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My Love, the red little Kitten

von

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Weit aufgerissene, grüne Augen starrten an die steril weiße Wand vor sich. Tränen der Verzweiflung schimmerten in ihnen und suchten sich ihren Weg über die blassen Wangen. Die pochende Härte in seinem Unterleib schmerzte. Es war abartig, grauenvoll, pervers, gnadenlos.

Viel schlimmer war jedoch diese riesige Leere in ihm, der Grund weswegen er weinte.
 

Wenigstens kannte er jetzt die Antwort auf Ayas Frage, die ihn immer wieder aus seiner Traumwelt riss.
 

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"Er benimmt sich seltsam, findet ihr nicht?"

"Hn."

"Wahrscheinlich hat ihn nur eins seiner Dates abgesagt. Oder die Frauen stehen jetzt auf andere Maschen als auf seine." Leises Kichern. "Er war immerhin fast 3 Wochen krank und somit nicht auf Tour."

"KEN, manchmal bist du echt ein gefühlsloser Bastard!"

Protest von dem Angesprochenen. "Was denn??? Könnte doch möglich sein. Ist ja nicht so, dass es das erste Mal wäre und ihr wisst, wie er dann drauf ist."

Seufzen. "Ja, aber das artet doch meist nur in Schmollen aus. Jedoch das hier... ist irgendwie anders. Er scheint zwar wieder fit zu sein, aber ... Aya, was sagst du dazu... äh...Aya?? Nanu, wo ist er denn hin?"
 

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Hatte es denn keiner von ihnen bemerkt? Machte sich denn keiner tiefgründiger Gedanken, als jene, dass ein Date an allem Schuld war? Ken war nicht der erste, der diese Vermutung aufgestellt hatte und eigentlich war es auch berechtigt, denn wie Omi schon sagte: Yohji schmollte schnell, wenn er nicht das bekam, was er wollte. Doch das wirkte so oberflächlich... platt.
 

Aya betrat den Laden, der um diese Uhrzeit meist leer war. Alle Fangirls waren jetzt in der Schule und andere Leute verirrten sich nur selten hier her. Höchstens mal eine alte Oma, die Gesellschaft in ihrem tristen, verkommenen Leben suchte und sich vorstellte, wie einer von ihnen als Schwiegersohn agieren könnte. Ein Killer als Schwiegersohn. Aya musste bei dem Gedanken unweigerlich schief grinsen.
 

Ein Grinsen, welches sofort verschwand, als sein Blick durch den Raum glitt und auf das eingefallene, unnatürlich blasse Gesicht einer Person traf, die früher mal für andere lebte. Nun lebte sie nichtmal mehr für sich selbst. Eine leblose Hülle aus Fleisch und Blut, nutzlos, schwach und doch immer noch darum kämpfend, nicht erkannt zu werden. Wie lächerlich, dabei sieht es doch jeder... oder?
 

"Hey Aya-Schatz, was führt dich zu Onkel Yohji?"

/Kudoh, du Lügner. Glaubst du, ich erkenn nicht, dass dein Perlweiß-Lächeln nur noch eine billige Imitation von früher ist. Du KANNST dich dahinter nicht mehr verstecken./

"Hast du was getrunken, Kudoh?" fragte der Rotschopf eher desinteressiert, fast schon spöttisch und ging dabei gelangweilt zu der dunklen Ecke, in die sich der Playboy auf einem Stuhl zurück gezogen hatte.
 

