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Aufgewachsen unter Trümmern

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Rith ~18~ : Wenn das Rad sich ewig dreht...


 

Aufgewachsen unter Trümmern

Kapitel 37: Rith 18

Wenn das Rad sich ewig dreht...

„Was geht hier vor?“, donnerte eine strenge Stimme durch die Stille und weckte mich blitzschnell aus meiner eigenen Agonie. Ließ mich so schnell aus meiner kalten Starre erwachen, dass ich nur noch benommen blinzeln konnte und erst jetzt meine Umgebung so richtig wahrnahm.

Erst jetzt erkannte, dieses eine beschützende Sein, mit dem mich der Tsheheme zu bewahren schien und langsam sah ich auf. Sah kurz in ein besorgt und vor Blut verschmiertes Gesicht, bevor sich ein verklärter Blick völlig von jenem einen Bilde abwandte, welches mich so erschrocken zurück ließ. Das und meine eigenen Gedanken, die nicht wirrer hätten sein können.

Was...

Was hatte ich getan?

Was war nur geschehen in diesen letzten Minuten, die in Nichts weiterem versanken, als einem reinem Meer aus Dunkelheit?!?
 

„Haltet eure Mäuler, ihr wertlosen Dreckssäcke. Is ja nich zum aushalten.“, dröhnte abermals eine dunkle Stimme durch die Stille und augenblicklich schlug einer der Wärter gegen die Gitterstäbe meiner Zelle. Versuchend die anderen Gefangenen zum Schweigen zu bringen, doch brauchte er wohl einiges an bitteren Versuchen, dass sein Flehen auch ja erhört wurde. 

Flehen... 

Wohl eher ein Befehl, den einer der bulligen Tschehemen wieder hinaus zu brüllen schien und mich mit weiterer Gänsehaut bedeckte.

Denn ich verstand es nicht.

Verstand nicht, all die Aufruhr, die so plötzlich über uns hereingebrochen war und in die ich so schemenhaft erwachte. Begriff nicht das ganze Chaos, mit dem man mich nun betrachtete, anschuldigend erneut mit dem Finger auf mich zeigte und ein ungeahntes Gefühl in meiner Seele weckte. Unangenehm beschrieb es wohl besser und langsam schälte ich mich aus Esrás schützender Umarmung, nur um dann doch, dumpf und gar eigensinnig, auf den Boden meiner Zelle zu starren.

Verloren in der Dunkelheit.

Begleitet von ewiger Stille.

Was war geschehen?

Bis vor kurzem war ich doch noch selbst in Freezers Martyrium gefangen gewesen gewesen.

Stand der Echse so wahrhaft gegenüber und musste mit ansehen, wie sie meine Seele so unverfroren in zwei Teile riss. Zu ergriffen von jener einen Panik, die ich immer noch so wahrhaft in meinem Herzen spüren konnte und wieder griff sich eine zitternde Hand an ein schlagendes Herz.

Hoffend, dass ich so Ruhe in meinen wirren Geist bringen konnte, doch herrschte nichts als die weiteren Stimmen des blanken Chaos. Weilte nichts weiter, als dieses stumpfsinnige Sein, welches dich kaum die Wahrheit von der Lüge unterscheiden ließ. 

Dich weckte und hinein in eine eiskalte Welt schickte, dessen Realität zu solch einem krassen Widerspruch stand, das man es selbst kaum fassen konnte.

Was... war wahr und was nicht?

Was die Wirklichkeit, die ich in letzter Zeit viel zu oft zu verlieren schien, obwohl ich es doch so sehr versuchte, sie weiter festzuhalten?

„Ich wiederhole mich nur ungern...“, wetterte der Wärter von Neuem und verklärt sah ich auf. Zu verschleiert mein eigener Blick, um den Tsheheme genau erkennen zu können, der nun abermals in die Zelle trat und den Abstand zu uns langsam verringerte.

Dunkel gebräunte Haut stand in einem so krassen Gegenzug zu seinem hellen Haar und kurz beschlich mich ein Gefühl der Angst. Ein Gefühl der Panik, dass der Oberst schon längst und mir viel zu früh überraschend wiedergekehrt war, doch alleinig helle purpurne Augen ließen mich den Unterschied erahnen. Ließen mich abermals die Wahrheit sehen und verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen.

Was war in den letzten Minuten, Stunden.... hoffentlich nicht Tagen, geschehen, an das ich mich nicht und in keinster Weise erinnern konnte?

