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Imagination

von

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Freitags, der 13. und Mittwochs

Immer wenn der Kalender sagte, dass der Freitag ein Dreizehnter war, hatte ich dort immer vorsorglich ein rotes Kreuz gemacht. Es hieß, dass ich Caleb nicht sehen würde. Also ein Unglückstag, an dem mich Großmutter nicht aus dem Haus ließ, Katzen mied und alle Spiegel verdeckte. Großmutter war sehr Abergläubisch und da sie mich gern hatte sagte sie immer „Du gehst heute nicht aus dem Haus.“ Sie hängte auch die Fenster immer zu. Mit den Holzläden, die Tagsüber sonst immer an einem Haken an der Wand draußen befestigt waren.

Die Läden hatten ein Blumenmuster und waren grün lackiert. Lustig fand ich immer, wenn Großmutter mit einer Schale wo sie alle Kräuter hinein geworfen hatte, deren sie habhaft werden konnte, von Raum zu Raum ging und dabei rief „Bleibt draußen ihr bösen Geister, kommt nicht herein, beschützt mein Heim. Für immer und ewig. Dunkle Mächte bleibt fern.“ Mir bleibt dann nie etwas anderes übrig, als mich auf mein Bett zu setzen und wehmütig nach draußen zu sehen. Denn ich hänge mein Fenster nie zu. Wenn ich Großmutter von unten rufen hören kann und der Geruch ihrer Kräuter mir in die Nase steigt, dann weiß ich es ist nicht mehr lang. Dann gehen vor meinem Fenster die Ritter in Reih und Glied. Ihre Kettenhemden klirren im Wind und Rascheln bei Geisterhaften Spuk. Sie haben lange weiße Laken um, mit einem roten Kreuz auf der Brust. Als würden sie sich nur als Geister verkleiden. Sie singen unheimliche Weise, seltsam anmutend wie heilige Gesänge der Kirche. Ich kann viermal blinzeln, mich viermal im Kreis drehen, doch sie gehen nicht fort. Von Morgens an bis spät in die Nacht höre ich ihren wehklagenden Gesang. Er macht mich traurig und wütend.

Denn auch wenn ich sie nicht sehe, weiß ich das sie da sind. Doch ihr Gesang ist penetrant. Er lullt einem ein, wie leises Wispern der Bäume und doch ist er wie eine undichte Wasserleitung, die tropft, tropft und tropft. Sie sind nicht allein. In der Luft über ihnen, da fliegen die wirklichen Geister. Unfreundliche Wesen, die durchscheinend sind, ohne dabei jedoch das Sonnenlicht jemals hindurch zu lassen. Großmutter glaubt, die Geister kämen erst abends, aber abends waren sie weg. Dann war nur noch der Gesang da. An Freitagen, die eine Dreizehn hatten, da flogen die Geister und Gespenster, des Tages von Mittags bis abends, wenn die Sonne unterging. Sie flogen in Autos und sahen diese von innen an. Mit langen gebrechlichen Fingern zogen sie an Einkaufstaschen von alten Damen wie Großmutter. Aber sie gingen nie in die Häuser. Es waren auch nicht viele, die sie besuchen könnten mit ihrem bösen Willen. Großmutter lebte weit ab vom Schuss, auf dem Land. Aber Traktoren gab es. Die Traktoren gefielen den Geistern gut, da sie Krach machten. Wie Motten ums Licht schwirren, schwirren sie um den Motor, bis sie den ganzen Krach aufgesogen hatte und vergnügter Laune neue Nahrung suchten.

