Zum Inhalt der Seite

Itami de eien ni musuba

Für immer im Schmerz vereint
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Für immer; Unberechenbar

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Verräter

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Überraschung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Neuer Feind

Kapitel 4

Für immer; Neuer Feind
 

Die Besprechung war ätzend gewesen. Am liebsten wäre Kenshin schreiend hinausgerannt. Rimasho teilte seine Meinung damit vollkommen. Immer wieder mussten sich diese alten Säcke über alles streiten. Er als Daimyo war zwar sozusagen oberstes Gesetz und könnte dem Ganzen mit einem Wort Einhalt gebieten, doch war es auch seine Pflicht diesen Säcken zuzuhören.

/Gott, wie ich es manchmal hasse, ich zu sein./

Schlendernd ging er neben Rimasho in seinen Gärten umher. Eine Dienerin sah ihn an, errötete und beschleunigte ihre Schritte.

/Aber nur manchmal./

"Was gibt es da zu grinsen, Kenshin? Hast du mir überhaupt zugehört?", fragte Rimasho entnervt.

"Ups ‘tschuldige ... was hast du gesagt?"

"Werter Herr", sagte Rimasho sarkastisch, "in letzter Zeit seid Ihr mit Euren Gedanken überall, nur nicht bei Euren Aufgaben."

"Das stimmt doch gar nicht", schnaubte Kenshin empört.

"Und wie das stimmt! Ich habe dich gerade gefragt, welche Einheit du aussenden wirst, um die Aufständischen zu beseitigen."

Genervt kratzte der Daimyo sich am Hinterkopf.

"Also, ich denke, Einheit D. Die wird schon reichen, um das in Ordnung zu bringen. Ich werde mit ihnen reiten."

"Dann komme ich auch mit!"

"Hast du denn nichts anderes zu tun?"

Rimasho rollte mit den Augen.

"Ich bin DEIN Berater! Hast du das etwa schon vergessen?"

"Stimmt, also gut ... Wir werden das Ganze in einer Woche klären. Wieso? Damit die denken, wir würden nichts unternehmen, und damit sich noch mehr von den Verrätern ansammeln, damit wir so viele wie möglich beseitigen."

Seine Anweisungen wurden mit einem Nicken quittiert.

"Bis dahin wird alles vorbereitet sein. Ich werde dafür sorgen. Wenn du mich entschuldigst ..."

"Rimasho! Halt!"

Der schon davonlaufende Berater drehte sich um und kam wieder näher.

"Was ist?", fragte er. Kenshin war sich nicht sicher, wie er anfangen sollte.

"Wieso ... wieso hast du Shiro gestern zu mir geschickt?"

Doch statt einer Antwort erhielt er nur ein Kopfschütteln.

"Rimasho?"

"Ich habe ihn nicht absichtlich zu dir geschickt. Die Frauen die ihn ... sauber gemacht haben, haben ihn zu mir gebracht. Die ganze Zeit über hat er gefragt, wieso er in Wirklichkeit hier sei. Er hat gezittert und geschrien. Er dachte, wir wollten ihn hier töten. Die ganze Zeit hat er beteuert, dass er nichts Falsches gemacht hat. Eigentlich wollte ich schweigen. Doch nach einer gewissen Zeit dachte ich 'Jetzt ist Schluss' und habe ich ihm gesagt, wieso er hier ist. Zu meiner Verwunderung wirkte er gar nicht mal so geschockt, wie ich es erwartet hätte. Normalerweise würde ich fragen wie es mit ihm war, aber so wie ich dich kenne, würdest du mir zu viele Details geben und die WILL ICH NICHT."

"Erstens er hatte auch seinen Spaß und zweitens ... so viele Details gebe ich doch gar nicht", schmunzelte Kenshin.

"Das tut doch nichts zur Sache. Du sagst, es war okay für ihn? Das ... freut mich."

Unwillkürlich musste Kenshin lachen, woraufhin Rimasho ihn mit einem "Was ist denn so lustig?" anknurrte.

"Mein Freund und Berater ... du hast wirklich ein zu gutes Herz ...", prustete der Daimyo.

"Nicht jeder muss so sein wie DU!", zischte der andere.

"Da hast du wohl recht", sagte Kenshin, immer noch lächelnd. "Weißt du ich bin ganz schön müde, ich gehe mich schlafen legen."

"Um diese Zeit? Es ist gerade einmal Mittag!"

"Na und? Ein Mittagsschläfchen hat noch nie jemandem geschadet."

Rimasho seufzte nur und wandte sich ab: "Wir sehen uns später, du Kleinkind."

Das Lächeln auf Kenshins Zügen wurde noch breiter. Er sah seinem Freund noch kurz nach, bevor er in sein Schlafzimmer ging. Erstaunlicherweise war sein Futon schon frisch vorbereitet, als er den Raum betrat. Doch war er zu müde, um sich mehr Gedanken als nötig darum zu machen. Mit wenigen Schritten war er bei seinem Futon und setzte sich hin. Plötzlich hörte er ein Rascheln von Stoff und war sofort wieder hellwach. Er war schon dabei, nach seinem Katana zu greifen, als er die bekannte Stimme vernahm.

"Kenshin, mein Herr, ich bin es."

Kenshin entspannte sich wieder und ließ von seinem Schwert ab. Fragend sah er die Person in der Ecke an.

"Shiro? Was machst du denn hier?"

"Auf Euch warten. Für Euch da zu sein, ist meine einzige Pflicht und die werde ich erfüllen."

"Aber du könntest jetzt doch machen, was du willst. Du musst nicht die ganze Zeit hier auf mich warten."

Beschämt rutschte Shiro auf seinen Knien vor und zurück.

"Ich ... ich will nicht raus. Die anderen sehen ... mich so komisch an. Ich schäme mich."

/Ach darum geht es also!/

"Wer?"

"Alle. Die Frauen, die Männer, Ihre Konkubinen."

/Was soll ich jetzt nur machen? Über solcherlei Probleme habe ich gar nicht nachgedacht, als ich mir einen Mann ins Bett mitgenommen habe./

"Shiro, du kannst tun und lassen, was du willst. Sollte jemand komische Bemerkungen machen, lass es mich wissen und ich werde mich darum kümmern. Verstanden?"

Der Jüngere verbeugte sich bis zum Boden und murmelte leise: "Jawohl." Als er sich erhob, schien er aber nicht zu wissen, was er nun tun sollte.

"Herr, wenn Ihr Euch nun schlafen legen wollt, dann werde ich ...", begann er widerwillig.

"Komm her."

Kenshin, der es sich schon unter der Decke gemütlich gemacht hatte, schlug diese zurück und bedeutete Shiro, sich neben ihn zu legen. Dieser zögerte nicht einen Moment, sondern stieg sofort ins Bett seines Meisters.

"Kenshin?", flüsterte der Jüngere.

"Hm?"

"Wieso seid Ihr zu mir so freundlich? Überall wird erzählt wie kalt und herzlos Ihr zu jedem seid. Ob zu Feind oder Verbündetem, soll Euch dabei egal sein."

Lange Zeit antwortete der Daimyo nicht, sodass Shiro sich sicher war, dass er keine Antwort bekommen würde. Als Kenshin dann aber seine samtige Stimme erhob, war der Jüngere positiv überrascht.

"Sagen wir, du hast etwas in mir berührt."

Da Shiro sich nicht sicher war, was er darauf antworten könnte, nickte er lediglich schweigend. Nach einiger Zeit fielen beiden die Augenlider zu und sie schliefen ein.
 

Wenn er ehrlich war, war er Kenshin gegenüber gar nicht abgeneigt. Shiro wusste zwar nicht wieso, aber ihm gegenüber war der Daimyo nett und freundlich. Angst hatte er auch keine mehr. Als er neben dem Fürsten erwachte, hatte er sich richtig wohlgefühlt und hatte sich sogar an die Brust des anderen gekuschelt.

Was dieser plötzliche Sinneswandel sollte, wusste er auch nicht so recht.

In ihrer ersten Nacht hatte sich alles verändert. Obwohl Kenshin beim Sex ungezügelt und leidenschaftlich gewesen war, hatte Shiro trotzdem diese ... Zurückhaltung gespürt. Nicht, dass er langsam oder etwas in der Art gewesen wäre. Es war etwas Tieferes. Die Tatsache, dass es Kenshins erstes Mal mit einem Mann gewesen war, ließ ihn alles zweimal überdenken.

Und genau das hatte etwas in Shiro gelöst. Er hatte keine Angst mehr vor dem Daimyo. Er fühlte sich in seiner Gegenwart sogar am wohlsten und würde am liebsten die ganze Zeit bei ihm sein.

In seinem Unterbewusstsein merkte er sogar, wie er sich fragte, wann sie das nächste Mal miteinander schlafen würden. Shiro wollte den Körper des anderen. Diesen muskulösen, schönen, glatten und haarfreien Körper. Er erinnerte sich noch genau, wie er vor Staunen hatte schlucken müssen, als er den Oberkörper des anderen zum ersten Mal gesehen hatte. Und von da an sah er Ebengenanntes immer wieder. Auch das Gesicht des Daimyo war übernatürlich schön.

Er war einfach perfekt und die langen schwarzen Haare brachten sein Gesicht noch besser zur Geltung.

/Was ist bloß los mit mir? Er hat mich gezwungen, mit ihm zu schlafen! Obwohl ... so ganz stimmt dies auch nicht. Er hat mir trotz allem eine Wahl gelassen, was er als Daimyo natürlich nicht musste./

Darauf bedacht, die Person neben sich nicht zu wecken, hob Shiro eine Hand und strich mit ihr über die Wange Kenshins.

"KENSHIN! Du Schnarchnase! Wach endlich auf! Deine Person wird verlangt! LOS!"

Augenblicklich öffneten sich Kenshins Augen. Er sah verärgert wegen Rimasho aus und verwirrt wegen Shiros Hand. Sofort zog der Jüngere seine Hand weg und bereute seine Tat.

/Wieso habe ich das gemacht? Jetzt wird er sich auch noch etwas Falsches denken!/

Kenshin blinzelte ein paarmal und setzte sich auf.

"Rimasho, was ist denn?", fragte er möglichst ruhig, obwohl er dies ganz und gar nicht war.

"Ein Spion von uns ist zurück und hat wichtige Neuigkeiten. Los beeil' dich doch, es ist wirklich wichtig!"

"Ja, schon verstanden. Bin gleich im Konferenzraum. Warte dort."

"Bis dann", eilige Schritte entfernten sich.

Shiro saß immer noch unsicher auf dem Futon und sah den Daimyo an. Dieser drehte sich langsam um und blickte dem anderen direkt ins Gesicht.

"Ich muss dann wohl los", erklärte Kenshin, während er die Shojitür beiseite schob.

"Shiro, du kannst machen, was du willst. Du bist kein Gefangener."

"Ich werde auf Euch warten. Es sei denn Ihr wollt, dass ich gehe", sagte Shiro und hielt die Luft an.

/Weist mich nicht ab. Bitte./ Dies flehte er immer wieder leise in Gedanken. Der Fürst sagte lange nichts und blickte in den abendlichen Garten vor sich.

/Sagt doch etwas!/

Und dann ging der Daimyo mit einem „Dann warte hier auf mich“ aus dem Raum.

Shiros Herz machte einen Freudensprung. Verwundert über sich selbst fasste er sich an die Brust.

/NEIN! Das kann nicht sein ... er ist ... ich kann mich nicht .../
 

Schnellen Schrittes ging Kenshin zum Konferenzraum. Er war neugierig, was so wichtig war, dass Rimasho ihn wecken musste. Als er schließlich den großen prunkvollen Raum betrat, saßen schon sämtliche Untergebenen, Samurais etc. an ihren Plätzen. Rimasho war auch dort und kniete auf einem kleinen Podest neben einem dicken goldenen Kissen, dem Platz für das Oberhaupt. Kurz gesagt: für ihn.

Sicheren Schrittes ging er auf seinen Platz und setzte sich.

"Wo ist unser Späher?", fragte Kenshin mit herrschaftlicher Stimme.

Rimasho neben ihm machte eine Geste und ein Mann, vollkommen in schwarz gekleidet, trat in den Raum ein und fiel auf die Knie. Seine Stirn berührte den Boden. Er wartete darauf, seinen Bericht abgeben zu können.

"Sprich!"

"Die aufständische Armee, es war Takeda Shingen. Er hatte einem seiner Samurais befohlen, sich als einer der Euren auszugeben, um danach für Unruhe und Unzufriedenheit in Eurer Provinz zu sorgen. Der verräterische Samurai wurde schon von Euch getötet. Er war schuld, doch die Quelle war Takeda."

"Takeda Shingen also ...", murmelte Kenshin.

Rimasho neben ihm bewegte sich.

"Herr, sollen wir vorgehen wie geplant oder werden wir unser Vorhaben ändern?", flüsterte er leise.

"Deswegen sind wir ja hier, Rimasho. Um mit den Säcken zu debattieren, was das Beste ist", flüsterte Kenshin zurück.

Rimasho prustete leise und tat so, als ob er husten müsste.

"Sehr interessant", sagte der Daimyo nun laut an die anderen Anwesenden gewandt.

"Was denkt ihr darüber, Freunde?"
 


 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Gebetat von Earu!

Ich bitte um Kommis :3

Für immer; Montag?

Kapitel 5

Für immer; Montag?
 

"Fünf. Ganze. Stunden!", beschwerte sich Kenshin, an seinen Berater gewandt.

"Tja, mein Lord ... dafür kann auch ich nichts."

"Du bist doch mein Berater! Konntest du dir nichts ausdenken wie: 'Es wird spät, lasst uns morgen weiter machen' oder 'Mein Herr braucht so langsam seine Ruhe' oder 'WIESO VERSTEHT IHR IDIOTEN NICHT, DASS DAS GANZE HIN UND HER NICHTS NÜTZT!'"

Genervt rollte Rimasho mit den Augen.

"Ja ... gib nur mir die Schuld. Immerhin muss es immer einen Schuldigen geben. Ach ja und nur so nebenbei, mir hat ihr sinnloses Geschwätz auch nicht viel mehr Spaß gemacht als dir."

"Wenn du meinst ..."

Müde ließ Kenshin seinen Kopf in die Hände fallen, die er auf seinen Schoß gestützt hatte. Wie er das alles hasste. Nicht nur, dass er neuerdings Probleme mit einem anderen Daimyo hatte. Nein! All die Adligen seiner Provinz hatten nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen und ihn dabei noch mehr auszulaugen!

/Was würde ich jetzt alles für ein Bett geben!/

"Rimasho, wann kann ich endlich ins Bett? Es ist schon längst nach Mitternacht", jammerte der Daimyo.

Natürlich war niemand anderes mehr im Raum außer ihm und seinem treuen Freund.

"Also wirklich! Du hörst dich an wie ein Kind!", tadelte ihn Rimasho.

"Entschuldige, aber solche Versammlungen sind wirklich nichts für mich."

"Ja schon verstanden. Du musst nur noch ..."

Der Pinsel des Beraters strich noch paar mal schnell übers Blatt, bis er das Schreibgerät zur Seite legte und Kenshin das Blatt überreichte.

"... hier unterschreiben", endete er seinen Satz.

"Und dann kann ich gehen?", fragte Kenshin misstrauisch, aber doch hoffnungsvoll.

"Gott, ja doch."

Mehr brauchte es nicht. Sofort griff der Daimyo nach dem Pinsel und unterschrieb das Schriftstück. Freudig erhob er sich.

"Rimasho, du weißt was zu tun ist. Letztendlich haben sich unsere Pläne gar nicht geändert. (Was für eine Zeitverschwendung!) Du wirst Einheit D bereitmachen und nächsten Montag reiten wir los. Um Takeda werde ich mich persönlich kümmern."

"Verstanden."

Gerade als Kenshin dabei war, den Raum zu verlassen hörte er nochmal Rimasho, der ihn rief.

"Ja?", drehte er sich um.

"Herr, bleibt nicht zu lange auf, ja?", grinste der Ältere.

/Unverschämtheit! Dieser .../

"Werde ich nicht", antwortete er nur kurz, verließ den Konferenzraum endgültig und hörte ein leises Kichern hinter sich.

/Nervensäge! Als ob ich noch die Kraft dazu hätte./

Schleppenden Schrittes betrat er sein Schlafzimmer. Eigentlich hatte er gedacht, dass Shiro gegangen sei, da es schon so spät war. Doch dieser kniete mit dem Rücken zu ihm und tat etwas an dem kleinen Nachttisch.

Leise näherte sich Kenshin. Er wollte den anderen nicht erschrecken, da dieser sein Kommen anscheinend noch nicht bemerkt hatte. Vorsichtig blickte der Daimyo über die Schulter des Jüngeren. Er schrieb. Okay, nicht wirklich ... er versuchte es, da er, wie es aussah, nicht schreiben konnte. Mit zittriger Hand kopierte er einige Schriftzeichen von einer anderen Schriftrolle. Doch sein Versuch sah kläglich aus. Überall Flecken. Auf dem Tisch, seinen Händen, dem Papier. Sogar der Pinsel sah schon fast vollkommen schwarz aus.

Kenshin kniete sich hinter dem Mann hin, legte sein Kinn auf dessen Schulter und griff mit einer seiner Hände nach der Hand des anderen, die den Pinsel hielt.

"Das müssen wir unbedingt ändern, nicht wahr?", raunte er leise in Shiros Ohr.

Dieser zuckte erschrocken zusammen, als er merkte, dass er schon lange nicht mehr so allein war wie er geglaubt hatte.

"Ich ... ich ... ich wollte ... ich meine...", stotterte der Jüngere.

"Ist schon gut ...", flüsterte Kenshin, "willst du es lernen?"

"Mhmm ... Ich meine – ja."

"Gut", langsam streichelte er die Hand in seiner.

Der Daimyo spürte, wie der Körper vor ihm erschauderte, was ihm sehr missfiel.

/Hat er immer noch Angst vor mir?/

"Shiro ...", raunte er, "von wem willst du es beigebracht bekommen. Von einem Mönch, einer Dienerin, einem Gelehrten oder ... von mir."

Wieder erzitterte der Jüngere, doch Kenshin hatte sich im Griff.

"Also?", fragte er schmeichelnd.

"Von ... von Euch, mein M-Meister", brachte Shiro unsicher hervor und blickte starr auf den Tisch vor sich.

"Na dann ... werden wir Morgen damit anfangen."

Die Hand des Daimyos strich höher und blieb auf dem Arm zu liegen. Nun kam doch Leben in den Kleineren und er drehte sich um, um dem Fürsten fragend ins Gesicht zu sehen.

"Mein Herr?"

Kenshin fing an, an dem Ohrläppchen zu knabbern, woraufhin ein Seufzen seitens Shiros erklang.

"Hab ich nicht gesagt du, sollst mich Kenshin nennen?"

"Ja ... ja, Kenshin", seufzte Shiro abermals.

"Dann ist es ja gut."

Vorsichtig drängte Kenshin Shiro zum Futon und fing an ihn auszuziehen. Eine lange Nacht stand ihnen bevor.

/Verflucht! Rimasho hatte doch recht!/ Dies war sein letzter Gedanke, ehe andere Tätigkeiten seine Konzentration erforderten.
 

"Wieso? Ich verstehe das nicht. Wieso muss ich erst den Strich ziehen und dann denn anderen? Die Reihenfolge ist doch egal, solange es richtig aussieht", beschwerte sich Shiro, während er das Schriftzeichen von vorne aufschrieb.

"Shiro, so einfach ist das nicht ...", versuchte Kenshin zu erklären, doch wusste er nicht, wie er es erläutern sollte, damit sein Schüler es verstand.

"Mach es einfach so, wie ich es dir zeige. Später, wenn du gelernt hast, richtig zu schreiben, wirst du es verstehen."

Zwar sah ihn der Jüngere immer noch zweifelnd an, doch entgegnete er nichts außer einem gebrummten "Also gut" und machte sich wieder ans Schreiben.

/Ich wusste gar nicht, dass es so schwer ist, jemandem etwas beizubringen ... Große Göttin, war ich auch so anstrengend oder vielleicht noch schlimmer?/

Vollkommen in Gedanken über sich selbst versunken, merkte Kenshin gar nicht, wie die Tür hinter ihm leise zur Seite geschoben wurde. Erst als zwei große Hände sich auf seine Schultern legten, schreckte er aus seinen Gedanken auf und griff alarmiert nach seinem Katana. Dieses ließ er aber sofort los, als er das Lachen neben sich erkannte.

"Große Güte, Rimasho! Ich wäre fast auf dich losgegangen!"

"Entschuldigt, mein großer Daimyo", prustete dieser amüsiert.

Nichts entgegnend schubste Kenshin den anderen weg. Auch Shiro hatte von seinen Übungen abgelassen und sah zu Rimasho. Leicht verbeugte er sich und gab ein leises "Berater Kuriyu" von sich.

"Hör auf damit, Junge. Wenn wir alleine sind, kannst du auch mich einfach Rimasho nennen. Wenn Kenshin dich schon so sehr in sein Herz geschlossen hat, dann muss ich das wohl auch", lachte der Berater.

Verwundert hob der Jüngste den Kopf.

"Was redest du da für ein Unsinn!", protestierte Kenshin natürlich sofort. "Ich hab doch nicht-"

"Ja, natürlich. Deswegen gibst du ihm auch Unterricht, obwohl ich ganz genau weiß, dass du für so etwas normalerweise keine Geduld hast."

Shiros Augen wurden noch größer, fingen an zu glänzen und sahen Kenshin an. Plötzlich unsicher, was er sagen sollte, wich er der Behauptung aus, indem er ein anderes Thema einschlug.

"Wieso bist du hier?", fragte er seinen Berater.

Das Rimasho wusste, dass Kenshin nur das Thema wechseln wollte. Das wussten beide. Doch machte der Berater keine weiteren Bemerkungen, sondern antwortete auf Kenshins Frage.

"Ich bin wegen der Aufständischen hier."

"Irgendwie wusste ich, dass das der Grund deines Besuchs ist", stöhnte der Daimyo.

"Ja. Ich bin der Meinung, dass du nicht mitreiten solltest."

"Warum?"

"Es könnte eine Falle sein. Du könntest sterben. Vielleicht ist die Armee, die wir gesehen haben, nur ein Bruchstück des Ganzen. Oder Takeda könnte sich noch etwas anderes für dich ausgedacht haben, da jeder dich dafür kennt, dass du alles selber in die Hand nimmst. Oder ... wer weiß, alles mögliche. Ich sollte gehen."

"Damit DU stirbst?", fragte Kenshin bitter.

"So meinte ich es doch gar nicht. Es ist nur ... wenn du sterben würdest, könnte ich nicht mehr weiterleben."

Über das Geständnis seines Freundes doch erstaunt, sah Kenshin den anderen fragend an.

"Ist das dein Ernst, Rimasho?", fragte er vorsichtig.

Sein Berater nickte nur.

"Also gut, wenn es so ist, sieht alles ganz anders aus. Ich werde nicht hingehen", Rimasho atmete auf, "du aber auch nicht."

"Aber Kenshin!"

"Nein. Du hast mir gezeigt, was alles geschehen könnte und deswegen kann ich dich auch nicht gehen lassen."

"Wer soll dann gehen, wenn nicht ich?"

"Ach, da wird sich schon jemand finden. Ich werde einen dieser faulen Säcke zwingen. Die könnten sich auch mal ab und an nützlich machen. Immerhin machen sie den lieben langen Tag nichts anderes, außer Tee zu trinken und Gedichte zu schreiben", schnaubte der Daimyo.

"Aber Kenshin! Wenn die gehen, wird alles in einer Katastrophe enden!"

"Deswegen muss ja auch ich gehen. Verstehst du, mein Freund?", lächelte Kenshin, "genau deswegen muss ich gehen. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich jeden Moment sterben könnte, doch hat mich dies noch nie daran gehindert, etwas zu tun. Mein ganzes Leben ist ein großes Risiko."

Behutsam legte Kenshin eine Hand auf Rimasho Schulter.

"Und wenn du mit mir kommst, kann mir sowieso nichts passieren. Wir gehen zusammen."

Beschämt über sich selbst senkte Rimasho den Kopf. Dann löste er sich plötzlich abrupt von Kenshins Hand und verbeugte sich bis zum Boden.

"Es tut mir furchtbar leid, mein Herr! Ich war so in Sorge um Euch, dass ich nicht mehr objektiv an die Sache herangegangen bin. Bitte verzeiht mir! Ich habe nur an meine Gefühle gedacht."

"Erhebe dich!", erklang Kenshins Stimme plötzlich wütend.

"Ich will so etwas nicht noch mal erleben, Rimasho. Du bist mein teurer Freund und Berater, nicht mein Diener oder Sklave."

Sofort erhob sich Rimasho wieder und seine Augen sahen genau in die Kenshins.

"Wie Ihr wünscht", sagte er noch als er sich erhob. "Ich habe noch einige Arbeit vor mir liegen und als dein Berater will ich dich nicht enttäuschen."

Dann drehte Rimasho sich um und verließ den Raum.
 

Ungläubig sah Shiro dem Berater des Daimyos nach. Er konnte es immer noch nicht glauben, doch er hatte es wirklich gesehen. Gerade eben hatte Rimasho den großen gefürchteten Daimyo mit so viel Zuneigung und Verehrung angesehen, dass Shiro sich nicht mehr sicher war, ob Kenshin, der Mann neben ihm, wirklich der grausame, erbarmungslose Mann war, von dem er in seinem Dorf immer gehört hatte. Schreckliche Dinge erzählte man sich im Stillen über den Fürsten.

Doch diese Freundlichkeit seinem Freund gegenüber konnte nicht das einem Monster stammen. Er selbst hatte am eigenen Leib erfahren wie lieb, geduldig und gütig der Daimyo sein konnte.

/Kenshin. Wieso erzählt man sich solch grausame Dinge über dich? Wo du doch so freundlich sein kannst? Liegt es nur daran, dass es Rimasho war? Ist er was Besonderes? Und was ist dann mit mir? Bist du nur nett zu mir ... weil ich der erste Mann bin, mit dem du geschlafen hast?/

Bei diesem Gedanken wurde Shiro augenblicklich übel und sein Herz fing an schmerzhaft zu stechen. Doch konnte er sich nichts anmerken lassen, da Kenshin immer noch hier im Raum und nicht weit von ihm weg auf dem Boden saß.

Eindringlich musterte er den Fürsten und versuchte so irgendeine Antwort in ihm zu finden. Natürlich vergebens.

Plötzlich drehte Kenshin sich langsam um und sah Shiro an. Unsicher räusperte er sich.

"Oh ... ich habe ganz vergessen, dass du hier bist", erklärte der Daimyo etwas verlegen. Anscheinend war die Szene von eben nicht für seine Augen bestimmt gewesen.

"Ich will mitkommen."

"Was?", fragte Kenshin entgeistert.

"Ich will mitkommen!"

"Wieso?"

"Weil ich bei Euch sein will", erklärte Shiro.

"Kommt nicht in Frage!"

"Wieso?", war es nun an ihm, zu fragen.

"Weil du sterben könntest."

"Ihr auch."

"Das ist was anderes."

"Wieso?"

"Weil ich mich verteidigen kann."

"Bei einer Falle kann Euch auch diese beste Schwertführung nicht retten", warf Shiro ein.

"Du kommst nicht mit!"

"Warum?"

"Weil ich Nein gesagt habe!"

Der Jüngere stockte kurz, bevor er weitersprach. Eigentlich wollte er dies nicht sagen, weil er die Antwort nicht hören wollte, doch er musste.

"Wollt Ihr mich nicht dabei haben?", fragte er kleinlaut.

Verwundert blinzelte Kenshin.

"Darum geht es doch gar nicht!"

"Worum dann?"

"Um ... also gut, dann komm eben mit. Aber unter einer Bedingung! Während des Kampfes wirst du hinten warten – bei einer Wache, die ich dir zusammenstellen werde."

"Abgemacht!", beeilte sich Shiro zu sagen, bevor der Daimyo es sich anders überlegen konnte.

"Gut", sagte auch Kenshin, doch dieser schien nicht gerade zufrieden mit dem Ausgang des Gespräches zu sein.

"Gut", wiederholte er, "am Montag werden wir losreiten. Doch jetzt", er zeigte auf den Tisch, " wirst du weiterüben."

Zufrieden mit sich selbst drehte Shiro sich wieder zum Tisch um und fing zu schreiben an. Er achtete sogar auf alle Tipps und Anweisungen, die Kenshin ihm gab. Dies tat er vor allem, da er dem Älteren nicht noch mehr Ärger machen wollte und um sich auf diese Weise auch zu bedanken. Mehrere Minuten arbeitete er im Stillen, während Kenshin ihm dabei zusah. Irgendwann konnte Shiro die Stille aber nicht mehr ertragen und musste etwas sagen.

"Ich dachte Ihr habt keine Geduld, Euch als Lehrer zu probieren", fragte Shiro neckend. Jedoch nicht so, dass er Kenshin erzürnen könnte.

Der andere seuftze.

"Sagen wir einmal ... es war Gottes Hand, die mich geführt hat", erklärte er lächelnd.

"Eine schöne Ausrede", murmelte Shiro.

"Was? Glaubst du mir etwa nicht?", fragte der Ältere unschuldig. "Dann werde ich es dir beweisen müssen, wie?"

Dann näherte er sich Shiro und beugte sich hinab, um an das Ohr des anderen zu gelangen. Leicht knabberte Kenshin an dem Ohr und leckte über die Ohrmuschel. Langsam glitt seine Zunge tiefer und strich über Shiros Hals. Dieser erschauderte.

/Wie könnte dieser bezaubernden Mann bloß ein Tyrann sein?/

Für immer; Zu schön um wahr zu sein

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Kenshins Angewohnheiten

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Vergebung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Ausraster

Kapitel 9

Für immer; Ausraster
 

Nach schier unendlicher Zeit hatte er endlich gefunden, was er gesucht hatte. Leben.

Vor ihm war ein großes Lager aufgestellt worden.

/Bestimmt über 3.000 Mann .../

Im Schatten der Bäume hockte er sich hin und analysierte seine Chancen, unbemerkt eine Mahlzeit einnehmen zu können.

/Verflucht, zu viele Wachen! Wieso sind die hier so vorsichtig? Normalerweise sind diese doofen Samurais doch immer so unvorsichtig, da sie sich ihr Hirn mit Sake vernebeln .../

Nun, da er sich sicher war, dass er hier keine Chance hatte, sah er sich nach Soldaten um, die sich zu weit vom Lager entfernt hatten.

Einige Zeit blieb er so hocken, als er tatsächlich einen Mann entdeckte, der sich allein in den Wald wagte. Er drang nicht besonders tief hinein, doch das genügte ihm schon. Mehr brauchte er nicht. Nur eine Sekunde der Unachtsamkeit und schon war es vorbei.

Er betrachtete den Mann etwas genauer. Vielleicht war er so um die dreißig ... ein Samuraigewand ... zwei Schwerter. Doch etwas an dem Mann war anders als bei den anderen Soldaten.

Er wirkte furchtloser und bewegte sich so selbstsicher, wie es nur Männer von hohem Stand konnten. Auch seine Kleidung war bei genauerem Hinsehen viel edler als die der anderen.

/Anscheinend gehört er zu den Leuten, die hier das Sagen haben ... Dann sollte ich ihn lieber nicht töten, denn dann würde hier eine riesige Suchaktion beginnen und darauf habe ich keine Lust./

Also musste er noch länger warten, um ein anderes Opfer zu finden.

Tatsächlich musste er nicht lange warten, bevor er einen betrunkenen Soldaten entdeckte, der sich von den anderen entfernt hatte, um sich hinter einem Baum zu übergeben.

/Na ja ... da wäre mir der andere Mann viel lieber gewesen, doch da muss ich durch./

Als der Soldat fertig war mit seinen ... Ausscheidendungen, war er im Bruchteil einer Sekunde hinter dem betrunkenen Mann, und legte ihm eine Hand in den Nacken, während er mit der anderen den Hals seines Opfers freigelegte.

Der Mann in seinen Händen gab nur ein erstauntes Wimmern von sich, bevor er still wurde.

Grob biss er seinem Opfer in den Hals und sofort sprudelte heißes, schweres Blut in seinen Mund.

Wie lange hatte er kein Blut mehr getrunken? Zwei Wochen? Drei?

Genüsslich trank er das, was ihm gegeben wurde, bis zum letzten Tropfen aus. Die leere Hülle des Mannes nahm er beiseite und vergrub sie notdürftig. Aber doch gut genug, damit sie auf ersten Blick niemand finden würde.