Kurz suchten müde dunkelbraune Opale ein helles Grün und sofort erkannte ich die Warnung in Esrás ruhigem Blick. Erkannte den Rat stillschweigend zu verweilen und ja nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, wollte ich meinen Plan in die Tat umsetzten, der nun mit aller Macht wiederzukehren schien.

Das und meine eigene, schwache Erinnerung.

Die Sósámaíi.

Stimmt.

Ich hatte gekämpft. 

Hatte den Teklanten für mich erworben und kurz zuckte ich zusammen, als ich das kleine eckige Gehäuse in meiner Hosentasche fühlen konnte.

Spürte die Realität so schwer an meiner Seele nagend, dass es fast einem Faustschlag glich, mitten ins Gesicht hinein und ich erschrocken, ein vages Keuchen unterdrücken musste.

Freezer war nur eine Illusion gewesen.

Nur ein Tagtraum; Alptraum traf es wohl eher, der mich in wirren Stunden eine weitere Qual durchleben ließ und kurz war ich wirklich gewillt, zu lachen.

Wirklich gewillt all meine Anspannung hinter mir zu lassen, doch wusste ich nicht, ob ich mich wirklich über diesen Stand der Dinge freuen sollte.

Denn leider hatte ich mich und so wie Esrás Blut nun zu Boden tropfen, zu weit aus dem Fenster gelehnt und mich abermals in meinem Hass verloren.

Ein Hass, der mich gleich und ohne weitere Umwege, wieder zwei Schritte nach hinten warf.

Mich erneut von meinem eigentlichen Ziel entfernen ließ.

Abermals geordnete Gedanken abgelegt hatte und nichts als mein inneres Feuer mich lenken lassend.

Verdammt noch mal.
 

Zornig zogen sich meine Augenbrauen zusammen und abermals sah ich auf, als ein Schatten über mich fiel und unweit meine ganze Bestrafung im Raum stand.

„Antworte, Saiyajin. Oder hat es dir mit einem Mal die Sprache verschlagen?“

Mehr als nur ein süffisantes Grinsen folgte.

Mehr als nur diese eine Gewissheit, die Zügel in der Hand zu halten und noch ehe ich mir eine passende Antwort einfallen lassen konnte, packte man mich hart am Kragen meiner Kleidung und zog mich auf die Beine.

„Ich kann die Antwort auch aus deinem kleinen sturen Geist herausquetschen, Bursche. Mir ganz gleich wie sehr dein Schweigen andauert, denn ich bin bei weitem nicht so gnädig und erbarme mich dir so leichtfertig, wie mein Bruder.“

Bruder?!?

Nun konnte ich meine Verwunderung wirklich nicht mehr halten und riss geschockt die Augen auf.

Deshalb also diese Ähnlichkeit.

Deshalb dieser eine kalte Schauer, der augenblicklich meinen ganzen Körper hinunter jagte und eine alte Angst neu aufleben ließ.

Bruder.

Na super.

Gießt ruhig alle schön weiter brennendes Öl ins heiße Feuer und besiegelt meine eigene Qual vollkommen.

Noch schlimmer kann es wirklich nicht mehr kommen, dachte ich gereizt und sah dann wieder auf den Tsheheme, der ein belustigtes Kichern über dunkle Lippen wandern ließ.

„Oberster Korun-Kán. Ich weiß nicht, ob Lord Tháem darüber sehr erfreut sein wird, wenn ihr so einfach sein...“

Doch sofort wurde einer der Wachen durch eine barsche Handbewegung unterbrochen und lenkte somit die neue Aufmerksamkeit völlig auf sich.

„Was mein größeres Ebenbild einst veranlasste und was nicht, lasst mal meine Sorge sein. Während seiner Abwesenheit hat er mir die Verantwortung für diesen Steinhaufen übertragen und allen Insassen die darin gefangen sind.“

Wieder folgte ein belustigter Blick, abermals auf mich gerichtet und anschuldigend sah ich zur Seite.

Sah so herausfordernd und drohend in Esrás gelangweilten Blick, welcher sofort reinem Trotze glich und entschuldigend hob mein Zellnachbar die Schultern, nur um sie im selben Moment wieder fallen zu lassen.

`Hast nie danach gefragt, Manjéth´, schien sein Blick abermals zu sagen und genervt konnte ich nicht anders, als mit den Augen zu rollen. 

Dieser Idiot hätte aber doch mal einen Ton sagen können, dass dieser Hampel von Lord-Wahnsinnigkeit einen gleichnamigen jüngeren Bruder hatte. Doch mein Schweigen blieb bestehen und amüsiert ließ mein Gegenüber seine eisigen Lippen zu einem abermals spottenden Grinsen zucken.