"Ja... hab ich." Yohji hob eine Plastikflasche mit einer klaren Flüssigkeit in die Höhe, um diese Aya zu präsentieren. "Wasser..." /Was soll das, Aya? Was willst du überhaupt hier? Verzieh dich... komm ja nicht in meine Nähe... du bist der Letzte, den ich hier gebrauchen kann../ Doch Aya verzog sich nicht. Im Gegenteil... er stand plötzlich ganz dicht neben dem Älteren, sah auf ihn herab, als wäre er nur ein Haufen Müll, der so und so bald verwest und zurück blieb... nichts. Rein gar nichts. Er griff nach der Flasche, doch ein wenig verwundert darüber, dass der Andere nicht protestiere und schraubte sie auf, schnupperte kurz daran... Yohji regte sich immer noch nicht. "Das nennst du also Wasser?" Der beißende Gestank von Alkohol zog sich Widerlicherweise durch seinen ganzen Körper. Hastig verschloss er den Behälter und stellte ihn wieder vor Yohjis Füße.
 

Angesichts davon, dass er nur noch zu einem Viertel voll war, konnte er davon ausgehen, dass der Playboy unter Garantie nicht mehr zurechnungsfähig war. "Kannst du deine Sauforgien nicht bei Abends belassen oder musst du sie unbedingt noch in die Arbeitszeit verlegen?" Er setzte sich auf den freien Stuhl, der vor Yohji stand, seine violetten Augen nicht von der kränklichen Gestalt ablassend. Oh Gott, kränklich war schon gar kein Ausdruck mehr für das Wrack, was da vor ihm saß. Wenn jemand die Zombies aus Michael Jacksons ,Thriller' kennt... Yohji hätte gut mitspielen können. Sah nur ER das. Sah, verflucht noch mal, nur Aya das???
 

"Wen stört's." Der Ältere zuckte mit den Schultern. /Kudoh... merkst du es nicht einmal selbst?/ "Die hübschen Mädels tauchen erst in 3...4 Stunden auf und sonst hat das keine Sau zu interessieren." /Dich erst recht nicht, Aya Fujimiya. VERSCHWINDE ENDLICH!!!/

Yohji wollte wieder einen Schluck von der klaren Flüssigkeit nehmen, doch war Aya schneller, riss ihm die Flasche aus der Hand und kippte den restlichen Wodka einfach in den nächst gelegenen Blumenkübel. Armes Blümchen.

Welche Folgen das für ihn haben könnte - dass Yohji vermutlich gleich auf ihn losgehen würde - interessierte ihn nicht. Der Playboy war dicht bis oben hin, stellte also keine weitere Gefahr dar. "Verdammt Aya, was soll das?" Hn... wütend schien er ja nicht gerade zu sein. Klang eher wie schmollen.

"Ich rette den Laden vor dem Konkurs."
 

Erniedrigt, gepeinigt und ausgebeutet. Irgendwann war Schluß mit dem stetigen Lächeln, irgendwann neigte sich die Energie, die er dafür benötigte, dem Ende entgegen. Yohji konnte nicht mehr lächeln. Es war so klar gewesen, dass Aya sich kein Stück dafür interessierte, was los war, dass er nur an seine beschissenen Regeln und sein Image dachte und das...

Er war nicht wie in seinem Traum, aber wie oft ist ihm das schon aufgefallen und dann änderte er sich plötzlich und war liebevoll und zärtlich... alles zerplatze in wenigen Momenten. Er sollte sich dagegen stellen... er sollte sich dagegen stellen, bevor er sich darauf einließ und dann wieder aufwachte um festzustellen, dass er alleine war. Er wollte nicht alleine sein, er wollte dieses Gefühl nicht mehr kennen, er hatte ANGST davor!!! /Jaaaaaaa, Fujimiya, deine verfluchte Antwort auf deine verfluchte Frage. Ich habe Angst vor dem Allein-sein, aber du musst es mir ja immer wieder zeigen. Reitest darauf rum, als würde es dir Spass machen. Hast du nichts Besseres zu tun? /
 

"Weißt du was, Fujimiya... du kannst mich mal kreuzweise." er knallte die leere Plasteflasche in den Mülleimer und versuchte aufzustehen. Wenn da nur nicht sein zugedröhntes Hirn wäre, welches ihn daran hinderte, auch nur einen vernünftigen Schritt zu tun. Wieso musste der Laden auch so schwanken? Konnte er nicht wenigstens so lange still halten, bis er in seinem Bett war. Oh Gott, jetzt fing Aya damit auch noch an. Der Rotschopf sollte sich wirklich überlegen, ob er in der Arbeitszeit trank. Arbeitszeit? Ach ja. Da war ja was.
 