Die Geister liebten den Krach. Wo immer wie welchen finden konnten, da flogen sie hin, bis es keinen mehr gab. Wem das gar nicht gefiel waren die Katzen. Die Katzen versteckten sich. Sie mochten die Geister nicht. Bis auf die schwarzen. Den Freitags, der eine Dreizehn im Kalender hatte, war ein schwarzer Tag. Katzbuckelnd und fauchend saßen sie unter den Autos und sprangen hervor wie bei einer Mäusejagd, wenn die Geister dort hinein schauten. Sie spielten mit ihnen. Ihre Samtpfoten kratzten nach ihnen. Wie flackernde Lichter gingen die Geister aus, wenn es einer Katze gelang sie zu erwischen. Aber nur wenn es die linke Pfote war. Viele junge schwarze Katzen wussten das aber nicht. Sie nahmen die rechte Pfote und hatten nie Erfolg. Die Menschen bestraften sie immer dafür, indem sie einen erschrockenen Schrei machten und die Straßenseite wechselten. Dabei hätten sie nur sagen brauchen „Nimm die Linke.“ Wäre ich mutiger gewesen, an solch schwarzen Freitagen, ich hätte es ihnen gesagt. Ich wagte jedoch nicht, dass Haus zu verlassen.

Wenn die Uhr Eins schlug, dann kamen die kleinen Erdgeister. Schlangenhafter Gestalt und weniger durchscheinend rankten sie ihre langen Körper um Beine von Spaziergängern. Sie machten sich schwer, bis ihr Opfer stolperte. Wenn ihr Opfer am Boden lag und jemanden vorbei ging, dann sprangen sie wie Läuse hinüber. Läusegespenster nannte ich sie daher. Im Leben hatten sie bestimmt Blut gesaugt und waren dieser Fähigkeit nun beraubt. So frech sie auch über den Boden sprangen, sie waren im Vergleich zu den Zwei Uhr Mittagsgespenster noch freundlich.

Wenn die Uhr zwei Uhr mittags schlug, dann tanzten die Ziegelgeister. Sie hatten eine scharlachrote Farbe und saßen zwischen den Dachziegeln. Erst ganz langsam wurden sie wach. Sie hatten einen klumpigen Körper, der nur aussah als sei er ein Dachziegel. Anders als die anderen Geister mussten sie sich gar nicht schwer machen. Ihre Körper waren die schwersten in der Geisterwelt. Wann immer sie wach waren und jemand ging unter ihnen entlang, besonders gerne an Baustellen, da ließen sie sich hinab fallen, wie Tannenzapfen. Schnell flogen sie auf die Köpfe zu, aber zu langsam um zu treffen. Trafen sie, dann war das Schmerzhaft. Es waren gemeiner Geister und ich war immer froh wenn sie wie Bienen starben, hatten sie ihre Opfer getroffen.

Sobald die Uhr drei schlug, da kamen die Spiegelmonster. Es waren keine richtigen Geister, sondern Seelen. Sie hausten in den Fenstern und Spiegeln. Wenn man ganz nach links sieht, was im Spiegel rechts ist, dann kann man sie in dem letzten Winkel sehen. Wie kleine schelmisch grinsende Kinder sehen sie aus. Stimmlos flüstern sie. Liebevoll fragen sie getragen zu werden. Wer sich überreden lässt, dem fällt das Glas und der Spiegel aus der Hand, denn sie verschwinden ganz schnell wieder und Lachen im hellen Klang von klirrendem Glas. Zu jeder Stunde kommen neue Geister hervor, doch nur die Rittergespenster tönen mit ihrem Wehklagen bis tief in die Nacht. Um Mitternacht ist alles vorbei und es kommt der Samstag.
 

Mittwochs, wenn ich viermal um jedes vierte Bücherregal gehe und viermal an die bemalte Decke schaue und viermal vier rüber zu der Gartenwicke vor dem Fenster schaue, dann leistet mir Arthur Gesellschaft. Es ist an jedem siebten Mittwoch, wenn Vater lange an der höheren Schule bleibt und ich nirgends hingebracht werden kann. Dann ist mein Arthurtag. Ich wage mich nicht in Merlinstag zu nennen. Obwohl Arthur, ich nannte ihn Arthur Wisdom um genau zu sein, aussah wie ein alter weiser Zauberer in seinen lavendelfarbenen weiten Hosen und dem Hemd mit weiten violetten Ärmeln, wagte ich es nicht ihn Merlin zu nennen. Es schien trotz seiner Erscheinung nicht richtig zu sein. Mit seinem sprechenden Schwert, dass auf seinen zum Schneidersitz verschränkten Knien lag, schien er ein Krieger, des Kampfes müde zu sein.