Und ein Heer hatte bestimmt nicht genug Zeit, um nach der Leiche eines einzelnen Soldaten zu suchen.

Mit sich selbst zufrieden, legte er sich ins Gras und beobachtete die umherhuschenden Menschen aus der Ferne. Später würde er noch einmal etwas essen – immerhin gab es hier genug Nahrung und die lange Zeit des Fastens hatte ihm nicht gut getan.

/Ich muss mich wieder stärken .../

Unter einer Eiche, sich vor der Sonne versteckend, schloss er die Augen und schlief ein.
 

Doch lange schlief er nicht, denn eine laute Stimme ließ ihn aufschrecken. Alarmiert setzte er sich auf und spannte seinen ganzen Körper an. Es war noch früh am Morgen und die Sonne ging gerade erst auf. Beiläufig dachte er daran, dass er sich ein besseres Versteck für den Tag würde suchen müssen.

Sein Blick irrte schnell umher und dann erkannte er, wer da eben geschrien hatte.

"Kenshin! Beweg deinen faulen Hintern und komm!", schrie der Mann hohen Standes.

Neugierig beobachtete er das Schauspiel. Nach einiger Zeit trat ein anderer Mann aus einem Zelt und gesellte sich zu dem, der geschrien hatte.

/Der, der eben aus dem Zelt gekommen ist, ist wohl dieser ... Kenshin./

Der Name kann ihm bekannt vor, aber sonst sagte er ihm nichts. Genauer schaute er diesen Kenshin an, doch sah er ihn nur von hinten, deswegen konnte er auch nicht viel erkennen. Und obwohl er diesen Kenshin nur von hinten sah, weckte dieser eine Neugier in ihm.

/Wie er wohl schmeckt? Ich hab noch nie adliges Blut gekostet .../

Als plötzlich ein heller Sonnenstrahl durch das Blätterdach drang, fluchte er auf und zog sich flink seine Kapuze ins Gesicht, stand er auf und rannte davon. Er würde sich ein Versteck suchen müssen und zwar schnell. Sonst wäre es vorbei. Vorbei mit ihm.

/Später ... Ich kann warten ... Kenshin .../
 

"Wieso?"

"Weil einer der Säcke sich ein Bein gebrochen hat und nicht reiten kann."

"Ja und?"

"Er besteht darauf", meint Rimasho achselzuckend.

"Und ich soll dem nachgeben? Nein! Ich will weiter. Ich halte es nicht mehr aus. Wir reiten weiter."

"Aber-", wollte Rimasho einwerfen.

"Ich bin der Daimyo und ich will weiter. Bereite alles vor."

"Sehr wohl", sagte Rimasho während einer kurzen Verbeugung. Eiligen Schrittes entfernte sich der Berater.

/Was denken sie sich überhaupt? Als ob ich wegen ihnen Halt machen würde! Ich würde nicht einmal eine Rast einlegen, hätte ich mir ein Bein gebrochen! Eingebildete Schnösel! ... Ich will endlich nach Kasugayama./

Sich im Lager umschauend, erblickte er den kleinen Shiro. Sofort wurde ihm warm um sein Herz.

/Er hat mir verziehen ... Ich weiß nicht einmal, ob ich dazu in der Lage gewesen wäre, wäre ich er./

Der junge Mann war gerade dabei, sein für ihn zu großes Pferd zu satteln. Als Kenshin dies erblickte, setzte er sich sofort in Bewegung, um dem anderen zu helfen. Doch ein anderer Soldat kam bereits vor ihm bei Shiro an. Lächelnd nahm der fremde Mann Shiro den Sattel ab und warf ihn über den Rücken des Pferdes. Dankend verneigte sich Shiro etwas. Der Soldat grinste und klopfte dem Kleinen freundschaftlich auf die Schulter.

Bei diesem Anblick fing Kenshins Blut zu kochen an. Zornig näherte er sich den beiden. Einige andere Soldaten bemerkten ihn. Seine zornigen Augen. Erschrocken wichen sie zurück und versuchten sich für den wütenden Daimyo unsichtbar zu machen.

Doch Kenshin würdigte sie keines Blickes. Starr sah er den unverschämten Soldaten an, der es gewagt hatte, sich an SEINEN Shiro heranzumachen. Ihm schöne Augen zu machen.

Erst, als er die beiden erreichte, drehte sich Shiro zu ihm um und strahlte ihn an. Womöglich wäre Kenshin in einer anderen Situation glücklich darüber gewesen. Doch jetzt war er einfach nur wütend.

"Kenshin ich-", fing Shiro freudig und verstummte wieder, als er sah, was der Daimyo tat.

Grob packte er den Soldaten beim Kragen und zog ihn nah an sich.

"Mein H-Herr ... w-was-", stotterte der erschrockene Mann.

"Schweig!", schrie Kenshin ihn an. "Du elender Wicht! Wie kannst du es wagen, dich an ihn heranzumachen?!"

Hilflos stotterte der Soldat wieder unverständliche Worte und sah sich verzweifelt um. Shiro neben ihm versteifte sich. Wieso, wusste der Daimyo nicht. Es war ihm im Moment auch egal. Er würde diese Unverschämtheit nicht dulden.

Langsam griff er nach seinem Kurzschwert und erst dann kam wieder Leben in Shiro. Erschrocken sah er die Waffe an und warf sich auf Kenshins Hand. Er versuchte Kenshin die Klinge zu entreißen, doch war er dafür nicht stark genug. Wütend schüttelte der Lord den Kleineren ab.

"Was soll das?", fauchte er.

"Kenshin, hör auf! Er hat nichts getan!"

"Ach ja? Das bestimme immer noch ich."

"Aber-"

"Nein, kein Aber!"

Plötzlich sah Shiro an Kenshin vorbei. Dann holte der Jüngere Luft und schrie aus vollem Halse: "RIMASHO!!!"

"Was?"

Im nächsten Moment war auch schon der andere da.

"Was ist hier los?", fragte er aufgebracht, "alle starren schon."

"Rimasho, du hast mir doch gesagt, dass du mir helfen würdest, würde ich Hilfe brauchen. Nun brauche ich Hilfe. Kenshin will den Mann töten, obwohl er nichts getan hat", flehte Shiro.

"Verstehe ...", sagte der Berater, "Kenshin, leg die Waffe weg."

"Was?!", erklang Kenshins empörte Stimme.

"Leg sie weg!"

Lange Zeit zögerte der Daimyo, bevor er seine Klinge wieder in die Scheide gleiten ließ. Erleichtert atmete Shiro aus.

"Doch es gibt da ein kleines Problem ...", begann Rimasho.

"Und das wäre?", fragte Kenshin.

"Nun ja ... wie Ihr sicher mitbekommen habt, haben sehr viele Soldaten das Schauspiel mitangesehen. Und es würde Euer Ansehen senken, würde es so aussehen, dass Ihr gerade einen Ausraster hattet. Immerhin wart und seid Ihr immer die Ruhe in Person. Deswegen müssen wir uns was Gutes ausdenken. Eine Ausrede ..."

"Stimmt", pflichtete Kenshin ihm bei.

Mit gerunzelter Stirn sah er auf den Soladten herab. Wieder wallte Zorn in ihm auf.

"Vielleicht sollten wir ihn nicht töten, sondern ihm stattdessen nur die Zunge abschneiden. Ich glaube nicht, dass er auch so schwiegen kann", schlug der Daimyo vor.

Erschrocken zuckte der Mann zusammen.

"Nein ...", flüsterte Shiro fast lautlos.

"Kenshin, das werden wir nicht machen", entschied Rimasho, "er wir leben und das mit seiner Zunge. Wird er nicht schweigen, töten wir ihn dann."

"Du wirst doch schweigen oder?", fragte der Berater an den Soldaten gewandt. Dieser nickte nur heftig mit dem Kopf.

"So sei es. Lass ihn los, Kenshin."

Widerwillig, aber doch etwas angeekelt nahm der Fürst seine Hand weg.

"Es war alles ein großes Missverständnis. Der Soldat hier wurde mit jemandem anderem verwechselt", vielsagend sah Rimasho alle der Reihe nach an. Den Soldaten sah er besonders eindringlich an, damit er auch ganz sicher verstand.

"Und nun verschwinde!", zischte Kenshin den Mann an.

Das ließ sich der erschrockene Mann nicht zweimal sagen und war im nächsten Augenblick schon verschwunden.

Gleich darauf drehte sich der Daimyo wütend um und stampfte davon. Er hatte genug davon, von allem. Wieso hatte Shiro ihn aufgehalten? Wieso nur? Dann könnte er wenigstens seine immer noch vorhandene Wut loswerden.

Wieso nur?

/Weil er nicht so ist wie ich./

Na und? Dann war er eben ein Sadist. Auch Sadisten mussten irgendwie leben. Er lief geradewegs auf sein Zelt zu. Bevor er eintrat, wandte er sich an einen der Wachen vor seinem Zelt.

"Wir reiten in drei Stunden weiter. Mir geht es schlecht."

"Sehr wohl!", kam die knappe Antwort, die Kenshin kaum noch hörte.

Erledigt warf sich der Lord auf sein Bett. Die Sachen lagen immer noch an gleicher Stelle wie vorhin.

/Anscheinend haben diese Idioten meine Sachen immer noch nicht zusammengepackt. Also wirklich, was ist das nur für ein Tag?!/

Aber dann erinnerte er sich an den Morgen. An den Moment, in dem er neben Shiro erwacht war.

/Na ja ... so schlimm FING der Tag nicht an, doch was danach aus ihm wurde, war einfach ätzend./

Nach einer bequemen Position suchend, warf er sich immer wieder hin und her. Als er endlich eine angenehme Position gefunden hatte, hörte er, wie jemand sein Zelt betrat. Genervt setzte er sich wieder auf.

/Da habe ich gerade eine bequeme Position und dann-/

"Shiro? Was machst du denn hier?", fragte er. Seine Stimme klang nicht besonders erfreut, da er immer noch wütend wegen der Sache von vorhin war. Immerhin war es Shiro, der ihn von seiner Tat abgehalten hatte.

"Was willst du?", fragte Kenshin noch einmal ungeduldig.

"Mich entschuldigen", flüsterte der Jüngere.

"Wieso?"

"Weil ich mich Euch widersetzte habe. Es war keine Absicht."

"Wäre es keine Absicht, hättest du es nicht gemacht", erwiderte Kenshin bitter und Shiro zuckte zusammen.

"Ich wollte nicht ... ich ... ich wollte nicht, dass der Mann meinetwegen stirbt."

"Aha."

"Kenshin?", erklang die nun etwas beschämte Stimme Shiros.

"Was?"

"Wart Ihr eifersüchtig?"

"Was?!"

Verlegen senkte der Junge den Kopf.

"Nun ja, ich meine ... Ihr habt gesagt, dass er sich an mich herangemacht hat und so ... so dachte ich-"

Schnell stand der Daimyo auf und war mit wenigen Schritten bei dem Jüngeren. Fest nahm er ihn in seine Arme.

"Ich sage es nur einmal, also hör gut zu."

Shiro nickte einmal schnell.

"Du gehörst nur mir!"

Der Junge in seinen Armen schluckte einmal. Der Daimyo interpretierte es falsch.

"Ist es dir so zuwider, Shiro?", fragte er bitter.

Dieser befreite sich sofort empört aus der Umarmung.

"Wie kommt Ihr denn darauf?", fragte er aufgebracht.

"Na ja ... deine Körpersprache hat es mir sozusagen gesagt", erklärte Kenshin leichthin. Shiro seufzte.

"Dann seid Ihr ein schlechter Deuter. Ich ... freue mich über diese Worte ... unheimlich!"

"Ach ja?", erkundigte sich der Lord mit hochgezogen Augenbrauen.

"Ja."

"Dann darf ich dich jetzt küssen?"

"Ja."

"Darf ich auch mehr?"

"... ja."

"Gut", grinste Kenshin, bevor er seine Lippen verlangend auf die Shiros legte.

Es gab keinen zärtlichen Einstieg. Ihr Kuss war von Anfang an heiß und erregend. Nachdem ihre Lippen sich erkundet hatten, öffneten beide ihren Mund, um den anderen besser schmecken zu können.

Lange küssten sie sich einfach nur, bis Shiro plötzlich in ihren Kuss keuchte. Unbewusst hatte Kenshin sein Knie zwischen die Beine des anderen geschoben.

"Ah~ Ken~shin ..."

Zielsicher beförderte der Daimyo sie beide zum Bett. Ihre Lippen lösten sich nicht voneinander. Ungeduldig legte Kenshin seine Hand über Shiros Schritt. Laut keuchte dieser auf, denn das hatte er nicht erwartet. Mit festem Druck wurde er durch den Kimono massiert.

"Ah~ Kenshin ... haben wir... überhaupt ... Zeit dafür?", fragte Shiro, solange er noch bei Sinnen war.

"Haben wir, Shiro. Und wenn nicht werde, ich uns welche beschaffen", grinste der Daimyo.

Für immer; Du auch ein Verräter?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Kenshin geht ...

Kapitel 11

Für immer; Kenshin geht ...
 

Er war erstaunt gewesen, dass die Armee Kenshins immer noch so nah war. In einer Stunde hatte er es geschafft, sie einzuholen und ihnen nun leise zu folgen. Dass sie erst einen so kleinen Vorsprung gehabt hatten, hatte ihn verwundert. Die Ursache war ihm bis jetzt unbekannt.

/Oder sie sind einfach echt langsam oder ich zu schnell./

Wobei das letzte zum Teil auch dazu beitrug. Denn auch seine Geschwindigkeit war nicht menschlich, wie so vieles an ihm.

Sich nach dem Daimyo umschauend, näherte er sich der Armee etwas, blieb aber im Schutz der Bäume und Büsche verborgen. Immerhin wollte er nichts riskieren.

Einige Zeit suchte er und fand den anderen tatsächlich ganz vorne reitend. Ein anderer Mann saß hinter Kenshin und dies verwirrte ihn ein bisschen.

/War er nicht ein Mann hohen Standes? Wie kommt es dann, dass er sein Pferd teilt?/

Verwirrt besah er sich den anderen genauer. Der Mann hinter Kenshin war jung, klein und … wirkte ziemlich zerbrechlich, was darauf hindeutete, dass er anscheinend kein Krieger war. Mit solch einer zarten Statur könnte er niemandem wirklich gefährlich werden.

/Doch wieso sitzt er bei Kenshin?/

Darauf konnte er sich keinen Reim machen. Es war ihm ein Rätsel.

Plötzlich gab Kenshin seinem Pferd die Sporen und preschte davon. Weiter in den Wald und entfernte sich somit immer mehr von der Armee und auch von ihm.

/Scheiße! Er haut ab!/

Er reagierte blitzartig. Richtete sich auf und fing zu rennen an, immer noch verborgen zwischen den Bäumen.

/Was soll denn das jetzt? Wieso reitet er davon?/

Sein Tempo weiter beschleunigend, hielt er Ausschau nach dem Daimyo, denn er hatte ihn aus den Augen verloren, als der zwischen den Bäumen verschwunden war.

Angestrengt spitzte er seine Ohren und hörte nach kurzer Zeit tatsächlich das Geräusch eines galoppierenden Pferdes. Diesem Geräusch folgte er nun. Dass es Kenshins Pferd war, wusste er. Er roch es. Er spürte es. Er wusste es eben.

Als er dem Daimyo schon ziemlich nahe kam, hielt dieser an. Sofort versteckte er sich hinter einem dicken, alten Baum. Vorsichtig spähte er an eben jenem vorbei, in der Hoffnung, Kenshin beobachten zu können.

Dieser fing gerade ein Gespräch mit seinem Begleiter an. Doch da er sich dafür nicht besonders interessierte, horchte er nicht weiter auf. Und dann änderte sich die Situation schlagartig.

Erregtes Keuchen drang an sein Ohr und er fragte sich, ob er sich nicht vielleicht verhört hatte. Obwohl dies natürlich nur sehr unwahrscheinlich war.

Als er genauer hinsah, merkte er, dass er sich wirklich nicht geirrt hatte. Kenshin befriedigte den anderen Mann. Tat es für den Jüngeren mit der Hand und sah dabei selber auch nicht weniger erregt aus.

/W-was s-soll denn DAS?/

Unsicher blickte er zur Seite. Das Ganze hatte sich wirklich merkwürdig entwickelt. Eigentlich wäre das jetzt seine Chance gewesen, um an Kenshins Blut zu kommen. Doch wegen ... diesen besonderen Umständen war ihm das nicht mehr möglich.

Die Geräusche, die an sein Ohr drangen, wurden immer lauter und am liebsten wäre er abgehauen. Und war einen Moment sogar ganz nahe daran, dies wirklich zu tun, als das Stöhnen und Keuchen plötzlich aufhörte.

Ein anderer Reiter hatte sich zu den beiden gesellt.

/Dieser Kerl, der im Lager geschrien hatte./

Den beiden schien ihre Lage nun wirklich peinlich zu werden, das sah er. Eine Zeit lang zog sich dieser Moment in die Länge. Dann aber ritten alle drei wieder zurück. Höchstwahrscheinlich wieder zu den anderen.

/Ich werde mich wohl noch etwas weiter gedulden müssen./

Seine Wut niederkämpfend, dass er noch länger auf sein heißersehntes Blut würde warten müssen, erhob er sich wieder und rannte ebenfalls zurück in Richtung der Armee.
 

Zwei kleine Zwischenmahlzeiten hatte er sich gegönnt. Einer der Männer war schon etwas älter, sodass er sowieso nicht mehr viel auf dem Schlachtfeld hätte beitragen können. Der andere war ein Mann mittleren Alters. Dieser war verletzt. Deswegen war er der Armee eher eine Last als eine Hilfe gewesen.

Bei der Auswahl seiner Opfer achtete er immer darauf, dass er nicht Menschen tötete, die Kinder hatten oder noch anderweitig nützlich waren. Da dies aber nicht immer ging, ließ sich nicht vermeiden. Auch er musste sich irgendwie ernähren, um zu überleben.

Er hatte es sich sowieso schon zur Gewohnheit gemacht, nur so viel zu trinken wie er zum Überleben benötigte. Das hieß also entweder einen 'ganzen' Mensch für zwei Monate oder alle zwei Wochen solch eine Menge, die einen Menschen nicht töten und auch nicht schwerwiegend schädigen könnte. Doch seitdem er Kenshin gewittert hatte, hatte sein Hunger drastisch zugenommen. Er hatte gerade eben zwei 'ganze' Menschen gegessen? ... Getrunken?

/Dieser Kenshin tut mir nicht gut. Ich werde erst wieder normal, wenn er nicht mehr ist./

Das Heer hatte sich grade erst eine kleine Verschnaufpause gegönnt. Oder viel mehr hatte Kenshin allen anderen eine Pause gegönnt. Der Daimyo selbst schien nicht besonders überfordert oder müde zu sein. Er rauschte durch das provisorisch erbaute Lager und brüllte überall Befehle. Schon eine ganze Weile beobachtete er den Fürsten und wartete auf einen Moment der Unachtsamkeit seitens des Lords.

/Komm schon, entferne dich von den anderen./

Er legte eine Hand auf seine beiden Dolche, die er unter seinem Kapuzenmantel verborgen hielt. Bis jetzt hatte er noch keinen Grund gehabt, von ihnen Gebrauch zu machen. Doch dies könnte sich jeden Moment ändern. Kenshin würde sicher nicht freiwillig zulassen, dass er ihn aussaugte.

/Los Kenshin ... komm schon ... Ich brauche nur fünf Minuten allein mit dir ... Mach es mir doch nicht so schwer!/

Mit seinen Gedanken versuchte er immer wieder den Daimyo zu erreichen. Natürlich ohne Erfolg. Er hatte auch nichts anderes erwartet, doch war er trotzdem irgendwie enttäuscht.

Diese Enttäuschung wurde dann später zu Langeweile. Kenshin Tat alles mögliche, nur nicht das, was er gewollt hätte – sich von den anderen zu entfernen.

Dieser junge Mann und der andere Mann, der die ganze Zeit Kenshin anschrie, waren fast die ganze Zeit bei dem Daimyo.

/Was soll ich bloß tun? So kriege ich ihn nie!/

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Die ganze Zeit über war Kenshin ruhelos durchs Lager gerauscht. Einerseits weil er sich ablenken, andererseits weil er Rimasho nicht direkt ins Gesicht sehen wollte. Die Sache von neulich lag noch immer zwischen ihnen in der Luft. Was er dagegen tun konnte, wusste er nicht. Doch vorerst beschloss er, dieses Thema nicht zur Rede zu stellen. Und so wie Rimasho aussah, hatte der andere auch nicht vor, noch ein Wort darüber zu verlieren.

/Besser so .../

Die Nacht schritt immer weiter voran und das ganze Lager legte sich langsam zur Ruhe. Einige betrunkene Soldaten lachten noch am Feuer, während andere sich schlafen gelegt hatten und versuchten, den Lärm zu überhören oder ihn wenigstens zu ignorieren.

Kenshin lief noch immer durch sein Zelt. Eigentlich war er schon recht müde, doch wollte er sich noch nicht schlafen legen. Vor kurzer Zeit hatten sich Shiro und Rimasho von ihm getrennt, da sie meinten, es würde schon spät sein.

/Ich aber wandle hier immer noch umher und weiß nicht mal warum./

Irgendwas beunruhigte ihn. Es war ein komisches Gefühl … als ob er beobachtet werden würde. Natürlich war dies nichts Neues, da ihn die ganze Zeit bestimmt irgendwelche Späher beobachteten. Und noch nie hatte den Daimyo daran etwas verunsichert. Es war einfach eine Tatsache, dass es immer jemanden unter seinen Leuten gab, der nicht loyal war oder schlicht ein Spion.

Doch diesmal war es etwas anderes. Dieses Gefühl ließ seine Füße kalt werden und seinen Brustkorb unangenehm eng.

/Irgendwer ist da ... Aber wer? Diese Person ist anders .../

Unauffällig blickte Kenshin um sich herum. Das Lager wurde langsam recht leer und von den verbleibenden Soldaten schenkte ihm niemand besondere Aufmerksamkeit. Deswegen sah er weiter. Sah sich nicht nur IM Lager um, sondern schaute auch in den Wald hinein. Doch entdecken konnte er nichts.

Langsam ging er in Richtung Wald und die Enge um seine Brust nahm nur noch weiter zu. Bei jedem Schritt wurde ihm kälter und er vergaß seine Umgebung vollkommen. Erst als er am Rand des Lagers ankam, holte ihn die Stimme eines Wachen aus seinem tranceähnlichem Zustand.

"Mein Herr Uesugi, kann ich Euch behilflich sein?", fragte der Mann und verbeugte sich.

"Hä? ... Ah, nein. Alles in bester Ordnung. Ich werde nur einen kleinen Spaziergang machen."

"Werter Herr ... Ich will nicht unhöflich werden, aber dies ist keine gute Idee. Ihr solltet nicht allein in den Wald gehen. Es könnte gefährlich werden."

Herablassend lächelnd legte Kenshin eine Hand an den Griff seines Katanas.

"Mach dir keine Sorgen. Ich komme damit schon zurecht."

"Aber-", wollte die Wache einwerfen, wurde aber abrupt unterbrochen.

"Keine Widerrede mehr! Oder willst du deinen Kopf verlieren? Glaub mir, das lässt sich ganz schnell einrichten", drohte der Daimyo und zog sein Katana ein Stück aus der Saya. Der Mann erbleichte und erzitterte.

"Verzeiht mir, mein Herr ... es wird nicht wieder verkommen. Bitte setzt Euren Weg fort."

"Pahhh ...", seufzte Kenshin verächtlich und setzte sich in Bewegung. Dass sein Gefühl ihn dazu überreden wollte, wieder umzukehren, ignorierte er gekonnt. Nun gab es kein Zurück mehr.

Nun war ihm regelrecht übel, denn die Bäume hatten ihn nun vollkommen umschlossen und verbargen ihn auch vor den anderen.

/Falls mir jetzt etwas passieren sollte, so wäre es das mit mir … dann ist es aus und zu Ende./

Dieser Gedanke traf ihn bitter, denn eigentlich hatte er noch lange nicht vor, zu sterben. Doch dieses Gefühl, dass sich durch seinen Körper fraß, besagte genau dies. Er würde sterben. Wieso und durch wenn, wusste er nicht. Und obwohl er wusste, dass er jeden Moment ins Gras beißen könnte, kehrte er nicht um.

/Was mache ich denn hier? Bin ich lebensmüde?!/

Panik mischte sich zu den anderen Gefühlen hinzu und ließ seinen Tempo schneller werden.

/Fast so, als könnte ich es nicht mehr abwarten, zu sterben .../

Schneller und schneller wurde er, bis er irgendwann zu rennen anfing. Er rannte immer weiter geradeaus. Plötzlich verschwanden alle Bäume und er stand auf einer hellen, kleinen Lichtung. Hier strahlte der Mond so friedlich und sanft, dass es wirkte wie in einem Märchen. Ein stiller Bach floss mitten durch die kleine Wiese hindurch. Kleine, weiße Blümchen zierten das grüne, etwas feuchte Gras.

/Wo bin ich hier?/

Trotz der lieblichen und friedlichen Aura dieses Ortes griff der Daimyo alarmiert nach seinem Katana. Irgendetwas stimmte hier nicht. Dieser Ort sollte ihn nur in Sicherheit wiegen, damit er unvorsichtig wurde, da war er sich sicher. Und obwohl er vor wenigen Sekunden sicher war, dass er gleich sterben würde, war er nun entschlossener denn je, um sein Leben zu kämpfen. Dass er alleine auf der Lichtung war, wusste er und trotzdem ließ er sein Schwert nicht los.

Das Katana eines Samurais war sein Ein und Alles. Sein Leben. Seine Ehre. Sein Stolz. Und sein Lebenssinn.

Immer noch saß diese zerreißende Gefühl von Angst und Unsicherheit in Kenshin, doch durfte er sich davon nicht übermannen lassen. Er musste einen klaren Kopf bekommen und wieder nachdenken.

/Ganz ruhig ... vielleicht bildest du dir das alles auch nur ein .../

Ein paar Mal atmete Kenshin tief ein und aus, und tatsächlich beruhigte er sich soweit, dass er sich aufrichteten konnte und wieder ganz der große Daimyo war.

Plötzlich raschelte es an seiner rechten Seite und eine kleine Gestalt löste sich aus dem Dunkeln. Diese war vollkommen in schwarz gekleidet. Doch etwas an seiner Kleidung fiel dem Daimyo sofort auf. Sie war komisch, fremd. Noch nie hatte er einen solch eigenartig geschnittenen Kimono gesehen. Es sei denn, es war kein Kimono. Doch auch bei den Bauern hatte er solche Kleidung nie gesehen.

Sofort wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gestalt gelenkt, als diese sich langsam näherte. Ihr Gesicht war unter einer Kapuze verborgen.

"Wer bist du?", fragte Kenshin herrisch. Er durfte sich bloß nicht anmerken lassen, wie verunsichert er war. Die ganze Erscheinung des Anderen war irgendwie beängstigend.

"Was nützt es dir, das zu wissen? Gleich wirst du sowieso nicht mehr sein", erklärte eine tiefe, aber doch samtige Stimme leise.

Ein eisiger Schauer lief durch Kenshins Körper. Die Gestalt näherte sich noch weiter und stand plötzlich hinter dem Daimyo. Erschrocken drehte dieser sich um und holte mit seinem Schwert aus. Traf aber nur ins Leere.

"Wer bist du?", fauchte er nun nicht mehr ganz ruhig.

"Na, na, na ... Wir wollen doch höflich bleiben. Wenn ich ehrlich bin, bin ich richtig glücklich, dich hier bei mir zu haben. Ich dachte, ich würde nie dazu die Gelegenheit bekommen, mit dir allein zu sein."

"Wieso? Wieso wolltest du mit mir allein sein? Um mich zu töten? Dafür musstest du mich nicht erst herlocken."

Die Person unter der Kapuze lachte leise.

"Ich habe dich gar nicht hergelockt. Nein. Wenn ich ehrlich bin, war ich selbst verwundert, als du in den Wald gingst. Natürlich habe ich diese Chance nicht verpasst und bin dir gefolgt."

Nicht wissend, was er sagen sollte, schwieg Kenshin. Unauffällig sah er sich um.

/Kann ich ihn töten? Er ist recht klein und sieht nicht besonders kräftig aus, aber trotzdem bin ich mir aus irgendeinem Grund nicht sicher, ob ich es mit ihm aufnehmen kann .../

"Wie ich sehe, bist du schlau, mein Bester. Du versuchst, mich nicht nach meinem Äußerem zu beurteilen, und gehst deswegen auf Nummer sicher. Keiner hat das bis jetzt gemacht. Alle anderen haben mich sofort angegriffen, weil ich so klein bin. Diese Leute sind schon lange tot. Du aber bist anders. Dies macht dich umso reizvoller!" Die Person hob ein bisschen sein Kopf, sodass Kenshin das Grinsen des anderen sehen konnte.

/Was geht hier vor sich?/

"So ich werde dich nicht länger warten lassen. Wir haben genug geplaudert."

Die Person bewegte sich blitzschnell auf Kenshin zu und er erkannte gerade noch rechtzeitig, dass der andere zwei Dolche gezogen hatte. In letzter Sekunde parierte der Daimyo die direkt aufeinanderfolgenden Schläge.

/Mist! Der ist wirklich stark!/

Immer wieder schlug die Person auf Kenshin ein. Diesem wurde es immer anstrengender, diesem Angriffshagel standzuhalten. Keuchend machte er einige Schritte rückwärts.

/Der ist nicht normal! Noch nie hat mir jemand so zugesetzt./

"Was denn? Werden wir müde?", grinste die Gestalt zynisch und Kenshin biss wütend die Zähne zusammen.

Nun versuchte er seinerseits, den Anderen zu attackieren. Mehrere Schläge folgten, jedoch ohne großen Erfolg. Er hatte es lediglich geschafft, den Mantel des Anderen etwas anzureißen.

"Bravo, meinen Respekt. Dass du überhaupt an mich herankommen würdest, hätte ich nicht gedacht."

"Sei nicht so überzeugt von dir selbst oder dir wird das Lachen noch vergehen!", schnaubte Kenshin.

Er war schon jetzt ziemlich erschöpft, da es ihn eine Menge Kraft gekostet hatte, überhaupt mit dem Anderen mithalten zu können.

/Das kann nicht normal sein! Wer ist der Kerl?/

Im letzten Moment wich der Daimyo dem nächsten Hieb aus.

"Nicht einschlafen, großer Lord!"

Wieder folgten mehrere Hiebe und Schläge. Der Gestalt schien das alles richtig Spaß zu machen, doch Kenshin würde diese Anstrengung nicht mehr lange aushalten. Verzweifelt versuchte, er es immer wieder. Doch jeder nächste Schlag wurde langsamer und schwächer.

/Nein! Ich kann so nicht enden! Rimasho! Shiro!/

"Es ist aus", verkündete der Fremde und schlug Kenshin das Katana aus der Hand.

"Du hast dich gut geschlagen, das muss man dir lassen. In Anbetracht dessen, was ich bin, kann man fast schon behaupten, deine Fähigkeiten seien übermenschlich."

"Und was bist du?", keuchte der Daimyo.

"Kein Mensch", flüsterte die Stimme plötzlich nahe an seinem Ohr.

Kenshin konnte den Atem des Anderen deutlich an seinem Hals spüren. Grauen packte ihn, doch er würde – wenn schon – dann mit Ehre sterben. Er würde keine Angst zeigen, geschweige den etwas anderes.

/Rimasho ... Shiro ... es tut mir leid./

Kenshin schloss die Augen und wartete auf das kalte Metall, das sein Leben beenden würde. Doch nichts dergleichen passierte. Verwirrt über diese Tatsache öffnete er seine Augen einen Spalt breit und schielte zu dem Anderen. Dieser stand hinter dem Daimyo und hielt dessen Hände auf dem Rücken fest. Das Gesicht der Gestalt war immer noch ganz nah an Kenshins Hals. Er machte keine Anstalten, von seinen Dolchen Gebrauch zu machen. Er starrte einfach nur den Hals des wehrlosen Daimyos an.

"Was?", entfloh es diesem leise.

Doch anscheinend hatte es der andere nicht gehört. Noch immer verharrte er in derselben Position. Nach kurzer Zeit kam aber doch wieder Leben in ihn.

