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Steine deiner Mauer

Songfic - Gilbert, Auf dem Weg zur Wiedervereinigung
von

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Steine deiner Mauer

Das war der Anfang vom Ende.
 

Rauch zieht auf, zieht durch die Gitter.

Rostig, Alt und Nass.

Der Regen schmeckt mal wieder bitter.

Du nimmst das Glas. An ihren Steinen soll es brechen. Es bricht nicht - nicht deinen Frust. Selbst erbaut mit totem Lächeln, gelähmte Winkel, doch mit Schwächen.

Doch mit Schwächen.
 

Es war ein dunkler Morgen, eines nicht sehr viel versprechenden Tages.

Die Sonne war vor nicht einmal einer Stunde aufgegangen und erhellte zumindest etwas die trübe Gegend.

Hier her traute sich fast keiner. Was früher ein Ort der Qual und des Todes war, war nun ein Ort der Ruhe. Keiner wollte hier her, keiner wollte sich erinnern, was hier geschehen war, was hier angerichtet wurde. Es durfte auch kaum einer her, ins alte Konzentrationslager Sachsenhausen.

Nur ab und zu kamen ein paar Männer der NVA, um nach dem Rechten zu sehen.

Gilbert jedoch kam öfter her.

So auch heute, hier konnte er nachdenken, über das was war, die Vergangenheit, über das was ist, die Gegenwart und über das was kommen würde, die Zukunft.

Zukunft… wie würde die wohl aussehen?

So wie der Tag heute? Würde seine Zukunft auch so dunkel bleiben?

Ein wenig sah er sich um, sah durch den Nebel, der über dem grauen Boden lag. Er erinnerte an Rauch. Früher war öfter mal Rauch durch die Gitter, die die Gefangen hier gehalten hatte, gezogen.

Feuer… Tod… und Gestank.

Wenn er die Augen schloss konnte er die verzerrten Gesichter sehen und die Schreie hören.

Schnell riss Gilbert die Augen auf, verließ den Platz.

Das war vorbei, Vergangenheit.

Hinter sich zog er das Gitter zu. Kurz blieb sein Blick auf dem Schriftzug hängen „Arbeit macht frei“.

Diesen Vorsatz würde er behalten, er würde arbeiten, um frei zu kommen, arbeiten, damit er seinen Bruder wieder sehen konnte.

Man konnte den Satz in so vielen verschiedenen Weisen auffassen.

Seufzend berührte er die Buchstaben.

Sie waren rostig. Jetzt schon, dabei waren sie gar nicht so alt. Und feucht.

Das musste am Wetter liegen, die letzten Tage hatte es auch nur geregnet. Auch jetzt fing es wieder an zu regnen, ganz langsam, erst ein wenig, dann immer mehr.

Gilbert stand noch immer bei dem Tor, sah den Tropfen beim Fallen zu.

All die Erinnerungen… es war ein bitterer Geschmack, den er wohl niemals loswerden würde. Das was geschehen war konnte man nicht vergessen, man ließ ihn aber auch nicht vergessen.

Er war alleine, hatte ihn eingesperrt… eingesperrt im eigenen Land.

Wenn man das so sagen konnte.

Außer Russland und ein paar der UDSSR-Länder sah er jedenfalls nie jemanden. Dabei wollte er endlich mal seinen Bruder wieder sehen.

Aber man hatte sie getrennt, man hatte eine Mauer gebaut.

Wieder seufzte er, dann zog er die Kapuze seines Mantels über den Kopf und eilte davon. Weg von diesem Ort.
 

Weiter zum nächsten. Noch ein Ort, der ihn nicht vergessen ließ, die Gegenwart durfte er auch nicht vergessen.

Die Berliner Mauer. Eigentlich nur einige aufgereihte dünne Steinplatten, doch trotzdem war sie schlimmer als eine Entfernung von mehreren Kilometern.

Sie trennte ihn von seinem geliebten Bruder, seinem Bruder, dem er blind vertraut hatte.

Und jetzt? Vertraute er ihm noch?

Man hatte ihn für die Fehler seines Bruders bestraft, er war kein richtiges Land mehr und er litt darunter.

Er liebte seinen Bruder noch. Über alles.

Aber vertrauen? Er konnte es nicht sagen… Es war zumindest angeknackst, wenn nicht sogar noch mehr.

Vertrauen war halt doch nur wie ein dünnes Glas.

