Zum Inhalt der Seite

Der Weg aus dem Kampf

Wenn Träume Berge versetzen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kopfkino für Magier

Kapitel 53

Kopfkino für Magier
 

Mimoun lachte los, nachdem er seine Verblüffung überwunden hatte. Da hatten sie es wohl ein wenig übertrieben. Um seinen Freund vor dem Wind zu beschützen, legte er seine Schwingen um ihn, zog Dhaôma wieder in seine Arme. Aber schon kam ihm ein hinterhältiger Gedanke.

„Also wir haben nun zwei Möglichkeiten, uns für gestern Abend zu rächen. Entweder wir schleifen sie jetzt schon zum Training, wo ja nun alle wach sind, oder ich leihe mir nachher Vilay aus. Wenn er bei meiner Ansage, was heute auf dem Programm steht, hinter mir ist, hoch erhoben und mit ausgebreiteten Schwingen, dürfte einigen das Herz in die Hose rutschen. Der Vorteil bei Möglichkeit zwei ist, dass wir noch ein wenig Zeit für uns hätten, was uns bei erstens nicht vergönnt wäre.“
 

„Du kannst ihn ja fragen.“, zuckte Dhaôma mit den Schultern. „Aber vorher… Gehen wir fliegen? Ich möchte gerne baden und das Blut komplett abwaschen. Und im Grunde hätte ich dich schon ganz gerne noch mal für mich. Wir waren doch gerade erst endlich wieder für uns, bevor diese Rabauken gekommen sind, um uns zu stören.“

Fröstelnd zog er die Decke etwas höher und kicherte dann. „Sie haben mir eh nur die Decke gegeben, alle anderen wärmenden Kleider sind noch drin und nass, weil Aylen sie ja waschen musste.“
 

Also Möglichkeit zwei.

„Dann hättest du sie jetzt gewaschen. Das würde nichts ändern.“ Tyiasur kam angeschossen und wickelte sich um den Hals seines Reiters. Er hatte dessen Vorhaben gelesen und kein Interesse daran, alleine oben zu bleiben. Mimoun griff einmal um und schwang sich mit seinem Freund im Arm in die Luft, ganz wie früher. „Vilay, komm mit.“, rief er dem trägen Drachen zu. „Wir gehen auf die unteren Ebenen.“

Es war ein beruhigendes Gefühl wieder so durch die Luft zu gleiten. Wie hatte er es vermisst, den warmen Körper Dhaômas dicht bei sich zu haben, das Vertrauen zu spüren, das ihm dieser entgegen brachte, nur durch die Tatsache, dass er sich tragen ließ.
 

Reflexartig hielt Dhaôma sich fest. Seit Tyiasur mit Mimoun flog, hatte er nicht mehr den Hals und musste auf die Schultern zurückgreifen. Aber es fühlte sich großartig an. Es war so zwar nicht so frei, aber trotzdem viel schöner.

Glücklich kuschelte er sich in die starken Arme. „Du bist der Größte!“, versicherte er seinem Freund. Unter ihnen floss ein großer Fluss entlang, aber sie suchten einen See. Mit ein bisschen Glück hatte dieser noch ein wenig von der Wärme des Sommers, aber es war dennoch unwahrscheinlich. „Was glaubst du, wie lange wir noch bleiben können? Und wird uns Kaley wirklich noch weglassen? Er scheint dich wirklich gern zu haben und große Stücke auf dich zu halten.“
 

Nachdenklich ließ sich der Geflügelte vom Wind tragen. Die Flügel bewegte er kaum, als er gedankenverloren dem Fluss folgte. „Er wird uns gehen lassen müssen. Auch hier wird früher oder später die Kälte hereinbrechen. Es wäre allein schon wegen der Drachen unverantwortlich zu bleiben. Und Verantwortungslosigkeit ist ein Wesenszug, den er nicht akzeptieren kann.“ Tyiasur löste sich und fiel in das Wasser unter ihnen, folgte dort weiter ihrer Bahn. „Ich kann nur nicht sagen, wie lange es noch dauert. Ich würde gerne noch länger bleiben, damit sie viel mitbekommen, bevor sie gehen müssen.“
 

„Sie sollen gar nicht gehen.“, ereiferte sich Dhaôma heftig. „Verdammt! Ich will, dass das endlich aufhört! Können sie denn nicht sehen, dass das, was sie tun, falsch ist? Sie sind alle so jung! Sie haben Spaß am Leben und sind offen für Neues! Warum müssen sie kämpfen?“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Ich will es endlich beenden…“ Sein Kopf fiel gegen Mimouns Schulter und blieb dort liegen, sein Blick ins Leere gerichtet. „Ich habe das Gefühl, dass die Mauer, die zwischen mir und meinem Traum liegt, unendlich höher ist als die Insel der Drachen.“
 

„Das ist sie auch.“, stimmte Mimoun leise zu. „Sie sind blind. Sie sehen nicht ein, den ersten Schritt zu tun. Warum auch, wenn von den Magiern nichts Vergleichbares kommt? Bisher waren wir nur unter meinesgleichen, aber von deinem Volk haben wir bisher nicht einen einzigen überzeugt. Fiamma ist zu klein, um es zu verstehen. Bei dem Mann in ihrem Dorf hab ich es dummerweise versaut. Und Lesley ist eine andere Geschichte. Solange wir bei den Magiern nichts erreichen, keine Fortschritte zu verzeichnen haben, wird der Rat uns nicht genug Vertrauen entgegen bringen. Wir sind zwei kleine Lichter im Sturm, schon vergessen?“
 

„Nein.“, murmelte Dhaôma. In ihm brannte das Verlangen zu weinen, angesichts seiner Ohnmacht. „Vielleicht sollten wir beim nächsten Dorf Tyiasur fragen, ob er uns nicht helfen will, sie zu fragen, ob sie genug vom Krieg haben und etwas dagegen unternehmen wollen.“ Und dann hellte sich seine Miene sichtlich auf. „Ai, die Idee ist phantastisch! Lass uns das wirklich machen! Und wir sagen ihnen, dass alle, die den Krieg beendet sehen wollen, zum Waldrand kommen sollen. Ist das eine Idee?“
 

„Oh ja. Gute Idee. Eine Stimme in ihren Köpfen bittet die Kriegsmüden zum Waldrand. Mal sehen wie viele dann aus reiner Neugierde kommen. Und wie viele es sein lassen aus Furcht und Misstrauen.“ Mimoun rieb seinen Kopf an Dhaôma. Er wollte ihm nicht die Stimmung vermiesen oder seine Ideen madig machen. „Aber ja. Wir können bei dem nächsten kleineren Dorf anfangen. Nur die Vorgehensweise werden wir noch besprechen müssen.“ Aber das war ein Thema, das auch später noch geklärt werden konnte. Im Sturzflug ging es tiefer, bis knapp über das Wasser. Mit einem Ruck ließ er Dhaôma los und ergriff dessen Hände. Lachend arrangierte er das Ganze ein wenig um und ging noch ein Stück tiefer, so dass der Magier nun in Flugrichtung sah und die Füße das Wasser berührten. Der kleine Wasserdrache sprang ausgelassen um ihn herum.
 

Vor Schreck lachend zog Dhaôma die Beine an, denn das Wasser war eiskalt. Beinahe zu kalt, um sich wirklich zu überwinden, aber leider musste es sein. Also war er mutig und streckte die Beine wieder aus. Natürlich spritzte es und brachte ihn in die Lage, das Gesicht dem Wasser zugewendet recht schräg zu stehen. Vermutlich behinderte es auch Mimoun beim Fliegen.

„Hey mein Freund, wie wäre es, wenn wir in seichtere Teile fliegen würden?“

Über ihnen zog der Schatten Lulanivilays vorbei, der beschloss, Futter zu suchen. Selbst dieses kalte Wasser lähmte ihn nur ein klein wenig, sodass er noch immer Beute machen konnte.
 

Nur wenige Meter ließ er seinen Freund so hängen, bevor er wieder höher flog und Dhaôma mit einem Ruck zurück in seine Arme beförderte. Jetzt lachte der Magier wieder. Schön. Die trüben Gedanken waren fürs erste beseitigt. Und dafür hatte Mimoun nicht einmal viel tun müssen.