Das Türglöckchen ertönte, grell und laut in seinen Ohren. "Verdammt, Aya, mach die Musik leiser." Yohji hielt sich den Kopf und sah auf die ältere Dame, die dort im Laden stand. "Uhm... so du großer Hecht. Dann rette uns mal alle und bedien das hübsche Mädchen dort drüben. Ich geh jetzt ins Bett. Ich glaub, ich bekomme 'ne Grippe. Mir ist so schlecht." Die Wut, die er eben noch auf den Jüngeren hatte, war längst wieder vergessen. Der Alkohol ließ nicht zu, dass er sich Dinge für einen längeren Zeitraum merken konnte und schon gar nicht, dass er sie einordnen konnte. Alles schien so wirr, unkontrollierbar.

"Na, Rotkäppchen. Was meinst du. Ich sehe doch blass aus, oder?"
 

"Ja." Eindeutig, Yohji war nicht mehr bei klarem Verstand. Vielleicht sollte er ihn einfach ignorieren. Nicht mehr mit ihm reden, ihn nicht weiter beachten, so lange, bis er wieder nüchtern war. Wieso strahlt er denn jetzt so???

"Siehst du Aya, ich werde krank. Ob ich Chibi dazu bekomme, mir ein paar Tage frei zu geben?" /Yohji, was redest du da?/

"Vielleicht sollte... ich mir auch für immer frei nehmen. Was sagst du?"

/Was...? Sieh mich nicht so an! Sieh mich nicht so traurig an!!!/

"Oh Gott, mein Magen!!!" Das traurige Lächeln verschwand auf Yohjis benebelten Gesichtsausdruck und wich der typischen, treudoofen Fratze, die wohl jeder Betrunkene mit sich trug, so glaubte jedenfalls Aya.
 

Weg. Er hatte für einen Moment diese Verletzlichkeit gesehen, die er schon seit Tagen wahrnahm. Ganz deutlich war sie in den grünen Augen zu lesen und er wusste, er täuschte sich nicht. Nun war sie nicht mehr da, aber seine Worte beunruhigten Aya. Für immer frei nehmen...

"Yohji, ist..."

"Entschuldigen Sie!!!"
 

Aya riss seinen Kopf zu der Dame herum, die nun etwas verlegen und verloren im Laden stand.

Ihre blauen Augen sahen hilflos zu dem Rotschopf und Yohji, die in einer gewissen Distanz vor ihr standen. Sie schien nicht fragen zu wollen, eher zu müssen. Ein Gesteck in ihrer Hand. Weiße Lilien. Nur weiße Lilien, nichts weiter. Es passte auch nichts weiter. Weiße Lilien waren die Schönheit in Natur, ihr Glanz würde nur verblassen, wenn man ihnen etwas beifügen würde.
 

Weiße Lilien in zierlichen Händen, die in schwarzen Handschuhen verborgen waren. Schwarze Handschuhe, ein schwarzer Mantel, ein schwarzer Hut. Bleiche Haut und hochgestecktes, graues Haar. Sie war wohl der Todesengel, der diese Nacht zuschlagen würde. Oder einfach nur eine alte Dame, die auf die Trauerfeier ihres besten Freundes ging, wie Aya später erfuhr. Später, als er sie bediente und Yohji müde und schlapp in sein Zimmer gewankt war. Er konnte ihm keine Fragen stellen und er würde keine Antworten bekommen. Er hätte es ausnutzen sollen, dass der Playboy nicht ganz bei Sinnen war.
 

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"Sie hat mir erzählt, dass sie ihn geliebt hat."