Es war frustrierend.

Diese dumme Mauer war frustrierend.

Noch frustrierender war es, dass er sie selbst erbauen lassen hatte. Natürlich nicht freiwillig. Nur nach außen hin freiwillig.

Er war vor seinen Männern gestanden, hatte gelächelt und Anweisungen gegeben.

Und nun stand er vor dieser Mauer, an der er einfach nicht vorbei kam, aber unbedingt vorbei wollte.

Irgendwann würde er auf der anderen Seite stehen.

Man hatte ihm versichert, dass es kein Durchkommen gab.

Aber Alles hatte Schwächen.

Selbst das großartige Preußen hatte Schwächen, das musste er sich nun eingestehen.

Hier, alleine, vor dieser Mauer konnte er es sich auch eingestehen.
 

Und die Steine dieser Mauer werden fallen. Und du wirst lachend vor ihr stehen.

Nichts geblieben, nur Ruinen und dein Leben.

Und die Steine dieser Mauern sollen werden, zu einem Turm auf dem du stehst.

Hast dich gefunden, weist wo du stehst, mitten im Leben doch ganz ohne Tränen - Ganz ohne Tränen.
 

Die Zukunft…

Er würde sie so gestalten, wie er es wollte.

Es würde einiges an Kraft kosten, aber er würde dafür arbeiten.

Arbeit macht frei.

Nur er würde dafür sorgen, dass er wirklich frei kam.

Frei im Leben und nicht im Tod.
 

Noch hatte er Bilder von Ruinen im Kopf, sein zerstörtes Reich.

Aber bald schon sollte die Mauer vor ihm auch in Trümmern liegen.

Dann würde er zusammen mit seinem Bruder Deutschland wieder aufbauen. Sie würden zusammen lachen und über das Vergangene weinen. Sie würden zusammen bereuen und leiden.

Und dann konnten sie das Vergangene hinter sich lassen und in der Gegenwart dafür sorgen, dass die Zukunft besser wurde, friedlicher.
 

Fragmente von Ohnmacht, der Gang durch Gänge - ganz ohne Fenster, ganz ohne Licht.

Mit Nerven versteckte Fundamente - Du haust dagegen, doch willst nicht, dass sie bricht.

Sie war dein Schutz und war zudem Barriere, schirmte dich ab, stand dir immer im Wege.

Subtile Gedanken komm' jetzt ins Wanken, reiß sie jetzt nieder, brauchst keine Schranken - Brauchst keine Schranken.
 

Er fühlte nichts. Es war einfach dunkel um ihn, hier in diesem großen Haus.

Russland hatte es erbauen lassen.

Anfangs hatte er Gilbert bei sich in Russland wohnen lassen, doch dann hatte er sich hier seinen Sitz erbaut, ein grauer Klotz. Dabei konnte Ivan so schöner Häuser bauen. Das Gebäude, dass er sich hier erbauen lassen hatte, hatte nichts mit den Bauten in Moskau oder Sankt Petersburg gemein.

Es war genauso trostlos wie die Gebäude, die er in den anderen Sowjetstaaten neu errichten lassen hatte.

Hier sollte Gilbert wohnen und auch Ivan würde hier wohnen wenn er in Berlin war.

Doch Gilbert fühlte sich nicht zu Hause. Er fühlte sich seltsam, man konnte es gar nicht wirklich beschreiben. Irgendwie fühlte er sich hier wie ein hilfloses Kind, auch wenn er es nicht offen zeigte.

Eilig huschte er durch die Gänge. Es war dunkel. Das Gebäude hatte wenige Fenster, manchmal konnte man meinen, es hätte überhaupt keine. Man wollte sich wohl nicht die Umstände machen, die Gläser einzusetzen. Vielleicht aber sollte es auch so dunkel sein… damit er sich so verloren fühlte.

Immerhin war es warm hier drinnen. Das Dach war dicht. Das war doch alles sehr positiv.

Viele Menschen um ihn herum hatten es da nicht so gut.

Die Menschen hier im Osten…

Wie es wohl im Westen war?

Ob es ihnen besser ging? Man bekam keine genauen Informationen, aber doch war jedem klar, dass es so war.

Dem Westen ging es gut.

Wie es wohl seinem Bruder ging?

Ob er ihn vermisste? Würde er versuchen, die Mauer zu überwinden, sie nieder zu reißen?