Endlich an einem See angekommen, landete der Geflügelte in einer natürlichen kleinen Bucht, die von hohen Gräsern umsäumt war. Die Erde war feucht und kühl. Aber sie bildete keinen Schlamm wie Tyiasur nach einem missglückten Rutschversuch missgelaunt fauchend feststellte.

Lachend kommentierte Mimoun diese Aktion und stellte seine Last endlich ab. Ja. Hier war eine gute Stelle. Hier waren sie ungestört.

Mimoun buddelte eine Kuhle für seinen Drachen, die er mit Schlamm füllte. Belustigt sah er seinem Schlammwürmchen beim Suhlen zu.

Als der Geflügelte aufsah, war die gute Laune, die beim Anblick von Tyiasurs Spiel gekommen war, dahin. Nur noch wenige Spuren auf dem blassen Rücken deuteten darauf hin, wie knapp der Magier mit dem Leben davon gekommen war. Wieder sah Mimoun die roten Male, die von dem Angriff übrig geblieben waren, das frische Blut, das noch an der Haut geklebt hatte, die Zeichnungen teilweise unkenntlich machend.

Stocksteif erhob er sich und trat hinter seinen Freund. Federleicht fuhren seine Finger über die für andere nicht mehr sichtbaren Stellen und schlang ihm anschließend einen Arm um den Bauch und einen quer über die Brust, zog ihn an sich.
 

Den Umschwung in der Stimmung hatte Dhaôma nicht mitbekommen, da er damit beschäftigt war, sich auch die Hose auszuziehen, damit sie nicht noch nasser werden konnte. Aber Mimouns Arme verhinderten das recht effektiv, sodass sie nun auf Höhe der Knie hing. Etwas schien dem Schwarzhaarigen an die Nieren zu gehen und so, wie er sich verhielt, war das wohl Verlustangst oder Trauer. Fast wütend presste Dhaôma die Lippen zusammen. Seitdem sie von der Insel der Drachen zurück waren, kam Mimoun kaum noch aus dieser Stimmung heraus. Es passierte zu viel, ständig musste er Angst haben. Es wurde wirklich Zeit, dass das aufhörte.

Sachte legte er seinen Kopf gegen Mimouns und entspannte sich. „Hey, es war nicht deine Schuld. Und ich habe es überlebt.“, murmelte er beruhigend und streichelte die rauen Hände.
 

„Ja.“, erwiderte Mimoun leise. „Aber es war zu knapp. Und es war ein Fehler, den ich von ihm nicht gewohnt bin. Er ist besser gewesen.“ Es war beruhigend zu wissen, dass Dhaôma nun einen Feind weniger zu fürchten hatte. „Und nur damit das klar ist: Auch wenn wir nicht mehr auf der Trainingsinsel sind, wirst du trainieren. Ausweichen, Reflexe und immer ein Ohr und ein Auge auf die Umgebung gerichtet. Und ich werde dir eine Rüstung aus Drachenhaut verpassen und sie dir notfalls selbst an den Körper nähen.“
 

„Wenn es dich beruhigt, werde ich das tun.“, versprach Dhaôma, selbst wenn er noch so wenig Interesse daran hatte. Aber wahrscheinlich hatte er sich für ein wirklich friedliches Leben einfach den falschen Weg ausgesucht. „Bist du dann mein Lehrer? Und viel wichtiger: Wirst du auch so eine Rüstung tragen? Wenn du doch sowieso einen Drachen um diesen Gefallen bittest…“
 

„Ja, es würde mich beruhigen. Und ja, wenn der Drache groß genug wäre, würde ich für mich auch eine fertigen lassen.“ Mimoun hauchte seinem Freund einen Kuss auf die Schulter und löste sich endlich von ihm. Der Geflügelte begann sich seiner Kleider zu entledigen. „Schließlich bist du genauso wenig von der Tatsache begeistert, wenn ich verletzt werde, wie es umgedreht der Fall ist. Also muss ich diese Zwischenfälle irgendwie vermeiden, nicht wahr?“
 

„Und wann wirst du gehen?“, fragte Dhaôma fröstelnd und hockte sich hin, um die Beinlinge endlich abzustreifen. „Du hast versprochen, mit mir den Winter zu verbringen und Silia bei der Geburt zu begleiten. Wir wollten zu den Magiern gehen, wenn der Frühling kommt, nicht wahr?“
 

Ergeben seufzte der junge Geflügelte. „Ich weiß. Aber da mein Leben seit der Begegnung mit dir nicht mehr nach Plan läuft, macht es sowieso wenig Sinn zu sagen, dann und dann geh ich. Ich schau einfach mal, wann sich dieser Teil meines Lebens ergibt.“ Er zuckte amüsiert mit den Schultern. „Aber ich beschwer mich auch gar nicht. Schließlich habe ich Dank dir noch ein Leben.“
 

So war das also. Mimoun folgte ihm und richtete sich nach ihm aus. Aber offenbar störte es ihn wirklich nicht.

Dhaôma hakte diesen Teil der Diskussion ab. „Mal sehen, wie lange ich drin bleiben kann.“, rief er und sprang kopfüber ins klare Wasser. Unter Wasser schrie er, weil es eiskalt war, aber als er heraufkam, um Luft zu schnappen, lachte er. Es war wirklich toll, wieder schwimmen zu gehen. Vor wenigen Monaten mit Hondaran hatte er gelernt, dass es Spaß machen konnte, Magie zu wirken, während man im Wasser war. Gerade jetzt ließ er die Strömung direkt um sich herum stärker werden, damit er schneller schwimmen konnte.
 

Im Gegensatz zu seinem eindeutig übermütigen Freund blieb Mimoun in Ufernähe. Kopfschüttelnd sah er ihm nach. Wann hatte er das letzte Mal so ausgelassen getobt? Auf der Insel der Drachen war ihre Zeit hauptsächlich mit Training gefüllt gewesen. Die Zeit danach... Unwirsch schüttelte er den Kopf. Er wollte nicht daran denken. Und nun waren sie auf dieser Insel unter Kaleys Fuchtel. Erneut schüttelte der junge Geflügelte den Kopf. Es wurde wirklich Zeit, dass sie wieder unter sich waren.

Langsam schlenderte er ein wenig am Ufer entlang, die Füße durch die leichten Wogen schiebend. Seine Finger fuhren über die langen, faserigen Gräser. Mit einem kurzen Schmunzeln setzte er sich ins Wasser und begann, einzelne Halme abzureißen und miteinander zu verweben. Auch wenn sie nicht lange halten würden. Die Kette, die entstand, würde Dhaôma wieder zu seinem Blumenkind machen.
 

Dhaôma hielt wirklich nicht lange durch. Egal, was er tat, das Wasser wurde durch seine Magie nicht wärmer und der Winter stand kurz bevor. Nach nur einigen Minuten hechtete er atemlos aus dem Wasser und begann an Land zu rennen, um wieder warm zu werden. Die Zeichen auf seinem Rücken leuchteten, während all das Wasser aus seinen Haaren und von seiner Haut rann und ungesehen winzige Tröpfchen in der Luft bildete, die beinahe Nebel hervorriefen. Kaum fünfhundert Meter weiter drehte er auf dem Absatz um, spurtete zurück und zog sich in Windeseile an. Seine Haut brannte von der Kälte.

„Du bist rot wie ein Krebs, Freiheit.“, erklärte ihm Lulanivilay, der mit einer kleinen Erschütterung des Bodens hinter ihm landete.

„Das ist mir klar.“ Lachend sah sich Dhaôma nach seinem schwarzhaarigen Hanebito um. „Mimoun? Was machst du da? Wenn wir zu spät kommen, kriegst du wieder Ärger.“
 

Begleitet von leisem Summen fand auch der letzte Halm seinen Platz in dem Kranz. Noch einmal prüfte Mimoun die Ausrichtung der feinen, weichen Büschel und erhob sich schließlich ebenfalls aus dem Wasser.

„Jaja.“, kommentierte er den Hinweis seines Freundes und hing ihm die Graskette um. Vorsichtig korrigierte er einige falsch liegende Halme, so dass alle nun nach außen und unten zeigten. „Bin gleich fertig.“ Kurz schüttelte er sich. Er war nicht komplett unter Wasser gewesen, darum half ihm das nicht viel bei der Entfernung überschüssigen Wassers. Flink fuhren seine Hände an seiner Haut entlang, um es abzustreifen.
 