"Endlich ... ich kann es kaum erwarten", murmelte er gedankenverloren und Kenshin fragte sich, wieso es ihm solch ein Vergnügen bereitete, dass er wusste, dass er ihn gleich töten würde. Wieder schloss der Daimyo die Augen.

Als ein unerwarteter Schmerz durch seinen Hals fuhr, riss er seine Augen auf und keuchte erschrocken auf.

/E-e-er ... er hat mich in den Hals gebissen!/

Kenshin spürte die kalten Lippen am seinem Hals, spürte die scharfen Fänge in seiner Haut und auch, wie sein Blut ihn verließ.

/Was zum Teufel ist hier los?!/

Seine Beine gaben unter ihm nach, doch der Andere fing ihn noch rechtzeitig auf.

Kenshin wurde immer schwächer und es kostete ihn immer mehr Kraft, um bei der Besinnung zu bleiben. Schließlich gab er aber den Kampf auf und verfiel der verschlingenden Finsternis.

/Bin ich jetzt tot? Nein. Ich spüre immer noch den Schmerz ... aber ich bin so müde .../

Ein letztes Keuchen entrann seinen Lippen, bevor er das Bewusstsein sich verlor.

Für immer; Suche

Kapitel 12

Für immer; Suche
 

Nach einer bequemen Position suchend, warf sich Shiro immer wieder hin und her. Doch etwas fehlte ihm, oder vielmehr fehlte ihm jemand.

Kenshin wollte noch etwas draußen bleiben und 'etwas herumlaufen' wie er es nannte. Aber ohne den anderen konnte Shiro im Moment nicht einschlafen. Dass dies kindisch war wusste er, aber dagegen tun konnte er nichts.

Er startete noch einen Versuch einzuschlafen, der jedoch auch fehlschlug. Deswegen rappelte sich der Junge auf, warf sich schnell seinen Kimono um und verließ sein und Kenshins Zelt.

Ohne die Wachen zu beachten, die ihn schief ansahen, lief er schnell durch alle Soldaten und Zelte. Er zwängte sich zwischen Pferden und am Boden liegenden Männern hindurch. Nach fast zehn Minuten hatte er das ganze Lager durchsucht, doch Kenshin hatte er nicht gefunden. Leichte Panik beschlich ihn.

/Ich übertreibe mal wieder ... ganz sicher. Was sollte Kenshin schon passieren können?/

Doch obwohl er versuchte, sich selbst zu beruhigen, wurde er immer panischer und rannte fast durch das Lager – immer auf der Suche nach dem Daimyo. Als er ihn dann immer noch nicht finden konnte, machte er sich auf den Weg zu Rimasho. Zu seinem Zelt.

Als Shiro vor eben jenem zum Stehen kam, rief er mit belegter Stimme nach dem Berater. Dieser schien sofort zu spüren, dass der Jüngere in Sorge war, und kam aus dem Zelt.

"Shiro, was ist los?"

"Rimasho ... vielleicht übertreibe ich ja und bin unnötigerweise hysterisch, aber ... ich kann Kenshin nirgends finden und mache mir schon Sorgen. Ich weiß nicht ... ich habe so ein komisches Gefühl."

"Verstanden. Dass er nicht da ist, dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich werde die Wachen befragen und du ..."

"Ich komme mit!", rief der Junge bestimmt.

"Na gut. Ausnahmsweise habe ich nichts dagegen. Also komm."

Rimasho drehte sich um und schritt auf die äußere Wache zu. Denn wenn Kenshin nicht im Lager war, so musste er in den Wald gegangen sein. Was er sich dabei gedacht hatte, wusste Rimasho nicht. Mit jedem weiteren Schritt ging die Spannung und Panik des Jungen hinter ihm immer mehr auch auf ihn über.

Als sie die Wachen erreichten, gab Rimasho denen nicht einmal die Zeit für die gewöhnlichen Höflichkeitsfloskeln.

"Wo ist Uesugi-sama?", fuhr er den Mann an.

"E-er ist in den Wald gegangen, Meister Kuriyu. Ich habe versucht, ihn-"

"Ja ja, schon klar", erwiderte der Berater und wandte sich an Shiro.

"Shiro, ich glaube, unser lieber Kenshin reitet sich da grade in Schwierigkeiten ... Ich weiß auch nicht, aber ich habe so ein schlechtes Gefühl, dass er in Gefahr sein könnte. Es wäre sicherer, wenn du zurückgehen würdest."

"Nein! Wenn es gefährlich ist, muss ich erst recht mitkommen", empörte sich der Junge.

"Du kannst dich nicht verteidigen, Shiro!", schrie Rimasho ihn nun an, da er am Ende seiner Nerven war. In genau diesem Moment könnte Kenshin etwas geschehen. Etwas, was sie nicht rückgängig machen können würden.

"Shiro!", versuchte er noch einmal, den Jungen zur Vernunft zu bringen.

"Nein, Rimasho! Ich brauche nur Pfeil und Bogen. Ich kann schießen! ... Bitte, Rimasho ... du weißt doch", verstummte Shiro und sprach dann viel leiser weiter, "du weißt doch, dass ich ihn liebe ..."

Diese letzten Worte waren es, die den Berater überzeugten, den Jungen mitzunehmen.

"Also gut, du kommst mit." Nun wandte er sich wieder an die Wache. "Und du besorgst mir eine kleine Gruppe der stärksten Kämpfer. Etwa zwanzig Mann. Du hast zehn Minuten, mehr nicht! Oder du erlebst den Morgen nicht mehr!", drohte Rimasho.

Sofort eilte der Mann davon. So hatte der Berater noch nie einem anderen gedroht, doch war es im Moment wohl die Sorge um Kenshin, die ihn zu solchen Maßnahmen greifen ließ. Mit jeder Minute wurde diese Sorge größer und Rimasho musste wirklich an sich halten, um nicht alleine in den Wald zu stürzten und sich auf die Suche nach Kenshin zu machen. Deswegen versuchte er, einen Moment an etwas anderes zu denken, und blickte wieder Shiro an. Doch dessen Blick lenkte ihn nicht wirklich von der Sorge um Kenshin ab. Denn auch der Blick Shiros schien so panisch und voller Angst zu sein.

"Shiro, hab keine Angst. Ihm passiert schon nichts", die Worte waren an den Jungen gerichtet doch vielmehr versuchte er, sich selber zu beruhigen.

"Shiro, komm wir besorgen dir einen Bogen und Pfeile."

Nur ein stummes Nicken war die Antwort des Jüngeren. Sie beide liefen wieder tiefer ins Lager und machten erst vor dem Waffenarsenal Halt. Dort suchte Rimasho dem andern die besten Pfeile und den teuersten Bogen aus. Mehr konnte er für Shiro nicht tun.

"So, probier ihn mal aus", angestrengt versuchte Rimasho, seiner Stimme die Ruhe zu geben, die er sonst immer an den Tag legte. Doch so ganz wollte es ihm nicht gelingen. Aber glücklicherweise beachtete Shiro diese Tatsache nicht weiter und legte sich den Köcher um. Anschließend nahm er den Bogen und legte einen Pfeil an. Einige Zeit lang zielte er ins Leere. Dann ließ er den Bogen wieder sinken.

"Es ist … schön", flüsterte er.

"Das freut mich. Nun lass uns zurückgehen. Die zehn Minuten sind sicher schon vorbei und wir haben keine Zeit zu verlieren."

"Natürlich!"

Sofort eilten sie wieder zurück und da wartete wirklich schon eine kleine Gruppe von zwanzig Mann auf die beiden. Alle vollkommen ausgerüstet mit Schwertern, Bögen und Dolchen. Dieser Anblick nahm etwas von Rimashos Angst. Aber auch nur etwas.

"Hört zu: Kenshin ist verschwunden. Er ist in den Wald gegangen und ich habe das schlechte Gefühl, dass ihm etwas passiert ist. Deswegen müssen wir ihn nun suchen gehen. Ihr werdet mir folgen und auf meinen Befehl hin angreifen oder nichts tun. Verstanden?"

Mehrfache Ja-Rufe wurden laut.

"Also gut, dann lasst uns gehen!"
 

Der Wald um ihn und die anderen herum erschien ihm noch bedrohlicher und dunkler, als er ihn in Erinnerung hatte. Der Grund dafür war Rimasho nicht ganz so klar. Ob es dunkel oder hell war, hatte für ihn früher keinen Unterschied gemacht. Doch gerade jetzt schien es eine große Bedeutung zu haben, ob es Tag oder Nacht war.

Jedes leise Rascheln und Knacken ließ ihn zusammenzucken, doch versuchte er, diese Regung vor Shiro zu verstecken, der leise neben ihm her schlich.

Sie alle waren schon ein gutes Stück in den Wald eingedrungen, doch von dem Daimyo fanden sie keine Spur. Was hätte Rimasho in diesem Moment nicht alles gegeben, nur für einen kleinen Stofffetzen von Kenshins Kimono. So würde er wenigstens wissen, dass er auf dem richtigen Weg war und nicht gerade in eine völlig falsche Richtung ging.

/Kenshin, was hast du dir dabei nur gedacht?/

Obwohl er wohl schon zum tausendsten Mal versuchte, sich zu beruhigen, wollte es ihm einfach nicht gelingen. Die Spannung in seinen Gliedern war einfach zu groß. Die Angst davor, dass Kenshin nicht mehr leben könnte, brachte ihn fast um den Verstand und er wusste nicht, was er dagegen tun könnte. Aber er musste stark bleiben – sowohl für Kenshin als auch für Shiro, der in ihm seine letzte Chance sah. Dass Shiro ihm vertraute, stand außer Frage. Dessen war er sich ziemlich sicher und genau aus diesem Grund musste er stark bleiben, so schwer es ihm auch fiel.

"Meister Kuriyu, sollten wir uns nicht vielleicht besser aufteilen?", fragte ihn einer der Männer flüsternd.

Einen Moment lang überlegte der Berater. Dass es schlau war, sich hier im Wald zu teilen, bezweifelte er. Lieber war es ihm, weiterhin zusammen nach Kenshin zu suchen, denn sollte eine einzelne Person Kenshin und seine Bedroher finden, so würde diese Person sich nicht zu verteidigen wissen. Da war es sicherer, zusammen zu bleiben. Als zweiundzwanzig Mann starke Gruppe hatten sie definitiv eine bessere Chance, sich gegen irgendwelche Angreifer zu wehren.

"Wir bleiben zusammen", erklang schließlich die bestimmte Antwort.

"Aber-"

"Ich habe gesagt, wir bleiben zusammen. Keine Widerrede!"

Der Soldat biss sich auf die Lippen und murmelte ein leises "Jawohl". Rimashos Antwort schien ihn verärgert zu haben, doch das interessierte den Berater herzlichst wenig. Was im Moment zählte, war Kenshin zu finden.

Also schlichen sie weiter. Möglichst leise und verborgen zwischen den Bäumen.

Plötzlich blieb Rimasho stehen. Shiro hielt auch an und blickte verwirrt zum Älteren.

"Rimasho?", flüsterte er unsicher.

"Da vorne ... es ist hell ... dort zwischen den Bäumen. Siehst du es? Es muss eine Art Lichtung sein."

Nun reckte der Jüngere seinen Hals und schaute konzentriert in die Richtung, die Rimasho ihm gezeigt hatte. Nicht lange und er hatte die besagte Stelle gefunden.

"Ja ... und?", fragte der Junge, nicht ganz sicher, wie er reagieren sollte.

"Also ...", Rimasho hielt inne, "ich habe ein komisches Gefühl dabei. Ich glaube, er ist dort ... aber ..."

"Aber?", hackte Shiro nun ungeduldig nach.

"Wie soll ich sagen .... etwas daran stinkt mir gewaltig ..."

Darauf bedacht, keine Geräusche von sich zu geben, drehte sich der Berater zu den Soldaten um.

"Kommt näher und hört mir gut zu! Hier vorne ist eine Lichtung. Ich vermute, dass Kenshin dort ist. Wir werden uns jetzt aufteilen und die Lichtung umzingeln. Verstanden? Auf meinen nächsten Befehl werdet ihr danach warten."

Er schwieg eine Weile und sah jeden der Reihe nach an.

"Vergesst nicht, dass wir uns leise heranschleichen müssen. Und legt schon eure Waffen zurecht. Ich weiß nicht, was uns erwarten wird, deswegen solltet ihr zum Angriff bereit sein. Also, los. Geht!"

Alle zwanzig Mann entfernten sich sofort lautlos. Fast schon unheimlich leise, doch daran verschwendete Rimasho keine weiteren Gedanken. Nur er und Shiro blieben zurück. Als dies anscheinend auch dem anderen auffiel, sah er den Berater fragend an.

"Leg schon einmal einen Pfeil an", murmelte der Ältere und zog seinerseits sein Katana.

Shiro nickte nur und tat sofort wie befohlen. Auch sie beide setzten sich in Bewegung und näherten sich immer weiter der hellen Lichtung. Die Übelkeit schwoll so weit an, dass der Berater dachte, er würde umfallen. Trotzdem lief er einfach unerbittlich weiter, nicht auf seine Gefühle achtend. Sie würden ihn sowieso nur schwach machen und somit sein ganzes Vorhaben stören.

Das helle Licht kam immer näher und Rimasho wurde immer nervöser. Jeder Schritt war eine Qual, doch andererseits konnte er einfach nicht schnell genug vorankommen.

Als sie nur noch ein Busch von der Lichtung trennte, blieb Rimasho abermals stehen.

"Shiro ... versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tun wirst", sagte er angespannt.

Dies hatte der Kleinere anscheinend nicht erwartet und blickte deswegen etwas verwirrt drein.

"Was hätte ich denn schon tun können", fragte er und versuchte sich an einem gelassenen Lächeln, was ihm auf allen Ebenen misslang.

"Shiro, versprich es mir einfach. Bitte."

"A-also schön, ich verspreche es", stotterte der Junge.

"Gut", murmelte der Berater zur Antwort und drehte sich um.

Sobald sie diesen ziemlich hohen Busch hinter sich gebracht hätten, wären sie auf der Lichtung. Doch Rimasho konnte nicht weiter. Es ging nicht. Er wollte nicht sehen, was da auf ihn wartete, denn aus einem ihm unbekannten Grund wusste er, was da auf ihn wartete.

Er hatte Angst, verdammt noch mal. Blanke Angst davor, Kenshin zu finden. Zu sehen, dass er nicht mehr am Leben war. Für solcherlei Dinge hatte er schon immer einen besonders ausgeprägten Sinn gehabt. Man könnte sogar meinen, er hätte eine hellseherische Begabung oder so etwas in der Art.

Gefühle anderer Menschen konnte er deuten wie kein anderer. Geschehnisse schien er immer vorher zu sehen oder zumindest zu vermuten. Personen, die er nicht kannte, konnte er mit einem prüfenden Blick kennenlernen und zuordnen.

Kenshin hatte sich immer einen Spaß aus seinem Gespür gemacht. Manchmal hatte er ihn sogar seinen persönlichen Bluthund genannt. Natürlich war Rimasho dann immer ausgerastet, doch die Erinnerung daran ließ ihn in diesem Moment einen stechenden Schmerz in der Brust spüren.

Zu Anfang hatte er diesem bestimmten Gespür, diesem Bauchgefühl nicht viel Beachtung geschenkt, doch in Laufe der Zeit hatte er gelernt, in solcherlei Dingen darauf zu vertrauen.

Umso erschreckender war die Tatsache, dass sein Bauchgefühl ihm sagte, dass es schon zu spät war. Was sollte er bloß tun? Ohne Kenshin? Ohne seinen Freund, seinen Vertrauten? Ja, Kenshin war auch seine Familie. Die Familie, die er nie gehabt hatte, seitdem er auf Kenshins Schloss gebracht wurde. Als er grade mal neun Jahre alt und somit selbst noch ein Kind gewesen war. Immer war er allein gewesen, einzig Kenshin war für ihn dagewesen. Jede ihrer freien Minuten hatten sie zusammen verbracht, doch jetzt ...

/Wenn Kenshin tot ist, bin ich es auch ... oder werde es zumindest bald sein. Ohne Kenshin werde und will ich nicht weiterleben. Ich werde Seppuku-/

"Rimasho, komm", holte ihn Shiros Stimme aus seinen Gedanken.

Sofort setzte er sich wieder in Bewegung. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er stehen geblieben war.

Nun war keine Zeit mehr zum Denken. Jetzt musste er handeln. Langsam legte er seine Hände auf die großen Zweige vor sich, bereit, sie jeden Moment zur Seite zu schieben. Sein Katana hielt er immer noch fest umklammert. Noch einmal atmete tief durch.

/Bitte ... lass mich ... mich geirrt haben. Nur dieses eine Mal .../

Mit einem Ruck riss er die Äste zur Seite und sofort wurde ihm eiskalt.

/Nein ... nein ... nein! ... NEIN!!/

Kenshin lag leblos in den Armen eines anderen Mannes. Dieser hing am Hals des Daimyo, doch Rimasho blieb kein freier Gedanke, um sich darüber zu wundern. Wäre Kenshin nicht so bleich und ... würden seine Gliedmaßen nicht so schlaff herunterhängen, hätte man durchaus meinen könnten, dass der Fremde den Daimyo küsste. Doch, dass dem nicht so war, wusste Rimasho.

Ein Zittern bahnte sich durch seinen Körper und unwillkürlich keuchte er auf.

/Bitte nicht ... Kenshin ... nein!/

Shiro fiel neben ihm verzweifelt auf die Knie, doch weitere Beachtung schenke Rimasho ihm nicht. Sein Blick blieb an den beiden vor ihm hängen. Dann kamen Wörter über seine Lippen, die vielleicht nicht besonders schlau und durchdacht waren. Aber es war schon zu spät, um sie noch zurückzunehmen.

"SCHIESST!!", schrie der Berater aus vollem Halse.

Dass seine Männer hier überall in den Büschen waren, wusste er genau. Sofort sprangen sie heraus, Pfeil und Bogen angelegt, und zielten.

Erst jetzt schien der Fremde das Kommen der anderen bemerkt zu haben. Langsam hob er seinen Kopf und blickte Rimasho direkt ins Gesicht. Ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. Doch er sagte nichts. Er blickte einfach nur gelassen in die Augen des Beraters und wartete anscheinend.

/W-was soll das? ... Wieso schießt niemand?!/

Unsicher schaute er Shiro an. Auch dieser blickte unverwandt zu dem Fremden hinüber. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und einige Tränen liefen an seinem Gesicht hinab. Dass er zu weinen angefangen hatte, hatte Rimasho gar nicht bemerkt. Doch das war jetzt nicht wichtig. Nicht mehr. Nur eine Sache war wirklich wichtig. Und diese Sache lebte nicht mehr.

Wieder sah er zu der unbekannten Gestalt und erst jetzt kam die Wut. Der Zorn. Der Hass und die Mordlust. Er wollte das Blut dieser Person sehen. Wollte mit diesem Blut diese Lichtung für immer brandmarken, sodass jeder wissen würde, dass er hier gestorben war und weswegen. Rimasho wollte ihn töten, musste ihn töten und würde ihn auch töten, jetzt sofort. Auch wenn er dabei selbst ums Leben kam. Es war im egal.

Er klammerte sich an sein Katana und machte einige Schritte auf den Fremden zu. Es kostete ihn eine große Kraft, nicht sofort auf den anderen einzuschlagen, ihn zu zerfetzten, zu zerfleischen und seine Körperteile durch die Gegend zu schleudern. Noch nie hatte er ein solches Verlangen gehegt, jemanden zu vernichteten. Noch nie, außer jetzt.

Immer weiter näherte Rimasho sich dem Fremden und blickte absichtlich nicht zu Kenshin. Denn würde er wieder in das leere Gesicht seines Freundes sehen, so würde sich sein Zorn augenblicklich in Schmerz und Trauer verwandeln. Dass wusste er mit Bestimmtheit.

Als er nur noch zehn Schritte vor dem Unbekannten stand, hob dieser – immer noch lächelnd – eine Hand und bedeutete ihm somit stehenzubleiben.

Abrupt hielt der Berater an, war wie angewurzelt. Das Lächeln des anderen vertiefte sich, doch da dessen Augen verborgen blieben, konnte Rimasho nicht in ihnen lesen. Doch dieses bestimmte Lächeln jagte ihm eisige Schauer über den Rücken, die keineswegs angenehm waren. Ein Kichern seitens des Fremden erklang.

"Ich würde mich noch etwas gedulden", ertönte seine melodische, tiefe Stimme.

/Was? Worauf gedulden?!/

Für immer; Tot! Leben!

Kapitel 13

Für immer; Tot! Leben!
 

Abrupt blieb der Berater wie angewurzelt stehen. Das Lächeln des anderen vertiefte sich, doch da seine Augen verborgen blieben, konnte Rimasho nicht in ihnen lesen. Dieses bestimmte Lächeln jagte ihm dennoch eisige Schauer über den Rücken, die keineswegs angenehm waren. Ein Kichern seitens des Fremden erklang.

"Ich würde mich noch etwas gedulden", ertönte seine melodische, tiefe Stimme.

/Was? Worauf gedulden?!/
 

"Was für kranke Spielchen treibst du hier eigentlich?", zischte der Berater aufgebracht.

"Ich spiele nicht, mein Lieber. Ich lebe", erläuterte der Fremde ruhig, doch diese Ruhe wollte Rimasho nicht erreichen.

"Was meinst du damit – 'ich lebe'? Bist du vollkommen von Sinnen?!"

"Gut möglich", kicherte der Unbekannte und ließ sich nicht von Rimashos aggressiven Auftreten verunsichern. "Schau", sagte er leise und deutete auf den leblosen Körper, den er immer noch in den Händen hielt. Der Blick des Beraters glitt nur kurz zu dem Körper des Daimyos hinab, bevor er wieder zornig zu dem Unbekannten aufblickte.

"Schau genauer hin", versuchte dieser es noch einmal.

Wieder glitt der Blick Rimashos zu Kenshins Körper. Diesmal länger als zuvor, doch wusste er nicht, was es ihm helfen sollte, auf eben jenen zu schauen.

/Er spielt mit mir! Das kann ich mir nicht gefallen lassen!/

"Was-!"

"Sieh GENAU hin", erklang wieder diese tiefe Stimme, nun aber etwas ungeduldiger. Widerwillig tat Rimasho wie geheißen und blickte GENAU hin.

Und plötzlich wusste er, wieso der Fremde ihn dazu immer wieder gedrängt hatte. Kenshin, er ... er ATMETE!!

Ein Stein fiel Rimasho vom Herzen. Dass Kenshins Lage sehr instabil war und er trotzdem sterben noch konnte, bemerkte der Berater nicht. Fast schon panisch stolperte er auf Kenshin – und somit auch auch den anderen – zu. Einen Moment lang dachte er sogar, dass dies der Plan des Fremden war. Doch das war Rimasho egal. Sogar wenn der Unbekannte ihn gleich töten würde, wäre es ihm egal. Kenshin lebte, das war alles, was für ihn zählte. Alles andere hatte keine Bedeutung.

Als er endlich vor den beiden stand, blieb er etwas unschlüssig stehen, doch dann tat der Fremde etwas, womit er selbst niemals gerechnet hatte, angesichts der Tatsache, dass er Kenshin gerade eben beinahe getötet hatte.

Sanft übergab der Fremde Rimasho den leblosen Körper. Verwirrt sah Rimasho ins Gesicht des anderes, erkennen konnte er aber nichts.

"Ergreift ihn", kam es schwach und nicht besonders überzeugend über die Lippen des Beraters, aber er war einfach zu erschöpft.

Die Soldaten, die bis jetzt wie erstarrt waren, reagierten sofort. Fünf von ihnen hielten ihre Klingen auf den Fremden gerichtet. Einige sogar unter dessen Kehle. Doch erstaunlicherweise schien der Bedrohte nicht einmal im Ansatz vorzuhaben, die Flucht zu ergreifen. Was der Grund dafür war, wusste der Berater nicht.

Der Körper in seinen Armen schien immer schwerer zu werden, deswegen ging er in die Knie und setzte sich dann gänzlich hin. Behutsam bettete er den Kopf des Daimyos in seinen Schoss und strich diesem über die Haare. Der flache Atem eben jenem entging ihm nicht.

"Einer soll zurück zum Lager rennen und Hilfe holen. Ärzte, Heiler, alles mögliche! SCHNELL!! Los!!", brüllte er eher verzweifelt als wütend.

Drei der Männer, die nicht auf den Fremden aufpassten, sprinteten augenblicklich los. Rimasho hatte aber nur Augen für die Person in seinen Armen. Dass er zu weinen angefangen hatte, hatte er nicht einmal mitbekommen. Immer wieder strich er zärtlich über Kenshins Haar. Plötzlich legte sich auch eine andere Hand auf Kenshins Wange und der Berater wollte den anderen schon anschreien, doch als er aufblickte, erkannte er niemand anderen als Shiro. Und der hatte – wie auch er selbst – ein Recht, bei Kenshin zu sein. Also ließ er zu, dass Shiro sich neben Kenshin hinkniete und dessen Hand in die seine nahm.

Einige Zeit kam es Rimasho so vor, als seien alle eingefroren. Doch dann erklang plötzlich großer Lärm und er war gezwungen, von Kenshins Gesicht aufzublicken. Die Männer, die Hilfe holen sollten, kamen zurück. Mit ihnen waren noch sechs andere Männer tgekommen. Jeder von ihnen hielt eine große Tasche in den Händen.

Bevor Rimasho etwas sagen konnte, eilten sie zu dem Daimyo, öffneten ihre Taschen und machten sich an die Arbeit. Bei diesem ganzen Gedränge stießen sie sogar ihn und Shiro zur Seite, sodass die beiden nun hilflos und etwas verwirrt, abseits Kenshins und der Heiler standen.

"Ich dachte schon, er sei tot", flüsterte der Junge plötzlich leise vor sich hin.

"Ja ... das habe ich auch gedacht. Ich war mir sogar sicher."

Verwundert blickte Shiro zu Rimasho auf.

"Wieso denn das?"

"Lange Geschichte."

"Ach so ..."

Dann verfielen beide ins Schweigen und warteten, während sie beobachteten, wie die Heiler um Kenshin herumhuschten. Doch kam da dem Berater plötzlich so ein Gedanke. Er drehte sich um und ließ Shiro alleine. Dabei steuerte er direkt auf den Fremden zu. Die Wachen standen wie zuvor mit ihren Waffen um ihn herum. Der Unbekannte aber ließ sich nicht beeindrucken und blieb – zumindest äußerlich – vollkommen ruhig. Als Rimasho direkt vor ihm zum Stehen kam, hob er seinen Kopf ein Stück, aber nicht genug, sodass Rimasho sein ganzes Gesicht immer noch nicht sehen konnte. Nun besah er sich den Fremden zum ersten Mal etwas genauer. Er trug komische

Kleidung und wirkte auch sonst irgendwie eigen. Allein seine Aura konnte einem Angst einjagen, doch bei Rimasho funktionierte dies nicht.

"Enthülle dein Gesicht, Fremder", befahl er, doch nichts geschah. "Hast du nicht gehört?"

Ein bitteres Lachen erklang.

"Ihr seid nicht dazu bestimmt, mich zu sehen", erklärte der Unbekannte immer noch lachend.

"Was? Wie meinst du das?"

"Ihr dürft mich nicht sehen. Eigentlich sollte kein Mensch mich sehen."

"Kein Mensch? Und was bist dann du?"

"Hier in Japan gibt es keinen Begriff dafür, aber im weiten Westen wissen sie, was ich bin."

Das Lachen schwoll ein Stück weiter an und Rimasho hatte Mühe damit, ruhig zu bleiben.

"Wir haben dich schon gesehen, also kannst du dich doch auch vollkommen zeigen."

Der Fremde schwieg eine Weile.

"Mal sehen", flüsterte er.

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

"Mal sehen", flüsterte er.

Die ganze Situation war nicht so, wie er sie sich gewünscht hätte. Allein die Tatsache, dass mehrere Männer mit ihren Klingen vor ihm standen, war schon ein Problem. Zwar konnte er durch Wunden, die einen Menschen töten würden, nicht sterben, aber wenn ein dutzend Männer ihn zerfleischen würden, könnte auch er sterben.

Doch sein größtes Problem war ein anderes. Er war sich immer noch nicht sicher, wieso er Kenshin nicht getötet hatte. Ihn sogar zurückgegeben und sich somit vollkommen hilflos ausgeliefert hatte, sodass sie ihn jederzeit hätten töten können, würden sie es nur wollen.

/Irgendwie ist es aber auch meine Schuld. Hätte ich sie kommen hören, wäre es ganz anders ausgegangen./

Die Tatsache, dass er nicht einmal gehört hatte, wie sich diese Männer an ihn geschlichen hatten, erschreckte ihn immer noch, wenn er daran dachte. Dementsprechend war er auch erschrocken gewesen, als zig Männer mit gezückten Waffen vor ihm gestanden hatten. Natürlich hatte er sich nichts anmerken lassen, doch zu diesem Zeitpunkt war er so angespannt wie noch nie zuvor gewesen. Aber als er sich daran erinnerte, wie es war, Kenshins Blut zu schmecken, konnte er gut verstehen, wieso er die anderen nicht bemerkt hatte.

Das Blut des Daimyos war ein Orgasmus in sich. Überall hatte er Sternchen gesehen. Ihm war unheimlich warm geworden und er hatte sich gewünscht, dieses Blut nie wieder missen zu müssen. Dass er dieses Blut nie wieder würde schmecken können, wenn er den Daimyo umbrachte, war ihm die ganze Zeit über im Hintergrund bewusst gewesen. Jedoch konnte er einfach nicht von seinem Opfer ablassen. Erst als die bewaffneten Männer erschienen waren, hatte er aufhören können zu trinken. Einerseits war er ihnen sogar dankbar, dass sie erschienen waren, denn so blieb dieses Blut erhalten.

"Du bist merkwürdig", bemerkte der Berater plötzlich und er konzentrierte sich wieder auf seine Umgebung.

"Wie heißt du?", fragte der Berater mit einer Stimme, die keinen Widerspruch erlaubte. Doch bei ihm funktionierte das nicht. Aber aus irgendeinem Grund wollte er diesem Mann seinen Namen sagen. Einige Zeit überlegte er, welchen Namen er nennen sollte. Seinen richtigen Namen, den er seit der Geburt trug oder den Namen, den er sich im Laufe der Zeit selbst gegeben hatte.

Schließlich entschied er sich gegen seinen echten Namen.

"Ich bin Kei", flüsterte er leise.

"Kei also?"

"Ja und ich bin nicht wie ihr", fügte Kei noch hinzu.

Plötzlich erschien einer der Heiler neben dem Berater und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Gedankenverloren nickte dieser ein paar Mal und wandte sich dann wieder ihm zu.

"Ich werde anderswo gebraucht, aber sei versichert ... wir sehen uns noch." Und mit diesen Worten lief der Berater davon.

Diese Worte sollten zwar bedrohlich wirken und ihm Angst machen, doch tat dies eine ganz andere Sache viel mehr. Das flache, raschelnde Atmen einer bestimmten Personen bereitete ihm Sorgen. Diesem Atmen nach zu urteilen, würde der Daimyo sterben. Doch aus Erfahrung, und sei sie noch so klein, wusste Kei, dass dieser Mann besonders stark war. Kein anderer Mensch hatte es bis jetzt so lange mit ihm aufnehmen können.

/Er ist was besonders. Genau wie sein Blut. So was hab ich noch nie getrunken .../

Plötzlich kam wieder der Hunger und sein Magen knurrte leise auf. Einer der Soldaten blickte ihn fragend an, doch er ignorierte diesen Blick gekonnt.

/Was soll ich jetzt bloß tun? Ich muss hier irgendwie weg. Aber wie?/

Ratlos blickte er sich um, in der Hoffnung eine Fluchtmöglichkeit zu finden, suchte aber vergebens.

/Ich muss mir etwas einfallen lassen – und zwar schnell./

Plötzlich aber wurde das Durcheinander um den Daimyo noch chaotischer und er war so gezwungen, seine Aufmerksamkeit auf die immer panischer werdenden Leute zu lenken. Die Heiler wurden immer unruhiger, während dieser Rimasho und Shiro wie erstarrt auf den am Boden liegenden Körper blickten.

/Was geschieht dort?/

Schreie wurden laut. Einige verzweifelt, andere noch hoffnungsvoll.

"Was sollen wir machen?"

"Er stirbt!"

"Das können wir nicht zulassen!"

"Es ist schon zu spät!"

"Er wird wieder gesund!"