„Stur wie eh und je. Genauso, wie mein Bruder es geschildert hatte.“

Wieder verstärkte sich ein Griff um meinen Kragen und mit einer spielerischen Leichtigkeit zerrte mich der Krieger in die Lüfte. Gewillt und gar bestärkt mir somit besser in die Augen sehen zu können und wieder befolgte ich Esrás gut gemeinten Rat und hielt ausnahmsweise ein Mal meinen Mund. 

Irgendetwas schien die Struktur erneut geändert zu haben und mit dem Auftreten eines Bruders hatte ich in keinster Weise gerechnet. Wie sollte ich auch, bis jetzt wurde seine Existenz immer in den Schatten gehalten und fieberhaft dachte ich nach. Versuchte zu begreifen, ja gar zu verstehen, wie ich mich selbst aus dieser Situation retten konnte, doch stand alles in einem Widerspruch und tief verborgen unter einem dicken Schleier aus kaltem Nebel.

Alles an das ich mich erinnern konnte war, dass ich nach dem Kampf nur noch diese immense Hitze spüren konnte, bevor mich nichts als Schwärze begleitete und nun, unweit etliche Zeit verstrichen, fand ich mich in meiner eigenen Zelle wieder. Nicht wissen, wie viele Stunden oder erneute Tage vergangen waren, sondern nur Esrás eigenes Blut vorfand. Mich selbst dicht gestützt an seiner Seite und meine Hände so brennend, dass es nur eine Schlussfolgerung geben musste. 

Frisches rotes Blut mehr als nur zu fest an meinen eigenen Fingerknöchel klebte, mit denen ich meinem Zellnachbarn die geballte Faust ins Gesicht schmetterte und je denn mehr wurde mir klarer, dass ich unbewusst gehandelt haben musste.

Ungewollt erneuten Schmerz auf mich genommen hatte und kurz wusch unendliche Sorge über meinen Geist, als ich abermals über Esrás gebrochene Form blickte.

Wie oft hatte ich ihn getroffen?, fragte ich mich selbst und sah erneut auf thronende Blutergüsse und offene Wunden.

Er konnte von Glück sagen, dass mein Ki mausetot und in meinem Körper gefangen zu sein schien, sonst wäre wahrscheinlich nicht ein Mal mehr ein Klumpen Fleisch von ihm übrig geblieben.

Es geschah nicht oft dass ich so die Kontrolle verlor, jedenfalls konnte ich mich nicht wirklich an jenes eine Sein erinnern, das so drohend in meiner Seele lag und nur auf einen weiteren Ausbruch wartete.

Wenn wir endlich wieder alleine waren und ich, hoffentlich, dieser Gefahr gebannt, würde ich mich bei dem Tsheheme ordentlich entschuldigen müssen.

Nach all dem, was er für mich getan hatte, war ich ihm wenigstens das schuldig.

„Du bist also auch derjenige, der bei den heutigen Sósámaíi so ein Chaos angerichtet hat.“, säuselte er erneut und abermals flog ein abschätzender Blick über meine angespannte Statur.

„Kam zu glauben, zwecks all dieser Erbärmlichkeit, die einem so frevelhaft entgegen stößt. Aber bekanntlich sind Stille Wasser ja sehr tief.“, hauchte des Oberst Bruder diabolisch grinsend und wieder ging ein Schauer durch meinen ganzen Körper.

Wahrlich dieser Stammbaum hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Schien definitiv dem blanken Wahnsinn verfallen zu sein und langsam spürte ich, wie ich unruhig wurde. Wie mehr und mehr meine eigene Nervosität stieg und ich mir nur noch endlose Ruhe wünschte.

Ruhe um meine Gedanken neu ordnen zu können. 

Endlich Routine in meinen wirren Geist sickern lassen konnte, um meinen Plan neu zu überdenken, doch ließ es dieser Abschaum vor mir nicht gänzlich zu.

Verdammt.

Und dabei war ich dem Ziel so nahe gewesen.

Konnte so eisern endlich meine eigene Freiheit fühlen, dass es mich förmlich in den Fingern juckte, doch wie immer stellten sich mir neue Steine in den Weg.

Verdammte Ironie des Schicksales.

Verbissen unterdrückte ich gerade noch so ein Knurren und verschloss es in den Tiefen meiner Seele.

Mein ganzes Sein stand so schon auf Messers Schneide, da wollte ich nicht noch absichtlich Salz in offene Wunden streuen.

„Was mach ich jetzt nur mit dir, hm?“, drang abermals ein widerlicher Sing-Sang an mein Ohr und wieder sah ich auf. Sah erneut in diese hellen Opale, die mit nichts als reinem Eis zu vergleichen waren und hielt den Atem an.