Dhaomas Wangen waren rot geworden vor Freude über das Geschenk, jetzt kicherte er. „Soll ich?“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er seine Magie fließen. Das Wasser schien magisch von ihm angezogen zu werden und sammelte sich in einer kleinen Blase über seiner Hand. Es war ganz dunkel von Schmutz und Staub. „So ist das weit effektiver, meinst du nicht?“
 

„Ja. Und auffälliger.“, lachte der Geflügelte, während er in seine Kleider schlüpfte. „So kann ja jeder sehen, dass ich ein kleiner Schmutzfink bin. Und dabei häng ich doch so an meiner Schmutzschutzschicht.“

Dhaômas Freude ließ sein Herz höher schlagen. Dabei wollte Mimoun so was gar nicht. Und trotzdem tat er es immer wieder. Selbstfolter schien ihm wohl zu gefallen.

Bevor sein Freund auch nur auf die Idee kommen konnte, auf Lulanivilays Rücken zu klettern, hielt der Geflügelte seine Hüften umschlungen. „Und? Sind wir brav und machen uns auf den Rückweg oder rebellieren wir noch ein wenig gegen die Obrigkeit?“
 

„Wir fliegen zurück.“, lächelte Dhaôma weich und schmiegte sich an ihn. „Auch wenn du warm bist, ist das hier auf Dauer einfach keine Lösung. Es ist einfach zu kalt.“

Der Rückflug war genauso lässig wie der Hinflug. Mimoun schwebte mehr und ließ sich von Winden treiben, während sie sich über die Richtung unterhielten, in der ihr Ziel liegen könnte. Und kurz bevor sie die Insel erreichten, begann es zu schneien. Kleine weiße Flocken rieselten auf sie herab und ließen Dhaôma betroffen aussehen. War es wirklich schon so kalt? Hatte er sich an die Kälte etwa gewöhnt, so dass er es gar nicht mehr mitbekam, wenn es fror? Genug Training hatte er ja.

„Wir müssen weiter.“, teilte er Mimoun mit, was ein paar der Rekruten hörten, die ihnen entgegengekommen waren. „Wird wohl nichts mit Pflichterfüllung. Wir wissen schließlich nicht, wie kalt es nachts wird, und ob Lulanivilay sich morgen früh noch bewegen kann.“

Natürlich gab das Protest, aber den ließ Dhaôma nicht gelten. Er schickte ihnen derartig böse Blicke, als vorgeschlagen wurde, die Drachen alleine loszuschicken, dass sie allesamt verstummten. Als sie landeten, war Kaley da und sah die beiden jungen Männer und ihre Haustiere mit dunklen Augen an. Letztlich seufzte er und zuckte ergeben mit den Schultern.

„Das war’s dann wohl mit dem Training.“ Seine Stimme klang dunkel und unterschwellig drohend. „Aber das wird kaum für einen Kampf reichen. Ihr werdet wiederkommen müssen. Und üben, während ihr euch in den lauen Gefilden vor der Realität versteckt.“
 

Eindeutig genervt rieb sich Mimoun mit den Fingern an der Nasenwurzel. „Wir wollen keinen Kampf, sondern ihn beenden.“, erklärte er zum x-ten Mal. „Außerdem verstecken wir uns nicht. Ich habe Euch schon einmal erklärt, dass ich es nicht mag, wenn meine Freunde in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.“ Um dem Ganzen ein wenig die Schärfe zu nehmen, lächelte er und deutete auf Dhaôma. „Und keine Sorge. Weiter üben habe ich ihm schon angedroht.“ Damit wandte er sich ab und suchte ihre Sachen zusammen.
 

Dhaôma hatte es nicht so einfach, denn die Rekruten bedrängten ihn, ihnen Mimoun zu überlassen, was er nicht wollte. Irgendwann wurden sie anzüglich, warum er ihn denn unbedingt brauchte, wo er doch mit Lulanivilay einen hervorragenden Beschützer hatte, dass er nicht so selbstsüchtig sein sollte, einen der Ihren so in Beschlag zu nehmen. Und gerade wollte er wütend werden und ihnen sagen, dass es Mimouns Wunsch war, dass er selbstsüchtig war, da mischten sich seine Freunde aus Mimouns Heimat ein. Rai stellte sich mit verschränkten Armen vor ihn hin und wirkte sehr wütend, der schweigsame Einel legte ihm eine Hand auf die Schulter und brachte mit einem tiefdunklen „Genug!“ alle zum Schweigen. Dann bauten sich Aylen und Thatos wie zwei Racheengel mit weit gespreizten Flügeln vor ihnen auf.

„Ihr habt sie ja nicht mehr alle!“, fauchte die junge Frau leidenschaftlich wütend. „Er ist es immerhin, der dafür sorgen wird, dass ihr alle unversehrt zu euren Familien zurückkehren könnt, weil er den Krieg beenden wird!“ Sie stellte es als unumstößliche Tatsache hin, was Dhaôma zum Schmunzeln brachte. „Und wenn Mimoun nicht auf ihn aufpassen würde, würde dieser Tollpatsch doch im nächsten Canyon ersaufen oder von einem wilden Tier gefressen werden!“

Der Magier wollte wieder protestieren, da schaltete sich Thatos ein, nicht minder erregt. „Ja, Mimoun mag für euch ein geschätzter Lehrer sein, aber für die Zukunft ist es unerlässlich, dass er mit Dhaôma reist, lernt und seiner Berufung als Drachenreiter folgt! Jemand mit Wind in der Seele wird euch eh niemals lange erhalten bleiben, da es ihn immer weiterzieht.“

„Und wenn ihr bereit seid, jemanden – und seien es nur die Drachen – zu opfern, um euren angenehmen Trainingsalltag nicht zu verlieren, bin ich der Meinung, dass ihr alle eine Strafrunde verdient habt!“, ereiferte sich Aylen. „Es bedeutet nämlich, dass ihr das alles hier überhaupt nicht ernst nehmt!“ Sie sah versichernd zu Kaley, der zustimmend nickte und sich ein leicht vorfreudiges Grinsen nicht verkneifen konnte. „Also seid brav und lasst die Drachenreiter gehen, damit sie euch Frieden bringen können, wie sie es versprochen haben!“

Kleinlaut nickten ein paar, andere wirkten verunsichert, wieder andere direkt wütend. Und Dhaôma lachte leise, weil er es lustig fand, wie sie sich für ihn einsetzten. Ob Mimoun das mitbekommen hatte? Wenn ja, würde er sich sicherlich auch freuen.
 

Es war nicht schwer, ihre wenige Habe zusammenzuklauben, doch gerade als Mimoun wieder ins Freie treten wollte, wurde es draußen laut. Misstrauisch runzelte er die Stirn, aber als er die Lederplane beiseite schob und lauschte, wurde sein Gesichtsausdruck weicher. Bei Aylens flammender Rede und ihren Androhungen entfuhr ihm ab und zu ein Kichern. In ihm wuchs der Wunsch, seine Freunde zu beschützen. Sie durften nicht sterben. Nicht in einem Krieg ohne Sinn.

„Ich glaube, ich verfasse einen straffen Trainingsplan für euch Pfeifen und auf meinem Rückweg teste ich euch dann.“, drohte der junge Geflügelte, als er schließlich nach draußen trat. „Meine Flughöhe erreichen, einen anderen über Stunden tragen. Und das wäre nur der Anfang. Wir wollen ja keine Langeweile aufkommen lassen.“ Langsam war er an Dhaômas Seite getreten und reichte ihm mit einem Lächeln seine Habseligkeiten. Ein Stöhnen der Umstehenden erreichte sein Ohr, als er sich dem Ratsmitglied zuwandte. „Beschützt sie bitte, solange ich nicht da bin.“ Das Stöhnen erklang erneut. Jeder ahnte, dass diese Bitte in exzessivem Training enden würde.
 

Dhaôma nahm alles und schnallte Lulanivilay den Haltegurt um, während einige ihnen Proviant besorgten. Dann zog er seine Pelze an und schnallte die Taschen fest. Geduldig hielt der Drache still. Wenig später drückte ihm Kaley Bogen und Köcher in die Hände.