"Ich dachte, er wäre ihr bester Freund gewesen."

"Er wusste nichts davon."

"Ach so..."

"Er hat sich umgebracht."

"Warum?"

"Weil er keinen Sinn mehr im Leben erkannt hatte, sagte sie mir."

"..."

"Sie fühlt sich schuldig."

"Weil er keinen Sinn mehr gefunden hat?"

"Weil sie ihm keinen zeigen konnte..."

"..................................................."
 


 

"Aya, wieso erzählst du mir das alles?" Yohji, ein paar Stunden später: blass, mit einem lädierten Gesichtsausdruck und noch ziemlich benommen, sah er, trotz dieser Umstände, nicht gerade gelangweilt aus. Wie könnte er auch? Dort saß Aya, auf der Bettkante SEINES Bettes und erzählte ihm irgendeine belanglose Sache. Von der alten Dame, die er vor Stunden im Laden bedient hatte. Eine Dame unter vielen Damen, ein Kunde unter vielen Kunden. Aya hatte nie darüber gesprochen.
 

"Mir war danach." Das war eine dieser typischen Antworten, die eigentlich nur eines sagen sollten: Frag nicht weiter und sei froh, dass ich überhaupt zu dir gekommen bin.

Die violetten Augen betrachteten den mageren Körper, der sich nun in den vielen Decken und Kissen wälzte, sich auf die Seite drehte und den grünen Stoff um sich schlang, damit Aya ihn nicht völlig entblößt hier liegen sah. Außerdem schien ihm kalt zu sein. Er hätte vielleicht doch vorher anklopfen und ihn nicht einfach im Schlaf überraschen sollen.
 

"Dir war Jahre lang nicht danach." ,Überraschen' war gar kein Ausdruck gewesen dafür, dass sich der Playboy zu Tode erschrocken hatte, als er ,erbarmungslos' aus seinem traumlosen Schlaf gerissen wurde. Dieses Mal dachte er, er würde wirklich wahnsinnig werden. Da stand ein Rotschopf und dieser Rotschopf hatte ihn geweckt, nicht laut, nicht grob, wie sonst immer, nein, richtig sanft hatte er ihn am Arm gerüttelt und hatte ihn dann gefragt, ob er hier bleiben dürfe. Diese Träume werden immer durchsichtiger und berühren mich immer weniger, hatte er da gedacht. Gewohnheitssache eben. Nun war er sich nicht mehr so sicher, ob das wirklich der Fall war.
 

Aya saß hier immer noch und unterhielt sich mit ihm. Ein richtiger Dialog. Nicht um ihn, nicht um Yohji, nicht um ihr Leben sondern um irgendeinen wildfremden Menschen. Irgendeine Sache, die völlig unwichtig schien und gerade darüber wollte er reden. Das war wirklich komisch. Seit wann nahmen seine Träume humoristische Züge an?
 

"Ich sollte jetzt gehen." Das war jetzt aber nicht, wie in seinen Träumen. Das war gar nicht, wie in seinen Träumen. Da blieb Aya bei ihm, umschmeichelte ihn, hauchte ihm zärtliche Worte in sein Ohr... liebte ihn.

Es war lächerlich, immer wieder musste er sich das eingestehen. Er sprach hier immer noch von ihrem eiskalten Rotschopf. Ein Rotschopf, der da vor ihm saß, mit ihm über Belanglosigkeiten reden und nun gehen wollte. Gehen? Er konnte doch jetzt nicht einfach gehen. Aya ging nie in seinen Träumen. Er konnte ihn doch jetzt nicht mit dem eben Gesagten alleine lassen, mit dem Gefühl, dass Aya, wenn auch nur für kurze Zeit, ihn ein wenig gebraucht hatte. Das ging nicht.
 

