog das Gesicht, als würde sie etwas würgen. „Ich wollte mich nur bedanken für… deine Jacke, gestern Nacht.“

„Nicht der Rede wert“, gab ich knapp zurück und wandte mich zum Gehen.

„Warte, ich…“ Ich konnte spüren, wie ihr Arm hervorschoss, kurz vor mir stoppte, verharrte, dann wieder herabsank und ließ die Augen zufallen. „Darf ich dich etwas fragen?“

„Nur zu.“ Ein Schlucken. Mein Herz schien gegen den Brustkorb zu springen. Fast glaubte ich, es schreien zu hören und zuckte bei der Vorstellung dieses Klangs kaum merklich zusammen. Innerer Dämon?

„Was ist deine…“, setzte sie an, doch das letzte Wort wurde von einem Husten zerdrückt. Reflexartig wirbelte ich herum und sah dabei zu, wie Crystals Augen größer wurden und gleichsam aufflackerten wie einschlagende Blitze. Es war, als spielte sich alles in Zeitlupe ab. Sie hob die Hand, welche umso heftiger zitterte, je näher sie ihrer Kehle kam. Ein Laut drang heraus, den ich nur schwer definieren konnte und der mir doch ins Herz schnitt wie eine glühende Sense. Es klang, als würde in dieser Sekunde alle Luft aus ihrem Körper gepresst werden und der letzte Atemzug war somit ihre Seele.

Es klang, als würde sie vor meinen Augen sterben.
 

Most Epic OSTs Ever: Virus
 

„Crystal?!“, rief ich und konnte sie gerade noch auffangen, als sie wie eine von ihren Fäden abgetrennte Puppe in sich zusammenfiel. Ihr Oberkörper bog sich unnatürlich weit nach oben, sodass ihr langes braunes Haar auf den Boden traf. Ich wusste nicht, wieso ich darauf achtete. Ich wusste überhaupt nichts mehr. Unter meinen Fingern bebte ihre Haut wie von Stromstößen drangsaliert, ich wagte es kaum, fester zuzupacken, aus Angst sie könnte dann zerspringen.

„Du stirbst mir nicht weg“, hörte ich mich keuchen. „Vergiss es! Du wirst leben, hörst du?!“

Dann fasste ich mich und schob hastig beide Arme unter ihren Körper, um sie hochzuheben und stellte dabei mit Schrecken fest, dass sie zwar immer noch geschüttelt wurde und sich wand, jedoch nicht mehr atmete. Ich hörte keinen einzigen Laut, außer den meiner eigenen heftigen Atemzüge.

Erst steuerte ich den Krankenflügel an, hielt jedoch in der Bewegung inne und schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Nein. Die konnten ihr nicht helfen, das konnte nur einer.

„Jade!“, schrie ich, kurz bevor ich die Tür erreicht hatte. Kein Blinzeln zu früh wurde sie geöffnet, andernfalls hätte ich sie womöglich kopflos eingetreten.

Eine wahnsinnige Sekunde lang, fragte ich mich, was wir für ein Bild abgeben mussten, aber Jade benötigte nicht länger, um die Situation und ihren Ernst zu erfassen.

„Leg sie aufs Gästebett“, wies sie mich an und war mit einem Schritt an ihrem Schreibtisch, um eine Schublade aufzuziehen. Ich erkannte nicht mehr, was sie herausholte, da ich sofort durch die Tür ins Gästezimmer schoss und Crystal behutsam auf die Tagesdecke sinken ließ. Ihr Körper hatte aufgehört zu zucken, vibrierte aber immer noch wie im Fieber, zudem fand weiterhin kein Atem seinen Weg aus ihren Lungen oder hinein.

„Jade…!“, presste ich, eine Hand in die Haare krallend, hervor, obwohl sie bereits neben mir stand und sich über Crystals Brustkorb beugte. Mit geschickten Fingern knöpfte sie ihr Oberteil auf und tastete den Bereich ab, wo sich ihre Lunge befand. Ich nahm kaum wahr, wie ich nach hinten aufs Bett sank, die Augen starr auf die Szene gerichtet, die sich vor mir abspielte, als gehöre ich nicht ins Bild. Als wäre das alles nur ein Schauspiel, ohne Bezug zur Realität. Und das Gefühl, das sich dabei auf meine Muskeln legte, kam mir viel zu vertraut vor. Foltergleich vertraut. Ich schloss die Augen und die Zeit wurde weiß.
 