„Üben!“, war sein Kommentar, der wohl freundlichste Abschied, den er erwarten konnte.

„Danke.“ Respektvoll neigte der Magier den Kopf. „Passt auf Euch auf. Asam wird Euch brauchen, wenn es darum geht, den geschaffenen Frieden zu bewahren.“

Der Blick, der ihn traf, war eisig. „Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.“

„Natürlich.“

Als Dhaôma aufsteigen wollte, fiel ihm Aylen um den Hals. „Pass auf dich auf, du Träumer. Und unterstütze Silia, wenn sie dich lässt.“

„Sicher.“ Er umarmte das Mädchen und dann wurden er und Lulanivilay von Abschiedsgrüßen überschüttet.
 

Auch die anderen zwei blieben davon nicht verschont und dem jungen Drachenreiter fiel der Abschied diesmal schwer. Dies hier waren noch halbe Kinder, die dazu ausgebildet wurden, im Krieg zu sterben. Lieb gewonnene Freunde, fernab der schützenden Heimat.

Sie mussten etwas tun! Diesen Winter noch! Sie durften keine weitere Zeit verlieren, wenn das Sterben enden sollte.

Er wurde aus seiner depressiven Stimmung gerissen, als hartes Leder schmerzhaft seine Brust traf. Keuchend entwich sämtliche Luft seinen Lungen und verständnislos sah er zwischen der Rekrutenrüstung und Kaley hin und her. Dieser streckte auch ihm Pfeil und Bogen entgegen. „Wir können dich schlecht nackt ziehen lassen.“

Völlig überfordert wusste Mimoun nicht, was er sagen sollte. Sein Blick glitt über den Brustharnisch. Er war bei weitem nicht so stabil und ausgereift wie der seines Vaters, außerdem fehlten Schulter- und Lendenschutz. Sie war generell zu leicht.

Es war, als hätte Kaley seine Gedanken gelesen. „Widerspruch wird nicht geduldet. Deine Aufgabe ist gefährlich genug.“

„Ich kann sie nicht annehmen. Es gibt genug, die sie dringender brauchen.“

„Auf ihn!“, brüllte Aylen und schon folgte eine Handvoll Jungen ihrem Ruf und zwangen den jungen Mann in die Rüstung. „Keine Widerrede!“, wiederholte das Mädchen dunkel knurrend und tippte Mimoun auf die Brust. „Wenn du Dhaôma beschützen willst, nutze gefälligst alle Möglichkeiten, du Narr!“

Mit einem resignierenden Lächeln gab Mimoun klein bei. „Danke.“ Er ergriff die Hände seiner Kindheitsfreundin und drückte sie. „Passt gut auf euch auf. Wir sehen uns im Frühling.“

Sie nickte nur, als er sich zu Kaley umwandte, den Bogen annahm und ihn noch einmal um Schutz für die Kinder bat. Dann schwang er sich in die Luft. Sie wollten nicht zu lange hier verharren, damit Lulanivilay durch die fehlende Bewegung nicht auskühlte.

Beinahe die Hälfte der Rekruten erhob sich ebenfalls, um sich noch ein Stück des Weges zu begleiten.
 

Selbst Lulanivilay hielt sich zurück, um die Gesellschaft der Freunde noch ein wenig zu genießen, doch als der Wind schärfer wurde und die Flocken dichter fielen, ließ er sich tragen. Er liebte es, auf dem Wind zu reiten, da nahm er doch keine Rücksicht auf jemand so langsames. Die Hanebito blieben schnell hinter ihnen.

Dhaôma blickte nach vorne, sobald Lulanivilay die Geschwindigkeit anzog. Vorfreude kribbelte in ihm. Sie würden wieder Land finden, das er noch nicht kannte. Was würden sie dort finden? Ob es neue Pflanzen gab? Ob Mimoun etwas fand, das ihnen helfen konnte?

„Eine Stadt.“, machte sein Drachenfreund ihn am Nachmittag auf die von Bäumen umgebene Siedlung aufmerksam und drehte schon bei.

Winkend teilte Dhaôma das Mimoun mit. Sie würden das gleiche tun wie immer: darüber hinweg fliegen und ihnen zeigen, dass es sie gab.
 

Unruhig streiften grüne Augen über die unter ihnen auftauchenden Gebäude. Zwar war es sein Vorsatz, den Frieden auch bei den Magiern in Bewegung zu setzen, aber doch nicht so schnell. Seufzend ging er diesmal ebenfalls tiefer und seine Gedanken arbeiteten auf Hochtouren. Wenn er hinter oder über Dhaôma flog, konnte es von den Magiern als Bedrohung für den Drachenreiter aufgefasst werden. Wenn er vor ihm flog, konnten sie auf die Idee kommen, der Drachenreiter bekämpfe gerade einen Geflügelten. So hielt sich Mimoun direkt neben seinen Freunden. Seite an Seite glitten sie gut sichtbar über die Stadt.

Der anfangs aufbrandende Jubel erstarb innerhalb von Sekundenbruchteilen, als sie seiner gewahr wurden. Tyiasur übermittelte ihnen unterschiedliche Gedanken. Verwirrung und Sorge um den Friedensbringer. Sogar die Möglichkeit einer Zähmung des wilden Feindes wurde in Betracht gezogen.

Das war die Möglichkeit, dachte Mimoun. Wenn dieser Gedanke vorherrschte, würden sie ihn nicht so leicht als Bedrohung einstufen und ihn angreifen. Auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Dieses Missverständnis konnten sie später aus dem Weg räumen, wenn keine Gefahr mehr für den Geflügelten drohte.

„Lass uns landen. Lass uns mit ihnen reden.“, rief Mimoun zu seinem Freund hinüber.
 

Erschrocken fuhr Dhaôma herum. „Was?“, keuchte er. „Mimoun! Keiner von uns kann einen magischen Angriff wirklich abwehren! Wenn sie angreifen, bist du tot!“
 

„Aber sie denken zum Teil, dass du mich gezähmt hast. Wenn wir sie in dem Glauben lassen, werden sie in mir keine Bedrohung sehen.“, widersprach Mimoun.

Und Tyiasur setzte dem noch hinzu: „Ich lasse nicht zu, dass sie ihm schaden.“ Der Geflügelte schob diese Aussage auf die Fähigkeit seines Drachens, Gedanken zu lesen, und kraulte ihm dankbar das Kinn. Dieser entzog sich der Berührung und schüttelte träge den Kopf. „Sie werden nicht angreifen können.“
 

„Was meinst du damit?“, rief Dhaôma, vergessend, dass seine Stimme Tyiasur auch ohne Worte erreichen würde. Gleichzeitig gab er Lulanivilay das Signal, ein wenig hinauf zu fliegen, damit möglicherweise scharfe Ohren sie nicht hören konnten. Außerdem waren sie gerade viel zu abgelenkt, um auf mögliche Angriffe zu reagieren.

„Ah, das ist einfach.“, antwortete ihm Lulanivilay im üblichen neutralen Ton. „Er kann den Bach verstopfen und verhindert damit, dass der See ausläuft.“

Sprachlos stand Dhaôma der Mund offen. Was konnte er? Bach? See? Das waren die Metaphern gewesen, die er Lulanivilay gegeben hatte, um seine Magie zu kontrollieren. Also konnte er… die Magie versiegen lassen? Blitzschnell folgten Bilder, in denen er plötzlich nicht mehr hatte zaubern können und einen schrecklich unangenehmen Druck auf der Haut gespürt hatte, in denen selbst Lulanivilay Probleme hatte und der Wind um die Insel verstummte oder Wasserfontänen versiegten. Das ungelöste Mysterium. „Das bist du gewesen, Tyiasur?“ Was für eine erschreckende Macht.
 

„Ja.“, war die einfache Antwort des kleinen Drachens, ohne Freude oder Begeisterung gesagt. Eine einfache Feststellung. Dann erklärte er es seinem Reiter erneut, da dieser dem Ganzen nicht ganz hatte folgen können. Mimoun war begeisterter von dieser Tatsache.