"Nein! Er hat zu viel Blut verloren!"

Das Geschrei schwoll immer weiter an, sodass er bald nichts mehr verstand.

/Anscheinend geht es um Kenshin ... Er wird sterben ... meinetwegen! Solch eine Verschwendung .../

Kei betrachtete weiterhin die verzweifelten Menschen. Alles gaben sie, um diesen einen Menschen zu retten, der eigentlich nicht viel anders war, als jeder andere.

Doch dies war Kei's Ansicht. Für ihn waren sie alle Menschen, alle Nahrung, doch für sie bedeutete dieser eine Mann viel. Er war ihr Herrscher, ihr Leiter und ihre Hoffnung. In dieser Zeit der Kriege, war der Daimyo das Wichtigste überhaupt. Aber für ihn selbst hatte dies alles kein Gewicht. Nun lebte er schon seit Hunderten von Jahren. So viele Jahre, dass er sie nicht einmal mehr zählen konnte. Das Leben dieser Leute war so vergänglich, dass sie ihm sogar etwas leid taten. Nicht dass er es besser hätte! Nein! Das auf jeden Fall nicht! Er wurde zu diesem Leben verdammt und konnte nichts dagegen tun.

"Geht weg von ihm!"

Dieser Ruf holte Kei abermals aus seinen Gedanken. Die beiden Freunde des Daimyos hatten sich aus ihrer Starre erlöst und scheuchten die Heiler und Pfleger weg, nur um an ihrer statt den Platz neben Kenshin einzunehmen. Dessen Atem wurde immer leiser und leiser. Bald würde er vollkommen versiegen.

/Und sie können nichts tun .../

"Kenshin, nein ...", flüsterte der Jüngere. Sein Gesicht war tränenüberströmt und verzweifelt klammerte er sich an den immer kälter werdenden Körper. Der andere der beiden Männer, Rimasho, hielt nur stumm die Hand des Daimyos. Keine Regung zeichnete sein Gesicht, doch hatte dies natürlich nichts zu bedeuten. Kei konnte auch so den Schmerz erkennen, den dieser Mann im Moment fühlte.

Diese beiden Männer blieben einfach nur neben Kenshin sitzen und blieben bei ihm … bis er von ihnen ging.

Tapfer hielten sie sich, doch aus irgendeinem Grund konnte er selbst diese ganze Szene nicht mehr ansehen. Seinen Kopf zu Seite drehend, versuchte er, die Schluchzer des jüngeren Mannes zu ignorieren.

/Wieso müssen die auch so ein Drama drum machen. Er stirbt. Ja und? Wenn ein anderer Mensch stirbt, merkt man es nicht einmal!/

Doch sein Plan, einfach wegzusehen, funktionierte nicht. Die Trauer dieser Menschen hier – besonders die der beiden Männer neben dem Daimyo – drang in ihn ein und zerfraß ihn von innen heraus. Verbissen versuchte er, alle Eindrücke zu ignorieren. Versuchte, die Schluchzer und das Schniefen auszublenden. Doch es wollte einfach nicht klappen. Er konnte einfach nicht weghören.

Der Atem wurde stetig leiser, gleich würde Kenshin tot sein. Noch höchstens fünf Minuten, wenn nicht weniger. Die Eindrücke, die auf ihn einwirkten, wurden immer stärker.

/Dieser Schmerz! Diese Trauer! ... Ich halte das nicht aus!/

"Ich kann ihn retten", durchschnitt seine eigene Stimme auf einmal die drückende Stille.

Augenblicklich drehten sich alle – eher erschrocken als verwundert – zu ihm um. Anscheinend hatten sie seine Anwesenheit vollkommen vergessen und wurden sich erst jetzt seiner Person wieder bewusst.

Einige Heiler entfernten sich panisch, während andere wie erstarrt stehenblieben und ihn anstarrten, als sei er ein Geist. Einzig die beiden Trauernden bei Kenshin schienen vollkommen bei Sinnen. Der Junge sah ihn mit einem solch unergründlichem Blick an, dass ihm sogar etwas mulmig zumute wurde. Doch unter großen Kraftanstrengungen riss Kei seinen Blick von dem Jungen los und sah nun zu dem Berater. Dieser hatte sich erhoben und schritt geradewegs auf ihn zu. Sie fixierten sich beide, bis Rimasho bei ihm stand. Mit einem komischen Gesichtsausdruck, aus dem er nicht lesen konnte, schaute der Berater ihn an.

"Wieso?"

Verwundert über diese recht unpassende Frage hob Kei eine Augenbraue.

"Ich will nicht, dass er stirbt", antwortete er ehrlich, seine anderen Gründe ließ er ein Geheimnis bleiben.

/Na ja, es wäre nicht besonders schlau, ihnen zu sagen, dass ich nur nicht will, dass Kenshin stirbt, da mich sein Blut geil macht./

"Ich will nicht, dass er stirbt", wiederholte sich Kei nochmal.

"Hast du ihn nicht getötet?!"

"Das war ein … unglücklicher Zufall", räusperte er sich. Er konnte schlecht sagen, dass das Blut Kenshins ihn nicht nur geil machte, sondern ihn auch seine Beherrschung kostete. Misstrauisch sah Rimasho ihn an. Doch dann hatte er anscheinend eine Entscheidung getroffen und senkte leicht den Kopf.

"Bitte! Rette ihn!"

Da Kei sich nicht sicher war, was er darauf antworten sollte, nickte er nur. Rimasho machte eine kurze Geste, woraufhin alle Soldaten um ihn herum zurücktraten.

Dann gingen sie gemeinsam zu dem sterbenden Daimyo. Der Junge rutschte etwas zur Seite, um Kei Platz zu verschaffen, als der sich neben Kenshin setzten wollte. Natürlich entging ihm nicht, dass Rimasho ihn immer noch heimlich beobachtete.

/Tja ... sicher ist sicher./

"Was ich hier mache, ist nicht für Menschenaugen bestimmt. Trotzdem werde ich es tun. Aber ... die anderen müssen gehen. Nur der Jungen und Ihr könnt bleiben", erklärte er an den Berater gewandt. Dieser schien krampfhaft nachzudenken, wahrscheinlich überlegte er, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass dies eine Falle war. Doch zum denken war jetzt keine Zeit.

"Beeilt Euch! Er stirbt gleich!"

Dies schien zu wirken und der Berater gab allen anderen den Befehl, sich zu entfernen. Als sie allein waren, war der Berater noch angespannter als zuvor.

"Keine Sorge, ich tue nichts … Unnettes mehr. Aber ich hätte eine Bitte: Egal, was ich tue, haltet mich nicht auf. Verstanden?"

Widerwillig nickten beide und sahen ihn dann erwartungsvoll an.

Nun war es an ihm, sich an die Arbeit zu machen. Aber er brauchte ein Messer oder so etwas in der Art ...

/Aber fragen kann ich sie nicht. Denn sie würden sofort denken, dass ich sie töten will ... Dann müssen wohl meine Zähne reichen./

Er hatte sich noch nie selbst gebissen und allein die Vorstellung war so widerwärtig, dass er nun am liebsten weggelaufen wäre. Und dies hätte er auch gemacht, würde er diesen Mann nicht wirklich retten wollen. Und Tatsache war, dass er ihn retten WOLLTE. Da war so ein Gefühl, das ihm sagte, dass er es tun musste.

Also hob er sein Handgelenk und schon den Ärmel beiseite. Deutlich konnte er seine eigene blaue, pulsierende Ader sehen und sofort musste er an Kenshins Blut denken.

/Ja! Es ist richtig, was ich mache! Für dieses Blut würde ich alles tun!/

Ohne einen weiteren Gedanken biss er sich blitzartig ins Handgelenk und schmeckte sein bitteres, altes Blut. Neben sich vernahm er zwei entsetzte Keucher, doch darum machte er sich keine Gedanken. Den Würgereiz unterdrückend füllte er seinen Mund immer weiter mit Blut. Als er so viel aufgenommen hatte, wie er konnte, schob er einen Arm unter Kenshins Oberkörper und hob ihn hoch. Mit der anderen Hand fasste er an Kenshins Wange und drehte dessen Kopf in seine Richtung.

/Ich werde es wohl so machen müssen ... Urgh! Nicht gerade angenehm./

Seinen eigenen Kopf senkte er, bis seine Lippen fast die des Daimyos berührten.

"Was soll das?", keuchte der Junge neben ihm.

/Keine Sorge! Soll sicher kein Kuss sein/ Dachte Kei leicht mürrisch.

Widerwillig senkte er seinen Kopf noch weiter, bis er endlich die kalten Lippen auf seinen spürte. Dann öffnete er seinen Mund und trennte dabei auch die Lippen des Daimyo. Das Blut aus seinem Mund floss in den Kenshins hinein. Mehrere Tropfen liefen am Mundwinkel des Daimyos herab.

/Trink doch endlich!/

Er blies etwas Luft in den anderen, um diesen so sowohl zum Atmen als auch zum Schlucken zu animieren. Tatsächlich funktionierte dies und der Sterbende schluckte etwas unbeholfen das ganze Blut. Glücklich, dass es zu Ende war, löste Kei seine Lippen wieder von denen des Fürsten.

Einige Zeit war alles wie erstarrt. Alle saßen und warteten, was als nächstes kam.

Und plötzlich bäumte sich Kenshin auf und fing heftig zu husten an. Sofort waren Rimasho und Shiro bei ihm. Hielten ihn fest und redeten gut auf ihn zu. Doch nützte dies nichts. Heftige Krämpfe fraßen sich durch den Körper des Daimyos.

/Vampirblut ist eben nicht die beste Medizin. Man sollte sie nur in Notfällen benutzten./

Lange ging es so noch weiter. Kenshin krümmte sich vor Schmerzen und die anderen hielten ihn fest. Und er, Kei, saß nur daneben. Als die Krämpfe endlich schwächer wurden, atmete Rimasho erleichtert aus und drehte sich erst jetzt zu ihm um.

"Er lebt, aber ... was bist du?!"

Für immer; Erwacht

Kapitel 14

Für immer; Erwacht
 

"Er lebt, aber ... was bist du?!"

/Wer ist 'was'? Was meinen sie? Ich verstehe nichts. Wo bin ich?/

Gähnende Dunkelheit umfing ihn, die ihn gefangen hielt. Augenblicklich machte sich Angst und Panik in ihm breit und er versuchte, dem Dunkeln zu entkommen, vergebens. Sein Körper war wir gelähmt, nur den Schmerz, der wie Messerstiche durch sein Fleisch glitt, nahm Kenshin wahr.

Von Weiten drangen ihm fremde, aber irgendwie auch bekannte Stimmen entgegen. Zwar konnte er kein Wort verstehen, doch war er sich sicher, dass es um ihn ging.

"... kann nicht sagen ..."

/Was? Wer spricht da?/

Diese eine Stimme war rauchig und melodisch, jedoch wirkte sie nicht beruhigend auf das Gemüt des Daimyos, sondern bescherte ihm – ganz im Gegenteil – eine eisige Gänsehaut.

/Ich kenne diese Stimme! Es war .../

Plötzlich wurde ihm wieder schwarz vor Augen, als ein viel heftigerer Schmerz seinen Weg durch den Körper des Daimyos bahnte. Ein Keuchen entkam seinen Lippen, woraufhin die Stimmen um ihn herum noch lauter wurden, doch verstehen konnte er immer noch nichts.

Sein Kopf fing an zu pochen und ihm wurde speiübel. Was die Leute um ihn herum so aufregte, wusste er nicht. Doch interessieren tat es ihn auch nicht, dafür war der Schmerz in seinem ganzen Körper einfach zu groß.

/Fühlt sich so der Tod an? Sterbe ich vielleicht? Nein, sicher nicht! Das Leben tut weh, nicht der Tod. Der ist leicht .../

Brennender Schmerz machte ihm weiteres Denken unmöglich, denn je mehr er nachdachte, umso mehr verstärkten sich seine Qualen. Also ließ er sie auf sich zukommen. Wie auch die Finsternis, die mit den Schmerzen auf ihn zukam. Erstaunlicherweise empfand er nichts als resignierende Gleichgültigkeit. Was diese Finsternis zu bedeuten hatte, wusste er immerhin nicht. Dass diese ihn töten konnte, wusste er nicht.

/Was ... wird aus ... mir?/

Sein Gehirn arbeitete immer schleppender, bis Kenshin überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Müdigkeit ergriff ihn und er wollte einfach nur noch schlafen. Was in der Welt um ihn herum passierte, war ihm egal. Er brauchte, und wollte nur seine Ruhe. Wollte allein sein.

In der Finsternis konnte er allein sein, für immer.

Für immer.

/Für immer .../

Erschöpft ließ er sich fallen. Und fiel in einen schwarzen See ... der ihm am Anfang ganz friedlich erschien, bevor bemerkte, dass es kein Wasser, sondern Blut war.

Sein Blut!
 

Keuchend öffnete er die Augen und blickte sich panisch um.

"Kenshin ..."

Den neben ihm sitzenden Rimasho erkannte Kenshin erst jetzt, als dieser seine Stimme erhoben hatte.

"Rimasho ... was?"

"Schon gut, leg dich hin. Du bist noch zu schwach ... später", beruhigte ihn der Berater.

Plötzlich spürte Kenshin, wie seine Hand ergriffen wurde, und er sah erst hinab zu seiner Hand, dann zu Rimasho. Dieser hatte die Augen zu einem stummen Gebet geschlossen.

"Rimasho, was ... was soll das?", stotterte er unsicher.

Sein Berater verhielt sich wirklich merkwürdig. Erst saß er die ganze Zeit über an seinem Futon und dann benahm er sich SO. Da musste etwas nicht stimmen, doch Kenshin wollte nicht recht in den Sinn kommen, was es war. Und wenn er ehrlich war, war sein Gedächtnis im Moment ziemlich vernebelt. An vieles konnte er sich nicht mehr erinnern. Wie er wieder nach Kasugayama gelangt war. Wann er schlafen gegangen war. Wieso Rimasho ihn mit diesem besorgten Gesichtsausdruck ansah.

Das Letzte, an das er sich erinnerte, war der Moment, in dem er mit Shiro geschlafen hatte, musste er sich beschämt eingestehen. Alles andere verschwamm in einem dichten, grauen Nebel.

/Was ist passiert?/

Er musste es wissen, auch wenn er ein schlechtes Bauchgefühl dabei bekam. Vielleicht sollte er es nicht wissen? Vielleicht sollte er es dabei belassen? Vielleicht war es eine Gnade, ihn alles vergessen zu lassen? Vielleicht ...

/Vielleicht aber auch nicht!/

"Rimasho, sag mir sofort, was passiert ist. Ich muss es wissen ..."

Unbehaglich rutschte der Berater hin und her, drückte sich von einer Antwort.

"Ich sollte es dir lieber sagen, wenn es dir wieder besser geht ..."

"Nein, Rimasho ich muss es jetzt wissen", drängte Kenshin weiter.

"Aber-"

"Nichts 'aber'! Sofort!", befahl der Daimyo, wobei seine Stimme anscheinend etwas zu hart klang, denn der Berater presste seine Lippen fest zusammen und versuchte, nicht verletzt oder beleidigt zu gucken.

"Wie Ihr wollt ... mein Herr. Also ...", Rimasho stockte einen Moment, unsicher, wie er beginnen sollte, "wir waren auf den Rückweg nach Kasugayama. Während wir im Wald Rast gemacht haben, seid Ihr in den dunklen Wald gegangen und ..."

Schmerzlich verzog sich das Gesicht des Beraters, als ob ihn allein bei dem Gedanken an das, was passiert war, alles weh täte.

"Weiter, Rimasho."

"… und Ihr wart fast tot, als ich Euch gefunden habe ..."

Schockierte blickte Kenshin seinen Gegenüber an. Er und fast tot? Wie denn das? Nun erklärte sich alles von selbst. Seine Schmerzen, sein Gedächtnisverlust, Rimashos Verhalten. Alles.

/Aber was ist denn überhaupt passiert? Wieso bin ich fast gestorben? Das hatte Rimasho noch nicht erwähnt ... Jetzt verstehe ich auch, wieso er noch nicht darüber reden wollte, aber ich kann nicht anders. Ich muss fragen ..../

"Wie .... wieso bin ich fast gestorben, Rimasho?", flüsterte Kenshin.

"Ihr ... wart nicht allein ... da war eine andere Person, sie hat Euch fast getötet, wäre nicht ich aufgetaucht ..."

"Was hat sie denn ...", Kenshins unterbrach sich, "was hast du mit dieser Person gemacht?"

"In den Kerker geworfen ...", murmelte Rimasho.

"Du hast sie nicht töten lassen?!", fragte Kenshin empört.

"Nein. Konnte ich nicht."

"Wieso?"

"Weil sie Euch das Leben wiedergegeben hat ..." Rimasho wurde bei jedem Wort leiser. Doch Kenshin hatte trotzdem alles klar und deutlich verstanden und seine einzige Reaktion war ein verwirrtes "Hä?"

Stumm kratzte sich Rimasho am Hinterkopf und schwieg.

"Rimasho ..."

"Na ja, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll .... erst hat er ..."

"Was?!"

"Euer Blut getrunken."

Ungläubig sah Kenshin den anderen an und zog seine Augenbrauen zusammen.

"Mach dich nicht lächerlich, Rimasho. Ein Mensch der Blut trinkt? Also bitte!", versuchte der Daimyo, seine Verwirrung zu überspielen. Wie sollte er auch reagieren, wenn sein Berater ihm allen Ernstes sagte, dass er ausgesaugt worden war? So etwas gab es doch gar nicht! Jemand, der Blut trinkt? Lächerlich!

"Rimasho, ich bin mir sicher, dass du da etwas falsch verstanden hast ... Aber na ja, wieder zurück zum Thema. Du meintest die Person, die mich fast getötet hatte, hat mich dann aber doch gerettet. Wie darf ich das verstehen?"

Eindringlich musterte der Daimyo seinen Berater, während dieser unsicher auf seiner Unterlippe kaute. Dass Rimasho nicht mit einer Antwort herausrücken wollte, merkte man sofort. Doch letzten Endes würde Kenshin das bekommen, was er wollte. So war es immer. Er stieß zwar meist immer auf Widerstand, aber er bekam IMMER, was er wollte, wünschte oder auch begehrte.

"Rimasho ...", bohrte er weiter nach.

"Er hat ... er hat Euch sein Blut gegeben."

Skeptisch hob Kenshin eine Augenbraue und sah den anderen ungläubig an.

"Und das soll mich gerettet haben?"

"Glaubt, was Ihr wollt, aber es war genau so", antwortete der Berater knapp.

/Na ja immerhin scheint Rimasho von dem, was er sagt, überzeugt zu sein. Aber so leicht kann ich das nicht glauben. Ich brauche Beweise und die werde ich mir besorgen./

"Rimasho, bring mich zu diesem Gefangenen."

"Aber ... du bist noch zu schwach. Das würde deiner Gesundheit schaden und immerhin hast du noch genug Zeit. Es muss nicht jetzt sein. Du kannst später mit ihm reden", versuchte Rimasho den Daimyo umzustimmen, doch dieser schien entschlossen zu sein, dem Gefangenen einen Besuch abzustatten.

"Rimasho, ich will ihm sehen. Jetzt. Ob du mich zu ihm bringst oder jemand anderes, spielt keine Rolle. Also ... würdest du es netterweise übernehmen, mich zu begleiten oder muss ich erst jemand anderen finden?"

Mit sich ringend überlegte der Berater einen Moment. Der Daimyo beobachtete währenddessen den anderen und konnte fast sehen, wie sein Berater alle Möglichkeiten abwog. Schließlich schien ihm doch eine gute Idee gekommen zu sein, denn ein triumphierendes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Dieser Ausdruck hielt zwar nur einen kurzen Moment, aber der Daimyo hatte es trotzdem bemerkt.

"Kenshin ...", fing der Berater an, "hast du etwa Shiro ganz vergessen? Er hatte sich die ganze Zeit Sorgen um dich gemacht. Du solltest erst zu ihm gehen, findet du nicht auch?"

/Oh! Shiro hab ich wirklich vergessen ... aber so leicht wird Rimasho es nicht mit mir haben./

"Der muss warten. Ich habe Wichtigeres zu tun", versuchte Kenshin, möglichst kühl zu antworten, und erstaunlicherweise merkte Rimasho den falschen Ton in seiner Aussage nicht. Oder er ignorierte ihn einfach.

"Aber Kenshin ...", versuchte der Berater es noch ein aller letztes Mal, als ihn plötzlich lautes Gepolter unterbrach und die Tür kraftvoll zur Seite geschoben wurde. Zeitgleich drehten sich die zwei Streitenden um und erblickten einen jungen Soldaten, der sich sofort zu Boden warf.

"M-Meister K-Kenshin ... e-es gibt ein Problem", stotterte der Mann unbeholfen.

"Was ist los?", fragte Rimasho, ehe Kenshin etwas sagen konnte.

/Aha ... will er jetzt meine Mama spielen, oder was?/

"Rimasho, halte dich da raus! Ich werde mich darum kümmern. "

"Kenshin ..."

"Keine Wiederworte! Du wolltest nicht, dass ich meinem 'Retter-Mörder' einen Besuch abstatte und nun werde ich dies vorerst auch nicht tun. Also sei zufrieden und schweig."

Unter diesen Worten verkrampfte sich der Berater und blickte zur Seite. Stumm nickte er. Als Kenshin dies zufrieden vernommen hatte, wandte er sich schließlich dem Soldaten zu.

"Und nun zu dir. Was ist geschehen?"

"Herr ... die Versammlung aller Generäle wurde einberufen. Nur Ihr fehlt noch. Was der genaue Grund ist, wurde mir nicht gesagt, aber es soll sehr dringend sein."

"Ach ja ... wie nett ... Da wacht man gerade erst auf und dann das ...", seufzte der Daimyo.

Vorsichtig hob der Mann seinen Kopf ein Stückchen, nur um ihn danach wieder hektisch zu senken, als er Rimashos tadelnden Blick sah.

"W-werdet Ihr hingehen?", fragte der Mann leise.

"Habe ich denn eine Wahl?", stöhnte Kenshin und erhob sich. "Du kannst gehen. Ich werde bald da sein."

"Jawohl!"

Sofort stand der junge Mann auf und rannte davon. Als er nicht mehr zu hören, war drehte sich Kenshin zu Rimasho um.

"So. Zufrieden? Jetzt müssen WIR uns wieder einmal mit diesen Säcken herumschlagen ...", jammerte der Daimyo.

"Pah! Könnten wir uns nur WIRKLICH mit ihnen HERUMSCHLAGEN ...", murmelte der Berater als Antwort und machte sich schon auf den Weg zur Tür.

Selbst als der Berater schon längst verschwunden war, blieb der Daimyo noch einen Moment stehen. Was ihn zögern ließ, wusste er nicht. Es war so ein Gefühl, das ihn in eine andere Richtung zog. Nicht in den Audienzsaal, sondern in Richtung ...

/In Richtung was? Was ist das? Dieses Gefühl? Was will es mir sagen?/

So blieb er noch einige Zeit stehen und versuchte, dieses Gefühl zu definieren, doch als ihm bewusst wurde, dass alle anderen auf ihn warteten, nahm er sich zusammen und setzte sich in Bewegung. In Richtung Audienzsaal. Bei jedem Schritt wurde ihm mulmiger zumute, angesichts dessen, was er in den nächsten Stunden würde ertragen müssen.
 

/Lieber Gott, steh mir bei .../

Für immer; Abgelenkt

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Gefangen

Kapitel 16

Für immer; Gefangen
 

Wach und vor allem wachsam saß Rimasho an seinem kleinen Nachtisch und blickte in seinen Beruhigungstee, den er sich hatte bringen lassen. Etwas stimmte nicht, ließ ihn nicht schlafen, gab ihm keine Ruhe ...

Was es war, konnte der Berater sich denken ... doch wollte er sich dies nicht eingestehen. Er war beunruhigt, sehr beunruhigt sogar und zwar wegen der Anwesenheit ihres Gefangenen. Erstaunlicherweise hatte dieser sich in den letzten, wenn auch wenigen Tagen sehr kooperativ gezeigt. Jedoch wollte Rimasho deswegen nicht nachlässig werden. Er musste auf der Hut sein. Etwas stimmte nicht ... Was genau es war, wusste er jedoch nicht, aber er würde es herausfinden. Er musste es herausfinden.

Langsam hob er seinen Tee an die Lippen und nippe einmal daran. Der leicht bittere Geschmack breitete sich sofort auf seiner ganzen Zunge aus. Doch was normalerweise einen beruhigenden Effekt auf ihn hatte, wirkte im Moment ganz anders.

Immer noch starrte Rimasho in seine Tasse, bis er schließlich näherkommende Schritte hörte. Leise wie die einer Katze auf der Jagd, doch Rimasho verspürte keine Angst. Er kannte diesen Gang sehr genau. Nur eine Person, die ihm bekannt war, konnte sich so leicht und anmutig bewegen. Und obwohl diese Schritte für jeden anderen Menschen unhörbar gewesen wären, so hörte sie der Berater trotzdem. Wie konnte er auch nicht ...

Plötzlich verstummten die Schritte und ein leises, verhaltenes Klopfen erklang.

"Rimasho?", flüsterte die samtige Stimme Kenshins.

Doch dieser antwortete nicht sofort, wollte den anderen im Glauben lassen, dass er schlief. Wollte sehen, was der andere tun würde. Wollte – zugegeben – auch dieser leisen, flüsternden Stimme noch einen Moment länger zuhören.

Die Angst, die Rimasho gespürt hatte, als er dachte, dass Kenshin tot wäre, konnte er immer noch nachempfinden. Dieser Verlust ... Obwohl der Berater nie irgendein Interesse an Kenshin in romantischer Hinsicht gezeigt hatte, so konnte er doch verstehen, wieso so viele Menschen nicht anders konnten, als ihm zu verfallen. Diesem Mann ... diesem Engel, der doch so viel Schmerz bereiten konnte.

Nochmals erklang Kenshins fragende Stimme, doch diesmal würde der Berater antworten.

"Komm rein, Kenshin."

Sofort wurde die Tür zur Seite geschoben und der Daimyo trat ein, in all seiner Pracht und Stärke.

/Ein wahrlich beeindruckender Mann ... Kenshin, wenn du nicht wärst, könnte auch ich nicht mehr sein./

"Rimasho? Du bist ja noch wach. Hab ich dich bei irgendetwas gestört?"

"Wie könntest du mich jemals stören, Ken-chan?", lächelte der Berater und blickte seinen Freund an. Woraufhin sich ein nachdenklicher Ausdruck auf Kenshins Züge legte. Doch dieser verweilte nicht lange.

"Rimasho, ich weiß, das kommt dir jetzt etwas ungelegen, aber du musst mich zu ihm bringen. Ich werde nicht eher Ruhe finden", erklärte der Lord sachlich, woraufhin der Berater leise lachte.

"Schon gut ... ich wusste, dass du erscheinen würdest. Ich kenne dich einfach zu gut, Kenshin. Du konntest noch nie eine Sache über einen längeren Zeitraum liegen lassen."

"Dann wirst du-"

"Ja, ich werde dich jetzt persönlich zu unserem Gefangenen bringen. Vielleicht werde auch ich danach wieder Ruhe finden, denn ob du es glaubst oder nicht, ich warte auch schon ungeduldig auf euer Gespräch. Es ist mir zwar unangenehm, es zuzugeben, aber unser 'Gast' macht mich nervös." Nach Rimashos Worten breite sich eine kurzzeitige Stille aus und beide Männer sahen sich abwartend an. Lange weilte der Moment aber nicht, denn kurz darauf erhob sich der Berater und machte sich ohne ein Wort auf den Weg zur Tür, öffnete diese und ging hinaus in den schier unendlichen Flur. Dass Kenshin ihm folgte, wusste Rimasho. Die beiden kannten sich schon so lange, da bedurfte es oft keiner Worte.

Schweigend liefen sie nebeneinander her, wobei die Stille etwas Angenehmes an sich hatte. Etwas Vertrautes, Freundschaftliches ...

Nach eigentlich recht kurzer Zeit hatten sie mehrere dunkle Gänge, Räume und auch Gärten durchquert, bis sie schließlich vor einer kleinen Hütte in einem der vielen Gärten stehen blieben. Die Hütte war alt, das sah man sofort, doch trotzdem hatte sie etwas Wunderschönes an sich. Der ganze Ort hier sah friedlich und sanft aus. Die unzähligen Kirschbäume verloren allesamt ihre Blüten ... Sie schwebten langsam zu Boden und ließen alles fast schon wie einen Traum wirken. Der Himmel war klar und dunkelblau, wobei ein heller, runder Vollmond ihn schmückte ...

Alles vermittelte ein Bild von Perfektion, doch wussten nur die beiden Adligen, was sich unter der kleinen, unschuldig aussehenden Hütte befand ... oder auch befinden konnte.

"Es ist schön hier ...", flüsterte Kenshin, "ich war schon lange nicht mehr hier."

"Du solltest dich freuen, dass du keinen Grund hattest diesen Ort hier auszusuchen", erwiderte Rimasho daraufhin nüchtern.

So traumhaft dieses Plätzchen auch aussah, so schnell konnte es auch alptraumhafte Züge annehmen. All die Räuber, Mörder und Vergewaltiger, die man hier im Laufe der Zeit gefangen gehalten hatte, verliehen dem Ort eine unterschwellige, düstere Aura. Natürlich nur, wenn man wusste, was sich hinter diesem Ort, vor allem dieser Hütte, barg.

"Lass uns keine Zeit verlieren, Rimasho."

"Sehr wohl ..."

Bedächtig öffnete der Berater die knarzende Tür und hielt sie seinem Lord auf. Dieser trat ohne Zögern in die gähnende Dunkelheit. Sie umgab ihn durch und durch, doch verspürte er keine Angst. Vorsichtig stieg er Stufe um Stufe hinab ins Verlies. Nach schier unendlich vielen Stufen wurde der Boden eben und die beiden Männer bogen nach links um eine Ecke. Dort stand, zu ihrem Glück, auch eine angezündete Fackel, die zwar wenig, aber trotzdem genügend Licht spendete. Diese ergriff Rimasho und ging ohne ein Wort voraus, um dem Daimyo den Weg zu zeigen.

Nach etlichen Biegungen und Gängen, verlangsamte der Berater seine Schritte, bis er schließlich stehenblieb und sich zu dem Daimyo umdrehte.

"Wir sind da ... mein Lord", er deutete auf eine Zelle zu seiner Rechten.

"Danke, Rimasho. Könntest du draußen auf mich warten?"

"Ich glaube nicht, dass das eine gute-", setzte der Berater an.

"Bitte, Rimasho. Es ist in Ordnung. Vertrau mir."

"Dir vertraue ich doch! Aber ... aber ihm nicht."

Kenshin nickte und deutete mit seinem Kopf in Richtung Ausgang. Als Rimasho wieder protestieren wollte, schüttelte der Daimyo nur kurz mit dem Kopf und deutete wieder zum Ausgang. Prüfend betrachtete Rimasho das Gesicht seines Lords. Bis er schließlich einmal kurz auf die Schulter des anderen klopfte, ihm die Fackel überreichte und dann nach draußen ging, um dort auf seinen Freund und Herrscher zu warten.

Erleichtert atmete Kenshin aus. Er hatte wirklich gedacht, dass er länger brauchen würde, um Rimasho zu überreden, draußen zu warten. Der Berater konnte nämlich ziemlich dickköpfig sein. Doch heute hatte Kenshin wohl Glück gehabt. Den Grund, aus dem Rimasho diesmal nicht tausend Versuche gestartet hatte, um zu bewirken, dass er auch bleiben konnte, kannte Kenshin nicht. Doch das tat jetzt nichts zur Sache.

Der Daimyo ging auf die Wand neben der Zelle zu und nahm den Schlüssel von dem kleinen Haken, der dort befestigt war. Dann stellte er sich wieder vor die Zelle und versuchte, in dem schwachen Schein seiner Fackel, die Person zu erkennen, die dort an der Wand lehnte.

Ein leises Kichern erklang aus der Zelle.

"Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr kommen würdet, um mich zu töten", lachte die raue, schwache Stimme.

"Noch bin ich nicht hier, um dich zu töten. Vorerst will ich nur reden", erklärte Kenshin.

"Reden? Worüber? Es gibt nichts zu bereden."

"Das entscheide hier immer noch ich", erwiderte der Lord kühl.

"Wenn Ihr meint ... 'Meister'", wieder ein Kichern.

