Kapitel 6
Key stand vorm Spiegel und begutachtete kritisch sein Gesicht. Seit einer halben Stunde versuchte er nun schon, mithilfe von Abdeckstift, Concealer und Make-up, seine dicken Augenringe zu überschminken, zu seinem bedauern mit mäßigem Erfolg.
Die Feier nach dem gestrigen Konzert hatte sich noch einige Stunden hingezogen. Am Ende waren nur noch sie fünf und die drei der Exo Mitglieder übriggeblieben. Die Stimmung war ausgelassen gewesen, alle hatten gelacht und zusammen gesungen. Nur Key hatte in seiner Ecke gesessen und alles aus der Ferne beobachtet. Am liebsten wäre er nach Hause gefahren, da sie aber alle zusammen mit einem Auto gekommen waren hatte er warten müssen bis auch die Anderen endlich gehen wollten.
Im Dorm angekommen, war Key sofort in sein Zimmer gestürzt, hatte sich nur schnell abgeschminkt und dann auch schon ins Bett gelegt. Allerdings hatte er kurze Zeit später fest stellen müssen das ihm gar nicht nach schlafen zumute war.
Als er also wieder einmal schlaflos durch die Wohnung geschlichen war, hatte Jonghyun seine Zimmertür geöffnet und ihn hereingebeten. Froh über die Ablenkung war er der Aufforderung nachgekommen. Mit Jonghyun konnte Key sich immer am besten Unterhalten, irgendwie hatten sie einfach den besten Draht zueinander.
Key, dachte an das Gespräch, das er mitten in der Nacht mit dem Anderen geführt hatte, denn irgendwie hatte Jonghyun von dem Dilemma mit Taemin erfahren.
Aus heiterem Himmel hatte dieser ihn fragte: „Was ist Taemin wirklich für dich?“ Als Key eine bissige Antwort zurück geben wollen, hatte der Andere ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und gesagt: „Ich verurteile dich deswegen nicht. Ich will nur das du mal darüber nachdenkst.“
„Denkst du das hätte ich noch nicht?“ Die Worte klangen schnippischer als er es beabsichtigt hatte. Zum Glück fasste Jonghyun es nicht falsch auf und nickte ihn stattdessen lächelnd zu. „Doch, aber ich denke auch, dass du dir selbst verbietest weiter als bis zu einem bestimmten Punkt zu denken. Ich kenn dich Key, du kannst verdammt Stur und Stolz sein.“ Key zog einen leichten Schmollmund „Als der Kleine nicht da war, bist du jeden Abend in sein Zimmer gegangen, weil du nicht schlafen konntest. Und einmal bist du sogar dort eingeschlafen.“, fuhr der Jonghyun unbeeindruckt fort. Wann waren die Anderen eigentlich zu solchen Plappertaschen geworden, das jedes kleinste Detail in kurzer Zeit hier die Runde machte. Key konnte nur hoffen das wenigstens niemand außerhalb der Band davon wusste, sonst würde er vor Scham endgültig im Boden versinken.
„Und auch heute hast du deine Augen nicht von ihm lassen können. Ich hab genau gesehen wie sie immer wieder eifersüchtig aufgeblitzt haben. Manchmal kannst du so Subtil sein wie ein Clown auf einer Beerdigung.“ Bei diesem Vergleich musste Key auflachen, wodurch Jonghyun bewusst wurde wie albern das klang und ebenfalls amüsiert gluckste. „Ok, ok, das war wirklich ein dummer Vergleich, aber du weißt was ich sagen will.“, lenkte Jonghyun die Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema. „Wenn du also ehrlich zu dir selbst bist, stellst du bestimmt fest, dass du immer nach seiner Nähe suchst. Du hoffst jeden Moment ihn zufällig zu sehen, auch wenn du weißt das er schrecklich weit weg ist. Und wenn du ihn dann siehst willst du eigentlich nichts anderes als ihn immerzu zu berühren und deine Arme um ihn zu legen. Allein sein Geruch reicht aus um dich zu beruhigen und gleichzeitig dein Herz bis zum Hals schlagen zu lassen.“
„Oh, soo peinlich.“, entfuhr es Key. Irgendwie überkam ihm das Gefühl das es gar nicht mehr um ihn und Taemin ging, denn Jonghyuns Blick war verträumt an die Decke gewandert.