„Ehrlich?“, hakte der junge Geflügelte noch einmal nach. „Du bist der Wahnsinn. Absolut der Größte!“ Verlegen drückte der Wasserdrache seinen Kopf gegen den Hals seines Reiters. „Gibt es noch ein paar Geheimnisse, die du uns nicht sagst?“

Einige Zeit herrschte Schweigen und Mimoun freute sich schon auf neue, beeindruckende Fähigkeiten seines Freundes. „Leoni wäre böse. Sie möchte, dass ihr das Hindernis alleine bewältigt.“

Auch wenn er nicht wusste, was sein Drache meinte, bohrte der junge Reiter auch nicht weiter. „Das meine ich nicht. Ob du noch andere Fähigkeiten hast, wollte ich wissen.“

„Nein.“

Das war nicht schlimm, befand Mimoun und wandte sich dem Magier zu. „Also was ist? Jetzt haben wir den besten Schutz, den man sich wünschen kann. Niemand kann uns noch Gewalt antun.“
 

Wenn das so war… „In Ordnung.“ Ein breites, liebevolles Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Seine Familie war einfach die beste! Allein, dass Mimoun bereit war, das Risiko einzugehen, war schon heldenhaft und mutig, aber dass das Risiko durch Tyiasur minimiert wurde, machte seinen Wunsch auf ein Gespräch durchführbar. Den Magiern blieb überhaupt nichts anderes übrig, als sie anzuhören! „Vilay, landest du bitte auf dem großen Platz da unten? Sie können mit Pfeil und Bogen nicht wirklich umgehen, das heißt, aus der Entfernung können sie nicht angreifen ohne ihre Magie. Wenn sie sich auf dich stürzen, kannst du wegfliegen, ja?“

„Sicher.“

„Mimoun? Bleib dicht bei mir, ja?“
 

„Natürlich.“, antwortete dieser. Sanft glitten seine Finger wieder über den schlanken Leib um seinen Hals. „Und du schone deine Kräfte. Versuchen wir es erst, ohne zu drastischen Mitteln zu greifen. Sobald sie Anstalten machen, uns anzugreifen, kannst du sie blockieren.“ Dieses Wissen übermittelte Tyiasur an Dhaôma, damit dieser auf diese Tatsache vorbereitet war und sich nicht wundern musste.

Und dann gingen sie tiefer. Mimoun hielt sich dicht bei Lulanivilay, blieb an seiner Seite, als sie den großen Platz ansteuerten, was niemandem dort unten verborgen blieb. Die wuselnde Menge unter ihnen strömte ebenfalls in diese Richtung, während sie den Platz hastig räumten.
 

Lulanivilay landete nicht so weich wie sonst. Die Erde bebte leicht, als er die Flügel ein paar Meter über dem Boden einfach einklappte und sich fallen ließ. Schlitternd, die Krallen in den Boden gerammt, bremste er ab und blieb hoch aufgerichtet und angespannt stehen. Er hatte nicht vergessen, dass die Jagmarr dafür bekannt waren, Drachen zu jagen, da wollte er besonders stark aussehen, um sie zu entmutigen.

Dhaôma kam das nicht ganz so gelegen, dass die Gesichter der Menschen um sie herum furchtvoll zu ihnen blickten. Er seufzte, konnte seinem Freund daraus aber keinen Vorwurf machen. Liebevoll klopfte er ihm auf die Schulter, bevor er von dem großen Rücken herunter glitt und darauf wartete, dass Mimoun neben ihm landete.

„Seht mal.“

„Der Drachenreiter!“

„Ein Heiler.“ Ehrfürchtig wehten die Stimmen durch das einsetzende Gemurmel.

„Ein Heiler, der mit einem Hanebito unterwegs ist.“

„Und er landet hier! Er muss gezähmt sein, sonst würde er sich das doch nicht trauen!“

„Er hat ihn gezähmt wie den Drachen.“

„Aber der Hanebito hat auch einen Drachen.“

„Das sieht mehr nach einer Schlange aus.“

„Aber so blaue Schlangen gibt es doch nicht!“

„Ist er auch ein Drachenreiter?“

„Aber das würde doch bedeuten…“

Sanft griff Dhaôma nach Mimouns Hand und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, bevor er die Stimme erhob. „Friede sei mit euch zwischen Himmel und Wasser. Dieser junge Mann ist ein Freund von mir, keinesfalls ein Haustier. Das gilt auch für die beiden Drachen. Und wir sind nicht hier, um jemandem zu schaden. Wir möchten nur mit euch reden.“
 

Der Druck um die Hand wurde verstärkt, als Mimoun seinen Freund anlächelte.

„Es ist schon in Ordnung. Es macht mir nichts mehr aus.“ Vor allem, weil er den Magiern irgendwie beipflichten konnte. Dieser Junge hier hatte ihn wirklich ganz schön gezähmt. Er ließ eine ganze Menge über sich ergehen, nur damit Dhaôma glücklich war.
 

Eine Frau trat aus dem Kreis. Sie war sehr gut gekleidet und schon älter. Ihre Haltung verriet Dhaôma, dass sie wie er zu den höher gestellten Magiern gehörte. „Was hat das hier zu bedeuten? Niemals ist der Drachenreiter in einer Stadt gelandet. Und von einem Hanebito hat auch noch niemand erzählt.“

„Das liegt daran, dass er bisher nicht bereit war, mit jemandem zu sprechen.“

„Also bist in Wahrheit du derjenige, der gezähmt wurde?“

„Mich musste niemand zähmen, Mylady. Ich war von Anfang an gegen den Krieg.“

„Wer bist du?“

Der junge Mann wandte sich ihr vollständig zu und nahm Haltung an, wie es seiner Stellung gebot. „Ich bin Dhaôma en Finochinu en Regelin und ich komme aus Helgen, einer Stadt an der Steppe zum Nordwald.“

Ihre Augen weiteten sich und auch einige der anderen wirkten verwirrt und erstaunt, andere wirkten verängstigt. „Dhaôma en Finochinu en Regelin? Etwa der Bruder von Radarr en Finochinu en Regelin, dem Kriegshelden?“

Davon hörte Dhaôma zum ersten Mal. Sein Bruder war ein Kriegsheld? Er war wirklich zu lange fort gewesen.

„Bist du etwa eben jener Heiler, der zusammen mit den Hanebito das Dorf im Norden zerstört hat?“

„Ai?“ Irritiert schüttelte der Braunhaarige seine Mähne. „Ich sagte doch, ich bin gegen den Krieg. Warum sollte ich also ein Dorf zerstören?“

Ein rothaariger Magier trat neben sie. Er sah ihr ähnlich, vielleicht war er ihr Sohn. „Es wurde vor einem streunenden Magier namens Dhaôma gewarnt, weil dieser gemeinsame Sache mit den Hanebito macht. Aber wir wussten nicht, dass du der Bruder eines unserer Generäle bist.“

Er fing einen strafenden Blick von seiner Mutter auf, die sich dann wieder der seltsamen Gruppe zuwandte. „Es ist nicht bekannt, dass Radarr en Finochinu en Regelin einen noch lebenden Bruder hat. Bis auf seine Mutter fiel seine ganze Familie im Krieg.“

„Also ist Finochinu noch am Leben.“, stellte Dhaôma fest und lächelte schwach. „Es ist mir eigentlich egal, ob ihr mir glaubt, wer ich bin, aber ich habe kein Dorf zerstört.“
 

„Es wundert mich gar nicht, dass sie es glauben. Es ist schön zu hören, dass der Mann ebenfalls überlebt hat, aber ich fürchte, er hat das berichtet, was er für die Wahrheit hielt.“, wies Mimoun seinen Freund darauf hin, dass in dem genannten Dorf einiges schief gegangen war. „Und das beinhaltet nun mal die Tatsache, dass ich ihn angegriffen hatte. Die Umstände spielten für niemanden eine Rolle.“
 

Ja, das stimmte. Da war ein Mann gewesen, den er gerettet und den sie nicht hatten überzeugen können. „Wenn ich das richtig stellen darf: Das Dorf war bereits zerstört, als wir dort ankamen. Es war auch nur Zufall, dass wir den Mann retten konnten, aber er wollte uns nicht glauben, dass wir vom Wind dorthin getragen wurden und helfen wollten.“

„Und das sollen wir glauben?“, fuhr der junge Mann auf. „Mit den Drachen könntet ihr jederzeit eine Stadt in Schutt und Asche legen!“