Missbilligend runzelte der Daimyo seine Stirn. Dieses Gespräch würde wohl schwerer sein, als er erwartet hätte. Dieser Mann war ... anders.

/Ich fange wohl mit einfachen Fragen an./

"Wieso wolltest du mich töten?"

"Wieso sollte ich dir das verraten?"

/Hmmm/

"Wieso hast du mich wieder gerettet?"
 

"Und wieso glaubst du, werde ich dir diese, aber die andere nicht beantworten?"

Kenshin seufzte.

"Glaube mir, ich will das Ganze hier nicht komplizierter machen, als es schon ist. Also beantworte einfach meine Fragen und alle sind glücklich", erläuterte der Lord möglichst ruhig.

"Wieso sollte ich dann glücklich sein?", fragte der Gefangene misstrauisch.

"Ich würde dich leben lassen, freilassen ...."

"Ahhh."

"Also, wirst du mir meine Fragen beantworten?", fragte Kenshin hoffnungsvoll.

"Nicht alle."

"Das ist schon einmal ein Anfang. Also ... Wie heißt du? Woher kommst du? Wie alt bist du? Familie? Verwandte?"

"Kei. Weiß ich nicht. Kein Kommentar. Nein. Und nein", beantwortete Kei in der Reihenfolge der Fragen.

/Das nenne ich mal wortkarg .../

Abermals seufzte Kenshin. Er hatte nicht wirklich viel mehr erfahren, als er schon wusste. Dass der Kerl Kei hieß, hatte Rimasho ihm schon erzählt. Aber wirklich Neues gab der Fremde nicht von sich.

"Also Kei, wie hast du mich gerettet?"

"Hab dir mein Blut gegeben."

"Wieso sollte ich dir das glauben?"

"Du lebst."

/Dieser Mann treibt mich noch in den Wahnsinn! Er verrät mir nie das, was ich wirklich wissen will./

"Wieso heilt dein Blut Menschen?"

"Weil ... ich keiner bin." War das ein kurzes Zögern?

"Was bist du denn dann, wenn kein Mensch?", fragte Kenshin nun neugieriger. Dieser Kei hatte etwas Exotisches, Faszinierendes an sich.

"Das willst du nicht wissen", erklärte er ruhig.

"Wenn ich es nicht wissen wollen würde, so hätte ich nicht gefragt."

"Wieso sollte ich es dir sagen?"

/Oh je ... schon wieder antwortet er mit Gegenfragen .../

"Wieso nicht?", versuchte Kenshin es mit der Methode seines Gegenübers.

"Du bist es nicht würdig."

Mannomann ... der nahm hier aber Wörter in den Mund. Und das gegenüber einem Daimyo!

/Aber ich werde ruhig bleiben. Vielleicht wird er mir so eher geneigt sein, etwas zu verraten, denn ich muss zugeben, dass dieses Verhör nichts mehr mit der Entscheidung zu tun hat, ob ich ihn hinrichten lasse oder nicht. Es geht nur noch um meine unersättliche Neugier./

"Wessen nicht würdig?"

"Menschen dürfen nichts über uns wissen."

"Aber ich weiß, dass es dich gibt."

"Schlimm genug", sagte Kei und ächzte leise.

Langsam näherte sich der Lord der Zelle etwas mehr und leuchtete in sie hinein. Was er sah, ließ ihn erschrocken aufkeuchen. Sein unbekannter Gefangener war in einer stehenden Position an die Steinmauer gekettet. Er hatte nicht die Möglichkeit, sich zu setzten, da die Ketten zu kurz waren. Und so hing er kraftlos in den Stahlketten. Doch war die nicht alles. Der Boden um Kei herum war dunkel und feucht. Blut.

Kei selbst blutete aus mehreren tiefen Wunden. Dass er überhaupt bei Bewusstsein bleiben konnte, war bemerkenswert.

/Werde ich schwach, da ich bei solch einem Anblick Mitleid mit meinem Mörder bekomme? Nein. Er hat mein Leben gerettet. Er sollte so etwas nicht erleiden, indem er mein adliges Blut erhalten hat./

Zorn wallte bei diesem Anblick in ihm auf .

"Wer hat dir das angetan?", fragte er scharf.

"Weiß nicht."

Nun griff Kenshin nach dem Schlüssel, öffnete die Gittertür und trat in die blutige Zelle. Langsam näherte er sich Kei und blieb vor ihm stehen. Dieser sah verwundert zu dem Lord auf, doch konnte Kenshin sein Gesicht immer noch nicht erkennen, da die Kapuze eben jenes Gesicht immer noch verdeckte. Vorsichtig hob der Daimyo seine Hand und wollte das störende Stück Stoff vom Gesicht des anderen entfernen, doch war dies ein Fehler, denn der andere knurrte ihn sofort wütend an und die Hand des Lords zuckte augenblicklich wieder zurück.

/Fast wie ein Tier .../

Dann tat Kenshin etwas, das Kei so ziemlich über alle Maßen verwirrte und auch erstaunte. Der Lord griff nach dem Schloss von Keis Fesseln und öffnete diese.

Ein lautes, metallisches Krachen erklang, als die Stahlketten zu Boden fielen. Jedoch fielen nicht nur diese, auch der eben noch gefesselte Mann erschlaffte und sackte an der Wand zu Boden.

"Wieso hast du das getan?", fragte er keuchend, "ich habe dich fast getötet. Ich könnte es immer noch tun."

"Du wirst es nicht tun."

"Wieso bist du dir da so sicher?"

"Gute Frage", lächelte der Daimyo und näherte sich seinem Gefangenem etwas mehr. "Lass mich dein Gesicht sehen", bat er.

"Nein."

"Wieso?"

"Menschen dürfen uns nicht sehen."

"Nur ich bin hier", sagte der Daimyo und bewegte seine Hand Richtung Kapuze. Sofort wich Kei aus. Kenshins Miene verhärtete sich.

"Wie kann ich dich davon überzeugen, dass ich würdig genug bin", fragte er ernst.

"Mach dir keine unnötige Mühe. Du kannst es nicht sein und auch nicht werden. Würdig, meine ich", lachte der Fremde kalt, "töte mich einfach und es wird so sein, als würde es mich nie gegeben haben."

Jetzt kam der Zorn so unvermittelt auf Kenshin zu, dass er nicht einmal wusste, von wo er herrührte. Diese Situation, all dies hatte ihn nicht so aufgebracht wie die letzte Aussage des Fremden.

"Ich werde hier niemanden töten. Und dich erst recht nicht!!", schrie er den zusammengekauerten Mann an.

"Mach doch, wie du denkst", flüsterte dieser und wandte sich ab.

"Verdammt!"

Erbost sprang Kenshin auf und verließ die Zelle, schloss diese wieder ab und ging, nein stürmte, in Richtung Ausgang. Ob er den richtigen Gang genommen hatte, wusste er nicht. Er rannte so schnell, dass seine Lungen brannten und sein Hals sich kratzig anfühlte. Und irgendwann schaffte er es doch nach draußen, wie – das wusste der Lord nicht. Er war wie blind durch die unzähligen Gänge gerannt, nur mit dem Gedanken, endlich von seinem Gefangenem wegzukommen. Draußen kam ihm sofort Rimasho entgegen.

"Kenshin, was ist los?! Was ist passiert?!", fragte er unruhig beim Anblick von Kenshins aufgewühltem Äußeren. Dass er wütend und unkontrolliert wirkte, konnte der Daimyo sich denken. Doch nun, da die nächtliche Brise ihn erfrischte, war er wieder klar im Kopf. Konnte klare Gedanken fassen.

"Es ist nichts, Rimasho", richtete er da Wort an den Berater, was diesen jedoch nicht zu beruhigen schien.

"Wie kannst du behaupten, dass alles in Ordnung sei, wenn du so-"

"Rimasho! ... ruhig Blut ... es ist alles in Ordnung", versuchte es Kenshin nochmals. "Könntest du jetzt mitkommen und mich zu meinem Gemach begleiten?"

"Kenshin, ich glaube ... ach egal. Lass uns gehen. Aber morgen bist du dran, das verspreche ich dir", gab Rimasho mürrisch von sich.

"Daran zweifele ich nicht einen Moment", lächelte Kenshin und ging voraus.

Zusammen betraten beide Männer die Residenz und konnten endlich die ersehnte Ruhe finden.

Für immer, Tod und Alltag

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Peinlicher Zwischenfall

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Fur immer; Besuch

Kapitel 19

Für immer; Besuch
 

Schon seit Stunden hatte Kenshin sich das Ende dieser Debatte herbeigesehnt. Jedoch wurden seine inneren Gebete erst nach anstrengenden, langen und vor allem langweiligen drei Stunden erhört.

Missmutig lief der Daimyo nun den stillen Gang entlang, dicht gefolgt von seinem Berater. Da es schon ziemlich spät war, begegneten sie auch kaum einer Seele. Nur ab und an huschte ein Dienstbote durch die verlassenen Gänge, im Auftrag seines Meisters.

Als der Lord sich nun umdrehte und in das Gesicht des Beraters sah, musste er aber unwillkürlich schmunzeln, denn der Gesichtsausdruck seines Freundes vermochte seine missmutige Laune doch etwas zu heben. So fertig sah Kenshin den anderen nur äußerst selten und das musste etwas heißen ... Kurz gesagt: die letzten Stunden waren die Hölle gewesen!

"Kenshin, hast du noch etwas vor oder verschnatzt du dich wieder in Shiros Arme?", fragte der andere interessiert. Dass er den Daimyo dabei beleidigt hatte, hatte er nicht mal bemerkt.

"Wer verschwindet hier in wessen Arme?", schnauzte der Lord, "das hört sich ja fast so an, als ob du eifersüchtig wärst!"

Nun war es an Rimasho, empört und beleidigt dreinzusehen. Doch war ihm im Moment nicht danach, sich wieder einmal mit seinem Lord zu streiten, deswegen beließ er es dabei und sagte nichts. Es wurde wieder still. Als sie schließlich vor Kenshins Gemach Halt machen, beschränkte sich Rimasho auf einige kurze Worte des Abschieds und verschwand wieder hinter der nächstbesten Ecke. Anscheinend war er wahrlich müde. So wortkarg war er normalerweise nicht, doch daran würde Kenshin sich nicht stören, denn zur Zeit war auch er selbst viel zu müde, um sich über so etwas Gedanken zu machen.

Sich auf sein Bett freuend, schob er die Shoji zur Seite und betrat den Raum. Sein Futon lag schon ausgebreitet auf dem Boden.

/Ob Shiro hier war?/

Dieser kurze Gedanke kam ihm, doch hatte er nicht die Kraft, um ihn zu halten und weiterzuverfolgen. Dafür war er viel zu erschöpft. Seinen Kimono abstreifend, ging er zu der Tür, die nicht in den Flur, sondern in das Nebenzimmer führte. Diese Tür öffnete er und erblickte sofort die dort schlummernde Gestalt. Im Schlaf sah Shiro noch jünger und unschuldiger aus.

/Unschuldiger als er in Wirklichkeit ist .../

Leise kicherte der Daimyo, als ihm in den Sinn kam, wie wenig unschuldig sein kleiner Shiro doch war. Dabei musste er nur an ihre gemeinsame Zeit im Bett denken und schon hatte er den Beweis, dass der Junge alles andere als unschuldig war.

/Nun ja, immerhin hat er schon seine 22 Jahre .../

Dann löste der Lord sich von dem sich ihm darbietenden Anblick und schloss die Tür wieder, ging zu seinem Futon und legte sich schlafen. Jedoch verflog sofort jegliche Art von Müdigkeit, die er bis eben empfunden hatte, als er nun endlich in seinem heißersehnten Bett lag. Unruhig fing er an, sich zu winden. Alle möglichen Lagen probierte er aus, jedoch sprach ihm keine davon zu. Langsam aber sicher wurde er ziemlich wütend. Noch etwa eine halbe Stunde versuchte er einzuschlafen, bis er dieses Unterfangen endlich aufgab und sich in seinem Futon aufsetzte. Was er um diese Uhrzeit tun konnte, war ihm nicht bewusst, aber eine Sache war im bewusst: Und zwar die, dass er im Moment keinen Schlaf finden würde.

/Verdammt, was soll ich jetzt tun? Soll ich Rimasho wecken? Nein, der sah ziemlich mitgenommen aus ... Sollte ich zu Shiro gehen? Nein, der schläft friedlich. Ich will ihn nicht wecken. Also ... was kann ich dann tun?/

Und plötzlich wusste er es. Kenshin war über sich selbst erstaunt, dass er diese wichtige Sache so stark hatte verdrängen können.

/Ich werde zu ihm gehen. Immerhin versuche ich schon seit Tagen, ihn zu besuchen. Doch kommt mir immer kurzfristig etwas dazwischen, sodass ich meinen Besuch immer wieder verschieben musste. Jetzt aber wird mich niemand spontan zu einer Versammlung rufen können!/

Somit war es beschlossene Sache. Der Lord erhob sich und kleidete sich wieder an. Im Stummen hoffte er, dass der andere nicht schlafen würde ... Denn ihn wecken wollte Kenshin nicht. Wer wusste schon, ob der andere nicht vielleicht aggressiv werden würde? Oder er wäre so verärgert, dass er nicht mit Kenshin würde sprechen wollen?

Darüber würde er sich aber Sorgen machen,wenn er schon bei seinem Gefangenen war.

Leise wie ein Schatten durchquerte der Daimyo seinen Palast in Windeseile. Nicht, dass er Angst davor hätte, dass sein Gefangener nicht mehr da sein könnte. Vielmehr war es so ein drängendes Gefühl, das ihm befahl, schneller zu laufen. Und Kenshin gab diesem Drängen nach, denn er sah keinen Grund, es nicht zu tun. Schon nach recht kurzer Zeit stand er vor der kleinen Hütte in einem seiner vielen Gärten. Ohne einen weiteren Gedanken öffnete Kenshin die Tür, die krächzende Geräusche des Protests von sich gab, und trat in die Dunkelheit ein. An eine potenzielle Lichtquelle hatte er nicht gedacht und so langsam merkte er, dass dies ein Fehler gewesen war. Denn ohne helfendes Licht, das ihm den Boden unter seinen Füßen überhaupt sichtbar machte, erwies sich das Absteigen einer Treppe als ein ziemlich schwieriges Unterfangen.

Doch nun konnte er nicht mehr umkehren. Zumindest wollte er es nicht. Und so stieg er Stufe um Stufe die Treppe hinab. Das er dabei so langsame Fortschritte machte, nervte ihn nun doch etwas. Doch dagegen tun konnte er auch nichts und so stieg er einfach weiter die Treppe hinab.

Nach schier unendlichen Stufen spürte der Daimyo endlich gleichmäßigen Boden unter seinen Füßen. Erleichtert atmete er auf und blieb mitten in der Bewegung hängen. Er hatte es bis hierhin geschafft, das war schon einmal ein Anfang. Das Problem war jedoch, dass er immer noch nicht wusste, wo sein Gefangener war.

/Verflixt, daran habe ich gar nicht gedacht! ... Ich könnte ihn suchen, aber das könnte eine halbe Ewigkeit dauern, mit Licht ... aber ohne welches .... liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn finde bei, sagen wir mal ... fast null!/

Genervt über sich selbst seufzte Kenshin einmal auf. Wie konnte er nur so gedankenlos sein? Das passte so gar nicht zu ihm. Sonst passierte so etwas ja auch nie. Wieso dann genau jetzt?

Innerlich gab der Daimyo es schon auf, Kei einen Besuch abzustatten, als er plötzlich ein leises Klirren vernahm. War das möglicherweise Kei? Wenn ja dann könnte er dem Geräusch folgen, vorausgesetzt, dass es wieder und wieder erklingen würde, was ziemlich unwahrscheinlich war ...

Doch dann vernahm er das Geräusch wieder, nur ganz leise, doch es würde reichen. Also machte Kenshin sich auf den Weg, immer dem Klirren folgend. Dabei tastete er sich, mit einer Hand vor sich und einer Hand an die Wand gestützt, immer weiter voran. Von Zeit zu Zeit musste er stehen bleiben und auf ein neuerliches Erklingen des Geräusches warten. Einerseits, um herauszufinden, ob er den richtigen Weg einschlug, und andererseits, um nicht vollkommen die Orientierung zu verlieren. Was in dieser durchdringenden Finsternis leichter gesagt war, als getan.

Um etliche Ecken musste der Lord biegen, bis er mit Erleichterung feststellte, dass das Klirren immer lauter wurde. Bald würde er bei Kei sein. Irgendwie erfreute ihn diese Tatsache. Wieso, das wusste er nicht.

Obwohl dieser versucht hatte, den Daimyo zu töten, empfand er weder Hass noch Abscheu, nur so eine Art von Ahnung. So als ob er wüsste, dass Kei einen guten Grund hätte, das alles zu tun.

/Auch schon ein verständlicher Grund wäre für mich gewesen, wenn er sagen gesagt hätte, dass er lediglich sein Überleben sichern will. Immerhin ... wer will nicht leben?/

Nun war das Klirren kein leises Geräusch im Hintergrund mehr, sondern eher ein lautes Poltern oder zumindest etwas Ähnliches. Daraus folgerte Kenshin, dass er angekommen sein musste. In welche Richtung er blicken musste, um zu Kei zu sehen, fand er heraus, indem er Richtung Lärm schaute. Erkennen tat er aber nichts. Dafür war es immer noch zu dunkel.

Doch flammte plötzlich ein kleines Feuer auf, welches Kenshin blendete, obwohl es so klein war. Nach kurzer Zeit sah er wieder zu Kei. Dieser saß an eine Wand gelehnt und hatte eine wohlriechende Kerze angezündet. Aber ansonsten tat er nichts. Saß einfach nur da und starrte vor sich hin.

"Ich wusste, dass du kommen würdest", durchbrach Kei dann jedoch trotzdem die Stille mit seiner rauen, kraftlosen Stimme. Bei diesem Klang kam Kenshin unwillkürlich näher an die Zelle, um sich den anderen genauer zu besehen.

Kei sah schwach aus. Richtig schwach. Seine Körperhaltung, sein nur schwach erleuchtetes Gesicht, seine Stimme... alles an ihm wirkte kraftlos, müde.

/Was passiert mit ihm? Ich habe meinen Leuten gesagt, dass sie sich um ihn kümmern sollen!/

Kenshin machte Anstalten, das Schloss des Gitters zu öffnen, als ihm wieder Kei zuvorkam.

"Ich würde das an deiner Stelle nicht tun", flüsterte er.

"Wieso?"

Der Vampir zögerte. Machte seinen Mund auf, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder und hüllte sich in Schweigen.

"Wieso, habe ich gefragt", wiederholte das Daimyo, er war nicht gewillt, sich einfach so abspeisen zu lassen. Das merkte anscheinend auch Kei, denn er seufzte leise.

"Ich bin hungrig ... Ich will dir nicht wieder Leid zufügen", erklärte er. Das hatte der Lord nun wirklich nicht erwartet. Vor allem die zweite Aussage überraschte ihn. Und aus irgendeinem Grund wollte Kenshin wissen, wieso dem so war.

"Wieso?", fragte also nochmals.

"Was 'wieso'?"

"Wieso willst du mir nichts Schlechtes?"

"Weil ...", Kei verstummte. Es war offensichtlich, das er seine Beweggründe nicht verraten wollte. Und obwohl Kenshin dies merkte, wollte er es nicht dabei belassen.

Ohne auf Keis Warnung zu hören, versuchte Kenshin, das Gitter zu öffnen. Da es verrostet war, erwies sich dies als ein kleines Problem. Während all dieser Zeit protestierte Kei und wollte nicht, dass der Lord ihm zu nahe kam. Immer noch hörte der Daimyo nicht auf den anderen und schaffte es endlich, die rostige 'Tür' zu öffnen.

"Nein ...", keuchte Kei als Kenshin näher kam. Verzweifelt rutschte er an der Wand von dem Lord weg und zwängte sich in eine Ecke. Doch nützte auch das ihm nicht besonders viel.

Zielsicher ging Kenshin auf seinen Gefangenen zu und kniete sich von diesem nieder. Eigentlich sollte er Angst haben. Wäre er vernünftig, so wäre er nicht einmal hier. Und hätte er auch nur etwas Vernunft, so würde er auf Keis Warnungen hören und sich von diesem fernhalten. Doch allen Anschein nach war Kenshin alles andere als vernünftig.

/Als ob das etwas Neues wäre .../

Immer noch versuchte der Vampir dem Lord zu entkommen, doch wurden ihm alle Fluchtwege versagt, als Kenshin Kei zwischen sich und der Ecke einschloss.
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

"Kenshin, t-tu das nicht ... I-ich kann mich n-nicht kontrollieren", stotterte er unbeholfen. Gleichzeitig spürte er, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief, als er Kenshins Geruch witterte. Diesen süßen, lieblichen Geruch. Diesen Geruch, den nur dieser eine Mensch ausströmte. Kenshin.

Und obwohl Kei diesen Mann so selten gerochen hatte, hatte sich dieser Geruch in sein Gedächtnis gebrannt.

Das war nicht gut. Gar nicht gut. Zumindest befand das der Vampir so. Er wollte Kenshin nicht töten. Wirklich nicht! Unter normalen Bedingungen könnte er von ihm etwas Blut nehmen und dann zu trinken aufhören. Doch Kei war schon so ausgehungert, dass er nicht würde aufhören können, wenn er erst einmal Blut schmecken würde. Und bei Kenshins Blut würde die Wirkung um das Tausendfache stärker sein.

Daraus folgte ... Kenshin war so gut wie tot, wenn Kei auch nur einen Tropfen Blut von ihm annehmen würde.

"Kenshin, g-geh ... i-ich ...", versuchte Kei es wieder. Doch der Lord ließ sich nicht beirren. Unnachgiebig kniete er immer noch vor dem Vampir und musterte diesen aufmerksam. In seinem Blick lag Interesse, Verständnislosigkeit und noch etwas anderes, etwas das stark nach Sorge aussah. Doch das bildete sich der Vampir sicher nur ein. Ganz sicher.

"Brauchst du wirklich so sehr Blut zum Überleben?", fragte der Lord neugierig, "kannst du nicht einfach darauf verzichten?" Daraufhin musste Kei trocken lachen, er konnte nicht anders.

"Es ist nicht so wie bei euch Menschen, die ihr, wenn ihr es als unwichtig oder nicht richtig erachtet, einfach aufhört Fleisch zu essen und euch dann Vegetarier nennt. Bei meiner Spezies ist es was anderes. Blut ist unser EINZIGES Lebensmittel, nur damit können wir überleben", erklärte Kei mit rauer Stimme.

Nachdenklich runzelte der Daimyo seine Stirn und dachte offensichtlich über das Gesagte nach.

"Müsst ihr den Menschen töten, um von ihm Nahrung zu beziehen?", fragte er nach einer längeren Pause.

"Prinzipiell töte ich nicht. Manchmal passiert es aus Versehen, aber normalerweise ist es nicht nötig. Deswegen tue ich es auch nicht", sagte der Vampir und versuchte, sich mit dem Gespräch abzulenken. Abzulenken von diesem herrlich duftenden Menschen, der so lecker roch, dass Kei einmal kurz schlucken und seine Gedanken zwingen musste, an etwas anderes zu denken.

"Also, tötest du nicht ...", murmelte der Daimyo, "ich habe eine Frage. Beantworte sie aber bitte ehrlich ... War es dein Ziel, mich zu töten oder war es wieder nur ein ... Versehen?"

"Letzteres."

"Ein Versehen also ... hmm", immer noch nachdenkend, hob der Lord eine Hand und fuhr sich durchs Haar, wodurch sein Geruch durch die Luft gewirbelt wurde und Kei beinahe ohnmächtig zu werden drohte. Er brauchte Blut, dringend. Schon im nächsten Moment spürte er, wie seine Fangzähne länger wurden und weit über seine Unterlippe ragten. Sofort senkte er seinen Kopf und wollte sich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht ziehen.

Doch Kenshin hielt ihn auf, indem er seine Hand ergriff. Bei diesem Körperkontakt musste Kei unwillkürlich knurren, was Kenshin aber anscheinend nicht sonderlich beeindruckte. Immer noch hielt er Keis Handgelenk fest und betrachtete offensichtlich interessiert Keis Fangzähne. Das restliche Gesicht war noch immer verborgen.

"Du brauchst es wirklich, nicht wahr?", flüsterte Kenshin und ließ das Handgelenk los.

"J-ja ... und jetzt g-geh."

Jedoch machte der Daimyo keine Anstalten, sich zu erheben. Langsam hob er eine Hand und führte sie zum Gesicht des Vampirs, welcher unsicher und auch erschrocken zusammenzuckte. Denn der Ort, den Kenshin nun berührte, war zuvor noch nie von jemandem berührt worden.

Denn tatsächlich! Kenshin berührte ganz zaghaft Keis Reißzähne. Diese Tatsache verwirrte den Vampir über alle Maße, sodass er sogar seinen Durst für den Bruchteil einer Sekunde vergessen hatte. Aber auch nur für diesen Bruchteil.

Seine Fangzähne wurden sogar noch länger, sodass es schmerzte, und Kei heulte leise auf. Anscheinend hatte dieser Laut etwas in Kenshin ausgelöst, denn er nahm seine Hand weg und blickte unsicher um sich. Bis er sich schließlich mit entschlossener Mine wieder zu Kei drehte.

"Versprich mir, mich nicht zu töten", sagte Kenshin.

"WAS?", doch weiter kam der Vampir nicht, denn der Lord hatte ihn am Nacken gepackt und zu sich gezogen. Nun lag Keis Gesicht in Kenshins Halsbeuge. Dieser betörende Geruch war überall, in und um den Vampir. Dieser Geruch drang so tief in ihn ein, dass er nicht mehr an sich halten konnte.

Zittrig öffnete er seinen Mund, streckte seine Zunge aus und fuhr über Kenshins Halsschlagader. Zärtlich leckte er über die empfindliche Haut. Machte sich bewusst, WIE empfindlich sie war und behielt es in seinen Gedanken. Denn eine Sache gab es, die er auf gar keinen Fall tun wollte: Und zwar Kenshin zu töten.

In diesen wenigen Begegnungen hatte dieser Mann etwas in Kei berührt, das noch nie von jemandem berührt worden war. Ja, selbst Kei wusste nicht, dass es dieses etwas überhaupt gab. Doch Kenshin hatte es geschafft, zu diesem etwas vorzudringen, und dort würde er auch bleiben. Das spürte Kei tief in sich.

Abermals leckte er über die zarte Haut und spürte wie eine Gänsehaut Kenshin durchfuhr. Dass diese Aktion den anderen so abstieß, fand Kei irgendwie verletzend, doch er konnte es verstehen. An Kenshins Stelle würde er sich nicht als Blutspender zur Verfügung stellen.

"Kei ...", murmelte Kenshin.

Doch Kei wusste schon. Er konnte auch nicht mehr länger warten. Immerhin wollte der Daimyo es endlich hinter sich haben und verschwinden. Diese Tatsache versetzte dem Vampir einen schmerzhaften Stich in die Brust.

Nun öffnete Kei seinen Mund, setzte seine Reißzähne auf die weiche Haut und bohrte seine Fänge hart in das Fleisch. Unter ihm keuchte Kenshin erschrocken auf und ein leiser Laut des Schmerzes verließ seine Kehle. Was weiter geschah, konnte Kei nicht mehr sagen. Das süße, schwere Blut, das in seinen Mund sprudelte, benebelte jeden seiner Gedanken. Mehr und immer mehr trank der Vampir und konnte nicht genug bekommen. Er spürte wie seine Kräfte wieder zu ihm fanden.

Er wollte mehr. Wollte sein Opfer aussaugen, doch etwas hielt ihn davon ab. Das Monster in ihm versuchte, diesen nervigen Gedanken zu verscheuchen, um sich nehmen zu können, wonach es ihn gierte. Doch so leicht wollte dieser Gedanke es Kei nicht machen. Beziehungsweise dem Monster in Kei.

Dieser Gedanke drängte sich immer weiter in den Vordergrund, bis Kei endlich wusste, wieso er zu trinken aufhören musste. Egal wie berauschend dieses Blut auch war, er musste aufhören. Und das tat er auch. Gewaltsam riss er sich von Kenshins Hals los, ließ seinen Kopf aber wieder sinken, um über die eben entstandene Wunde zu lecken, um sie zu schließen.

Wild leckte er an Kenshins Haut und seufzte dabei immer wieder auf. Dieser Mensch war einfach fantastisch! Leidenschaftlicher leckte und küsste Kei den ihm dargebotenen Hals. Dabei hörte er ein leises Keuchen seitens Kenshins. Ob es von Wohlwollen oder Missfallen herrührte, konnte Kei nicht sagen. Wobei Ersteres sehr unwahrscheinlich war.

Berauscht und erregt von Kenshin erstklassigem Blut wusste Kei nicht, was er mit seiner Leidenschaft machen sollte, und so tat er etwas, was vielleicht nicht das Klügste war. Stürmisch machte er sich an Kenshins Kleidung zu fassen, wild zerrte er an dem störendem Stoff. Dass der andere nicht versuchte, ihn aufzuhalten, merkte der Vampir nicht. Er merkte auch nicht, dass Kenshin nicht mal in der Lage gewesen wäre, sich zu wehren, da er von dem Blutverlust so geschwächt war.

Anscheinend hatte Kei etwas zu viel getrunken.

Diese Tatsache nicht bemerkend, schaffte es Kei endlich, dem Lord das Oberteil zu entwinden. Was er sah, machte ihn noch heißer! Dieser Mann war einfach das Abbild der Perfektion. Solch einem wunderbaren Menschen war Kei noch nie in seinem ach so langen Leben begegnet.

Genießerisch schloss der Vampir seine Augen und senkte seinen Kopf, um seine Lippen auf Kenshins Brust legen zu können. Dieser brachte einen leisen, undefinierbaren, schwachen Laut hervor, den Kei nicht weiter beachtete. Ungezügelt glitt er über Kenshins Oberkörper und erkundete jedes kleinste Fleckchen dieses Körpers.

Kei selbst war schon so warm, dass er es in seiner Kleidung nicht mehr aushielt. Sein Glied pochte wie schon heute morgen heftig und hart in seiner Hose.

Um Kenshins nicht aufrecht halten zu müssen, legte Kei ihn auf dem Boden ab und stieg über ihn. Der Lord hatte seine Augen geschlossen. War er müde? Oder genoss er es vielleicht so sehr? Oder vielleicht schämte er sich ja? Kei wusste es nicht und konnte im Moment nicht darüber nachdenken. Wenn der Lord den Zierlichen spielen wollte, sollte er es doch tun.

Doch in Keis Innerem schrie eine Stimme unaufhörlich, dass das alles andere als normal war, dass der Daimyo so bewegungslos und blass da lag. Noch war diese Stimme aber zu leise, als dass Kei sie wirklich hätte bemerken können.

Also machte er sich weiter an die Arbeit und küsste sich von Kenshins Hals immer weiter hinab in Richtung Körpermittelpunkt. Als Kei schon ganz nah am Objekt seiner Begierde war, richtete er sich nochmals kurz auf und befreite sich aus seinem Kapuzenhemd. Somit lag nun auch sein Gesicht frei.

Nun, da er sich etwas wohler fühle, wollte er weitermachen. Sein Verlangen nach dem Lord war nicht natürlich, das würde jeder merken. Auch er selbst wusste, dass das, was der Daimyo und dessen Blut mit ihm anstellen konnten, nicht normal war. Sonst war Blut nur ein Mittel zum Zweck. In seinem Fall das Mittel, um zu überleben.

Doch Kenshins Blut war wie ein Rauschmittel! Köstlich und verführerisch!

Kei rutschte an Kenshin herab und legte seine Hand zwischen dessen Beine. Der Stoff störte, daran müsste er sofort etwas tun. Doch auch durch das Kleidungsstück spürte Kei das der Lord gut bestückt war. Ziemlich gut!

Ungeduldig versuchte Kei, Kenshin auch unten von seiner Kleidung zu befreien. Doch dann bewegte sich der Daimyo plötzlich und Keis Aufmerksamkeit wurde verlegt. Er rutschte wieder hoch und blickte in das so wunderschöne Gesicht. Zärtlich streichelte er die blasse Wange. Die blasse Wange ... die viel zu blasse Wange!

Auf einmal kam alles wieder zurück. Erschrocken schnappte Kei nach Luft. Kenshin hatte ihm sein Blut gegeben. Freiwillig! Und was hatte er getan? Zu viel genommen, den Lord in so einen schlechten Zustand gebracht und war nun auch noch dabei, ihn beinahe zu vergewaltigen!