"Nein..." Keine zwei Schritte hatte sich der Rotschopf entfernt, war kaum Richtung Tür gedreht, da hielt ihn ein fester Griff um sein Handgelenk zurück. Und später dann zwei grüne, verschlafene, plötzlich ernst und traurig wirkende Augen, in die er sah. Ganz so, als würde er nicht fühlen, als wüsste er nicht einmal, was das bedeutet, als kenne er dieses Wort nicht. Doch er kannte, wusste und konnte es. "Geh nicht..." Er durfte nicht gehen, niemals. Er musste hier bleiben und weiter erzählen, ihm Gesellschaft leisten, nicht einmal mehr. Nur das, nur in Yohjis Nähe bleiben und ihm dann erneut zeigen, dass alles nur Illusion war, damit es immer und immer wieder von vorne begann, ganz ohne Zeit und Raum, bis Yohji wirklich nicht mehr wusste, was wirklich und falsch war. Dass war alles, was der Ältere wollte.
 

Aya fragte nicht nach dem ,warum?'. Aya blickte Yohji auch nicht verständnislos an. Er setzte sich einfach in der vorherige Position zurück auf das Bett, nur ein klein wenig näher an Yohji gerückt, als eben noch. Der Ältere sah aus, wie ein kleines Kind, so eingewickelt in die Decke und sich schützend vor der völligen Blöße und der Kälte die ihn umgab. Kälte die, wie Aya glaubte, der Rotschopf selbst ausstrahlte. /Schützt er sich... vor mir?/
 

Viele Worte waren oft Unheil bringend und trotzdem sagten sie nicht viel aus. Sie wurden in aller Häufigkeit verwendet, als wären sie nicht viel wert und meistens waren sie das ja auch nicht. Eben aus diesem Grund, dass sie viel zu häufig angewandt wurden.
 

Ein ,Ich liebe Dich' verliert an Reiz, sagt man es Tag täglich ein Dutzend Mal. Es wird zur Gewohnheit.
 

Ein banales und doch so wahres Beispiel und der Rotschopf war sich dessen sehr wohl bewusst. Doch von ihm konnte keine Rede sein, er war nie ein Mensch großer Worte gewesen, auch nie großer Taten, es sei denn, sie waren, wie jetzt, unvorhergesehen, nicht geplant, nicht gewohnt und völlig gegen die Norm. Gegen SEINE Norm.
 

Eine Hand, schlank und blütenweiß, feingliedrig, fast die einer Frau, aber eben nur fast und Yohji beobachtete mit morbider Faszination, wie eben diese Hand nach der grünen Decke griff, sie ein wenig wegzog. Nur ein bisschen, ein ganz klein wenig, nicht mehr, fast so, als würde man eine Tür nur einen Spalt weit öffnen um in den Raum dahinter zu lugen und sie dann ganz schnell wieder schließen, um nicht dabei erwischt zu werden, wie man etwas Verbotenes tat. Aya schloss sie nicht. Nein, im Gegenteil, er öffnete sie sogar noch ein Stück weiter, gerade so, dass er hindurch passte und den Raum dahinter betreten konnte. Es war so kalt und leer dort drin, so dunkel und nichts, aber auch rein gar nichts, konnte er hier mit seinen violetten Augen erspähen. Nicht mal ein Funken Licht, ein wenig Leben war hier. Nichts. Wieder und wieder nichts, egal, in welche Richtung er sich drehte, egal, wo er hin sah, ob er die Gardinen zurück zog oder nicht, es blieb gleichfalls dunkel und leer.

Es machte ihm Angst und er fühlte sich beklemmt und doch blieb er hier, an diesem Ort, wo sonst kein Mensch sich hinwagen würde. Womöglich war er deswegen verschlossen. Vielleicht war es gefährlich hier. Oder ein Geheimnis ruhte hier, welches Aya noch nicht sah und welches eigentlich niemand sehen sollte. Vielleicht wurde er ja belohnt für seinen Mut, sich bis hierhin vorzuwagen.
 