„Kämpfe in den Zellen sind nicht gestattet, wenn es natürlich nach meinem Bruder geht und schon weniger diese Art von brutaler Gewalt, welche du so unverfroren über den armen Esrás hier hast walten lassen und trotzdem kann ich deine Rage gut verstehen, Saiyajin.“, nickte der Tsheheme anerkennend und warf dann eben Genanntem einen belustigten Blick zu, der mehr Abscheu als Hass in sich trug.

„Auch ich wollte einst sein wertloses Leben zu vorschnell beenden, kann man es mit diesem Nichtsnutz keine volle Minute aushalten, ohne dabei völlig den Verstand zu verlieren.“

Wieder kicherte er erbost und sah mir dann forschend in die Augen.

„Schade, dass du dich so vehement gegen uns sträubst. Deine bereichernde Art wäre sicherlich ein guter Fang für unsere Armeen gewesen und trotzdem frage ich mich ernsthaft , wem du wirklich zu dienen scheinst.“

Er ließ den Satz so stehen, ließ ihn vollkommen im Raum wirken und erneut zog sich eine schaurige Gänsehaut über meinen ganzen Körper.

Bitte nicht.

Nicht das schon wieder.

Nicht abermals dieses ewige Versteckspiel, dessen langatmige Tiraden ich langsam wirklich müde wurde, doch keuchte dann erschrocken auf, als mein Vordermann das Interesse zu verlieren schien und mich dann achtlos auf den Boden warf.

Zurück an Esrás Seite und mehr denn je schmerzte eine meiner geprellten Rippen, als ich viel zu hart in den Staub fiel. Mir abrupt den Kopf stieß und das dumpfe Dröhnen wohl noch weiterhin bestehen bleiben würde.

Verdammt, tat das weh.

„Ja kenen Mucks, Manjéth!“, raunte mir eine flüsternde Stimme leise zu und sah dann überrascht auf meinen Nebenmann.

Ließ Esrás angespanntes Sein vollkommen auf mich wirken und erkannte die heillose Panik, die ihn so haltlos befallen hatte. Denn die Gefahr war noch nicht gebannt. 

Bei weitem nicht, das spürte ich und zitternd setzte ich mich auf.

Ignorierte den Schmerz, ja gar den blinden Schock, als sich die Wärter und besagter Oberst beratend zurück zogen und ich nicht wirklich Sinn und Zweck ihrer Unterhaltung verstand, die teils; teils nicht, in einer mir fremden Sprache gesprochen wurde.
 

„Erklärung, bitte!“, fauchte ich einem Zischen gleich und robbte dann langsam zu dem am Boden sitzenden Tsheheme zurück.

„Du hast mir nie gesagt, dass dieser Idiot einen Bruder hat.“

Witzig, dass mich dieser Umstand eher zu schockieren schien, als die Tatsache, dass mich bald wieder neues Leid erwarten sollte und wieder sah ich meinem Zellnachbarn anschuldigend in die Augen. Wirklich.

Ehrlich.

Er hätte etwas sagen müssen, solch eine Information ließ man doch nicht einfach so außer Acht, ja behielt sie gar für sich und wieder konnte ich nicht anders, als genervt mit den Augen zu rollen, da Esrás abermals nur mit den Schultern zuckte.

Meine Frage von vorhin wieder unbeantwortet ließ, da sie momentan für ihn weniger wichtig erschien, gar unbrauchbar war und sah dann wieder auf die Figuren vor sich, welche in eine heftige Diskussion vertieft waren.

„Hör zu, Manjéth....“

Die Ernsthaftigkeit seiner Stimme ließ mich augenblicklich die bissige Bemerkung schlucken, die so haltlos meine Lippen verlassen wollte und sah überrascht in ein grünes Augenpaar. Sah die Strenge mit der mich Esrás nun begrüßte und die so ungewohnt für ihn war, dass es mir die Nackenhaare aufstellte.

„Wir haben kene Zeit für langatmige Erklärungen. Dein kleiner Ausbruch von vorhin und der in der Arena, hat nämlich allet verändert.“

Verwirrt blinzelte ich auf, als ich seine Wörter auf mich wirken ließ.

In der Arena?

Von welchem Ausbruch redete er?!? 

Ich konnte mich nur an eben jenes eine Sein erinnern, aus dem ich vor wenigen Minuten selbst erwacht war und dem Tsheheme selbst blutige Wunden verpasst hatte.