Headstrong ft. Stine Grove - Tears
 

Was mich irgendwann aus der Leere riss, war nicht Jades erleichterter Ausruf, auch nicht die Helle, die an meine Augen drang, als ich sie wieder öffnete und auch nicht das laute Bellen der Schulglocke, die das Ende der Pause einläutete. Nein, es war dieser kaum hörbare Ton, der zwischen sämtlichen anderen Eindrücken hervorstach und von all meinen Sinnen aufgefangen wurde, als hätte ich noch nie in meinem Leben etwas Vergleichbares gehört.

Es war Crystals Aufatmen.

„W-Was…?“, hauchte sie wenig später mit flirrenden Wimpern. Sie sah auf ins Jades Gesicht, wirkte irritiert und ließ ihren Blick suchend in meine Richtung schweifen. Als sie mich fand, schimmerte ihren Augen feucht. „Was ist passiert…?“

„Du… bist ohnmächtig geworden und hast nicht mehr geatmet.“ Jade drehte sich halb zu mir um und ich stand wie unter Spannung vom Bett auf.

„Hatte ich einen Anfall?“, fragte Crystal ängstlich und versuchte, sich aufzusetzen, was nicht ganz gelingen wollte. Jade drückte sie sanft zurück in die Kissen.

„Bleib liegen, deine Muskeln könnten von den Krämpfen etwas überdehnt sein. Und um auf deine Frage zu antworten: Das kann durchaus ein Anfall gewesen sein, auch wenn es ungewöhnlich ist, dass deine Atmung dabei vollständig ausgesetzt hat.“

„Ihr wisst von meinem Unfall, oder?“, flüsterte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich stand noch immer da wie eine Salzsäule, während Jade nickte und bedachtsam fortfuhr.

„Da ich der Regierung gegenüber verpflichtet bin, habe ich Zugriff auf die Daten meiner Schüler. Dir wurden einst beide Lungenflügel zerdrückt – zwar konnten sie gänzlich reanimiert werden, aber dich holen von Zeit zu Zeit noch Phantomschmerzen ein, so stark, dass Atemnot und Panikattacken einsetzen können, richtig?“ Crystal nickte langsam und legte sich impulsiv eine Hand auf die Brust. „Dass sich diese Kollapse auch nach der Verwandlung immer noch etablieren, hatte ich schon vermutet, aber…“

„Wie habt Ihr es geschafft, mich zurückzuholen?“, murmelte sie und ich musste bei dem Wort „zurückholen“ schlucken. Jade öffnete ihre Hand und ebenso wie Crystal weiteten sich meine Pupillen verwundert, als wir es sahen. Ein murmelgroßer Edelstein, in Form eines Herzens geschliffen, hob sich durchsichtig vor ihrer hellen Haut ab. Es war ein Kristall.

„Ihr müsst wissen, dass viele alte Völker Edelsteinen magische Energie nachsagten. Heilung, Zerstörung, Zauberkraft… Vor allem Indianerstämme sahen in ihnen stets die Quelle von Weisheit und tiefer Verbundenheit zu den Dingen jenseits unseres Verstandes.“ Die letzten Worte richtete sie mehr an mich und ich spürte eine plötzliche Wärme in mir aufwallen, die ich nicht zuzuordnen wusste. Der Obsidian in meiner Hosentasche schien zu pochen wie eine zusätzliche Arterie. Er hatte die gleiche Form wie der Kristall in Jades Händen, fiel mir auf. Crystal konnte man das Fragezeichen in ihrem Kopf an der Nase ablesen.

„Ich gebe zu, es bestehen keinerlei Beweise für diese Theorien, aber als ich deine Lunge stimulierte, hielt ich den Stein in der Hand. Vielleicht ist es von Vorteil oder kann zumindest nicht schaden, wenn du ihn ab jetzt immer bei dir trägst.“ Crystal nahm den Stein stirnrunzelnd entgegen und betrachtete ihn eingehend, dann fiel ihr Blick wieder auf mich.

„Hast du… mich hergebracht?“ Ich blinzelte und verlagerte das Gewicht, was die erste Bewegung war, die ich ausführte, seit ich vom Bett aufgesprungen war.

„Jet ist mit dir hier rein gestürmt, als sei der Teufel hinter ihm her“, wisperte Jade ihr schmunzelnd zu und Crystals Lippen zuckten perplex auseinander. Ich räusperte mich und trat hinüber zur Tür, bevor einer der beiden sehen konnte, wie mir das Blut in die Wangen stieg.

„Jet“, hielt Crystals Stimme mich da jedoch noch einmal auf, als ich schon im Rahmen stand. „Danke.“ Das Zögern war nicht geplant, aber ich bemerkte es erst, als es schon geschehen war.

„Kein Thema“, sagte ich schließlich und verließ die Wohnung. Das erste Mal, ohne auch nur die Ahnung von Schmerz in meiner Brust zu spüren.



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