Ertappt zuckte der Andere zusammen. „Wie auch immer.“, versuchte Jonghyun abzulenken, „Außer dir sieht jeder was Sache ist, also pass nur auf das die Fans das nicht mitbekommen.“ Key hörte dem anderen gar nicht mehr richtig zu, denn in seinem Kopf war plötzlich ein großes Fragezeichen aufgetaucht: ‚War Jonghyun etwa auch in jemanden verliebt? Warum habe ich das nicht gewusst?‘ Eine Weile hingen beide ihren Gedanken nach, bis Jonghyun schließlich sagte: „Ich bewundere Taemin. Das er dir gesagt hat das er dich liebt, hat sicherlich viel Mut gekostet.“
„Er hat gedacht, ich schlafe.“
„Das spielt doch gar keine Rolle. Gesagt ist gesagt. Er hätte es genauso gut mit einem ‚War nur Spaß‘ abtun können.“
„Dazu hab ich ihm eigentlich gar keine Gelegenheit gegeben.“, sagte Key kleinlaut. Jonghyun musste lachen. „Das ist so typisch für dich. Manchmal bist du echt Impulsiv.“ Trotzig fragte Key ob heute Internationaler-wir-beleidigen-Key-Tag sei, woraufhin Jonghyun nur noch mehr lachen musste. Keys grimmiger Blick hielt solange an bis der Andere sich entschuldigte. „Tut mir leid, ich meine das wirklich nicht böse. Ich wollte dich nicht kränken, ich musste nur daran denken wie Taemin sich dabei gefühlt haben muss. Du machst es ihm auch wirklich nicht einfach.“ Jonghyun seufzte. „Ahh, aber schau dir an wie erwachsen er geworden ist. Irgendwie schade.“
Dann hatten sie noch über dies und jenes geredet, bis Jonghyuns Wecker auf dem Nachttisch sechs Uhr angezeigt hatte. Jonghyun wollte noch etwas schlaf nachholen, weshalb Key in sein Zimmer zurückging. Doch er hatte immer noch kein Auge zumachen können.
Jetzt stand er vorm Spiegel und versuchte die Schäden der vergangenen Nacht zu beseitigen oder zumindest so gut es ging zu verdecken. Inzwischen einigermaßen zufrieden mit sich begann er mit einem Kajal die Konturen seiner Augen nachzufahren. Ein lauter Knall ertönte und Key zuckte heftig zusammen. „Aiiish!“, schrei er fast im selben Moment. Vor Schreck hatte er sich mit voller Wucht den Kajal ins Auge gestochen. Immer noch fluchend fuchtelte er halb blind mit dem Stift vor sich rum, dabei riss er mit Schwung alles von der Ablage unter dem Spiegel. Laut klirrend und scheppernd landeten unzählige Kosmetikartikel auf dem Boden. Weniger das er es sah, als das er es roch, bemerkte er das sein Lieblingsparfüm zersprungen sein musste. „Aish!“, fluchte Key erneut und drückte sich mit einer Hand auf das inzwischen heftig tränende Auge. ‚Was ein beschissener Morgen‘, dachte er.