„Tamai, sei still.“, sagte seine Mutter mit einem zornigen Blick und er senkte demütig das Haupt. Zufrieden wandte sie sich an Dhaôma zurück. „Also, Dhaôma en Finochinu en Regelin. Der Ruf der Drachenreiter erfolgte erst vor kurzem, weit nach dem Niedergang des Dorfes im Norden. Ich gehe also davon aus, dass Ihr erst zu dieser Zeit berufen wurdet.“

„Das ist richtig.“

„Dann werde ich Euch glauben, dass Ihr das Dorf nicht zerstört habt. Drachen akzeptieren der Legende nach nur jene, die friedlichen Herzens sind. Wie ist der Name Eures Begleiters?“

„Dies ist Mimoun en Cerel en Rahol. Der große hier ist Lulanivilay und dies ist Tyiasur.“

Sie sah aus, als würde sie Mimoun am liebsten zerquetschen, aber nur kurz, bevor sie ihren Hass auf die Hanebito unterdrückte. Danach nickte sie ihm zu. „Ich bin erfreut zu sehen, dass sich mehr als ein Drachenreiter für den Frieden stark machen.“

Um sie herum wurde es laut. Die Leute hatten noch viele Fragen, die alle nicht beantwortet worden waren. Zweifel, Freude, Neugierde und andere Gefühle brachen sich in einem ohrenbetäubenden Summen Bahn, zumal nicht alle verstanden hatten, worüber geredet wurde, weil die beiden Stimmen zu leise waren.
 

Es war nicht leicht, die kurzzeitig offensichtliche Abneigung zu übergehen, dennoch lächelte der Geflügelte offen und drehte seine Handflächen in ihre Richtung, um zu zeigen, dass er nichts Böses wollte. Leicht verneigte er sich vor der Frau.

„Ich bin froh, dass ich hier sein darf.“, versuchte er gegen den entstehenden Lärm anzureden. Missmutig runzelte der junge Drachenreiter die Stirn, als sein Blick über die drängelnde und wogende Menge glitt. Ihre Neugier würde dazu führen, dass früher oder später jemand zu Schaden kam.

„Wenn Ihr gestattet, könnte Tyiasur das Gesagte in die Köpfe jedes Anwesenden weiter tragen, damit sich Eure Leute nicht gegenseitig niedertrampeln.“
 

Erstaunt nickte sie. „Tut es ihnen weh?“

Den Kopf schüttelnd lächelte Dhaôma. „Nein. Das tut nicht weh.“ Es freute ihn, dass sie es in Erwägung zog, ihnen zu vertrauen. „Aber vielleicht solltet Ihr sie fragen, ob sie das wollen, damit sie nicht in Panik ausbrechen.“

Sie nickte erneut, dann wandte sie sich an ihren Sohn. „Tamai, schick ihnen die Nachricht, dass sie Informationen von den Drachen erhalten.“

Der Rotschopf nickte und sprach, während seine Hände sich bewegten, verwob seine Worte mit dem Wind, die er kurz darauf über die Köpfe aller Anwesenden schweben ließ.

„Ihr habt Glück gehabt, hier zu landen. Hier ist gleich das Rathaus.“

„Das war kein Glück. Ich bin ein Magier und man hat mir beigebracht, dass die Städte alle so aufgebaut sind.“

Anerkennend wippte ihr Kopf auf und ab, dann sah sie sich einen Moment um, bevor sich ihre Schultern spannten. „Ist es in Ordnung, wenn ich näher komme, damit wir nicht so schreien brauchen?“

„Wir haben damit kein Problem.“, antwortete Dhaôma freundlich und beobachtete, wie sie, ihr Sohn und drei weitere Frauen zu ihnen kamen. Sie alle sahen deutlich verschüchtert aus, aber er bewunderte ihren Mut. Obwohl er gesellschaftlich über ihnen gestanden hatte, als er noch ein isolierter Magier gewesen war, verbeugte er sich vor ihnen.

Eine der Frauen lächelte ihn schüchtern an. „Würde es Euch etwas ausmachen, die Ärmel hochzuschieben und uns Eure Unterarme zu zeigen? Ich habe von einer meiner Dienerinnen gehört, dass ein ungewollter Sohn im Hause Finochinus lebte, der nichts als Pflanzen wachsen lassen konnte.“

Wortlos tat der Braunhaare, worum sie bat. Ihre Augen weiteten sich. Selten hatte sie so viele pflanzenbezogenen Linien an einem Menschen gesehen. „Natürlich habe ich seit damals dazugelernt. Ich war lange unterwegs.“

Sie nickte mit offenem Mund. Sie alle wussten jetzt, was der Hanebito damit gemeint hatte, dass der Drache die Worte weiter trug. Sie hörte ein Echo ihrer eigenen Worte in einer fremden Stimme in ihrem Kopf.
 

Durch Tyiasurs Einsatz wurde es wieder ruhiger um sie herum, da nun jeder der Unterhaltung lauschen konnte. Gedränge herrschte nun nur noch, weil alle einen Blick erhaschen wollten.

„Verzeiht meine Neugierde, aber wenn behauptet wird, dass bis auf zwei Personen alle aus seiner Familie gestorben sind, was ist dann aus…“ Kurz stockte der Geflügelte. Ihm fiel es schwer dieses Wort in Zusammenhang mit seinem Freund zu gebrauchen. „…dem ungewollten Kind geworden. Wie haben sie sein Verschwinden erklärt, hat es sie überhaupt interessiert?“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass eine Mutter so ohne Gefühlsregung über das Verschwinden ihres Kindes hinwegsah.
 

„Sie sagte, er sei verschwunden.“, gab die Frau schüchtern zurück und starrte den Geflügelten mit großen Augen an. „Das Mädchen ist danach entlassen worden, weil man ihn für tot erklärt hat. Sie wurde nicht mehr gebraucht und der Stadt verwiesen.“

„Lian ist hier? Hier, in dieser Stadt?“ Plötzlich war Dhaôma aufgeregt wie selten. Lian war sein Kindermädchen gewesen und später seine Dienerin. Sie hatte immer auf ihn aufgepasst und ihn heimlich aufgemuntert, wenn man ihn wieder mal gescholten hatte. Sie hatte ihm Rückendeckung bei seiner Familie gegeben und ihm sogar Proviant gemacht, wenn er mal wieder vorgehabt hatte, länger wegzubleiben. Woher sie es immer gewusst hatte, konnte er allerdings nicht sagen.

Die blonde Frau war völlig hilflos angesichts der Situation. Erst sprach sie ein Hanebito an, jetzt überfuhr sie dieser junge Magier aus heiterem Himmel. Unsicher nickte sie. „Soll ich sie holen lassen? Ihr scheint sie zu kennen.“

„Also ist ihr Name wirklich Lian? Das bedeutet wohl, dass er der echte Sohn ist. Das geheime Kind Regelins.“ Die Frau, die als erste gesprochen hatte, lächelte und ihre Haltung wirkte plötzlich entspannter. „Mein Name ist Marilyn en Mayu en Trohino. Ich bin hier die Vorsitzende.“ Sie stellte die anderen ebenfalls vor und Dhaôma bemerkte auch bei ihnen eine Entspannung. Offenbar hatten sie Glück gehabt und waren auf jemanden gestoßen, der ihnen Glauben schenken würde.

„Jetzt, wo meine Identität geklärt ist, möchte ich gerne auf den Grund unserer Anwesenheit kommen.“

„Wir werden gerne helfen, wenn wir können.“

„Ihr könnt.“, nickte der Braunhaarige und lächelte. „Wir suchen Menschen, die die Kämpfe Leid sind. Wir suchen andere, die gelernt haben, dass es die Toten nicht wieder zurückbringt, wenn man dafür andere tötet. Wir wollen, dass die Menschen verstehen, dass ein Krieg, der ohne einen Grund geführt wird, kein Ende haben kann, denn es wird kein Ziel erreicht, selbst wenn die Kämpfe enden würden. Also rufen wir die Menschen auf, sich zu überlegen, ob es nicht besser wäre, wenn endlich Frieden einkehren würde. Ich habe einen ganzen Sommer in einem Dorf verbracht, in dem Hanebito leben. Der Anführer der Hanebito hat ein Magierkind aufgenommen, das von dem Mann verstoßen wurde, den wir in dem Dorf im Norden gerettet haben.“

„Der Mann erzählte, ihr hättet das Baby getötet.“, warf Tamai misstrauisch ein.