"Wirst du es wieder so machen? Dich erst bis in mein Innerstes vorkämpfen, mich brechen um mich dann doch alleine zurück zu lassen. So wie Asuka? "
 

"Was?" Der Rotschopf verstand nicht ganz, doch Yohji verstand und hielt die Hand fest, die sich auf seine Schulter gelegt hatte, hielt sie fest, als versuche er so, diesen Moment als Realität einzufangen. Es würde nie gehen und er wusste es.
 

Für Ewigkeiten herrschte Stille zwischen ihnen, Yohji sagte nichts und Aya sowieso nicht. Da war nur Stille und Leere und Dunkelheit, so, wie sie der Jüngere eben noch gefühlt hatte und weiter fühlen würde. So, wie er sie von sich kannte und sie verabscheute aus tiefsten, zu Eis gefrorenem Herzen, welches eigentlich nicht mehr verabscheuen sollte und es doch tat. Weil er ein Mensch war und Menschen so etwas taten, genau so, wie sie Glück und Trauer, Hass, Schmerz oder Liebe empfanden, genau so verabscheuten sie auch. Aya spielte da keine Ausnahme und auch Yohji würde keine Ausnahme sein. Er würde es zu verhindern wissen, dass er zur Ausnahme wurde.
 

"Das ist wirklich lächerlich, Aya. Gleich wache ich auf und dann ist alles vorbei, also bitte geh jetzt. Ich will nicht noch einmal so aufwachen."
 

"Du träumst?" Nicht wirklich eine Frage, nicht mal eine Feststellung, jeglich eine überraschte Äußerung, die dazwischen lag. Er würde nicht gehen, er hatte diese Aufforderung ganz gewissentlich überhört.
 

"Natürlich träume ich, jeder Mensch träumt. Hast du noch nie geträumt?" er wusste doch ganz genau, auf was Aya hinaus wollte. Er wollte wissen, was Yohji träumte, wollte so vielleicht in Erfahrung bringen, was nicht stimmte und dann wieder seine Alles entscheidende Frage stellen, die Yohji eh nie beantworten kann. Vielleicht konnte er es jetzt.
 

"Natürlich..."

"Aya?""Hn?"
 

"Ich habe Angst davor, alleine zu sein. Das wolltest du doch wissen, nicht?"
 

Er war so vorsichtig bei seiner Antwort, wie eine Katze, die sich an ihre Beute schlich. Was für ein Zufall, dass ihr Blumenladen ,Kitten in the house' hieß. So vorsichtig und verletzlich, dass Aya Angst hatte, dass er ihn verletzen würde, würde er ihn weiter berühren. Doch konnte er seine Hand nicht wegziehen, sie wurde von einem gewissen Blondschopf einfach festgehalten. Ein letzter Strohhalm, an den er sich klammern konnte.
 

"Heute ist Asukas Todestag, nicht wahr?"

"Ja..."

"........."

"Woher weißt du das?"

"Spielt keine Rolle. Deswegen der Wodka?"

"Nein..."

"Wegen deiner Angst?"

"Vielleicht... wer weiß. Ich kann sie damit nicht besiegen, nicht einmal unterdrücken. Ist das nicht Ironie, es hilft nicht und trotzdem tue ich es."
 

Yohji lachte leise auf, aber ihm war nicht zum lachen. Aya auch nicht. Der Ältere setzte sich auf, starrte ihn an, aus katzengrünen, trüben Augen, die aussahen, als würden jeden Moment kleine Perlen aus Trauer aus ihnen quellen, Tautropfen ähnlich, die sich erst ihren Weg über ein Blatt oder eine Blüte suchten, den ganzen Schmutz von eben diesem mitnahmen und sich dann für immer und ewig auf den Boden der Mutter verloren. Der Rotschopf reagierte, ließ sich nicht lange bitten, brauchte keine Zeit zum überlegen und auch nicht für viele Worte, sondern handelte, legte seine Arme um den nun vollkommen freigelegten Oberkörper, der eigentlich so gut behütet unter der Decke vorborgen bleiben sollte.
 