Was faselte dieser Spinner da jetzt schon wieder für einen Unsinn?!?

Verwirrt legte ich den Kopf schief, als meine Augen größer wurden und ich das Wesen vor mir einfach nur noch entgeistert anstarrte.

„Sag bloß, du kannst dich an nichts erinnern?“

Nun war es Esrás Augenbraue die fragend in die Höhe schnellte und skeptisch schüttelte ich den Kopf.

Verneinend jene eine Frage, von der er sich wohl eine andere Antwort erhofft hatte und genau konnte ich sehen, wie es in dem Tsheheme zu arbeiten schien.

Pff.

Esrás und arbeiten.

Seit wann hegte ich denn solche Gedanken?

Seit wann war das die Norm, welche so unverfroren jegliches Sein zu beschreiben schien, welche nun so wahrhaft vor offenen Türen stand? 

Und dennoch spürte ich, das mein Zellnachbar mehr wusste.

Das er länger an jene eine Wahrheit glaubte und Dinge mit eigenen Augen gesehen hatte, die mir selbst noch in völliger Dunkelheit lagen und wieder wurde mein Blick skeptischer, als Esrás doch allen ernstes kichernd den Kopf schüttelte.

„Dat erklärt einiges.“

Wieder ein Kichern und ich konnte nicht verhindern, dass mir die Zornesröte ins Gesicht stieg.

„Kannst du dich mal klarer ausdrücken?“, raunte ich zischend und rückte dann abermals näher an ihn heran.

Die belustigten Augen der anderen Gefangenen ignorierend, die interessiert gar neugierig die Köpfe in die Höhe reckten, um auch ja das Schauspiel in der letzten Zelle begutachten zu können, doch wurde so mancher Blick durch bevorstehende Schatten getrübt.

Wieder verfiel Korun-Kack-Dings (diesen Namen würde ich mir wohl nie merken können) und seine Männer in eine heftige Debatte, die kein Widerspruch duldete und kurz wunderte ich mich ernsthaft, was so wichtig sein konnte, was sie sich nun regelrecht streiten ließ.

Doch das konnte nicht mein Problem sein.

War nicht meine Angelegenheit, sondern war eher nur heillos froh darüber, dass sie fragende Blicke von uns lenkte und ich mich wenigstens flüsternd und gedämpfter Stimme, mit Esrás beraten konnte.

Denn ich spürte seine Angst.

Spürte, dass er irgendetwas wusste und diese eine Ahnung, trieb mir neue Angst in meine Glieder.

„Keine Zeit!“, wiederholte er wieder, sah dann nochmals ehrfürchtig auf die Figuren vor sich und gepresst unterdrückte ich ein genervtes Stöhnen.

„Verdammt noch mal, Esrás. Wie soll ich denn bitte....“
 

Doch ein heftiger Schlag in meine Seite ließ mich sofort schmerzlich zusammenzucken und aus gequält zusammengekniffenen Augen sah ich auf meinen Nebenmann. Wollte abermals die Stimme erheben doch brachte mich Esrás nächste Worte erneut zum Schweigen und zitternd sah ich auf.

Direkt in ein besorgtes Augenpaar, das hinter einer leisen Ahnung verstehen ließ, was ihn so sehr beschäftigte und nicht mehr loslassen konnte.

„Ich sagte, keine Zeit, Manjéth und jetzt hör mir endlich und nur dieses eine Mal zu!“

Gehetzt, gar wie ein wildes Tier, fiel ein weiterer Blick auf seine Rassenmitglieder und erneut erklang des Tshehemen Stimme. Erklang jene eine Sorge so eiskalt über zitternde Lippen, dass ich einfach nur noch schweigen konnte und mit klopfendem Herzen seinen Worten lauschte. 

Versuchte zu verstehen, jene eine Angst, die sich in binnen von Sekunden in eine gleißende Panik verwandeln konnte.
 

„Korun-Kán ist nicht so verweichlicht wie sein Bruder, um gar die wesentlichen Dinge aus den Augen zu verlieren, weder noch is er dieser eine kleine Stümper, für den du ihn vielleicht hälst.“ 

Kurz deutete Esrás mit einer schwachen Kopfbewegung auf jenes eine Wesen, das solch eine Autorität ausstrahlte und erstaunt folgte ich seinem Blick.

Ließ abermals dunkelbraune Opale über den jetzigen Herrscher Rith´s wandern und erkannte die Parallelen. Parallelen, die doch zugleich solche Unterschiede in sich trugen und forscher wurde jener eine Blick, der nichts als reine Skepsis walten ließ.