Beschämt stieg Kei von Kenshin. Was sollte er jetzt tun? Sollte er vielleicht-

"Nghh", stöhnte Kenshin leise.

Sofort robbte Kei zu dem schwachen Mann, legte sich seinen Kopf in den Schoß und blickte besorgt in sein Gesicht. Flatternd öffneten sich die Augen des Daimyos. Anscheinend erkannte er zu Anfang nichts, denn er musste mehrmals blinzeln.

Während sein Blick sich noch klärte, erstarrte er plötzlich und sah den Mann über sich mit großen Augen an. Kurz ging Kei durch den Kopf, wieso der andere ihn so ... verwundert ansah, bis er sein etwas weiter weg liegendes Hemd sah. Sein Hemd mit der Kapuze.

Erschrocken schnappte Kei nach Luft und versuchte, an sein Hemd zu gelangen, aber da Kenshin in seinem Schoß lag, erwies sich das als unmöglich. Trotzdem versuchte er es, bis Kenshin seine leicht zitternde Hand hob und die Keis ergriff. Sofort erstarrte dieser.

Kenshin hatte sein Gesicht gesehen, sah es immer noch und er wusste nicht, was er nun tun sollte.

"Du ...", fing Kenshin an, aber er unterbrach sich selbst und verstummte.

Was wollte er sagen? Wollte er sagen, wie hässlich seine blonden Haare seien? Wollte er sagen, wie unmännlich und weich seine Gesichtszüge waren? Oder wie scheußlich hell seine Augen? Alles so völlig anders als alle Japaner, die der Lord bis jetzt gesehen hatte.

Unsicher wandte Kei seinen Kopf zur Seite, da er nicht wusste, wie er nun reagieren sollte. Doch dann tat der Daimyo, was ihm tatsächlich eine Reaktion entlockte. Unabsichtlich drückte der Lord mit seinem Kopf gegen Keis Schritt, woraufhin ihm sein leises Stöhnen entwich und der Lord seine Augen weit öffnete.

"Du ...", sagte der Daimyo wieder und abermals verstummte er.

Bestimmt ist er nun angewidert, dachte Kei und fühlte sich zunehmend unwohler in seiner Haut. Sanft hob er Kenshins Kopf an, um ihn auf den Boden zu legen. Doch Kenshin hielt ihn wieder davon ab, indem er ihn festhielt.

"Wie ist dein richtiger Name?", flüsterte der Lord schwach. Unsicher fuhr sich Kei durch die Haare.

"Wie meinst du das? Du kennst doch meinen Namen", versuchte er, ziemlich logisch zu klingen.

"Ich weiß, dass 'Kei' nicht dein Geburtsname ist. Ich habe ... so ein Gefühl."

"Unsinn!"

"Halte mich nicht zum Narren! Sag es mir", verlangte Kenshin.

/Ihm kann ich es vielleicht sagen. Diesem einem Menschen .../

"Ich ...", sagt er unentschlossen. Wenn er es sagte, war es raus und Schluss. Und er wusste zwar nicht, warum, aber er vertraute dem Daimyo.

"Ich ...",wiederholte er, "... wurde als Hyde geboren."

Nun war es raus. Schon seit über tausend Jahren hatte er diesen Namen nicht ausgesprochen. Irgendwie fühlte es sich tröstlich an, wieder seinen eigentlichen Namen als den seinen nennen zu können.

"Hyde also ... ein sehr... spezieller Name", murmelte Kenshin und machte Anstalten, sich aufzusetzen. Sofort half ihm Kei und stützte ihn auch etwas, da er ziemlich schwach war. Was für eine Ironie! Als Kenshin hierher kam, war Kei schwach und kraftlos.

Wenn Kenshin aber ging, würde er schwach und kraftlos sein. Doch das wollte Kei nicht.

"Kenshin, trink mein Blut", sagte er. Der andere machte große Augen sag ihn dann aber leicht belustigt an.

"Entschuldige, ich steh nicht so sehr auf Blut wie du", grinste er. Kei schüttelte aber nur seinen Kopf.

"Trink und es wird dir wieder besser gehen", sagte er und ritzte sich auch schon im nächsten Moment. An seinem Handgelenk entstand eine kleine Wunde und diese hielt er Kenshin hin. Dieser sah immer noch recht unentschlossen aus und so beschloss Kei, es Kenshin gleichzutun und den anderen einfach zwingen.

Kei griff nun nach Kenshins Nacken und leitete somit dessen Kopf zu seinem Handgelenk hin. Sanft drückte er seine Wunde an Kenshins Lippen. Dieser öffnete langsam seine Lippen und leckte nur widerwillig das Blut auf, denn für einen Menschen hatte Blut einfach nicht dieselbe Anziehungskraft und vor allen Dingen nicht den gleichen Geschmack.

Nachdem Kenshin mehrere Tropfen abgeleckt hatte, befand Kei, dass es genug war. Da Vampirblut ziemlich mächtig war, würden wenige Tropfen reichen, um Kenshin wieder neue Kraft zu verleihen.

Und das geschah auch, denn der Daimyo bekam sofort wieder etwas Farbe im Gesicht und schaffte es auch alleine, sich aufzurichten. Dass es dem Lord besser ging freute Kei, da er den anderen nicht leiden sehen wollte.

Langsam erhob auch er sich und stellte sich vor den anderen. Nun da Kenshin sein Gesicht gesehen hatte, hatte Kei keinen Grund mehr, sich dem anderen gegenüber zu verstellen. Ohne Bedenken blickte er in das Geicht des Lord. Diese wundervollen Lippen, die so weich aussahen. Diese wunderschönen tiefschwarzen Augen. Das markante Kinn ...

Alles war perfekt! Doch etwas zerstörte diese Perfektion; und zwar der unruhig umherirrende Blick des Daimyos. Er schien verwirrt, beunruhigt und unsicher. Kei trat einen Schritt nach vorne und wollte gerade fragen, was los sei, als der Lord seinen gehetzten Blick auf ihn fixierte.

"Ah, Kei ... i-ich muss jetzt g-gehen. Macht es dir etwas aus, mir die Kerze zu geben? Ich werde morgen jemanden schicken, der dir eine neue bringen wird", sagte er schnell. Kei brachte nur ein kurzes Nicken zustande, als der Daimyo auch schon zur Kerze griff und zur Tür ging. Leise schloss er die Tür hinter sich, doch als es darum ging, das Schloss anzubringen, zögerte er kurz. Dann ging ein Ruck durch ihn und er brachte das Schloss schnell an.

"Bis ... dann", sagte Kenshin und schon war er verschwunden.

Kei blieb alleine in der Dunkelheit zurück und in diesem Moment würde er wirklich alles tun, um mit dem Daimyo zusammen diesen Kerker verlassen zu können.

Für immer; Anderer Besuch

Kapitel 20

Für immer; Anderer Besuch
 

Verwirrt und über alle Maße verunsichert rannte Kenshin wieder in sein Gemach. Was gerade zwischen den beiden vorgefallen war, konnte sich der Daimyo nicht erklären. Dort in der Zelle... ihr Beisammensein hatte sich so intim angefühlt, beinahe vertraut.

Doch woran er sich noch am besten erinnerte, war der Moment, als Kei ... nein, Hyde von ihm getrunken hatte. Es hatte sich so viel anders angefühlt, als er erwartet hatte. Er hatte mit Schmerz und dergleichen gerechnet und hatte zugegebenermaßen sogar etwas Angst verspürt. Jedoch war diese sofort verflogen, als Hyde angefangen hatte, seinen Hals zu liebkosen.

Auch als dieser seine Fänge in Kenshins Hals geschlagen hatte, war ihm die Situation alles andere als schmerzhaft oder unangenehm gewesen. Er hatte es sogar genossen! Und zwar in vollen Zügen, in dem Moment, als Hyde von ihm getrunken hatte, hätte er diesem sogar sein ganzes Blut geben!

/Kenshin, du Idiot, was denkst du denn dort bloß für einen Mist?! Bist du noch ganz bei Sinnen?!/

Doch nach kurzer Zeit war ihm die Situation immer schleierhafter und er ohnmächtig geworden. Bestimmt war das eine Folge des Blutverlustes. Was danach geschehen war, wusste er nicht. Was ihm jedoch komisch vorgekommen war, war Hydes Gesichtsausdruck. Er war ganz rot im Gesicht gewesen und hatte sich zu Anfang nicht einmal getraut, seinen Blick zu erwidern.

/Was ist bloß geschehen?/

Unbewusst wurden Kenshins Schritte langsamer, da er wusste, dass sein Gemach nicht mehr weit war. Die Vorfreude auf sein Bett war riesig und er wusste, dass er nun nicht mehr an Schlaflosigkeit leiden wird. Er war nämlich hundemüde!

Vor seinen Räumen machte er Halt, schob die Tür zur Seite und betrat den leicht erleuchteten Raum. Als er Shiro neben seinem Futon sitzen sah, hob er erstaunt die Augenbrauen. Dass der andere noch wach war, verwunderte ihn. Es war bestimmt so um drei Uhr nachts.

/Was den Jungen wohl wachgehalten hat? Vielleicht hat er sich gewundert, dass ich nicht da bin, und er hat auf mich gewartet ... Aber woher sollte er denn überhaupt wissen, dass ich nicht da bin?/

"Shiro, was machst du denn hier? Kannst du nicht schlafen?", fragte der Daimyo sanft.

"Ich ... ich konnte nicht schlafen. Ich hatte einen Alptraum und als ich mich zu dir legen  wollte, warst du nicht da. Also habe ich hier auf dich gewartet. Eigentlich wollte ich dich suchen gehen, da ich mir Sorgen gemacht habe, aber ich hatte das Gefühl, dass ich dich lieber in Ruhe lassen sollte", erklärte der Junge und musterte den Lord dabei prüfend.

"Oh."

"Oh?"

"Ich meine, dass es mir leid tut,dass du dir Sorgen machen musstest. Entschuldige."

"Schon in Ordnung", Shiro senkte den Blick, sah dann aber wieder hoch, "dürfte ich fragen, wo du warst?"

"Also ...", Kenshin kratzte sich am Hinterkopf. Ein deutlicher Beweis, dass er nervös war.

/Verdammt! Soll ich ihm sagen, wo ich war? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er es nicht wissen sollte, vor allem nach dem, was zwischen uns beiden passiert ist. Also zwischen Hyde und mir ... Aber eigentlich kann ich es ihm doch sagen, oder? Immerhin habe ich nichts Falsches getan. Ich habe ihm lediglich mein Blut gegeben, damit der nicht stirbt. Wieso aber fühle ich mich dann so, als ob ich Shiro betrogen hätte? ... Oh verdammt, ich gehe mir selber so auf die Nerven! Was soll ich bloß-/

"K-Kenshin! Wieso ist dein Oberteil offen?", stotterte der Junge plötzlich entsetzt mit großen Augen.

/Was?/

Nicht wissend, worum es ging, sah Kenshin an sich herab. Und tatsächlich: Sein Oberteil war weit offen, sodass seine Brust für alle Welt sichtbar war.

/Mist, wann ist das passiert? Und wie soll ich das Shiro erklären? Ich brauche dringend eine Ausrede, was ich die letzten paar Stunden getrieben habe. Und zwar sofort!/

"Ach Shiro ... das ist doch nichts. Ich war draußen spazieren. Ich konnte irgendwie nicht schlafen, also bin ich einfach in die Gärten gegangen ... und na ja, irgendwann ist mir etwas heiß geworden", grinste der Daimyo unschuldig. Dass seine 'Erklärung' ziemlich schnell über seine Lippen gekommen war, merkte Shiro nicht und wurde deswegen auch nicht misstrauisch. Mit einem einfachen „ach so“ stempelte er die Sache ab und schon war alles vergessen.

Kenshin bekam wegen seiner Notlüge Schuldgefühle, jedoch verdrängte er sie schnell wieder. Er durfte sich bloß nichts anmerken lassen, denn sonst könnte es unangenehm werden. Ziemlich unangenehm ... Er musste das Thema wechseln und zwar schleunigst!

/In letzter Zeit habe ich einfach zu viel Stress ... Das ist nicht gut für die Haut!/

"Also, Shiro ... möchtest du wieder schlafen gehen? Du kannst auch bei mir bleiben, wenn du möchtest", bot ihm Kenshin an. Sofort bildete sich ein Lächeln auf Shiros Lippen und er sah verzückt zu dem Lord. Augenblicklich bekam er einen Stich mitten ins Herz.

/Bloß keine Schuldgefühle ... bloß keine Schuldgefühle!/

Um nicht mehr in Shiros freudiges Gesicht blicken zu müssen, bewegte Kenshins ich zum Futon. Dort angekommen entledigte er sich seiner Kleidung, legte sich hin und hüllte sich in die weiche Decke. Shiro, der ihn mit seinen Blicken verfolgt hatte, blickte ihn immer noch an, bis Kenshin an einen Zipfel der Decke fasste und sie anhob, sodass Shiro hätte hineinschlüpfen können. Diese Einlandung ließ sich der Junge natürlich nicht entgehen und zog sofort seine Kleidung aus, um anschließend zu Kenshins in den Futon zu 'hüpfen'. Kenshin streckte sich einmal kurz unter der Decke hervor, um die Kerze auszublasen, und sofort wurden beide von Dunkelheit umfangen.

Neben Kenshin liegend, kuschelte sich der Jüngere sofort enger an den Älteren. Auch ein leichtes wolliges Seufzen entfuhr Shiro. Kenshin sagte aber nichts dazu.

Einige Zeit lagen sie so beisammen, bis Kenshin sich sicher sein konnte, dass Shiro eingeschlafen war. Sanft strich er über die seidigen Haare des Jungen. Ein Gefühl, das man sehr gut als Beschützerinstinkt bezeichnen konnte, ergriff ihn dabei. Dieser Junge hier war etwas Besonders.

Irgendwie hatte Kenshin das schon von Anfang an gewusst.

In Gedanken versunken, streichelte er Shiro weiter, bis ihn die Stimme des Jüngeren überraschenderweise wieder aus seinen Gedanken holte.

"Kenshin?"

"Hm?"

"Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber ...", murmelte der Junge leise.

"Aber?", half Kenshin nach, denn er war neugierig, was der Junge ihm noch so Wichtiges zu sagen hatte.

"Ich habe es noch nie gesagt, aber ... ich liebe dich ... Kenshin."
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Keuchend lag Kei in der Dunkelheit. Sein Hemd hatte er wieder an und auch sein Gesicht blieb wieder verbogen vor allen Blicken. Vor etwa fünf Minuten war der Daimyo verschwunden und immer noch war der Vampir erregt, doch er wollte sich nicht selbst befriedigen. Diesmal würde er diesem Trieb nicht nachgeben. Er würde einfach warten, bis die Erregung abklingen würde und dann alles wieder gut wäre. So wie immer.

/Ha, Ha. Wem versuchst du, das einzureden, Hyde? Merkst du es nicht? Hast du es nicht gemerkt? Was in der Nähe Kenshins mit dir passiert ist? Nichts wird wieder so wie immer!/

Diese Stimme ignorierend, versuchte Kei sich irgendwie abzulenken. Doch zugegebenermaßen gab es in einer einsamen, dunklen, kleinen Zelle nicht besonders viele Unterhaltungsmöglichkeiten, mit denen er sich hätte ablenken können.

Und so schaffte diese kleine, nervige Stimme in seinem Kopf es wieder, ihre Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen.

/Dieser Mensch ist anders, Hyde. Spürst du das etwa nicht? Es müsste dir eigentlich bewusst sein, nachdem du sein Blut zum ersten Mal gewittert hast. Kein Mensch ist so köstlich!/

Energisch schüttelte Kei seinen Kopf, doch es half nichts. Nichts half!

/Und nicht nur köstlich ist er! Er sieht gut aus ... und wirkt anziehend auf dich, Hyde! Gib es zu! Du stehst auf ihn!/

"Halt dein verdammtes Maul!", schrie der Vampir aufgebracht, nachdem er diese Stimme in ihm nicht mehr ertragen konnte. Doch plötzlich erklang ein tonloses leises Lachen.

"Na, das nenne ich mal ein nettes Willkommen", grüßte ihn der Berater, der vor seiner Zelle stand und plötzlich eine kleine Fackel entzündete.

/Von wo ist der den plötzlich erschienen? Ich habe ihn gar nicht kommen hören?!/

Und diese Tatsache erschreckte Kei. Wurde er nachlässig? War das wegen Kenshin? Oder weil er schlicht und einfach nicht mehr leben wollte?

/Nein! Letzteres definitiv nicht!/

Nun, da er aber wusste, dass er nicht mehr allein war, waren seine Sinne wieder geschärft. Wachsam beobachtete er den Berater und anscheinend merkte das auch der andere.

"Hey, ganz sachte, ja? Ich ... wollte dich nur besuchen", erklärte Rimasho. Jedoch glaubte der Vampir ihm nicht so recht, weswegen er eine Augenbraue misstrauisch hochzog. Daraufhin musste der andere lachen.

"Ich will dir wirklich nichts Böses. Und nur damit du es weißt, wenn ich dir etwas tun würde, würde Kenshin mich, glaube ich, töten. Nun ja, nicht wirklich, aber meine Strafe wäre alles andere als angenehm."

Diese Aussage überraschte Kei. Doch das ließ er sich nicht anmerken.

Kenshin würde seinen Berater bestrafen, wenn dieser einem Monster etwas tun würde? Er wäre wütend?

Irgendwie konnte Kei sich das nicht vorstellen. Er war doch bloß ... ein Vampir. Ein Monster. Ein Fremder! Wieso sollte Kenshin wütend werden? Er hatte den Lord beinahe getötet! Na schön, mittlerweile tat es ihm sogar wirklich leid und er würde es im Moment wirklich alles andere als gern tun. Aber das änderte trotzdem nichts an der Tatsache, dass er es in der Vergangenheit versucht hatte. Und er hatte sich sogar darauf gefreut!

"Kei ...", Rimasho räusperte sich, "... der eigentliche Grund, aus dem ich hier bin, ist Kenshin."

Augenblicklich wurde der Vampir hellhörig, konnte es aber nicht verhindern, sich irgendwelche möglichen schlechten Nachrichten auszumalen. Dass seine Neugier beim Erwähnen von Kenshins Namen erweckt wurde, würde er aber niemals zugeben. Sich selbst nicht und auch nicht jemand anderem gegenüber.

"Also ... ich bin hier, weil ich gesehen habe, wie er hier herausgerannt ist. Er sah verstört aus." Mit einem unergründlichem Gesichtsausdruck runzelte Rimasho die Stirn. "Und ich bin hier ... weil ich wissen will, nein ... wissen muss, was vorgefallen ist."

/Oh ... deswegen ist er also hier. Aber leider werde ich ihn enttäuschen müssen. Von mir wird er nichts zu hören bekommen. Meinetwegen kann er Kenshin fragen, aber ich schweige, immerhin will ich nichts verraten, was der Lord lieber geheim halten würde. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass allein die Tatsache, dass er mich alleine besucht, ein Geheimnis ist, von dem nicht jeder Bescheid wissen sollte./

"Es tut mir zwar aufrichtig leid, aber ich kann dir keine Antwort geben", erklärte Kei, "wenn du Antworten willst, dann geh zum Daimyo. Ich bin mir sicher, er wird dir alles sagen."

Offensichtlich unzufrieden mit dieser Antwort verzog der Berater nun sein Gesicht. Jetzt konnte Kei sehr deutlich darin die Missbilligung lesen. Doch schon im nächsten Moment war dieser Gesichtsausdruck verschwunden und der Berater seufzte laut. Er schloss die Augen und breitete theatralisch seine Arme vor sich aus. Eine Geste der Ratlosigkeit.

"Weißt du was? Wärst du ein anderer Gefangener, würde ich dich für so eine Antwort hängen lassen, aber ...", Rimasho öffnete wieder seine Augen und durchbohrte Kei geradezu mit seinem durchdringendem Blick. Wenn Kei nicht gewusst hätte, dass der andere Mann nur ein Mensch war, würde er möglicherweise richtig Angst bekommen. Aber hey! Momentan hatte er nichts zu befürchten. Er war nicht angekettet und hatte vor etwa guten zehn Minuten eine der köstlichen, verführerischsten und kräftigsten Mahlzeiten zu sich genommen, die er jemals gehabt hatte!

Als der Vampir aber wieder ins Gesicht des Beraters sah, wurde er wieder ernst. Anscheinend meinte der andere es mit diesem Gespräch sehr ernst und Kei würde ihn nicht unnötig provozieren. Wozu auch?

"Aber ...", fuhr Rimasho fort,"... irgendwas an dir ist merkwürdig. Ich vermag es nicht zu benennen. Zumindest nicht genau. Aber du bist anders als jeder Gefangene, den ich je hatte. Ich weiß zwar nicht, was du im Schilde führst, was deine Ziele sind, aber lass dir gesagt sein: Wenn ich merke, dass du Kenshin Böses willst, es das Letzte wäre, was du je gewollt hättest!"

/Wow! Der Typ meint es aber richtig ernst! Welche Laus ist ihm denn über die Leber gelaufen?/

Obwohl Kei sich nicht sicher war, wie er sich verhalten sollte, weswegen er ziemlich verunsichert war, machte er ein möglichst ernstes Gesicht, damit der Berater zumindest dachte, dass er das Gespräch genau so ernst nahm wie er. Doch ehrlich gesagt, tat er es nicht.

Nach kürzester Zeit bröckelte seine sonst so perfekte Maske und es zuckte um seine Mundwinkel, was dem Berater selbstverständlich nicht entging. Dass dieser ein guter Menschenkenner war, konnte Kei irgendwie vermuten, da der Berater seinen Gegenüber so genau betrachtete, wie keine andere Person es tat.

"Du nimmst mich nicht ernst", stellte Rimasho fest.

"Äh ..." Was sollte er denn anderes sagen?

Wieder seufzte Rimasho und plötzlich stahl sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen.

"Weißt du, Kei ...", bewusst ließ er auch den Rest jeglicher Förmlichkeit fallen, "weißt du, diese Art von Job ist nicht wirklich für mich gedacht. Im Drohen war ich noch nie gut. Diese Art von Arbeit habe ich immer Kenshin überlassen ... Also können wir vielleicht ..." Unsicher blickte er zu Kei. "... normal reden. Nicht wie Gefangener und Gefängniswärter?"

Nun zuckte es etwas stärker um Keis Lippen, doch er riss sich zusammen. Er durfte jetzt alles machen, außer zu lachen! Also schluckte er einmal, um das Zittern um seine Lippen zu verdrängen.

"Natürlich können wird das ... aber was Kenshin angeht, wirst du trotzdem nichts erfahren", erinnerte der Vampir noch einmal sicherheitshalber. Rimashos Lächeln wurde größer.

"Das habe ich auch nicht erwartet", meinte er nur und wechselte daraufhin das Thema. Nun ja nicht ganz, aber wenigstens ging es nicht mehr hauptsächlich um ihn und Kenshin und was sie gemacht hatten.

"Also, Kei ... nochmals zurückgreifend: Ich weiß, meine Drohung war nicht gerade die Beste, aber sie war durchaus ernst gemeint. Ich muss dir das sagen, denn ...", Rimasho verstummte. Geduldig wartete der Vampir, dass der Mann weitersprechen würde.

"Denn eine Sache bereitet mir richtig schlimme Kopfschmerzen. Und zwar ist die Sache die ...", er blickte wieder geradewegs in Keis Augen. Nun ja, durch die Kapuze hindurch.

"Was mir Sorgen bereitet, ist die Sache, dass ich – und nicht nur ich – anfangen, dich nicht mehr als einen Gefangenen zu betrachten. Kenshin hat es zwar noch nicht ausgesprochen, aber ich fühle, dass er dich hier nicht mehr lange hier lassen wird. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte. Ich mag keine Gefangenen. Aber es bereitet mir Sorgen. Was, wenn du nur jetzt das liebe Häschen spielst und uns, sobald wir uns umdrehen, die Kehle aufreißt? Versteh mich nicht falsch, aber so einem Wesen wie dir ist hier noch nie jemand begegnet und es ist nur verständlich, dass wir uns allerlei Gedanken machen", beendete Rimasho seine Predigt und wartete auf eine Antwort. Zumindest hoffte er, dass Kei dazu etwas zu sagen hatte. Dieser dachte kurz nach, bevor er zu einer Antwort ansetzte.

"Ich verstehe deine Sorgen. Aber ... du musst verstehen, dass es für mich nur eine Möglichkeit zum Überleben gibt. Und die heißt Blut. Ich brauche es und daran werde ich nichts ändern können. Aber lass dir gesagt sein, dass ich nicht die Absicht hege, dem Daimyo auch nur ein Haar zu krümmen." Dass er dem Lord geradezu dankbar war und in diesem etwas mehr sah, als er sollte, verschwieg er. Diese Dinge brauchte niemand zu wissen. Nicht mal er selbst, Kei, wollte etwas davon hören.

"Das ist ... gut zu hören", bemerkte der Berater; anscheinend hatte er diese Art von Antwort nicht erwartet. Es wurde still zwischen den beiden und Kei beschloss, diese Konversation nun zu beenden. Es war zwar nett, mit dem Berater Kenshins etwas zu plaudern, und erstaunlicherweise hatte sich dieser als ein relativ netter Mann erwiesen, doch nun wollte Kei alleine sein.

"Soooo, da das nun geklärt wäre, würde ich gerne schlafen. Geh zu Kenshin und frag ihn die anderen Dinge, die ich dir nicht habe beantworten können", sagte er und streckte demonstrativ seine Glieder und ging auf seine Decken zu.

Das Gespräch war beendet, das merkte Rimasho sofort. Es gab nichts mehr zu sagen. Vorerst zumindest nicht.

"Nun gut, dann werde ich jetzt gehen. Es war nett. Gute Nacht", sprach Rimasho und machte sich schon auf den Weg aus dem Labyrinth. Eine Erwiderung erhielt er nicht.

Nachdem Kei sich sicher war, dass der Berater verschwunden war, richtete er sich wieder auf. Müde war er nicht. Nicht einmal im Geringsten. Dafür pumpte Kenshins Blut zu schnell durch seine Venen.

/Kenshins Blut .../

Insgeheim freute er sich schon richtig auf ihre nächste Begegnung und konnte es kaum abwarten, doch als ihm klar wurde, was er da dachte und fühlte, verscheuchte er alles, was mit Kenshin zu tun hatte, und schrieb jedes Interesse an Kenshin seiner natürlichen Blutlust zu. Natürlich! Natürliche Blutlust eines Vampirs! ... Das konnte er seiner Großmutter erzählen! Ach ... stimmt ja, die war schon längst tot. Tja, Pech gehabt!

Nun aber musste er vor allen Dingen abwarten und sich und sein rauschendes Blut beruhigen. Aufregung war nicht gut, auch nicht für einen Vampir.

/Nun ja ... zumindest hat Rimasho dafür gesorgt, dass mein 'kleines' Problem dort unten weg ist/, lachte der Vampir trocken.

Für immer; Friedlicher Tag

Kapitel 21

Für immer; Friedlicher Tag
 

"Kenshin? Kenshin! Hallo? KENSHIN!", schrie der Berater woraufhin der Daimyo erschrocken zusammenfuhr.

"Großer Gott, Rimasho! Wieso erschreckst du mich denn so?", fragte der Lord und sah seinen Berater böse an. Dieser seufzte nur.

"Hast du auch nur einen Moment zugehört?"

"Na ja ..."

"Kenshin, wo bist du bloß mit deinen Gedanken? Das hier ist ein wichtiges Thema! Die Grenzregionen deiner Provinz-", plapperte Rimasho drauf los.

"Ja ja, schon klar ... Ich brauche nur eine kurze Auszeit. Dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder?", fragte der Lord, hoffnungsvoll guckend. Bei diesem Blick konnte nicht einmal der sonst so strenge Rimasho Nein sagen. Also rollte er die große Landkarte wieder zusammen und legte sie beiseite.

Daraufhin musste der Daimyo erleichtert aufatmen und ein leises „danke“ verließ seine Lippen. Die kurze Ruhepause genießend, schloss er seine Augen und lauschte einfach in die Stille hinein.

Neben sich vernahm er leises Klirren von Porzellantassen. Vermutlich machte Rimasho ihnen einen Jasmin-Tee. Dagegen konnte Kenshin nichts einwenden. Jasmin-Tee hatte schon immer beruhigend auf ihn und Rimasho gewirkt. Schon als kleine Jungen haben sie sich gerne bei einer Tasse Jasmin-Tee beschäftigt.

Wenn Kenshin nun so an ihre Jungend dachte, konnte er sich nicht einmal mehr vorstellen, dass sie beide einmal Jugendliche gewesen waren. Wobei gewöhnliche Jugendliche waren sie alle Male nicht gewesen. Immer hatten sie sich an irgendwelche Etiketten halten müssen. Mussten höflich und würdevoll erscheinen. Mit Mädchen in ihrem Alter hatten sie sich auch nicht treffen dürfen, da es sich nicht ziemte.

Und so hatten sie ihre Jungend auf langweiligen, steifen Festen verbringen müssen, bei denen zu fünfundachtzig Prozent nur alte Leute anwesend waren. Und so hatten die beiden Jungen nur einander gehabt. Waren für einander da gewesen. Immer!

Kenshin schwelgte noch einige Zeit in Erinnerungen, als ihm Rimasho dann auch schon eine der zwei Tassen reichen wollte. Kenshin wusste es. Er brauchte die Augen nicht einmal zu öffnen. Lediglich streckte er seine Hand aus und Rimasho überreichte ihm die Tasse.

So vertraut wie die beiden miteinander waren, war der Lord sonst mit niemandem. Rimasho war schon immer da gewesen ...

"Kenshin?"

"Hm?"

"Woran denkst du? Du siehst so ... glücklich aus", stellte der Berater fest.

"An Shiro."

"Ach so. Wieso frage ich denn überhaupt?", grinste der Berater und wandte sich seiner eigenen Tasse zu.

Wieso Kenshin ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, wusste er nicht. Aber es war auch nicht wirklich wichtig. Er wollte zugegebenermaßen einfach nicht, dass der Berater wusste WIE wichtig er dem Daimyo war. Natürlich, Rimasho wusste, dass er unersetzlich war. Aber diese Tatsache würde Kenshin ihm nicht noch zusätzlich unter die Nase reiben.

Der Berater war manchmal schon eingebildet genug!

"Kenshin?"

"Schon wieder?!", fragte der Lord bissig.

Darauf musste der Berater unwillkürlich mit den Augen rollen, sagte aber nicht weiter zu Kenshins zickigem Verhalten.

"Kenshin, ich muss dich etwas fragen ..."

"Hm?"

"Was ist gestern passiert? Im Kerker? Bei Kei?", fragte Rimasho direkt heraus.

"Was?! Woher ... woher weißt du, dass ich gestern dort war?", fragte der Lord. Anscheinend sollte niemand von seinem nächtlichem Besuch Bescheid wissen. Und diese Tatsache machte Rimasho einerseits neugierig, andererseits aber misstrauisch.

"Ich habe dich aus dem Kerker rennen sehen. Also, Kenshin? Was war?", setzte der Berater nach.

"Nichts", beeilte sich der Daimyo zu sagen. Doch Rimasho glaubte ihm kein Wort.

"Ach Kenshin, komm mir nicht mit deinem scheinheiligem 'nichts'. Ich habe dich gestern gesehen. Du warst vollkommen durch den Wind, als du in dein Gemach zurückgerannt bist. Also?"

"Nichts", versuchte es Kenshin nochmals, jedoch war sein Versuch kläglich.

"Kenshin ... du bist mir diese Antwort schuldig. Ich mache mir Sorgen. Ehrlich. Und nachdem mir Kei nichts erzählen wollte, musste ich eben dich fragen", sagte der Berater sanft. Doch etwas anderes erregte Kenshins Aufmerksamkeit.

/Hyde hatte nichts gesagt? Wieso nicht? Wollte er um seinetwillen nichts preisgeben? Nein ... sicherlich nicht./

"Wieso hat Kei nichts gesagt?", fragte der Lord also sicherheitshalber nach.

"Woher soll ich das wissen", schnauzte Rimasho, "ich weiß nicht, wieso aber ich hatte das Gefühl, dass er es deinetwegen getan hat. Schweigen, meine ich. Ich habe ihm sogar gedroht, aber hat trotzdem nichts preisgegeben ..."