Das Schwert, welches mir von seinen erschlagenen Gegner erzählte, war aber gar nicht seins. Man hatte es ihm gegeben und er verwahrte es wie ein Indianer den erbeuteten Skalp. Arthurs Kopf war ganz kahl und die wenigen grau-weißen Haare, die er noch hatte, standen ihm wie Blitze vom Kopf ab. Jasmin lag in der Luft, wenn er seine lange Pfeife raucht. Musik lag in der Luft, wenn seine drei Geiger mit ihren feinen Geigen spielten. Jeden siebten Mittwoch war Arthur anderer Laune. Jede Laune zeigte mir etwas anderes. In seinen Kleidern waren Worte in allen Sprachen der Welt, wenn er gesprächig war und voller Begeisterung von vergangen und künftigen Errungenschaften der Wissenschaft preiste. Wenn die Wände der Bibliothek gelb waren und Risse hatten, dann sprach sein magisches Schwert und er lauschte den drei Geigen. Dann war seine Laune fröhlich und voller Musik, die einmal war und noch sein Würde. Stimmen sangen von Helden, das Schwert von erschlagenen Gegnern, die Geigen sangen von fernen Landen und dem Meer, dass noch schlummerte. Doch wenn Arthur ernst wurde und die buschigen Brauen aufrichtete gegen Himmel, dann wurde die Decke zu bewegenden Sternen, Monden und Planeten. Die Globen auf den Tischen drehten sich, alle zur gleichen Zeit und doch in anderem Rhythmus und Richtung. Dann saß Arthur, der nicht Merlin war, über einer ellenlangen Pergamentrolle und Feder in der Hand. Die Rolle hatte keinen Anfang und kein Ende und doch musste ich das Ende halten.

Schreiben sollte ich. Poesie der Welt, das war mir klarer als alle Worte. Ich wagte es nie etwas zu schreiben. Mein Kopf war immer leer und ich las viel lieber was Arthur schrieb. Arthur schrieb Dinge, die meinen Kopf füllten und viel konnte ich nie lesen. Denn jedes gelesene Wort sang in meinem Kopf in einer anderen Melodie und stimmte mit keinem anderen überein. Manche klangen Misstönend, nur um richtig und wahr zu sein. Manche klangen wie himmlischer Gesang in dunklen Stimmen. Doch gemeinsam sangen sie vom Wissen. Wissen das einst war und wissen das noch kommen würde. Sirenen waren sie, die meinen Kopf wollten, diese gefährlichen Wortstimmen. Sie waren der ursprüngliche reine Gesang. Die ehrliche Stimme, die Männer nur angebunden ertragen konnten, bevor sie in die Irre fuhren auf Schiffen mit Arbeitern. Sie waren die Studenten der Odyssee. Denn wie Studenten arbeiteten sie hart, damit es voran ging, dem Wissen entgegen, um sich eines Tages als würdig genug zu erweisen, dieses zu erlangen. Aber Arbeiter blieben sie. Sie strebten der Gefahr entgegen, kannten diese nicht, bis sie in ihren Köpfen war. Wenn mir von all dem schwindelig wurde und mein Kopf sich füllte, wie ein Kessel ohne Boden, dann standen die Globen still.

Die Decke bewegte sich nicht mehr und das Pergament in meinen Händen war verschwunden. Dann sah mich Arthur tadelnd an. Den erhobenen Finger schüttelte er und mahnte mich. Das mittwochs Wissen war nur für mich und in meinem Kopf allein sollte es bleiben. Das sprechende Schwert war dann stumm und wagte es nicht etwas zu sagen. Dann stand Arthur auf und streckte die Beine und Rücken. Dann war er wieder jung und ich war mit einem mal alt geworden. Er steckte das Schwert in seine Scheide und hob eine Keule. Und dann war der Mittwoch vorbei.



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