Korun-Kán war kleiner, bei weitem nicht so riesig wie sein Bruder und dennoch einen guten Kopf größer als ich. 

Okay, das war nicht sonderlich schwierig und erforderte nicht viel an Übung - ich selbst würde nicht mehr wachsen und stetig diese eine mickrige Größe tragen, die mich so mancher Gegner unterschätzen ließ. Doch sollte man sich niemals vom Äußeren belehren lassen. Sollte niemals auf solche Nichtigkeiten achten, sondern nur alleine das Können zählte. Nur der erste Eindruck, der mich wahrlich noch nie enttäuscht hatte und wieder folgte ein abschätzender Blick dem nächsten.

Das Haar hatte die gleiche Farbe, hellstes Weiß und leuchtender als die Sterne selbst, doch war es kürzer und bedeckte gerade noch so straffe, stramme Schultern, welche unter einer einfachen rot schimmernden Plattenrüstung bedeckt wurden.

Sein Körper war zierlich, fast die gleiche Statur der meinigen und wies somit mehr versteckte Stärke auf, als man durch den ersten Blick erahnen konnte. Okay,... sagt mal... wie oft musste ich mir eigentlich noch selbst widersprechen, fragte ich mich kurz mehr als zornig und knurrte dann leise auf. 

Nicht meiner Jetzigen, denn momentan war nicht mehr viel an mir dran, was man als Muskelmasse bezeichnen konnte und kurz sah ich auf meine viel zu schmächtigen Arme. 

Berührte schamhaft meine Seite, nur um so urplötzlich kalte Knochen unter meinen Fingerkuppen zu spüren, dass mir erneut schwindelig wurde und entrüstet schüttelte ich den Kopf.

Dieses mal wollte ich lieber nicht mein eigenes Spiegelbild sehen, aus Angst vor dem, was mich erwarten sollte und lenkte somit einen geübten Blick wieder auf das Hier und Jetzt zurück. Suchte Ablenkung, um nichts als weitere Zerstreuung zu finden und lenkte meine Gedanken somit auf das wesentlich Wichtige.
 

„Brak thanék then joth, Jorghúl. Thaktanák, pah!“, donnerte es plötzlich über dunkle Lippen und der Lautstärke nach zu urteilen, verlor mein Vordermann so langsam die Geduld. Wieso diskutierte er eigentlich? 

Er war doch des Tháem jüngster Bruder, jetzt da ich endlich die Familienbande verstanden hatte und legte fragend den Kopf schief.

Wieso ließ er sich von diesen Wachen in die Irre führen und setzte seine Idee nicht einfach in die Tat um, die ihm wohl durch den Kopf zu wandern schien?

Überlegend ließ ich abermals meine Blicke wandern.

Wohl schien dieser Tsheheme fast mein gleiches Alter zu haben, doch war mir die Alterungsweise dieser Rasse bei weitem völlig unbekannt. Vielleicht hatte er auch einfach nur gute Gene und war in Wahrheit so alt wie seine Oma verwelkte Fußzehen hatte. 

Kurz biss ich mir auf die Unterlippe, als ein belustigtes Lachen über meine Lippen wandern wollte.

Verdammt, Vegeta.

Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für zynische Gedanken, um Esrás Bitte treffend zu formulieren. Ja gar, sie zu wiederholen, also reiß dich mal zusammen.

„Er is unberechenbar und sicherlich. Klar, noch steht er unter der Fuchtel seines großen Bruders, doch gerade jetzt, da dieser ihm die alleinige Obhut über diesen Ort zu Teil hat werden lassen, wird sene ganze Macht noch grausamer sein.“

Bitter sahen dunkelgrüne Opale auf das Wesen vor sich und endlich löste ich meinen Blick von der Gruppe.

„Was meinst du damit?“

Fragend sah ich Esrás an und wurde sofort mit einem weiteren Kopfschütteln bestraft, das keine Wiederworte duldete – und trotzdem würde ich sie stellen.

„Unwichtig, Manjéth! Dat is mehr als unwichtig geworden und gehört hier jetzt einfach nich hin.“

„Ja, aber...“

„Nix aber!“, raunte mein Vordermann wieder und packte mich dann plötzlich an den Schultern und drehte mich zu sich herum, nur um mir dann völlig ernst und eiskalt zugleich, in die Augen sehen zu können.

