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Wie Blätter aus einem Tagbuch...

(OS/Drabbel-Sammlung für OC)
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Flach II

Wütend stapfte Hagen die Stallgasse entlang. Einstweilen verlief einfach gar nichts nach seinen Vorstellung und dieser Zustand, gekoppelt mit der Tatsache, dass er sich eben in einem Krieg befand, spannte seine Nerven höchst ungesund an. Sicher, er war kein Neuling in diesem blutigen Spiel. Bei Gott, bei Weitem nicht… aber im Gegensatz zu seinem bleichen Bruder verabscheute er die Momente, in denen die Würfel noch nicht gefallen waren. Nein, er mochte vielleicht auf dem Schlachtfeld ein alter Veteran sein, aber der Nervenkitzel und das Bangen um den Erfolg konnten ihm getrost erspart bleiben. Beinahe kopflos rauschte er an den einzelnen Pferdeboxen vorbei, da fielen ihm noch in letzter Sekunde zwei Tiere auf, von denen er mit Bestimmtheit sagen konnte, dass sie nicht zu seinem Regiment gehörten. Beinahe ruckartig blieb er stehen und sah sich beide Pferde an. Mit jedem Augenblick, der verstrich, wurde er unruhiger, da eine böse Vorahnung seine Gedanken umschlich, wie der Wolf die Schafherde. Der kompakte Apfelschimmel sagte ihm zwar etwas durch sein typisches Exterieur, aber in diesem Punkt könnten ihn seine Erinnerungen trügen, aber als er das kleine, durchdrungene, sandfarbene Pferdchen eine Box daneben aus der Nähe betrachtete, wusste er, was die Anwesenheit der beiden für ihn und seine Nerven zu bedeuten hatte. Wie von der Tarantel gestochen rauschte er aus dem Stall und wurde im Hofe des Gebäudes zu seinem größten Bedauern fündig.

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„Du bist spät dran.“, maßregelte Gilbert ihn mit einem Ton, bei dem es Roderich nur regelrecht juckte, dem Preußen sein Militärgehabe aus dem Leib zu prügeln. Aber er behielt seine gewalttätigen Fantasien für sich und antwortete nur betont kühl: „Schneller ging es nicht, mein Lieber… Du vergisst, dass ich auch noch mit anderem beschäftigt bin, als in Karls Namen dir auf den Schlachtfeld das Händchen zu halten.“

So wie der vorher angeschlagene Unterton ihn im Stolz getroffen hatte, so merkte er erfreut, dass seine schneidende Bemerkung ihn in ihrer Wirkung nicht enttäuschte. Die roten Augen blitzten ihn scharf an und mit Genugtuung beobachte der Österreicher, wie sein momentaner Verbündeter Ablenkung im Schreiben suchte. Roderich wusste nicht genau warum, aber aus irgendeinem Grund hatte er beinahe eine perverse Freude daran, sich mit dem bleichen Repräsentanten dieses nördlichen Streifen Pampa verbal zu zerfetzen, ohne dass einer von ihnen auch nur um eine Oktave höher die Stimme erhob. Vielmehr schien es sie beide zu befriedigen, mit Worten sich tiefe Wunden im Stolz zu versetzen, selbst jetzt, wo sie formal gesehen eigentlich Verbündete waren.

„Gut, das heißt, du wirst hier bleiben?“, fragte ihn Gilbert, ohne vom Blatt aufzusehen, doch sein „Gast“ konnte genau sehen, dass sein Blick sich keinen Deut vom Absatz wegrührte.

„Ich fürchte, Fortuna wird mich nicht so schnell von hier ziehen lassen.“

Roderich achtete im höchsten Maße darauf, heuchlerisch an den passenden Stellen das Bedauern zu akzentuieren.

„Dann soll dir Hagen ein Quartier zukommen lassen.“, fertigte ihn Gilbert so schnell wie möglich ab, um eiligst sich dieser seltsamen Spannung zu entziehen, die den Raum, seitdem sie ihren ersten abschätzigen Blick ausgetauscht hatten, mit Knistern erfüllte. Er traute der Atmosphäre nicht und war sich nicht ganz im Reinen, wie er zu diesem braunhaarigen Schnösel aus dem Süden stehen sollte.

„Und meine Begleitung? Liebster Gilbert, hast du auch an die gedacht?“

„Du bist mit Begleitung angereist?“ Für einen kurzen Augenblick entgleisten vor Überraschung Gilberts Gesichtszüge und im Schnelldurchlauf ging er alle möglichen Personen durch, die der Österreicher seines Wissens nach hätte mitnehmen können. „Wer? Doch nicht etwa Hedvika, oder?“

Roderich schüttelte sachte den Kopf, wobei er jedoch keine weiteren Anstalten machte, das Geheimnis zu lüften.