"Na ja, deine Drohungen sind nicht gerade die Besten", murmelte Kenshin leise, so leise, dass er hoffte, dass Rimasho es nicht hören würde. Aber da hatte er sich geirrt, denn sofort gab Rimasho ein genervtes „Ich kann dich hören“ von sich.

Das Hyde für ihn geschwiegen hatte, freute den Lord irgendwie. Natürlich hatte er der falschen Person gegenüber geschwiegen, denn Rimasho wusste so gut wie alles über ihn. Aber angenommen, es wäre nicht sein Berater, sondern eine andere Person gewesen, die Informationen wollte ... in diesem Falle wäre Hydes Schweigen Gold wert gewesen. Aber diesmal war es zum Glück nur Rimasho gewesen, wer wusste schon, wer Hyde noch alles aufsuchen würde, wenn sich herumsprechen würde, dass dieser möglicherweise Informationen über den Daimyo hatte.

Man würde ihm drohen. Ihn vielleicht sogar foltern. Ihn töten! Augenblicklich erstarrte der Daimyo. Dieser Gedanke war ihm erst jetzt gekommen. Nach über einer Woche, verdammt nochmal!

Er musste Hyde irgendwo unterbringen, wo es sicherer war. Aber wo?

Hyde war immer noch ein Gefangener, weswegen Kenshin ihm nicht einfach eins der Gästezimmer überlassen konnte. Was also könnte er tun? Im Moment noch gar nichts ... So sah es wohl aus.

Doch immerhin tröstete ihn die Tatsache, dass er wusste, dass ziemlich wenige Leute wussten, wo sich Hyde befand. Zwar wusste fast jeder, dass Kenshin seinen Beinahe-Mörder hinter Gitter gebrachte hatte, aber niemand wusste den genauen Ort.

Auf die Idee, dass Hyde sich in dem längst verlassenen Kerker befinde könnte, kam keine Seele. Und das war auch besser so, befand Kenshin. Hoffentlich blieb das auch noch eine Weile so, bis er wusste, was er mit Hyde machen sollte.

Anscheinend hatte Rimasho ausnahmsweise einmal nichts von Kenshins innerem Aufruhr mitbekommen, denn dieser wollte immer noch wissen, was gestern geschehen war. Kenshin seufzte.

"Also was-"

"Ist schon gut, ich sage es dir. Aber eins musst du mir versprechen: Und zwar kein Wort zu Shiro, verstanden? Ich habe ihm gesagt, dass ich spazieren war."

Ohne etwas zu sagen, nickte der Berater nur stumm.

"Also gut ... ich war bei Kei. Er sah aus, als ob er gleich sterben würde. Ich bin in seine Zelle gegangen und habe ihm, bitte raste jetzt nicht aus, freiwillig mein Blut gegeben. Dann war ich kurz ohnmächtig, als ich aber erwachte, war ich richtig erschöpft, weswegen Kei mir sein Blut gegeben hat. Ich habe Blut getrunken! Ist das nicht abartig?! Nun ja, soviel dazu ... Dann kam ich sofort wieder zu Kräften und bin gegangen", gelangweilt, als sei das alles nichts anderes als tägliches Brot, spielte Kenshin mit seiner Tasse.

Rimasho aber wusste durchaus, dass das alles andere als alltäglich war, weshalb er den Lord mit großen Augen ansah.

"Du hast ihm dein Blut ... also ... nun ja ... wieso ... wieso bist du weggerannt?", schaffte er es eine Frage vollständig auszuformulieren. Bei dieser Frage jedoch wurde dem Lord etwas unangenehm zumute. Genau diese eine Sache konnte er nicht einmal sich selber erklären.

"Ich ... es ... es wurde so komisch. Es fühlte sich nicht an, als sei er mein Gefangener. Es war, als seien wir Freunde oder so etwas in der Art", versuchte Kenshin seine Verwirrung und die anderen Gefühle in Worte zu fassen.

"Oh ... verstehe", nickte der Berater und schien dann nachzudenken. "Was gedenkst du mit Kei zu tun?"

Eine gute Frage. Dasselbe hatte sich auch Kenshin gefragt.

"Also, vorerst ist es nur wichtig, dass niemand weiß, wo er sich befindet. Alles andere kannst du mir überlassen. Ich werde mich schon um ihn sorgen", erklärte Kenshin und nahm einen Schluck von seinem Tee. Rimasho, der es nicht für nötig befand, dazu noch etwas zu sagen, erhob sich und schüttelte seine müden Glieder. Obwohl es erst früher Mittag war, hatten sich beide Männer schon halb totgearbeitet. Ein hohes Tier zu sein, hatte viel öfter Nachteile als Vorteile. Das mussten sich beide eingestehen, denn sie hatten die Vorzüge als auch die Nachteile am eigenen Leib zu spüren bekommen.

"Kenshin, kommst du mit? Ich mache einen kleinen Spaziergang. Ich habe das Gefühl, vor mich hin zu vegetieren, wenn ich immer nur in einem Raum hocken muss", sprach der Ältere und ging schon auf die Tür zu.

Diese Einladung Rimashos würde sich der Lord natürlich nicht entgehen lassen. Sofort sprang er auf die Beine, stellte seine mittlerweile leere Tasse auf einen kleinen, niedrigen Tisch und ging zu Rimasho. Kurz richtete er noch seine Kleidung. Immerhin musste ein Daimyo immer, ob bei Tag oder Nacht, geordnet, würdevoll und überlegen wirken. Die Betonung lag auf 'wirken'.

Auf dem Weg zu Kenshins größtem 'Garten', der fast so groß wie ein Dorf war, begegneten die Männer Shiro. Anscheinend hatte der Junge bis eben keine richtige Beschäftigung gehabt und als er hörte, dass die beiden einen Spaziergang machten, schloss sich der Junge ihnen sofort an.

Nach etlicher Zeit erreichten sie endlich Kasugayamas Stolz. Oder eher Kenshins Stolz. Dieser Ort war einer seiner liebsten überhaupt. Alles wirkte so friedlich ... es war leise und einfach nur wunderschön. Da der Herbst schon vor der Tür stand, verloren die prächtigen Kirschbäume ihre Blätter und Blüten. Letztere taumelten sanft im Wind, während erstere den Boden in warme Rot-, Orange- und Gelbtöne tauchten.

Kenshin, der diesen Ort besser kannte als jeder andere, steuerte schon auf seinen Lieblingsplatz zu und die anderen beiden folgten ihm. Da dieser 'Garten' ziemlich groß war, kam es einem fast so vor als wäre es schon ein Wald. Doch dem war nicht so.

Nach einiger Zeit erreichten sie eine kleine Lichtung. In der Mitte war der Grasboden bedeckt von hübschen Wildblumen. Am linken Rand floss ein Bach, der tief und breit genug war, damit kleine Fische dort ihren Platz finden konnten. Die Bäume um sie herum standen so dicht beieinander, dass man, wenn man es nicht wusste, beim besten Willen nicht sagen könnte, dass dieser Ort sich mitten in einer riesigen Hauptstadt befand.

Kurz gesagt: Diese Lichtung war so bezaubernd, dass sie schon fast irreal wirkte. Hier kam nie jemand her. Dafür hatte Kenshin gesorgt. Auch die Gärtner hatten den strikten Befehl bekommen, sich diesem Ort nicht zu nähren, denn der Lord wollte nicht, dass sich hier etwas änderte!

Wie jedes Mal war auch jetzt Kenshin entzückt von diesem Anblick. Diese wilde Schönheit.

Zwar war Rimasho auch schon einige wenige Male hier gewesen, doch auch er schien überwältigt zu sein.

"Es hat sich nichts verändert", murmelte er leise vor sich hin.

Shiro aber war hier zum ersten Mal. Kenshin, der nun zu dem Jungen blicke, musste über dessen staunendes Gesicht lachen. Aber er verkniff es sich. Er wollte den Moment nicht zerstören. Also steuerte er einfach nur auf einen umgefallenen Baumstamm zu und setzte sich dort hin. Und dann wartete er.

Nachdem Shiro und Rimasho sich diesen Ort gründlich genug angesehen hatten, gingen auch sie zum Lord hinüber und setzten sich neben diesen.

Sie schwiegen, da es nichts Relevantes zu sagen gab. Einfach nur sitzen und genießen, das war es, wozu sie hier waren. Abseits der Arbeit, der Menschen, der großen Gebäude, fühlte Kenshin sich wohl. So frei von jeder Last, die er alleine schultern musste ... oh, Pardon ... mit Rimasho zusammen.

Shiro der auf der linken Seite des Daimyos saß, legte seinen Kopf auf die Schulter des Lords und schmiegte sich enger an diesen. Rimasho, der auf der rechten Seite saß, tat natürlich nichts dergleichen. Es saß lediglich und genoss.

Lange Zeit verweilten die Männer so, im völligen Schweigen. Beobachteten die friedliche Aussicht, die ihnen geboten wurde, und machten sich keine Gedanken. Völlig sorglos ... bis ... ganz plötzlich der Alarm geschlagen wurde. In der ganzen Stadt! In ganz Kasugayama konnte man den ohrenbetäubenden Lärm hören, der Eindringlinge ankündigte. Selbst hier an diesen abgeschiedenen Örtchen konnte man das Horn hören, als sei es genau neben einem.

Erschrocken fuhren alle drei Männer hoch. Kenshin und Rimasho mit ernsten, berechnenden Minen, Shiro eher verängstigt und panisch. Der friedliche Moment, der eben noch geweilt hatte, war vorüber. Der Alarm wurde geschlagen und Kenshin als Daimyo von Kasugayama musste nun sofort seinen Pflichten nachgehen. Und das würde er auch tun.

So sehr er es manchmal hasste, Daimyo zu sein, so sehr liebte er es auch. Und er würde niemals freiwillig das hergeben, was sein war. Und Kasugayama war sein!

"Shiro, geh du in deine Räume! Rimasho, geh du zur Wache! Du weißt, was zu tun ist!", befahl der Lord, sofort in der Rolle des Herrschers. Beide gehorchen ohne ein Wort.

Shiro verschwand sofort, Rimasho gleich nach ihm. Nur Kenshin blieb noch auf der Lichtung, doch hier würde er nicht bleiben können.

Nun verfluchte er sich selber, dass er nur ein Kurzschwert und zwei Dolche bei sich trug. Er war nachlässig geworden! Und dazu durfte es eigentlich niemals kommen!

/Verdammt, verdammt, verdammt! Wie konnten die Eindringlinge nur so weit in meine Provinz eindringen?! Was ist bloß mit den Wachen? Wurden die ausgeschaltet oder waren sie möglicherweise Verräter? ... Ich muss sofort herausfinden, was hier vor sich geht!/

Entschlossen ging Kenshin in seinen Konferenzraum, dort würde man ihn erwarten, sich mit ihm beraten und ihm sagen, wer sie überhaupt angriff!

Die Frage des Wer wollte er im Moment am dringendsten beantwortet bekommen. Am liebsten würde er rennen, doch das durft er nicht. Ein Daimyo, der gehetzt ist, Angst hat oder sich auch nur in irgendeiner Weise komisch verhält, kann sofort für ein riesiges Chaos sorgen, da den Menschen erst dann bewusst wird, dass sie ihn echter Gefahr schwebten. War der Lord aber ruhig, so dachte man, man hätte nichts zu befürchten. Was natürlich absoluter Schwachsinn war!

Zwar hatte Kenshin keine Angst, aber er war durchaus beunruhigt. Dies aber zeigte er NIE nach außen hin, sodass selbst bei echter Gefahr vor der Tür, es niemand aus seinem Verhalten hätte schließen können.

Vor seinem Konferenzraum angekommen, atmete Kenshin einmal ein. Vielleicht war der Feind schon hier? Dann erst betrat er den Raum. Als er nur seine Gefolgsmänner erblickte, lebend, ließ er den angehaltenen Atem unauffällig aus.

Augenblicklich wollte ihm jeder berichten, was passiert war, doch Kenshin gebot ihnen allen Halt und sorgte für Ordnung.

Alle nacheinander gaben sie ihren Bericht ab und je mehr er hörte, desto stärker runzelte er seine Stirn.

Was er hier zu Ohren bekam, hörte sich wirklich nicht grade logisch an. Angeblich sollte es wie folgt gewesen sein: Anscheinend hatten sich drei ganz in schwarz gekleidete Assassinen Zugang zum Schloss geschaffen. Kurze Zeit wurden sie dann nicht mehr gesichtet, bis Rimasho mit seinen Männern die drei gefunden hatte. Sie hatten sich aus dem Staub machen wollen, doch Rimasho hatte sie hartnäckig verfolgt.

Doch es war gekommen, wie es kommen sollte: Rimasho hatte die Männer aus den Augen verloren und sich auf die Suche nach ihnen gemacht, sie aber nicht gefunden.

Sie waren erst wieder vor den Stadttoren gesichtet worden – auf dem Abgang.

Was einem jedoch zu denken übrig ließ, war die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt nicht drei, sondern vier Männer gesehen worden waren.

Hatten sie einen ihnen vertrauten Spion mitgenommen? Jemanden, der hier spioniert hatte und nun wusste, was er wissen wollte? Oder war es ... etwas anderes?

Eigentlich hätte Kenshin vermutet, dass diese drei Männer hier waren, um ihn zu treffen. Ihn zu töten oder was auch immer, aber ganz wie es schien, waren sie nicht mal in seine Nähe gekommen, was ihn nun doch etwas erstaunte.

/Was hat das alles zu bedeuten? Verschwört sich wieder jemand gegen mich? Oder ist es diesmal ein größerer, ernstzunehmender Feind? /

Nachdenklich, nun nicht mehr auf seine aufgeregten Gefolgsleute hörend, nickte der Lord immer wieder vor sich hin, sodass die anderen Männer dachten, dass er ihnen mit einem Nicken ihre Fragen beantwortete.

Jedoch ging alles, was gesagt wurde, an Kenshin vorbei. Er wusste, was er wissen musste. Nun war es an ihm, herauszufinden, was dieser 'Besuch' zu bedeuten hatte.

Dies war also seine neue Aufgabe und dieser würde er nun auch nachgehen. Und zwar jetzt und sofort!

Kenshin verabschiedete sich kurz und ließ mehrere verdutzte und auch empörte Gesichter im Raum zurück. Anscheinend billigten sie es nicht, dass er so plötzlich verschwand, aber da hatten sie nun einmal Pech gehabt. Immerhin war er hier der Daimyo!

Erstmals musste Kenshin eine Sicherheitsüberprüfung durchführen. Oder anders gesagt: Er musste sich das ganze Schloss ansehen, um zu sehen, ob jemand verletzt, getötet oder entführt wurde und ob etwas gestohlen oder beschädigt worden war. Also, ob alles noch so war, wie es sich gehörte.

Zügig besah er sich jeden Flur, jeden Raum und bemerkte dabei, dass einige Personen nicht einmal bemerkt hatten, was eben vor sich gegangen war. Kenshin konnte es nicht glauben. Solche Ignoranten hatte er schon immer gehasst!

Auf seiner Runde begegnete er seinem Berater und Freund und musste feststellen, dass dieser alles andere als gut aussah. Kurz gesagt: Er sah richtig niedergeschlagen aus. Seinen einzigen Freund so zu sehen, schmerzte Kenshin.

"Rimasho, es war nicht deine Schuld. Sie haben uns einfach überrumpelt. Du konntest nichts machen", sagte der Lord und sah, wie der Berater erschrocken auffuhr. Anscheinend hatte er nicht gemerkt, dass er nicht mehr alleine in den Gängen war.

"Kenshin ...", sogar seine Stimme hörte sich schuldbewusst an.

"Hör auf damit! Nicht einmal du kannst alles! Mach dich lieber nützlich und hilf mir bei meiner Runde."

"Du meinst die Prüfrunde?"

"Ja, genau."

"Gut", meinte der Berater nach kurzem Überlegen. "Wo warst du schon?"

Und so zählte Kenshin ihm auf, wo er schon war und welche Orte noch geprüft werden mussten. Sie sprachen sich ab, wer noch wohin gehen würde, und dann war es eine abgemachte Sache. Ohne Weiteres trennten sich die beiden wieder und besahen sich weiter das riesige Schloss. Mit Erstaunen musste Kenshin jedoch feststellen, dass er bis jetzt nichts gefunden hatte, das auch nur auf einen Angriff hindeutete.

Offensichtlich war es nicht das Ziel der drei Männer gewesen, auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Arbeit sollte still und unauffällig erledigt werden. Zumindest vermutete Kenshin dies.

Nach langer, sehr langer Zeit hatte Kenshin jeden Ort aufgesucht, den er durchgehen sollte. Sein Misstrauen war mit jedem unbeschädigten Raum gestiegen.

/Was wollten sie hier? Was war ihr Auftrag und wer ihr Auftraggeber?/

Diese Fragen gingen dem Daimyo immer und immer wieder durch den Kopf, bis er sie nicht mehr ertragen konnte. Er verbot sich jeden weiteren Gedanken an diese Fragen und überlegte, was er nun zu tun brauchte.

Schäden musste er nicht beheben, da es keine gab. Verletzte auch nicht ... Tote ebenfalls nicht ...

Seine einzige Aufgabe bestand eigentlich darin, herauszufinden, wieso und wer. Und das würde er nun so auf die Schnelle nicht machen können. Dafür müsste er sich mit Rimasho zusammensetzten und ellenlange Diskussionen führen. Doch solange es NUR Rimasho war, war es in Ordnung.

Also beschloss Kenshin, dass er nun nichts mehr zu tun hatte.  Also überlegte er sich, wo Rimasho sein könnte, um diesen nach seinen Ergebnissen der Inspektion zu fragen. Doch dann erinnerte sich der Daimyo, dass der Berater die weiter abgelegenen Orte abgehen sollte, wodurch er höchstwahrscheinlich mit seiner Arbeit noch nicht fertig war.

/Dann werde ich wohl oder übel warten müssen und währenddessen etwas anderes machen müssen .../

Da erst fiel dem Lord ein, dass Shiro wohl immer noch auf ihn wartete und sich Sorgen machte und somit wusste der Lord auch, was er tun musste. Erst einmal musste er zu Shiro, ihm alles erklären und ihn beruhigen, und danach zu Rimasho gehen.

Auf Kenshins und Shiros Gemach zusteuernd, überlegte sich Kenshin, wie er dem Jungen alles erklären sollte. Immerhin wusste selbst er nicht, was das Ganze zu bedeuten hatte, wie also sollte er es dann einer anderen Person erklären?

Er würde wohl nur das sagen können, was er bis jetzt wusste, auch wenn das eher unlogisch war ...

Vor ihrem Gemach angekommen, zögerte Kenshin nicht und öffnete ohne Umschweife die Shojitür.

Was er erblickte, ließ sein Blut gefrieren.

Für immer; Aufruhr

Kapitel 22

Für immer; Aufruhr
 

Geschafft machte sich Rimasho auf den Weg zu Kenshin. Er war reichlich erstaunt, denn er hatte nichts Auffälliges gefunden. Er hatte noch so gründlich suchen können, aber da gab es einfach nichts zum Finden. Nun aber, da er fertig war, musste er zu Kenshin und diesem berichten, dass es ironischerweise nichts zu berichten gab.

Mittlerweile war er schon in den Hauptgängen in Kasugayama, was bedeutete, dass er in guten zehn Minuten bei Kenshin sein könnte. Er konnte aber auch schneller sein.

Also beschleunigte der Berater sein Tempo, denn er musste sich dringend mit dem Daimyo beraten. Dies alles hier verunsicherte ihn. Denn er konnte die Motive ihrer Eindringlinge nicht erschließen.

Plötzlich aber blieb er stehen. Könnte es sein ...

Es wurden zu Anfang drei Männer gesichtet. Als sie aber das Schloss verlassen hatten, waren es vier. Also musste eine Person aus ihren Reihen zu den Verrätern gehören.

/Nein ... nicht aus unseren Reihen .../

Der Berater hatte nämlich so einen Verdacht, wer die vierte Person gewesen sein könnte. Zwar hoffte Rimasho, dass dem nicht so war, aber es wäre durchaus möglich.

Da er nun seinen Verdacht überprüfen musste, drehte er sich um und schlug einen anderen Weg ein.

Wenn der Mann, den er verdächtigte, immer noch hier im Schloss war, so wäre seine Unschuld bewiesen. Wäre er aber nicht mehr hier ... so wäre er von nun an der Feind der Uesugis!

Mit jedem Schritt, den Rimasho tat, wurde er angespannter. Er hoffte wirklich, dass er nur den Teufel an die Wand malte. Er hoffte es wirklich!

Nachdem er vor seinem Ziel stehenblieb, beschlich ihn ein unangenehmes Gefühl im Magen.

Langsam öffnete er die schwere Tür des Kerkers und trat ein. Eine Fackel hatte er sich auf dem Weg hierher besorgt und somit war alles gut beleuchtet, da die Fackel viel mehr Licht spendete als eine kleine Kerze.

Zügig stieg Rimasho die Treppen hinab und bog rechts ab. Nach schon zu kurzer Zeit kam er vor Keis Zelle an. Noch blickte er nicht hinein, aber er hoffte wirklich, dass der andere Mann nach wie vor hier saß. Mit seiner Kapuze im Gesicht und mit seinem Mangel an Interesse am Berater. Denn dieses Wesen, zudem er sogar ansatzweise Vertrauen gefasst hatte, wollte er sich nicht zum Feind machen. Da musste er nur daran denken, dass Kei Kenshin überwältigen konnte, und schon lief es dem Berater eiskalt den Rücken herunter.

Doch nun gab sich Rimasho einen Ruck und hielt die Fackel zur Zelle hin und was er sah, ließ ihn entsetzt nach Luft schnappen.

/Großer Gott ... Wieso?/

Kei lag, mit dem Gesischt nach oben gedreht auf dem Boden. Doch das war nicht das, was Rimasho so entsetzte. Der Vampir schwamm geradezu in seinem Blut. Es war einfach überall!

Überall auf dem Boden, an den Wänden, an den Gittern seiner Zelle ...

/Was ist hier passiert?/ Unsicher machte der Berater einen Schritt nach hinten. In Keis ganzem Körper steckten unzählig viele Dolche, die ihn überall aufspießten.

Wieso hatte man dies getan? War Kei das eigentliche Ziel der Assassinen gewesen? Waren sie hinter ihm her gewesen? Aber wieso?

Nun da Kei hier war, war auch Rimashos Verdacht zunichte gemacht worden. Nun aber hatte er andere Sogen, die seine alten ersetzten. Er musste, verdammt nochmal, herausfinden was hier vor sich ging!

Der Berater wollte schon gehen, als er entschied, erst etwas anderes zu tun, bevor er ginge. Er bewegte sich auf die Wand zu, an der ein kleiner Schlüssel hing, und ging zur Zelle, öffnete diese und trat ein. Dann kniete er sich neben Kei nieder. Niemand hatte es verdient, so zu sterben. Nichtmal ein Wesen wie Kei.

Er hatte zwar versucht, Kenshin zu töten, aber er hatte sich durchaus als friedlich erwiesen. Es war einfach seine Natur, sich vom Blut anderer zu ernähren. Er konnte nichts dagegen tun!

Behutsam entfernte Rimasho jedes Kurzschwert und jeden Dolch aus dem Körper Keis. Dass ihm dabei ziemlich unwohl zumute war, ignorierte er. So liegen lassen konnte er diesen Mann nicht.

Nachdem er alle Waffen aus dem reglosen Körper entfernt hatte, strich er die Kapuze wieder zurecht, die etwas verrutsch war. Jedoch nur so weit, dass Rimasho lediglich den Mund und die Nase des Toten sehen konnte.

Eigentlich konnte er jetzt endlich das Geheimnis lüften und sehen, wie dieser aussah, aber dies würde er nicht tun. Er hatte Respekt vor dem Toten. Wäre es jemand anderes gewesen, so würde er es möglicherweise tun. Bei Kei jedoch nicht, denn Rimasho brachte es einfach nicht über sich, dies dem anderen anzutun.

Kurze Zeit blieb er noch bei dem Toten, bis er sich schließlich erhob. Nun hatte er etwas zu berichten. Diese Tatsache erfreute ihn aber ganz und gar nicht. Wie der Daimyo wohl reagieren würde, konnte er sich gar nicht vorstellen und das brauchte er auch gar nicht, denn gleich würde er es selbst erleben dürfen.

Denn dass Kenshin Kei mit der Zeit immer mehr liebgewonnen hatte, konnte dieser vor dem Berater nicht verbergen. Vor jedem anderen schon, aber nicht vor Rimasho.

Die Zelle verlassend, zwang sich Rimasho, nicht zurückzublicken. Denn er wusste, würde er jetzt zurückblicken, so würde er diesen Anblick niemals vergessen können ...
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

/Nein ... nein, das darf nicht wahr sein .../

Zitternd machte Kenshin einige Schritte vorwärts. Er konnte durchaus verstehen, was sich ihm zeigte, doch er wollte es nicht glauben.

Denn würde er es glauben, so müsste er sich eingestehen, dass es wirklich wahr war. Dass das alles hier wirklich passiert war.

Denn in Wirklichkeit war Kenshin das Ziel der drei Männer gewesen. Er war es und das wurde ihm nun immer deutlicher bewusst. Die drei hatten ganz genau gewusst, was sie taten. Sie hatten ihm so viel Schaden zugefügt, wie keine Verletzung es vermocht hätte. Keine Niederlage, keine Schmach, nichts könnte ihn so tief treffen.

Sie kannten seinen Schwachpunkt nur zu gut und das machte Kenshin Angst. Wirklich Angst! Dieses Gefühl hatte er das letzte Mal gespürt, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, der Angst vor Prügel hatte.

Kenshin schluckte hart und besah sich der Szenerie vor sich genauer. Vor ihm lag sein eigener zerwühlter Futon. Höchstwahrscheinlich hatte Shiro ihn zuvor benutzt.

Doch was Kenshin eisige Stachel ins Herz beförderte, war die Tatsache, dass seine sonst so reine und weiße Decke ... nun eine völlig andere Farbe hatte. Rot ... rot wie die Rosen in seinen Gärten, rot wie sein eigener prächtiger Kimono. Rot, die Farbe der Liebe, der Erregung ...

Doch was er mit dieser Farbe verband, war weder Liebe noch Leidenschaft, sondern Tod! Seine Decke war rot wie Blut ... Shiros Blut! Das wusste er ... er spürte es.

Sein Herz verkrampfte sich und seine Augen brannten. Das alles konnte nicht sein. Es durfte nicht sein ...

Verzweifelt wischte sich Kenshin mit einer Hand den Schweiß von der Stirn.

/Sie haben ihn nicht getötet ... noch nicht ... sonst wäre hier seine Leiche. Sie haben ihn mitgenommen, nachdem sie ihn schwer verletzt haben .... Doch wer war es?!/

So langsam, aber sicher verlor der Daimyo seine Nerven. Er hielt es nicht mehr aus. Das war einfach viel zu viel auf einmal!

Er musste Shiro retten, selbst wenn es sein Leben kostete! Er musste! Er musste seinen Shiro retten! Verdammt!!

Da seine Gefühle ihn zu übermannen drohten, ließ Kenshin sich neben den roten Decken nieder und hämmerte auf den Boden ein. Er tat dies so lange, bis er sich ein kleines bisschen besser fühlte. Der Schmerz in seiner linken Faust tat ihm gut. Er lenkte ihn ab und diese Ablenkung hieß der Lord sehr herzlich willkommen.

Ratlos und verzweifelt blieb der Daimyo auf dem Fußboden sitzen. Sein Blick schweifte durch das Zimmer und suchte nach möglichen Anhaltspunkten. Anhaltspunkten, die ihm verraten könnten, welcher Hund Shiro entführt hatte. Und nach einiger Zeit fand er tatsächlich etwas. Dass er die kleine Papierrolle nicht schon früher bemerkt hatte, erstaunte Kenshin über alle Maße.

Aber andererseits war er mit anderen Dingen viel zu sehr beschäftigt gewesen ...

Mit zittriger Hand ergriff der Daimyo das Papierstück und rollte es auf.
 

Aller wertester Daimyo Uesugi,

wie versprochen melde ich mich wieder bei Euch.

Da Ihr meine letzte Bitte auf einen Bund ausgeschlagen habt, sehe ich mich nun gezwungen

zu anderen Mittel zu greifen, um Euch doch umzustimmen.

Falls ihr Euch mir immer noch nicht freiwillig anschließen wollt, so werde ich

mir wohl oder übel gewaltsam holen müssen, was ich begehre!

Nur damit Ihr Bescheid wisst, Euer kleiner Bettsklave ist nun in meinem Besitz.

Wenn Ihr meiner Forderung nach einem Bund nicht nachgeht, so werde ich mir den Jungen zu Eigen machen.

In jederlei Hinsicht!

Herzliche Grüße

Takeda Shingen
 

Wie gebannt starrte Kenshin auf das Blatt Papier und konnte nicht glauben, was er da las. Takeda Shingen war es also. Er hatte das alles geplant, um Kenshin zu unterwerfen. Denn das war es, was Takeda wollte. Zwar sprach er immer von einem Bündnis, doch seine eigentlichen Motive hatten nichts mit Bündnissen zu tun. Er wollte lediglich über Kenshins Provinz regieren und sich diese aneignen.

Für Bündnisse gab es da keinen Platz.

Zornig zerknüllte der Lord die Botschaft und warf sie in die erstbeste Ecke. Dieser Hund konnte sich zum Teufel scheren! Er würde schon sehen, was er davon hatte, wenn er sich mit einem Uesugi-Lord anlegte! Denn Kenshin würde diesem gierigen Schwein nichts überlassen. Weder Shiro noch seine Provinz mitsamt Kasugayama!

Allein schon bei dem Gedanken, dass Takeda seinen Shiro berühren könnte, könnte Kenshin diesen in Millionen Stücke zerreißen. Nun aber brauchte er einen kühlen Kopf. Er musste überlegen, sich einen Plan zurechtlegen, wie er Shiro zurückbekommen konnte, ohne Takeda sein Land übergeben zu müssen. Und dafür brauchte er Rimasho!

Dieser wusste immer, was zu tun war!

Genau in dem Moment, in dem Kenshin sich erheben wollte, um Rimasho suchen zu gehen, riss dieser die Tür zur Seite und trat ein. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, schnappte er hörbar nach Luft und blieb wie angewurzelt stehen.

Kenshin aber beachtete die Reaktion des Beraters gar nicht, sondern ging sofort seinen Pflichten nach. Er durfte sich seinen innerlichen Aufruhr nicht anmerken lassen, musste wie immer stark wirken. Vor allem jetzt.

Und die Tatsache, dass sogar Rimasho aufgewühlt wirkte, bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Jedoch konnte sich Kenshin nicht vorstellen, wieso der Berater so aufgeregt war. Hatte auch er irgendwie herausgefunden, dass Shiro entführt worden war? Oder hat er etwas noch Schlimmeres gefunden?

/Was könnte schon schlimmer sein als die Entführung Shiros?/

"Rimasho ... Shiro wurde entführt und offensichtlich schwer verletzt. Hier ...", Kenshin übergab dem anderen den Brief und hörte diesen wieder erschrocken keuchen. Auch darauf ging der Lord nicht ein. Dass Rimasho entsetzt war, war nur verständlich. Doch nun wollte der Daimyo wissen, was der Berater entdeckt hatte, und fragte deswegen auch nach. Dem Berater schien das Ganze offensichtlich sehr unangenehm zu sein.

"Kei ...", flüsterte Rimasho. Urplötzlich wurde Kenshin noch schlechter und das, obwohl er noch nicht einmal wusste, was geschehen war. Aber er hatte da so ein ungutes Gefühl. An seinen Gefangenen, der ihm inzwischen etwas mehr bedeutete, als er sollte, hatte er nicht einmal einen Gedanken verschwendet.

"Was ist mit ihm?", presste Kenshin hervor, den eine Ahnung beschlich.

"Ermordet."

"Nein ...", hauchte der Lord. Das konnte er nicht glauben. Wie konnte dieser starke Mann einfach so ermordet worden sein? Er konnte doch nur sterben, wenn er kein Blut bekam. Wieso war er dann tot? Das war unmöglich!

"Bist du dir sicher?", fragte Kenshin deswegen sicherheitshalber nochmals nach. Jedoch hatte Rimasho kein hoffnungsspendendes Wort für ihn übrig.

"Ich bin mir absolut sicher. Über zwei Dutzend Schwerter haben seinen Körper durchbohrt. Er hat sich weder bewegt, noch geatmet."