„Korun-Kán liebt das Spiel. Liebt Leid und Verderben und weiß seine Skrupellosigkeiten mehr als nur auszuspielen. Er is jung – zu jung un das macht ihn so gefährlich. Dieser Teufel wird dich nich, so wie der Thaém vielleicht einst wollte, in ne einfache Dunkelzelle stecken und hoffen, dass de von alleine mit deinen Geheimnissen ausspuckst, wenn dich der blinde Wahn, langatmiger Hunger und endlose Einsamkeit völlig verdorben hat.“

Die Art wie Esrás die Dinge aussprach, ließ abermals eine eiskalte Gänsehaut über meine Arme wandern und fröstelnd zuckte ich zusammen.

„Ne, glaub mir. Der is aus nem anderen Holz geschnitzt und deswegen is es so verdammt wichtig, dass de deinen Plan änderst, Manjéth.“

Verwirrt blinzelte ich auf, gar fahrig gesprochene Worte meines Vordermannes nicht begreifen könnend und sah ihn einfach nur an.

Ich sollte meinen Plan ändern?

Aber... der stand doch schon so gut wie sicher.

„Du musst deine Flucht ändern. Jetzt. Sofort, bevor´s zu spät is.“

Wieder sah ich ihn einfach nur an und versuchte seine Worte zu begreifen, die mir Esrás regelrecht anprangerte und in meine Seele prügeln wollte.

Wieso war er so panisch?!?

Wieso ließ er ein gut gebautes Gerüst zu vorschnell einreißen, noch ehe ich dieses überhaupt beschreiten konnte?!?

„Esrás, ich versteh kein Wort von dem, was du...“

Doch wieder wurde ich unterbrochen, als sich ein fester Griff abermals um meine Schultern legte und sich sofort längliche Nägel gar drohend in meine Haut bohrten.

„Das Béthlam-Asylum!“, zischte er in einem Flüstern gleich und sah mir fast schon wahnhaft in die Augen.

Ließ so ehrlich seine Angst bestehend, dass es zeitgleich meine Eigenen weckte und unsicher schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter, der einfach nicht mehr weichen wollte.

Béthlam-Asylum?!?

Was war das bitteschön?

Doch eine leise Ahnung, genauso wie Esrás bestehende Panik, ließ nur eine einzelne Schlussfolgerung zu.

Ließ nur eine helle Angst in meiner Seele wachsen und erst jetzt verstand ich, schien so langsam zu begreifen, wieso solch eine Furcht in den Augen meines Gegenüber stand.

Wieso ich meinen Plan so schnell ändern sollte, ja gar - musste.

Das ich jenen einen Ort, vor dem sich Esrás so sehr fürchtete, schon bald kennenlernen würde.
 

Und das galt es zu vermeiden.
 

~*~
 

„Béthlam-Asylum?!?“
 

Wieder wiederholte ich meine Frage, schon zum mir gefühlten dritten Male und versteckte meine Sorge abermals in einer schwach gezischten Stimme.

Schien wahrhaft all meine Angst verstecken zu wollen, doch gelang mir nicht, jenes eine Sein aus dunkelbraunen Opalen zu halten und ließ es hinaus.

Ließ abermals Esrás Angst die meine begleiten, obwohl ich immer noch nicht verstand, was der Tsheheme mit diesem einen Namen meinte.
 

Doch ein sturer Blick blieb weiterhin bestehen.

Blieb weiterhin haften, an jenen Personen, die mein eigenes Schicksal so drohend in Händen hielten und wieder schluckte ich die Trockenheit in meiner Kehle hinunter, welche einfach nicht weichen wollte.

„Esrás, was meinst du damit?!?“, ließ ich wieder meine Stimme sprechen, diesmal ein bisschen lauter, hoffend dass fremde Ohren mich nicht hören würden und packte den anderen am Arm.

„Was ist das für ein Ort?“

Doch nichts herrschte als eisige Stille.

Nichts weiter war zu hören, als das stetige Murren der Wärter, welche abermals über Leben und Tod zu entscheiden versuchten und frustriert wollte ich schon aufgeben, wollte meinem Nebenmann nun meinerseits einen mehr als ausgezehrten Ellenbogen in die Seite rammen, doch löste sich Esrás mit einem Mal aus seiner Starre. Ließ erneut seine Stimme sprechen und weckte abermals neue Angst in mir.

„Ein Kalter.“, beantwortete er monoton meine Frage und wandte sich dann ab von mir.

„So was müsste es auf fast jedem Planeten geben. Is in jedem System vorhanden und dürfte dir vielleicht unter nem andren Namen bekannt sein.“

Dumpf sah ich ihn an.

Versuchte eine Ahnung hinter seinen nun leise gesprochenen Worten zu verstehen, doch kratze nichts weiter an meiner Oberfläche, als ein abgehacktes, stummes Sein. Eine Ahnung, so flüsternd in den Wind geschrieben, dass ich mit einem Mal den Blick vor den wesentlich wichtigen Dingen verlor und mich in nichts als Zerstreuung wiederfand.