"Vielleicht verdiene ich das." Yohji weinte, doch man hörte nichts, sah es nur und Aya spürte zu dem die feuchte Wärme an seinem Shirt.

"Warum?" Das war absurd und so vollkommen inakzeptabel, was Yohji sagte. Niemand verdiente es, alleine zu sein. Oder vielleicht doch? War es nicht Aya selbst, der sich diese Last auf seine Schultern legte, diese Strafe, die kein Gericht, kein Polizist ihm erteilen konnte? Nur er sich selbst und er tat es? Weil er Killer war. Weil er damals nicht helfen konnte, nicht seiner Schwester, nicht seinen Eltern. Was hätte er tun sollen?

"Weil ich sie in den Tod habe laufen lassen." Nur ein leises, unklares Flüstern und Aya hatte Mühe, ihn richtig zu verstehen, da die Stimme durch seinen eigenen Oberkörper gebrochen wurde und kaum noch ein Laut über die Lippen des Anderen trat. Hatte er Angst, schämte sich für diese Worte? Oder wegen ihrer Aussage?

"Hättest du es verhindert, hättest du gekonnt?"

"JA!!!" Die Antwort kam so plötzlich und unerwartet laut, dass der Rotschopf für einen Augenblick zurückschreckte. Was fragte er auch solche Sache, es war doch auch ihm klar gewesen.

"Dann sei ruhig und denk nicht einmal mehr an ,Schuld', die du nicht zu verantworten hast. Mach daraus nicht den Sinn, für den du lebst."

"Ich habe sonst keinen mehr."
 

Er weinte weiterhin und weinte und weinte noch den ganzen Abend und die ganze Nacht und wäre er in diesem Moment aufgewacht, er hätte nicht mehr leben wollen. Doch er wachte nicht auf, denn Aya war da und Aya war auch Stunden später weiterhin da und egal wie häufig er ihn küsste, umarmte, ihm sagte, wie sehr er ihn brauchte, er war immer da und lächelte. Er lächelte nur für ihn, wegen niemandem sonst, nur wegen ihm, weil der Raum plötzlich Licht durchflutet war, in dem er sich befand und weil dort Schätze verborgen lagen, die jeder haben wollte, aber wenige besaßen sie nur. Ein wenig Friede und Liebe in ihrem sonst so dahin geworfenen Leben, welches niemand haben wollte und das denen der alten Damen, die ab und an das Koneko besuchten, so furchtbar ähnelte.
 

Nur ein kleiner Sinn war notwendig, um ihr Leben von denen der grauhaarigen Weiber zu unterscheiden, nur ein kleiner Sinn, denn sie waren doch noch so jung. Und wenn dieser Sinn nur in der Sicherheit bestand, nicht sofort aus dem Traum namens Leben aufzuwachen. Yohji wollte zumindest diesen finden. Er hatte ihn gefunden.
 

"Du hast von mir geträumt?" Aya lächelte immer noch oder schon wieder. Was machte das für einen Unterschied? Dieses Lächeln verlor an keinem Wert. Es gehörte zu Aya, seinem Rotschopf, seiner Rose mit den Dornen und das war das einzig Wichtige für Yohji, der seinen Kopf auf die nackte, blasse Brust legte, dem Herzschlag lauschte, der zu seinem Sinn gehörte, seine Finger in kreisenden Bewegungen um den Bauchnabel fahren ließ und sich wieder in Ayas Arme kuschelte, als wären sie die ganze Welt. Sie waren die ganze Welt. Seine glückliche, kleine Welt. Es würde für immer so sein.
 