„Fiamma erfreut sich bester Gesundheit und ist bereits jetzt ein vollwertiges Mitglied dieses Dorfes.“, beruhigte ihn Dhaôma. „Sie hält alle in Atem und sie hat eine liebevolle Familie. Ich möchte damit nur sagen, dass es möglich ist, dass Magier und Hanebito zusammen leben. Mimoun und ich sind das beste Beispiel, nicht wahr? Wir sind seit mehr als drei Jahren auf Reisen und der eine würde ohne den anderen sicherlich nicht mehr leben. Gemeinsam haben wir es geschafft, dass die Hanebito den Frieden als Möglichkeit ansehen.“

„Sie wollen Frieden?“

„Ihr seid nicht die einzigen, die traurig sind, wenn ihre Angehörigen sterben. Es wäre doch wundervoll, wenn die Völker Handel treiben könnten, wenn sie nebeneinander leben könnten, sich gegenseitig unterstützen und helfen würden.“

„Junger Herr?“

Der junge Mann sah auf, als er gerufen wurde. Sein Blick fiel auf eine junge Frau, die er kannte. Es war sein Kindermädchen von früher. Sie hatte sich kaum verändert, war nur etwas älter geworden und trug jetzt eine andere Uniform. Und ihr Gesicht lächelte warm und freundlich wie früher auch, wenn sie ihm mal wieder wortlos geholfen hatte, hatte nur einige Falten mehr, die von großer Sorge sprachen. War das seine Schuld? „Lian.“

Sie trat auf die kleine Gruppe zu, verbeugte sich vor ihrer derzeitigen Herrschaft, bevor sie sich auch vor Dhaôma verneigte. „Ich freue mich, Euch bei guter Gesundheit wieder zu treffen.“

„Dir scheint es auch gut zu gehen.“

Sie nickte. „Und du hast dir deinen Traum tatsächlich erfüllt.“ Ihr Blick fiel auf die Drachen und schließlich auf Mimoun, bevor sie verschmitzt kicherte. „Wusstet Ihr, dass er als Kind immer mit euch fliegen wollte?“
 

Völlig überfahren starrte Mimoun die Frau an. Er war bisher nicht wirklich ignoriert worden, hatte sich dennoch zurück und aus dem Gespräch herausgehalten, um die Magier nicht zu verunsichern, und nun sprach ihn die junge Frau einfach so an.

Mimoun lachte leise. Vom Verhalten erinnerte sie ein wenig an eine Mischung aus Leoni und Aylen. Resolutes Auftreten und offenes, freundliches Wesen. „Ja. So etwas hat er verlauten lassen. Als ich ihn dann das erste Mal durch die Luft getragen habe, hat er gelacht und gequietscht, wie ein kleines Kind.“
 

„Das hätte ich gerne gesehen.“ Auch sie kicherte.

Dhaôma wurde rot, als er die beiden so über sich reden hörte. Sie taten ja gerade so, als würden sie sich schon seit Jahren kennen! „Lian, woher weißt du denn das?“, fragte er, um vom Thema abzulenken.

„Wer, glaubt Ihr, hat Euer Zimmer jeden Tag aufgeräumt? Ich habe natürlich Eure Bilder und Briefe gefunden.“

Er starrte sie an, dann lachte er. „Vielen Dank, dass du mich nicht verraten hast.“ Oh ja, er hatte alles, das seine Träume beinhaltete, versteckt, nachdem ihn sein Vater einmal richtig verdroschen hatte, als er davon erfahren hatte.

„Das lag nicht in meinem Aufgabenbereich.“, zwinkerte sie ihm zu. „Ihr seid erwachsen geworden. Ich bin mir sicher, heute würden Eure Eltern Euch nicht mehr verleugnen.“

„Ich denke, das werden sie sicher immer noch tun, wenn sie erfahren, dass ich nicht daran interessiert bin, meinen Vater zu rächen, oder die Familientradition fortzuführen.“

Hilflos musste sie ihm zustimmen.

„Dhaôma. Ihr erwähntet, dass man Handel treiben könnte oder sich gegenseitig helfen könnte. Was für Güter hätten die Hanebito denn anzubieten?“

„Sie machen das weichste Leder, das man sich vorstellen kann, aber im Grunde müsstet Ihr das Mimoun fragen. Er kennt sich da besser aus.“
 

„Wir sind ausgezeichnete Jäger und verwehrten so gut wie alles von der Beute. Pelze und Leder werden von ihnen gewonnen und verarbeitet.“ Zur Demonstration zog er eines seiner Ersatzhemden heraus und hielt es auffordernd in ihre Richtung. „Knochen, Zähne und Horn werden zu Schmuck oder Teil der Waffen. Sehnen werden für unsere Bögen verwendet oder als Fäden für die Kleider oder unsere Häuser. Früchte können wir bedauerlicherweise nicht sonderlich gut anbauen auf den Inseln. Die Bedingungen sind nicht die besten, aber das wenige können wir für sehr lange Zeit haltbar machen.“ Nachdenklich kratzte sich der junge Geflügelte am Kopf und überlegte. „Wir haben nur wenige Bienenvölker und was wir von ihnen ernten können, reicht nicht für alle. Dann gibt es noch mehrere Inseln, in denen wir blau und grün schillernde Steine finden können, die ebenfalls Teil von Schmuck werden.“ Ihm fiel so auf die Schnelle nicht mehr ein und Tyiasur sendete ihm ein Bild in den Kopf. Ein katzengroßes Pelztierchen mit Horn. Der kleine Wasserdrache hatte einmal das Wissen aufgeschnappt, dass die Fanras Handelsware gewesen waren. „Ach ja. Die Fanras. Die könnt ihr gerne haben.“
 

Beinahe hätte Dhaôma gelacht, als er die Frauen beobachtete, die ungläubig die Nasen rümpften. „Glaubt mir, dass das, was sie machen, Qualität hat. Aber genau wie bei euch Magiern sind sie einfach wenige geworden und alte Traditionen sind verschwunden. Wertvolles Wissen ging verloren und kann vielleicht wiedererlangt werden, wenn sie nicht mehr kämpfen müssen. Ich habe den Zustand der Magierstädte gesehen, über die ich geflogen bin. Es sind so wenig Menschen, die Häuser und Straßen schreien förmlich nach Wiederaufbau und keiner weiß mehr wie, denn die Menschen, die es wussten, sind längst gestorben. Als ich noch zu Hause war, habe ich immer wieder mal mitbekommen, dass bestimmte Güter rar wurden. Fleisch, denn die Tierpfleger werden in den Krieg eingezogen. Glas, weil Feuermagier an der Front gebraucht werden. Heiler, die ein Privileg für Soldaten sind. Bei den Hanebito ist das Leben einfach, aber sie leiden unter der Knappheit nicht ganz so schlimm wie ihr Magier, weil sie sich nicht auf ihre Magie verlassen.“

„Sie haben ja nicht mal welche.“

„So ist es. Deswegen lernen sie, ihre Hände vortrefflich zu gebrauchen. Und ihre Kinder sind sehr gelehrig.“ Er lachte bei dem Gedanken an Elin und ihre Freunde, wie sie den Lehmofen gebraut hatten. „Es sind herzensgute Menschen und haben nicht weniger Spaß als die Magier.“

„Warum sprecht Ihr von uns Magiern und bezieht Euch da nie ein?“, wollte Marilyn wissen und wischte damit das Lachen von Dhaômas Gesicht.