„Käfig, Zuchthaus, Psychatrie.“, beantwortete mir eine monotone Stimme endlich meine Frage und sofort zog sich abermals ein kalter Schauer durch meinen ganzen Körper.

Ja, ich kannte diese Wörter.

Kannte dieses erdrückende Schicksal nur zu gut, denn oft hatte ich Freezer selbst von solch einer Tat sprechen gehört. Als Drohung natürlich.

Endlose Verwahrung für eben Jene, die unbrauchbar geworden waren und dennoch konnte ich mir solch einen Ort in keinster Weise vorstellen.

Bis – zu diesem Zeitpunkt natürlich.

„Loch gibst au noch, falls de die Liste vollenden willst, Manjéth. Aber mir persönlich gefällt Anstalt am Besten, da es das is, was diesen Ort am Besten beschreibt.“

Zynisch war eben jenes eine Kichern, was so kraftlos über zitternde Lippen kam, so dass ich nicht ein Mal mehr blinzeln konnte und sah Esrás entgeistert an.

Ließ diese eine Idee, welche er nun so zaghaft in meinen Geist gesetzt hatte, von allen Seiten beleuchten und eine ungeahnte Panik in mir wecken.

Eine Ahnung, mit der ich fast schon gerechnet hatte, ich aber eigentlich nie die Zeit hatte, mich vollkommen mit ihr zu beschäftigen, da ich, so egoistisch wie ich war, nur an mich selbst und meine eigene, kleine Flucht dachte.
 

„Das Asylum untersteht seiner Obhut, in der sich der Thaém nicht einzumischen hat. Jedenfalls nich mehr.“ Bitter sah Esrás zu Boden und zupfte störrisch an verschlissener Kleidung.

Die Stimmen der Wärter waren schon längst verebbt. Waren schon längst in der Dunkelheit verschwunden und belasteten mich momentan nicht länger. 

Denn alleinigst nur Esrás Erzählungen hatten an Bedeutung gewonnen.

Das und die Angst in seiner Stimme, die mehr denn je unausweichlich war und etwas völlig Neues in mir weckte. 

„Béthlem war Korun-Kán´s Idee. Entstand alleine unter seinen Vorstellungen, seiner Führung un wird mehr und mehr als reines Folterinstrument genutzt, als dat was es in Wirklichkeit sein sollte.“

Wieder verlor sich ein suchender Blick in endloser Dunkelheit und beiläufig legten sich zitternde Hände um ein gebrochenes Sein.

„Als das, dessen Nutzen es eigentlich tragen sollte.“

Esrás Stimme wich mehr und mehr einem Flüstern und ich hatte nun große Mühen, ihn noch weiter zu verstehen.

So hatte ich ihn noch nie gesehen.

Völlig in sich zusammen gesunken und eine alte Panik zeigend, die er am liebsten vergessen würde. Alte Angst bekennend, die schon viel zu lange in einen wirren Geist gelassen wurde und wieder beschlich mich jene eine Ahnung, die ich einfach nicht aussprechen, ja gar, beim Namen nennen konnte.

„Aber, das alles is nich mehr wichtig, jedenfalls nich jetzt.“, sagte er kopfschüttelnd, so als wollte er augenblicklich alte stumme Gedanken beiseite fegen und wandte dann abermals den Kopf zu mir.

Helle Opale sich dicht in mein Herz bohrend und mit einem Mal erkannte ich die Hölle, durch die der Tsheheme gehen musste, stecke man ihn an jenen einen Ort, den er mir einfach nicht beschreiben konnte und der auch für mich vorherbestimmt war.

„Du musst verschwinden, Manjéth. Heute noch, am besten sofort! Denn das ist es, was Korun-Kán für dich geplant hat.“

Seine Worte weckten etwas Unbändiges in mir.

Etwas, was ich so noch nie gespürt hatte und zum aller ersten Mal Freezers ganze Grausamkeiten nach einer einzigen Lachnummer aussehen ließ.

„Ein Mal dort gefangen kommst du nur schwer wieder heraus, bis fast... gar nicht mehr. Alles weitere muss ich dir nich noch genauer erklären, oder?“

Nein.

Geschockt sah ich zu Boden, als ich Esrás Worte wirken ließ, doch gab es kein Entrinnen und schon bald fühlte ich meine eigene, wirre Angst – tanzend in der Dunkelheit. 
 

Das musste er wirklich nicht.



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