"Ja... von dir und meiner Angst, die ich habe. Oder besser ,hatte'. Nun nicht mehr, du bist ja da." Er lächelte, hatte solch ein Herzklopfen, war verliebt über beide Ohren in den Mann unter ihm, dessen rechte Schulter er nun sanft küsste. Er fühlte Frieden und Wärme in und um sich und auch von Aya ausgehen, dem er sich zeigte, als hätte er das immer getan. Denn auch Aya strahlte Frieden und Wärme aus, als er seine Arme wieder um Yohjis Nacken zog und diesen zurück auf seine Brust bettete. Ja, Herzklopfen, Verliebtheit... Frieden... Sicherheit... der Sinn des Lebens.

"Yohji, wovor hattest du denn Angst?"
 

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Eine ältere Dame um die 50 herum sah Aya aus Stahlblauen Augen an, als könne sie all den Schmerz, all das Leid, welches sie fühlte, nie wieder zum Ausdruck bringen, als wäre alles hinter diesem Blau verschlossen. Für immer. Denn auch ihr Sinn war verschwunden und auch sie musste ihn wieder finden. Die in schwarze Handschuh gehüllten Hände falteten sich auf ihrem Schoß. Sie hatte Platz genommen auf einem der Stühle, den der Rotschopf ihr angeboten hatte, während er dem Gesteckt die schwarze Schleife und das Schriftband umband.
 

Blasse, weiße Hände gehüllt in schwarze Handschuh und Worte, die keinen Trost spendeten, denn alles, was blieb war nichts, keine Liebe, kein Sinn, keine Sicherheit nur das Nichts und die ewige Suche nach etwas, was man nicht suchen brauchte, weil es nicht da war. Nichts, was man geben konnte, nichts, was man zeigen konnte.
 

"Ich habe ihn geliebt."

"Ich dachte, sie waren gute Freunde."

"Er wusste nichts davon."

"Ach so..."

"Er hat sich das Leben genommen"

"Warum?"

"Weil er keinen Sinn mehr im Leben erkannt hatte."

"..."

"Ich fühle mich schuldig."

"Weil er keinen Sinn mehr gefunden hat?"

"Weil ich ihm keinen zeigen konnte..."
 

**************The End *************************



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kariri
2004-02-29T03:13:48+00:00 29.02.2004 04:13
Wow! Unglaublich, ich bin fast sprachlos.
Ohne zu übertreiben: Es war bisher die beste FF, die ich hier gelesen habe.
Zuerst schien noch alles normal zu sein, aber es wurde immer undurchsichtiger und ich weiß bis jetzt nicht, was nun Wirklichkeit war und was Traum.
Die beschriebenen Gefühle kann man sich sehr gut vorstellen und man kann sich gut hineinversetzen.
Ich bin wirklich enttäuscht, dass sie nun zu Ende ist.
Und ich könnte noch ne Menge zu der Story sagen, aber das Wichtigste is:
Mach weiter so!
Von: abgemeldet
2003-06-13T05:48:15+00:00 13.06.2003 07:48
Eine echt gelungene story.....


Das das alles nur ein Traum war hatte ich wirklich nicht befürchtet...... Respekt !!


Du hast einen sehr schönen Schreibstil , denn dieser verleiht deiner Geschichte einen gewissen Flair
Da es auch um die Liebe von Yohji und Aya geht (Yohji ist mein Lieblingscharakter) ist sie für die Fans dieses Pairings perfekt

Ich finde auch die Idee, Yohjis Vergangenheit und damit seine Probleme aufzudecken einfach spitze


Wie du schon gemerkt hast bin ich von deiner Geschichte fasziniert :

toller Schreibstil
tolle Handlung
und gutbeschriebene Atmossphäre und Gedankengänge


Was ich dir nur sagen kann ist :SCHREIB SCHNELL AN DEINER STORY WEITER


Bin nämlich wirklich gespannt wie das ganze endet
und ich muss sagen du hast einen kleinen Fan gefunden *gg

tschau
*dich lieb drückt und knuddelt


deine aya


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