Gilbert war sich nicht sicher, ob er warten sollte. Vielleicht würde sein Bruder kommen und ihn holen. Er würde die Mauer zerstören.

Diese dumme Mauer, die ihn von der Außenwelt abschirmte.

Aber hatte die Mauer und diese Isolation nicht auch etwas Gutes?

Die Alliierten gaben ihm die Schuld für den Krieg, Preußen war gefährlich.

Dabei war er doch nur seinem Bruder zur Seite gestanden.

So konnte man ihm keine weiteren Vorwürfe machen.

Aber er wollte seinen Bruder wieder sehen…

Er wollte hier weg, doch er kam hier nicht weg, er war eingesperrt, genau wie sein Volk.
 

Aber war es nicht lächerlich?

Er wollte für seine Freiheit arbeiten und wartete darauf, dass Ludwig ihn hier weg holte.

Er wollte nicht einsam sein, wollte sich aber auch den Vorwürfen nicht stellen.

Er war doch das stolze Preußen. Er würde sich den Vorwürfen und Anklagen stellen, den Kopf erhoben halten und aus dem Vergangenen lernen.

Ob er seinem Bruder nun noch vertraute oder nicht, er liebte ihn noch immer und wenn sie wieder zusammen waren, würden sie es besser machen. Sie würden beide aus der Vergangenheit lernen!

Und Russland?

Das wusste er nicht. Irgendwie würde er mit ihm klar kommen… von ihm los kommen.

Irgendwie… Irgendwann…
 

Und die Steine dieser Mauer werden fallen. Und du wirst lachend vor ihr stehen.

Nichts geblieben, nur Ruinen und dein Leben.

Und die Steine dieser Mauern sollen werden, zu einem Turm auf dem du stehst.

Hast dich gefunden, weist wo du stehst, mitten im Leben doch ganz ohne Tränen - Ganz ohne Tränen.
 

Endlich war er in seinem Zimmer angekommen.

Schnell zog er seine Uniform aus und normale straßentaugliche Klamotten an. So fiel er nicht so auf.

Es war erst der Anfang.

Die Mauer würde fallen.

Nicht heute und morgen auch noch nicht, aber bald.

Gilbert eilte zurück in die Stadt.

Dieses Mal ging er nicht zur Mauer, er mischte sich unter die Leute.

Er würde Unruhe stiften, er würde das preußische Kämpferherz in den Leuten wieder wecken.

Lächelnd sprach er einen Mann an.

Erst war er abweisend, vor allem bei seinen Worten, auch wenn sie leise waren. Niemand wollte öffentlich über einen Aufstand oder ähnliches reden.

Doch dann sah er ihm in die roten Augen und schien zu verstehen, er erkannte ihn.

Gilbert wusste genau, was er sagen musste.

Die Worte kamen aus seinem Innersten und er fühlte, dass sie ihn und seine Leute in naher Zukunft die Freiheit schenken würden.

Blad ging er weiter, sprach den nächsten an.

Sie alle würden in der Zukunft lachend vor den Trümmern der Mauer stehen. Zusammen würden sie sie nieder reißen. Dann konnten sie alle ihre Familie wieder sehen.

Man würde sich freuen, über die Dinge, die einem geblieben waren.

Bei den meisten leider nicht viel…

Aber auch die, die kaum noch was hatten, sie würden mit ihm zusammen vor den Ruinen der Mauer stehen und sich freuen, dass sie noch lebten, dass sie diese Zeit überlebt hatten.

Sie würden alle zusammen in die Zukunft sehen, ihr Leben wieder aufbauen.
 

Das war der Anfang vom Ende der DDR.

Gilbert wusste, dass sein Leben damit nicht vorbei sein würde.

Preußen hatte man aufgelöst… die DDR würde auch fallen, doch er stand mitten im Leben.

Er würde lachen, wenn sich der Trubel gelegt hatte, aufräumen und zusammen mit seinem Bruder in eine bessere Zukunft schauen.

Nein… er würde nicht nur in die Zukunft sehen, er würde dafür arbeiten, damit sie wirklich besser war.

Er würde sein Bestes geben, dass weder er, noch sein Bruder, noch sein Volk einen Grund hatten Tränen zu vergießen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Schlagt mich nicht für den Satz "Arbeit macht frei" und den positiven Zusammenhang >.<
Ich hab überlegt, ob ich es wirklich schreiben sollte, aber es hatte so gut gepasst. Komplett anzeigen

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