„Weil mein Leben schöner ist als eures. Ich lebe fernab vom Krieg und bin frei. Ich bin viel freier, als ihr Magier es je sein könntet, weil ich mich nicht mehr in dieses Klassensystem pressen lasse. Mit Hilfe von Lulanivilay kann ich jeden beliebigen Ort aufsuchen, kann mir Freunde dort suchen, wo sie keiner erwartet, kann meinen Träumen folgen, ohne dass mich dafür jemand scheltet.“

„Und trotzdem seid Ihr hergekommen, um Frieden zu verbreiten?“

„Ich wünsche mir, dass alle Menschen so frei sein können. Aber dafür muss der Krieg vorbei sein, denn vorher können sie nicht gehen, wohin sie wollen. Sie werden engstirnig an ihren alten Traditionen festhalten, ohne je zu erfahren, wie weit die Welt außerhalb des Kampfes ist, wie bunt und vielfältig das Leben sein kann.“

Stille breitete sich aus, weil Tyiasur Dhaômas Worte mit Bildern untermalte, die in dessen Kopf aufblitzten. Sie sahen den braunhaarigen Magier inmitten von Kindern liegen, wie sie sich gegenseitig mit Schlamm bewarfen, die Jagd auf Lachse, bei der Lulanivilay nicht sehr hilfreich im Wege stand. Gelächter folgte auf Dhaômas und Mimouns ersten gemeinsamen Flug, bei dem sie beinahe ins Wasser gefallen waren – nicht wenige erröteten, denn immerhin hatte Dhaôma dabei nichts angehabt. Der Anblick Fiammas, die zusammen mit einem Hanebitobaby in einem Körbchen schlief, und die Freude ihres Adoptivpapas, als er sie wie frischverliebt hochhob, löste Erstaunen aus, welches abgelöst wurde von bewundernden Ausrufen, als die Landschaft aus der Luft gezeigt wurde und sich die unendliche Weite des Meeres vor ihren inneren Augen ausbreitete.

„Also wäre es schön, wenn Ihr verbreiten könntet, was ich gesagt habe, damit auch andere verstehen, dass es ein gemeinsamer Wunsch werden muss, dass der Krieg beendet wird. Je mehr es werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass keiner mehr geliebte Menschen verlieren muss.“

„Dauert das noch lange, Freiheit? Mir gefallen zwar deine Erinnerungen, aber es wird kalt.“

Braune Augen blickten ihn desorientiert an. Erinnerungen? Wovon sprach er? „Nein, ich denke, wir sind hier bald fertig. Hab noch ein wenig Geduld.“

„Ihr wollt nicht bleiben?“

„Das können wir nicht.“, antwortete Dhaôma freundlich. „Die Kälte ist etwas, das den Drachen stark zusetzt. Es sind Wechselwarme und hier bricht der Winter herein.“

„Wann werdet Ihr wiederkommen?“

„Sobald es warm genug ist.“

„Und was habt Ihr vor?“

„Unseren Traum verfolgen, damit Fiamma und Seren in Frieden aufwachsen können.“ Wieder untermalte Tyiasur diese Worte mit Bildern der kleinen blonden Mädchen, wie sie furchtlos den Drachen begegnet waren, und wie Mimoun sie auf den Armen hatte, während Fiamma auf Dhaômas Haaren herumkaute.

„Sie sind wirklich süß.“, merkte Lian an und erntete wieder einen irritierten Blick von Dhaôma.

„Ja, das sind sie.“, nickte er und strahlte.

Inzwischen wechselten die Damen um die Vorsteherin Blicke miteinander, bevor Marilyn entschieden nickte. „Da es sowieso jeder mitbekommen hat, wird sich Euer Besuch hier schnell verbreiten, aber wir werden auch Briefe an die anderen Städte schicken und mit anderen Vorstehern sprechen. Eine Antwort können wir Euch geben, wenn Ihr zurückkehrt.“

„Das hilft uns schon. Sprecht einfach mit so vielen Menschen darüber, wie es möglich ist.“, stimmte Dhaôma zu und wandte sich an Lian. „Es ist schön zu sehen, dass es dir gut geht. Es tut mir auch schrecklich Leid, dass sie dich wegen meiner Abwesenheit des Hauses verwiesen haben, aber ich denke, dass es zu deinem Besten war, diesem Haus den Rücken kehren zu können.“

„Junger Herr, ich wünsche Euch alles Gute.“ Sie verbeugte sich vor ihm und lächelte.

„Möchtest du ihnen noch etwas mitteilen, Mimoun? Ansonsten würde ich vorschlagen, dass wir jetzt weiterfliegen.“
 

Mit einem Fingerzeig deutete er an, dass er gleich soweit war und machte zögerlich einen Schritt auf die junge Frau zu und trat dann völlig an sie heran, als sie nicht zurückwich. Tyiasur verstummte, da diese Worte nur für sie bestimmt waren.

„Ich danke dir, dass du ihm eine gute Freundin bist. Es tut gut zu wissen, dass Dhaôma nicht völlig allein gewesen ist.“ Mit einem sanften Lächeln trat er einen Schritt zurück und drehte sich um, ging zu Dhaôma und Lulanivilay zurück. Nun war er bereit zum Abflug.
 

Neugierig fragten Dhaômas Augen, was er gesagt habe, aber Mimoun ignorierte die Frage, also verabschiedete sich Dhaôma mit einer Verbeugung und kletterte auf den ungeduldig wartenden Drachen.

„Mimoun en Cerel en Rahol, ich danke Euch ebenfalls!“ Und mit einer tiefen Verbeugung verabschiedete sich Lian auch von ihnen. Dhaôma winkte, dann hob Lulanivilay mit heftigem Flügelschlagen ab, das die Frisuren der hohen Damen völlig zerstörte. Erst jetzt wurde das Ausmaß seiner Landung für alle deutlich sichtbar. Das feine Mosaik einer Sonne war durch mehrere Furchen aufgeworfen und zerstört. Als sie sich entfernten, winkten und riefen ihnen nicht wenige Abschiedsgrüße hinterher. Viele von ihnen waren wirklich erstaunt, dass sie soeben ihre erste Begegnung mit einem Hanebito und obendrein mit zwei echten Drachen lebend hinter sich gebracht hatten.
 

„Mimoun reicht völlig.“, hatte der junge Drachenreiter lachend zurückgerufen und dann abgehoben. Als sie außer Sichtweite waren, hing er sich an Lulanivilays Bauch.

„Nur kurz.“, lachte er leise. „Ich bin ein wenig zittrig.“ Erst jetzt begann er die Auswirkungen seiner Nervosität zu spüren. „Ich hab’s tatsächlich überlebt.“
 

„Du warst ja auch tapfer, Himmel.“, kommentierte das Lulanivilay und griff mit seinen Pranken zu, damit der Geflügelte nicht abstürzte.

„Ich bin schrecklich stolz auf dich, Mimoun.“ Dhaôma hangelte sich so weit über den Hals, dass er gerade nicht abstürzte, damit er seinen Freund sehen konnte. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass du Angst hattest. Du warst so ruhig.“
 

Erneut schwang Lachen zu dem Magier empor. „Man zeigt einem Gegner auch nicht, dass man Angst hat. Und deine Angst hatte man dir bei deiner ersten Begegnung mit dem Rat auch nicht angemerkt. Ich konnte es nur erahnen, da auch ich einmal dort gestanden hatte und du es vorher in einem Nebensatz erwähnt hattest. Für dich musste diese Begegnung damals doppelt so schlimm gewesen sein.“

Der Geflügelte löste seinen Griff von dem Drachen und vertraute sich völlig seinem Halt an. Mit geschlossenen Augen und einem Lächeln hing er in den Klauen.
 

Auch Dhaôma lachte befreit. In ihm loderte das Hochgefühl, etwas geschafft zu haben. Jetzt hing wirklich alles daran, was die Magier wollten. Würden sie beim nächsten Mal mit offenen Armen empfangen, waren sie wohl auf ihrer Seite, griffen sie an, würden sie einfach noch einmal auf andere Weise anfangen müssen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KuroMikan
2014-12-27T16:37:03+00:00 27.12.2014 17:37
hallö :)

ein wundervolles kapitel :) wirklich!!! mit sehr viel detailverliebtheit geschrieben <3 toll! ^^
ich war etwas überrascht als sie tatsächlich beschlossen haben zu landen, aber hat ja alles geklappt :) und daho hat eine alte bekannte wieder getroffen.. sowas ist einfach rührend ^^
awwww.. und soooo süß wie mimoun ihr am ende das noch zugeflüstert hat! <3

ich finde es auch schön wie die beiden ihren drachengefährten so bedingungslos vertrauen.. das hast du sehr schön beschrieben, vorallem am schluss :)

ok ich les jetz weiter XD genug geschreibsel ^^

lg Mikan


Zurück