„Eine deiner Schwestern?“

Ein sanftes Nicken.

„Mhm, man könnte sie als solches bezeichnen.“

„Sag mir bitte nicht, dass du die mit dem unheimlichen Blick…“

Auf einen verwirrten Blick fiel dem preußischen Herzogtum eine andere Umschreibung ein.

„Na, die Älteste…“

„Du meinst Katharina… aber nein, sie ist es nicht. Sie begleitet gerade Felicia nach Venedig.“

„Der Sonnenschein?“

„Hütet das Heim und geht meinen Pflichten nach, während ich hier bin.“

Und das in Gesellschaft dieses verdammten Wassermannes, komplettierte Roderich den Satz in Gedanken.

„Warte Mal… wer bleibt da noch übrig… ne, Krain ist ein Mann…“

Hätte Roderich erstens das offene Gemüt Gilberts gehabt und - Gott behüte - dessen Erziehung genossen, so hätte er vor Schadenfreude begonnen zu grinsen, doch so begnügte er sich damit, dieses schamlose Lächeln unter seiner Maske zu halten, während dem Gastgeber die grauenvolle Erkenntnis langsam in seinen Gedankengängen einsickerte. Von der Spannung von vorhin war nichts mehr geblieben.

„Nein… das hast du uns nicht angetan…“, hauchte er dann überrascht, das Entsetzen im Gesicht.

„Hüte deine Zunge, Preuß.“, zischte ihn Roderich pflichtbewusst an, wobei er jedoch sehr wohl wusste, inwieweit die Befürchtungen des anderen berechtigt waren. Augenblicklich sprang Gilbert vom Tisch auf und hechtete aus dem Zimmer. Mit einem gelassenen Blick sah ihm Roderich hinterher und zog sich betont langsam die Handschuhe aus. Irgendwie sah er voraus, das bleiche Gesicht Gilberts im Türrahmen wiederzusehen und ihn anfauchen zu hören, er solle sich gefälligst beeilen, ihm zu folgen. Wie es aussah, würden sich die Angelegenheiten hier schneller regeln als es nötig war, denn sonst müssten das preußische Herzogtum und sein Bruder ihn und vor allem seine Begleitung länger ertragen. Offenbar hatte es wahrlich Vorteile, mit der temperamentvollen Grafschaft zu reisen.

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„Auf was hast du bitte gewartet…“, fauchte ihn Gilbert wie erwartet an, als sie flotten Schrittes hinunter in Richtung Hof waren. „… auf eine schriftliche Einladung etwa?“

„Ich hätte gedacht, das großartige Preußen würde doch mit einer Frau fertig.“, erwiderte Roderich kühl, auch wenn er sich selber eingestehen musste, dass er sich persönlich aufs Prächtigste amüsierte. Er hatte sein Vergnügen daran, das sonst so von sich eingenommene Herzogtum unter Stress zu versetzen.

„Das ist kein Weib, Roddy… sondern…“

„Ich wiederhole mich nur ungern, Gilbert, aber hüte deine Zunge.“, unterbrach ihn der Österreicher spitz. „Außerdem übertreibst du wiedermal maßlos.“

Den fassungslosen Blick seines preußischen Pendants überging Roderich geflissentlich. Sie waren nicht einmal bis zur Hoftür angelangt, da hörten sie schon die lautstarken Streitereien.

„Treib es nicht zu weit, Weib. Du vergisst offenbar, auf wessen Land du dich befindest.“

„Ach ja, und du, mein Lieber, vergisst offenbar, mit wem du es zu tun hast!“

„Noch ein Wort, Tirol, und ich hole meine Peitsche.“

„Wunderbar, dann kann ich dir wenigstens beibringen, wie man damit korrekt umgeht!“

Gilbert verlangsamte seinen Schritt und drehte sich mit offener verzweifelter Miene zu dem österreichischen Erzherzogtum um. Dieser jedoch zuckte nur unschuldig mit den Schultern.

„Ich glaube, ich habe vergessen zu erwähnen, dass Agnes seit unserem Aufbruch von Innsbruck nicht gerade die beste Laune hat.“ Roderich wusste nur zu gut, wie gerne ihn nun der Preuße am liebsten erschlagen wollte. „Also würde ich dir und deinem Bruder raten, die Verhandlungen mit mir nicht allzu sehr aufzuschieben, denn ich fürchte, die eintönige Flachheit des hiesigen Landes schlägt ihr ein wenig aufs Gemüt.“

Der Klang eines dumpfen Schlages und das wüste Gefluche eines Brandenburgers ließ Roderich darauf schließen, dass auch Agnes nun ihre Argumente für einen kurzen Aufenthalt hier zu Sprache gebracht hatte.
 

Betagelesen von KahoriFutunaka


Nachwort zu diesem Kapitel:
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