„Alles in Ordnung?“ Key drehte sich zur Tür, dort stand Taemin und sah ihn besorgt an. „Was ist passiert?“, fragte der Jüngere weiter ohne die Antwort abzuwarten. Naja, man konnte auch sehen, das mit ihm nicht alles in Ordnung war. Vorsichtig, um nicht auf Scherben zu treten, ging er zu Key und dirigierte diesen zum Badewannenrand. „Lass mich mal schauen.“ Key nahm die Hand runter und zwinkerte einige Male, bevor er das Auge aufhalten konnte. Taemin stand unglaublich nah vor ihm, Keys Herz schlug auf ein mal so schnell wie ein Presslufthammer. Seit dem ungewollten Geständnis, waren sie sich nicht mehr so nahe gewesen. Taemin griff behutsam an sein Auge und hob das Lid an. „Ich glaube es ist nichts Ernstes.“ Taemin stand so dicht vor ihm das Key ihn riechen konnte, er atmete einmal tief ein. Jonghyun hatte recht, er liebte den Geruch des Jüngeren und er hatte auch damit recht, das es sein Herz, wenn überhaupt möglich, noch schneller schlagen ließ. Key zwang sich ruhig zu atmen.
„Dein Auge ist rot, aber das wars. Mach einfach eine Weile das Auge zu, Hy...“ Das eine Auge zugekniffen sah Key überrascht zu dem vor ihm Stehenden hoch. Warum hatte Taemin mitten im Wort aufgehört? Wo war das liebevolle ‚Hyung‘ hin? Keys Gedanken drehten sich im Kreis. Konnte es sein das der Andere ihn nicht mehr als seinen Hyung sah? „I-Ich g-geh dann mal einen Besen holen?“, stotterte Taemin. Offensichtlich war ihm gerade erst bewusst geworden das es Key war, der da vor ihm saß. Als Taemin sich umdrehte um zur Tür zu gehen, hielt Key ihn am Arm fest und drehte ihn wieder zu sich um. Perplex sah Taemin zu Key. Seine Wangen waren gerötet. ‚Wie Hübsch‘, schoss es Key durch den Kopf. „Was?“, fragte Taemin. Offensichtlich hatte er es doch nicht nur gedacht. Doch anstelle weiter darauf einzugehen, stand er auf und zog den Jüngeren an sich. Die Umarmung fühlte sich unbeschreiblich gut an und Keys Herz flatterte wie ein junger Vogel, es war unmöglich das der Andere das nicht spürte, aber das wahr ihm egal. Er wollte den Anderen so fest wie möglich in den Armen halten, und gleichzeitig hatte er Angst ihn zu zerdrücken. Noch immer brannte sein Auge, aber mittlerweile konnte es wieder einigermaßen klar sehen. Wiederwillig lockerte er den Griff, sodass er Taemin in die wunderschönen dunkelbraunen Augen sehen konnte. Warum waren sie ihm früher noch nicht aufgefallen?
„Ich mag dich“, flüsterte Key und war selbst überrascht wie leicht es ihm plötzlich über die Lippen kam. Taemins Augen weiteten sich kaum merklich. „Hyu-ng“ Key musste lächeln, da war es ja wieder sein ‚Hyung‘. ‚Wie kindisch ich mich gerade aufführte‘, dachte Key, ‚über dieses kleine Wort freu ich mich wie ein Kind das einen Lolly bekommt.‘
Sie sahen sich direkt in die Augen, dann schloss Key die seinen und gab dem anderen einen sanften, fast schüchternen Kuss. Eine Gefühlte Ewigkeit später lösten sie ihre Lippen wieder.
„Wirklich?“, fragte Taemin immer noch ungläubig. Key nickte.
Jetzt war es Taemin der ihn küsste, stürmischer, leidenschaftlicher. Sie versanken in dem angenehmen Gefühl und wussten nicht wie lange sie küssend dastanden. Schließlich ließen sie von sich ab. Key legte erschöpft den Kopf auf Taemins Schulter. „Ich bin müde.“ Glücklich lachend antwortete Taemin: „Dann komm mit.“ Nahm Keys Hand in seine und zog ihn vorsichtig an den Glassplittern vorbei in den Flur und weiter in sein Zimmer. Zufrieden kroch Key unter die Bettdecke. Es fühlte sich an, als wäre etwas großes, schweres von ihm abgefallen und hatte nun den Platz frei gemacht für etwas leichtes, unbeschwertes. Noch einmal küssten sie sich ungestüm, dann schlief Key in Taemins Armen ein.