Rimasho wollte noch weiterreden, doch Kenshin wollte ihm nicht zuhören. Wie könnte sich ein so schöner, friedlicher Tag innerhalb kürzester Zeit in solch einen Horror verwandeln? Er wollte weg. Weg von diesen blutbesudelten Decken. Weg von diesem Raum, der ihn an die Zeit mit Shiro erinnerte. Wie sie zusammen gesprochen und gelacht hatten. Wie Kenshin seinem Schützling beigebracht das Schreiben beigebracht und wie sie ihre Nächte gemeinsam verbracht hatten.

Jetzt schon sehnte Kenshin sich nach der Wärme Shiros. Er würde ihn, verdammt nochmal, aus den Klauen dieses Monsters Takeda befreien! Der Zorn nahm ihn vollkommen ein und der Lord erhob sich. Auf seine zitternden Beine achtete er nicht einmal im Geringsten.

"Kenshin?"

"Ich muss raus! Sorge dafür, dass hier alles ... wieder so aussieht wie immer! Um Mitternacht ist Besprechung!", zischte Kenshin. Doch Rimasho nahm es nicht persönlich, da er wusste, dass die Wut Kenshins sich nicht gegen ihn richtete, sondern gegen Takeda.

Im nächsten Moment schon hatte Kenshin den Raum verlassen und ging – nein, rannte zum Kerker. Er musste sich mit eigenen Augen überzeugen, dass Hyde tot war, denn in seinem Innersten spürte oder eher hoffte er, dass sein Gefangener nicht tot war.

Auf dem Weg kamen ihm einige Untergebene entgegen, die ihn erstaunt musterten, doch er schenkte ihnen keine Beachtung. Später würde er sich überlegen, was er ihnen erzählen sollte, wie er sein sonderbares Verhalten erklären konnte. Doch nicht jetzt. Im Moment hatte er andere Prioritäten!

Völlig atemlos kam er am Gefängnis an und zögerte nicht eine Sekunde, sondern öffnete sofort die Tür, die – wie er bemerkte – nur angelehnt war. Während er die Treppen hinunterstieg, entzündete er eine Kerze.

Da er schon ein paar Mal hier gewesen war, war er nicht vollkommen orientierungslos. Immerhin wusste er, wo Hyde sich ungefähr befand. Nach – für ihn – zu langer Zeit fand er die Zelle. Eigentlich war er dem Blutgestank gefolgt, der sich irgendwann bemerkbar gemacht hatte.

Und allein schon diese Tatsache ließ seinen Magen widerwillig rumoren.

Dass das Hydes Blut war, konnte er nicht bestreiten, denn das war offensichtlich. Vor der Zelle griff er sofort nach dem Gitter und fühlte eine kalte Flüssigkeit an seinen Fingern. Kenshin konnte sich denken, was es war, doch er wollte es nicht sehen. Deswegen öffnete er das unverschlossene Gitter und trat ein.

Der Anblick, der sich ihm bot, raubte ihm jeden Atem. Was er heute alles gesehen hatte, war einfach zu viel. Bei Shiro wusste er wenigstens, dass dieser noch lebte, und dies hieß, dass der Daimyo noch eine Chance hatte, ihn wiederzubekommen. Bei Hyde sah es aber völlig anders aus.

Wieder sah Kenshin überall sein nun so verhasstes Rot ...

Er ging wieder einmal in die Knie und wieder musste er um seine Beherrschung ringen.

/Nein ... du bist nicht tot! Du kannst nicht wegen der paar Kratzer sterben!/

Dass besagte Kratzer so tief eingedrungen waren, dass man an manchen Stellen die Knochen hervorblitzen sehen konnte, ignorierte Kenshin gekonnt. Denn er wollte diesen weiteren Verlust nicht wahrhaben. Dass der Tod Hydes ihn so sehr mitnahm, erstaunte ihn etwas. Doch drang dieses Erstaunen nicht in sein Bewusstsein ein, da er vollends damit beschäftigt war, den Mann vor sich zu betrachten.

Sanft strich Kenshin die Kapuze aus Hydes Gesicht. Das sonst so wunderschöne Gesicht war verzerrt vor Schmerzen, die Hyde hatte ertragen müssen. Wie lange er sich wohl gequält hatte? Daran wollte der Daimyo nicht einmal denken.

Sein Herz schmerzte, als er in die weit aufgerissenen, blauen Augen sah. Diese Augen, die so faszinierend blau waren. Noch nie hatte er solche Augen gesehen ...

Behutsam strich Kenshin über Hydes Gesicht, schloss dabei die Augenlider und zeichnete danach die Lippen des Vampirs nach. Nur zu gut erinnerte sich Kenshin, wie sich diese Lippen auf seinem Hals angefühlt hatten.

Augenblicklich bildete sich ein unangenehmer Kloß in seinem Hals und er rutschte von dem Toten weg. Er selbst war nun überall mit Blut verschmiert, doch der Lord störte sich nicht daran.

Dafür war der Schmerz in seinem ganzen Körper viel zu groß.

Er hatte es gewusst! Es war falsch, jemanden in sein Herz zu lassen! Es war falsch gewesen, Shiro mit sich zu nehmen. Falsch, Kei nicht sofort töten zu lassen!

Wäre er einfach so eiskalt geblieben wie immer, dann müsste er nun nicht diesen Schmerz ertragen müssen!

Niemand konnte immer bei ihm bleiben! Nur Rimasho ... Rimasho würde immer bei ihm bleiben!

Doch trotz dieser Gedanken konnte Kenshin nicht anders, als den Toten vor sich anzustarren und seinen Tränen nun doch endlich freien Lauf zu lassen.

Er würde Shiro retten und Hyde rächen! Dies war seine Pflicht! Sein neues persönliches Ziel.

/Takeda wird büßen! Ich werde ihm persönlich den Kopf abschlagen! Das schwöre ich bei meiner Ehre!/

Für immer; Verlust

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Für immer; Rette mich!

Kapitel 24

Für immer; Rette mich!
 

Er hatte Angst. Einfach nur verdammt große Angst!

Wieso man ihn entführt hatte, wusste er nicht, doch er konnte es sich denken. Kenshin ...

Sie wollten seinem Lord etwas antun, ihm schaden und dabei ihn, Shiro, als Druckmittel verwenden.

Doch würde der Daimyo überhaupt darauf anspringen? War ihm Shiro inzwischen wirklich so wichtig geworden? Der Junge wollte es glauben, denn dieser Gedanke schaffte etwas Licht in seine aussichtslose Lage und ein wohliges Gefühl breitete sich dabei in seiner Magengegend aus.

Gefesselt lag Shiro auf einem Pferd und wurde die ganze Zeit über ordentlich durchgeschüttelt, da der Reiter, der vor ihm auf dem Pferd saß, es anscheinend sehr eilig hatte.

Doch wohin er so schnell wollte, konnte Shiro nicht sehen, da man ihm eine Art Sack über den Kopf gestülpt hatte. Dass er darin kaum Luft bekam, musste er nicht noch erwähnen, oder?

Und so ging er immer wieder alle Möglichkeiten durch, wohin man ihn bringen könnte. Er wusste ja nicht einmal, wer eigentlich sein Entführer war! Denn Shiro war sich ziemlich sicher, dass die drei Männer nur auf Befehl einer anderen Person gehandelt hatten.

Das war ihm sofort klar gewesen, als die Männer in sein Zimmer gestürmt waren, da sie keinerlei Anstalten gemacht hatten, ihm etwas zuleide zu tun. Sie hatten ihn fachmännisch gefesselt und geknebelt.

Bei dieser Erinnerung fuhr ein eisiger Schauer durch Shiros Körper.

Zu diesem Moment war alles so schnell gegangen! Er hatte nicht einmal die Zeit gehabt, zu realisieren, was nun mit ihm geschah ...

Jedoch eine Sache hatte er mitbekommen. Wie konnte er auch nicht?

Shiro wusste noch ganz genau, wie eine kleine verängstigte Dienerin in den Raum getreten war. Höchstwahrscheinlich hatte sie nur nach Shiros Befinden fragen wollen, da der Alarm geschlagen worden war. Sie hätte sich bestimmt niemals zu denken gewagt, dass die Männer, vor denen sie Shiro warnen wollte, schon bei diesem waren.

Erschrocken hatte sie aufgekeucht und hatte offensichtlich flüchten wollen, doch dazu war sie nicht mehr gekommen. Einer der Männer hatte sie grob beim Arm gefasst und sie in den schon zerwühlten Futon gestoßen. Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht hatte sie zu den vollkommen in schwarz gekleideten Männer geschaut. Kurz hatte ihr Blick dabei den gefesselten Shiro gestreift und war dann an diesem hängengeblieben.

Ihr Blick hatte so hoffnungslos, so ängstlich ausgesehen ... Bei dem Gedanken tat Shiro das Herz weh. Er hatte noch nie leidende Menschen ansehen können. Sie berührten ihn einfach viel zu tief.

Doch der Moment, in dem sie Shiro flehentlich angesehen hatte, hatte nicht lange verweilt, denn schon war Bewegung in die drei schwarzen Gestalten gekommen.

Und sie hatten wirklich schnelle, effiziente Arbeit geleistet ...

Dass Shiro dabei zugesehen hatte, konnte er immer noch nicht glauben. Er war sich sicher, dass diese Bilder für immer in seinem Gedächtnis verbleiben würden. Schmerzhaft hatten sie sich in seine Erinnerung gebrannt.

Gnadenlos und bei lebendigen Leibe hatten sie die Frau ausgeweidet. Langsam hatten sie ihr erst den Bauch aufgeschlitzt, um anschließend die Organe zu zerfetzten. Das Blut war dabei in Strömen geflossen, war gespritzt und hatte den ganzen Futon und auch den Boden drumherum beschmutzt.

Der Anblick war grauenhaft gewesen. Shiro konnte immer noch den Gestank von Blut und Tod riechen. Was wiederum seine Galle hochsteigen ließ und er sofort jeglichen Gedanken verscheuchte.

Doch er konnte nicht leugnen, dass er höllische Angst davor hatte, dass man auch so mit ihm umgehen würde.

/Kenshin, ich habe solche Angst! Was soll ich bloß tun? Ich will nicht sterben, aber ich will auch nicht, dass sie dir etwas tun! ... Bitte mach nichts Unüberlegtes!/

Denn der Junge wusste nur zu gut, wie spontan der Lord sein konnte. Er konnte Entscheidungen innerhalb einer Sekunde treffen, was er in diesem Fall aber nicht tun sollte. Hier war taktisches Denken notwendig und Shiro betete geradezu, dass der Daimyo zur Abwechslung auch einmal auf seinen Berater hörte, denn dieser war das genaue Gegenteil. Rimasho plante immer alles sehr weit voraus und wog immer alle möglichen Folgen ab. Er war weitaus vorsichtiger als Kenshin.

Und genau das brauchten sie jetzt: jemanden mit berechnender Vorsicht ...

/Bitte, Rimasho ... Bringe Kenshin dazu, auf dich zu hören!/

Ein stärkerer Ruck riss Shiro augenblicklich aus seinen Gedanken. Unsanft wurde er vom Pferd gezogen und auf den Boden gestellt, doch da sich seine Beine nach dem langen Ritt wie taub anfühlten, knickten sie unter Shiros Gewicht weg und er sank auf den Boden.

Daraufhin hörte er ein genervtes Stöhnen und er wurde hochgehoben. Wie einen Mehlsack warf sich einer der Männer den Jungen über die Schulter, was diesem nicht so richtig gefiel. Doch ändern konnte er es auch nicht, also ließ er es ohne Wiederworte geschehen.

Nicht lange trug man ihn in dieser unangenehmen Position, da sie ziemlich bald ein Gebäude betraten. Dies vermutete Shiro, da es urplötzlich sehr viel wärmer wurde und auch jegliche Geräusche verschwanden, wie das Rauschen des Windes oder das Wiehern der Pferde.

Überrascht quiekte Shiro auf, als der Mann, der ihn bis eben getragen hatte, ihn einfach auf den Boden warf und ihm anschließend den Sack vom Kopf riss.

Sofort sah sich der Junge mit großen Augen um, erblickte jedoch nur einen ganz gewöhnlichen Fürstenraum. Also einen prachtvollen Raum, wie ihn jeder höhergestellte Mann hatte. Dass er bei der Einschätzung des Raumes an das Wort 'gewöhnlich' gedacht hatte, würde ihn unter anderen Umständen zum Lachen bringen.

Denn bevor Shiro Kenshin getroffen hatte, hatte er sich nicht mal vorstellen können, wie ein solcher Raum aussah. Alles wirkte teuer und edel. Selbst die Tatamimatten am Boden sahen aus, als hätte man nur das beste Material für sie verwendet.

Was Shiro jedoch wunderte, war die Tatsache, dass er sich nun in diesem Fürstenzimmer aufhielt, er aber weit und breit weder ein Daimyo noch Vasallen ausfindig machen konnte. Lediglich er und seine Entführer waren im Raum. Zu Letzteren wollte er sich jedoch nicht umdrehen, da er erstens einfach Angst hatte, womöglich noch Spuren von der Ermordung der unschuldigen Dienerin an ihnen zu finden, und zweitens, da er nicht wusste, wie die Männer reagieren könnten, falls er sich umdrehte.

Und Shiro wollte ehrlicherweise nicht wirklich ausprobieren, was beim letzteren Fall passieren könnte.

Also wartete er, still sitzen bleibend und nicht wissend, worauf er wartete.

Nach guten zehn Minuten wurde er langsam nervös, da er keine Ahnung hatte, was das Ganze nun bedeuten sollte. War er vergessen worden? Oder war es der Plan seines Entführers, ihn warten zu lassen? Immerhin hatten diese hohen Tiere so eine eigenartige Eigenschaft an sich: Sie mochten es, andere warten zu lassen, weil sie selber sich dann wichtiger fühlten, was Shiro jedoch nicht nachvollziehen konnte. Er fand diese Vorgehensweise schlicht und einfach idiotisch.

Dies würde er aber seinem Entführer niemals sagen, denn das würde einem Todesurteil gleichkommen.

In Gedanken versunken, ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, erblickte jedoch nichts besonderes. Doch plötzlich blieb er an einer der Papierwände hängen. Irgendwie kam ihm diese Wand anderes vor, so als ob jemand hinter ihr stünde. Denn Shiro konnte zwar nur etwas Verschwommenes, aber trotzdem eindeutig einen Schemen hinter dieser einen Papierwand erkennen.

Lange verweilte sein Blick auf dieser Wand, denn der Gedanke, die ganze Zeit über beobachtet zu werden, behagte ihm nicht gerade.

Und dann tatsächlich!

Ein gedämpftes Lachen erklang und nahe der Stelle, die Shiro fixiert hatte, glitt eine Shoji zur Seite und ein prunkvoll gekleideter Mann betrat den Raum. Er war nicht besonders alt. Ungefähr in Kenshins Alter, vielleicht drei oder vier Jahre älter, mehr aber auch nicht, schätzte Shiro. Und der Mann sah sehr selbstsicher aus. Allein schon von seinem Gang, seiner gesamten Art, sich zu bewegen, konnte Shiro schließen, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Samurai handelte.

So, wie dieser Mann aussah – Shiro schluckte –, musste er ein Daimyo sein.

Was Shiros Lage noch um das Tausendfache verschlimmerte! Wäre es ein Samurai, der nach Vergeltung dürstete, könnten Kenshin und Rimasho ihn mit Leichtigkeit überwältigen. Da ein Samurai einfach nicht genug Mittel hatte, um einen Daimyo zu bezwingen. Bei einem Daimyo sah die ganze Sache aber schon sehr viel anders aus.

Denn wenn es sich hierbei wirklich um einen Daimyo handelte, könnte es ziemlich bald Krieg geben. Krieg, der zu Anfang nur zwei Provinzen betreffen würde, aber da andere Daimyos immer scharf darauf waren, irgendjemanden zu verraten, sich irgendjemandem anzuschließen, könnte sich dieser Krieg schon nach kürzester Zeit auf ganz Japan übertragen.

/Scheiße! Und das alles nur meinetwegen!/

Dass es nicht wirklich seine Schuld war, wollte Shiro sich nicht eingestehen, denn es fühlte sich gut an, einen Schuldigen zu haben. So hatte er wenigstens eine Person, gegen die er seine Wut lenken konnte. Also sich selbst.

Innerlich verfluchte er sich selbst, zeigte sich aber nach außen sehr ruhig. Aufrecht saß er auf dem Boden und zuckte nicht einmal mit der Wimper.

Er musste stark bleiben. Für Kenshin! Er durfte keine Schwäche zeigen, denn seine Schwäche wäre Kenshins Schwäche. Also zeigte Shiro nichts von seiner Angst und blickte gleichgültig zu dem Daimyo empor.

Dieser stand mittlerweile schon direkt vor ihm und musterte ihn eingehend. Nach unendlicher Zeit, wie es Shiro erschien, hoben sich die Mundwinkel des Daimyos zu einen angedeuteten Lächeln und er begann zu sprechen.

"Ich bin Takeda Shingen und Euer Gastgeber für die Zeit Eures Aufenthalts", verkündete er festlich. Ganz so, als sei Shiros Aufenthalt hier ein freudiger Anlass zum Feiern.

Wieder blickte Takeda prüfend zu Shiro, da dieser nichts erwiderte. Denn auch, wenn er wissen würde, was er sagen sollte, hätte er es nichts gesagt, da er Angst davor hatte, dass seine Stimme möglicherweise zittern könnte und somit zeigen würde, dass es sich gar nicht so sicher fühlte, wie er sich gab. Sein Schweigen machte dem Daimyo aber anscheinend nichts aus, denn er ignorierte es gekonnt.

"Ich vermute einmal, dass Ihr Shiro seid, wenn ich mich nicht irre. Aber natürlich irre ich mich nicht. Ich irre mich nie!", rief Takeda aus und fing daraufhin an, schallend zu lachen.

/Ich glaube, mir wird gleich schlecht .../

Dann aber verstummte das Lachen so plötzlich, wie es angefangen hatte, und der Lord blickte zu den drei sich im Hintergrund haltenden Männern.

"Verschwindet!", lautete sein Befehl und sofort entfernten sich die Männer. Nun waren nur noch Shiro und Takeda im Raum. Diese Aussicht behagte dem Jungen nicht sonderlich, was nicht bedeuten sollte, dass er sich bei Anwesenheit der drei schwarz gekleideten Männern besser gefühlt hatte!

"Also, Shiro ...", schlug der Lord nun eine ganz andere Tonlage an, die den Jungen erzittern ließ. Der Daimyo ignorierte es.

"Ich kann Kenshin durchaus verstehen ... So einen hübschen jungen Mann würde ich mir auch zum Betthäschen machen", meinte der Lord dreckig grinsend. Augenblicklich wurde dem Jungen speiübel, denn er hatte da schon so eine Idee, was ihm der Lord sagen wollte. Oder eher was er mit ihm tun wollte.

Nun trat Takeda noch näher an Shiro heran und befahl ihm aufzustehen. Dieser leistete dem Befehl sofort Folge, wenn auch alles in ihm danach schrie, sich einfach umzudrehen und abzuhauen. Doch sein Verstand siegte, da er wusste, dass jeglicher Fluchtversuch die Lage nur noch verschlechtern würde. Denn entkommen konnte Shiro nicht. Er wusste ja nicht einmal, wo er sich momentan befand!

Nachdem sich Shiro vollkommen aufgerichtet hatte, straffte er seinen Rücken und blickte zu Takeda. Irgendwie bereitete es dem Jungen eine bittere Befriedigung, dass der andere Mann nur minimal kleiner war als er selbst. Somit musste der Junge nicht zu diesem Arsch aufsehen. In allen Sinnen des Wortes ... Ha ha, sein Humor ließ echt zu wünschen übrig ...

Takeda aber schien nicht einmal zu merken, dass er kleiner war. Ohne zu zögern streckte er seine Hand nach Shiros Wange aus und streichelte diese. Der erste Impuls des Jungen war es, aufzuschreien und erschrocken die Hand des anderen wegzuschlagen, doch er besann sich und tat es nicht. Denn die Folgen könnten gravierend sein.

Angewidert schloss Shiro seine Augen, denn er wollte dieses hässliche Gesicht vor sich nicht sehen. Nicht, dass Takeda wirklich hässlich war, er war wohl eher durchschnittlich, doch in Shiros Augen war dieser Mann der hässlichste, den er jemals erblickt hatte. So ganz anders als Kenshin, welcher schon beinahe überirdisch schön aussah ...

/Fast wie ein Engel ... mit seinen langen, schwarzen Haaren, den dunklen, verführerischen Augen, den sanften Händen .../

Bei diesen Gedanken suchte Shiro Trost und fand ihn auch zum Teil. Als er jedoch danach wieder seine Augen öffnete, erschrack er innerlich nur noch mehr, denn irgendwie hatte er gehofft, dass, wenn er die Augen öffnete, er Kenshin vor sich sehen würde und dass dieser sagen würde, dass die letzten Stunden nur ein Traum gewesen wären. Wohl eher ein Alptraum ...

Da Takedas Hand immer noch auf seiner Wange ruhte, konnte Shiro sich nicht vom Fleck rühren. Stocksteif stand er da und wartete, bis der Daimyo plötzlich auflachte und seine Hand wegnahm.

"Na na ... an das Gefühl meiner Hände wirst du dich wohl gewöhnen müssen", lachte der Lord und ging zur Tür, aus der er gekommen war. "Denn ab heute wirst du sie des Öfteren spüren müssen", sagte der Lord beim Rausgehen, ohne sich umzudrehen.

Zurück ließ er einen angewiderten, verschreckten Shiro.

Als dieser sich sicher war, dass er alleine war, knickten ihm die Beine erneut ein und er sank auf den Boden. Ohne es vermeiden zu können, lösten sich mehrere Tränen aus seinen Augen. Wütend wischte sich Shiro über die Augen. Er durfte keine Schwäche zeigen. Er musste doch stark bleiben. Für Kenshin!

Doch immer neue Tränen kamen nach, ab und an gefolgt von einem Schluchzen. Und ehe er sich versah, lag Shiro auf dem Boden, weinend und schluchzend wie ein kleines Häuflein Elend.

/Großer Gott ... Kenshin ... rette mich!/
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Hydes Schrei hallte in seinem ganzen Körper wieder. So einen schmerzerfüllten, leidvollen Schrei hatte Kenshin noch nie in seinem Leben gehört. Und das musste etwas bedeuten, denn er hatte schon genügend Menschen Schreie des Leidens entlockt. Schon genügend Menschen hatte er Schmerzen zugefügt, doch nie hatte ihn einer ihrer Schreie bis ins Mark erschüttert.

Erschrocken drehte er sich um und wusste nicht, was ihn erwartete. Und was er sah, ließ in innerlich entsetzt aufkeuchen, doch sein Körper reagierte augenblicklich.

Blitzschnell streckte er seine Arme nach Hyde aus und, als er ihn erreichte, nahm er seine ganze Kraft zusammen und stieß den Vampir die Treppe runter.

Geräuschvoll polterte Hyde sämtliche Stufen nach unten. Bestimmt mehr als dreißig bis vierzig steinige Stufen! Was sich der Vampir bei seinem Sturz alles brach, vermochte der Daimyo nicht zu sagen. Aber bestimmt mehr als genug!

Unten angekommen schlug sich Hyde den Kopf an der Steinwand auf und blieb anschließend reglos liegen. Augenblicklich hastete Kenshin zu dem Vampir. Wie von Sinnen nahm er immer mehrere Stufen mit einmal und stolperte dabei regelmäßig über seine eigenen Füße.

Rimasho, der den Moment des Schocks überwunden hatte, folgte dem Daimyo.

Unten angekommen, nahm Kenshin den Vampir sofort in seine Arme und untersuchte die Wunden. Sie waren grauenhaft! Im Vergleich zu der einfachen Platzwunde, die sich Hyde bei seinem Sturz zugezogen hatte, wirkten die Schäden, die ihm die Sonne zugefügt hatte, bestialisch!

Überall war Hydes Haut verbrannt, teilweise auch vollkommen verschwunden. An einigen Stellen, die nicht von seinem Hemd oder seiner Hose verborgen wurden, schälte sich die Haut vom Fleisch ab. Der Anblick war ekelhaft und grausam, doch Kenshin konnte nicht wegsehen.

Hydes linke Hand, welche er sich schützend vors Gesicht gehalten hatte, hatte anscheinend am meisten Schaden genommen, denn das, was noch übrig geblieben war, war nicht mehr als eine widerliche Masse vertrockneten und verbrannten Fleisches, zwischen dem auch an einiges Stellen das Weiß der Knochen darunter schon zum Vorschein kam.

Die Galle stieg in Kenshin hoch, doch er würde immer noch nicht abhauen.

"Hyde, wach auf! Hyde! Hyde!", versuchte er den Vampir zu wecken, doch ohne Erfolg. Mittlerweile hatte auch Rimasho ihn unten erreicht. Berechnend sah er zu dem Vampir und schüttelte dann den Kopf.

"Kenshin ... er ist-", wollte er ansetzten, doch der Lord ließ ihn nicht zu Ende sprechen.

"Halt dein verdammtes Maul, Rimasho, und hör auf, so einen Unsinn zu reden! Hilf mir lieber, Hyde zu wecken!", fauchte der Daimyo.

Er musste Hyde retten! Unbedingt! Auch wenn er nicht so recht wusste, wie er es anstellen sollte.

Verzweifelt rief er immer wieder nach dem Vampir und suchte krankhaft nach einer Möglichkeit, Hydes Leben zu retten. Denn die Verletzungen, die er erlitten hatte, waren alles andere als normal. Ein natürlicher Mensch wäre auf der Stelle gestorben. Denn Menschen-

Verdammt, das war doch die Lösung! Kenshin schallt sich selbst für seine Dummheit. Dass er nicht schon viel früher auf die Idee gekommen war!

Hyde war kein Mensch und das war die Lösung! Er brauchte nur noch mehr von Kenshins Blut und schon würde sich sein Körper wieder regenerieren können!

Angeheizt durch die Aussicht, Hyde retten zu können, zerrte Kenshin an seinem Kimono. Rimasho, der bis dahin schweigend neben dem Lord gestanden hatte, hob teils überrascht, teils verunsichert seine Augenbrauen. Denn aus Kenshins Aktion wurde er nicht schlau.

Nachdem sich Kenshin seinen Kimono so heruntergezogen hatte, dass sein Hals frei lag, klingelte es endlich bei dem Berater. Sofort machte er Anstalten, sich dem Daimyo zu nähern, doch es war schon zu spät.

Bestimmt hob Kenshin Hyde ein kleines Stück höher und drückte dessen Gesicht in seine Halsbeuge.

"Kenshin, du hast heute schon zu viel Blut verloren", mischte sich der Berater ein, doch Kenshin nahm ihn kaum wahr.

"Hyde. Hyde, bitte wach auf. Du musst trinken", sagte der Daimyo mit fester Stimme und tatsächlich öffneten sich die Augen des Vampirs flatternd.

Stöhnend sah er sich orientierungslos um, bis sein Blick wieder an Kenshin haften blieb. Da der Hals des Daimyos so nah war, konnte Hyde nur zu gut das warme, süße Blut unter der Haut spüren. Als Reaktion darauf wuchsen Hydes Fangzähne sofort auf ihre maximale Länge. Und schwach wie Hyde war, näherte er sich langsam dem Hals Kenshins, welcher einen solch betörenden Duft von sich gab.

"Ja, so ist es gut ... Du brauchst Blut, Hyde, mein Blut", flüsterte Kenshin leise.

Jedoch hätte er mit Hydes Reaktion auf seine letzte Aussage nicht gerechnet. Zitternd und mit hungrigem Blick entfernte sich Hyde von dem ihm dargebotenen Hals, so weit es nur ging. Verwirrt sah Kenshin den Vampir an.

"I-ich kann n-nicht ... h-hab schon zu viel v-von deinem B-Blut", stotterte der Vampir schwach. Seinen Hunger konnte man nur allzu gut sehen. Dass er sich immer noch im Griff und nicht zugebissen hatte, beeindruckte den Daimyo. Als auch seinen Berater, welcher die ganze Zeit über auf Kenshin eingesprochen, jedoch aber kein Gehör gefunden hatte.

"Kenshin, er hat Recht, du-", wollte Rimasho wieder einmal einwenden.

"Aber Hyde! Du brauchst Blut, sonst stirbst du!"

Daraufhin schaffte es der Vampir tatsächlich, sich ein raues Lachen abzuringen. Was dieses zu bedeuten hatte, konnte sich der Daimyo nur zu gut verstellen.

"Ich werde dich nicht sterben lassen!", sagte er mit kalter Stimme und griff nach Hydes Haarschopf. Fest drückte er den Kopf des Kleineren in seine Halsbeuge, was den anderen unwillkürlich aufknurren ließ.

Und mit Triumph stellte Kenshin fest, dass der Wille des Vampirs gebrochen war und er nun doch sein Blut trinken würde. Zitternd leckte Hyde über Kenshins Schlagader, was diesen erzittern ließ. Aus Wohlwollen, versteht sich.

Doch so weit sollte es nicht kommen, denn Rimasho musste wieder einmal mitmischen. Leicht zog er Hydes Kopf von Kenshins Hals weg.

"Rimasho, was soll-", empörte sich der Daimyo auch sofort.

"Ich gebe ihm mein Blut", sagte der Berater daraufhin bestimmt. Sein Beschluss war deutlich und unantastbar. Er meinte, was er sagte. Kenshin war baff.

"Aber Rimasho ... wieso?"

"Weil du schon genug Blut verloren hast. Ich kann nicht riskieren, dass du stirbst."

"Aber er könnte dich aussaugen!!", schrie der Daimyo aus. Er hatte Angst um seinen engsten Freund. Was mit ihm selber passierte, konnte ihm egal sein, aber Rimasho durfte nichts passieren. Doch als Kenshin wieder zu seinem Berater schaute, sah er, dass seine Aussage den anderen in seinem Vorhaben nur noch bekräftigte.

"Bitte Rimasho, tu das nicht", flüsterte der Lord.

"Und dafür riskieren, dass dir etwas geschieht? Nur über meine Leiche!"

Und mit diesen Worten kniete er sich neben Hyde und entzog den schlaffen Körper Kenshins Armen. Bestimmt drückte er Hydes Gesicht, so wie Kenshin es vorher getan hatte, in seine Halsbeuge.

"Rimasho ...", setzte der Daimyo an, konnte aber nicht zu Ende reden.

"Kei! Trink mein Blut!"

Die wieder geschlossenen Augen öffneten sich und Hyde wirkte reichlich verwirrt, dass er an Rimashos Hals gedrückt wurde und nicht an Kenshins. Doch mehr klare Gedanken konnte er nicht aufbringen. Vorsichtig setzte er seine Fänge an die weiche Haut, denn auch dem Berater wollte er so wenig Schmerzen wie möglich bereiten.

"Saug mich aber bloß nicht aus", spottete Rimasho noch, bevor sich dann blitzschnell Hydes Zähne in seinen Hals gruben.

Rimashos Blick wurde für einen Moment glasig, klärte sich aber nach kurzer Zeit wieder. Kenshin, der dem Berater genau gegenüber saß, beobachtete diesen die ganze Zeit besorgt. Bereit, jeden Moment einzugreifen, falls er merkte, dass Hyde zu viel trank.

Und so zerrann die Zeit allmählich.

Bis Hyde sich dann ruckartig von Rimashos Hals löste und keuchend vor diesem sitzen blieb. Rimasho, der ebenfalls ziemlich mitgenommen aussah, hielt sich seinen blutenden Hals.

"Rimasho, geht es dir-", fragte der Lord auch sofort besorgt.

"Ja, alles gut", beschwichtigte der Berater augenblicklich, doch die Kraftlosigkeit in seiner Stimme konnte er nicht verbergen.

Prüfend sah Rimasho an sich selbst herab und bemerkte, dass sein heller, edler Kimono einige Blutspritzer abbekommen hatte.

"Verdammt! Und dabei gehörte der zu meinen besten!", murrte der Berater. Sofort fing Hyde an, sich zu entschuldigen, was der Berater jedoch mit einer wegwerfenden Bewegung abtat.

"Lasst mich wenigstens die Blutung stoppen", bot Hyde an und der Berater nickte zur Zustimmung.

"Nicht erschrecken", warnte Hyde und näherte sich wieder Rimashos Hals. Dieser versteifte sich augenblicklich, blieb aber an Ort und Stelle sitzen. Sanft fuhr Hydes Zunge über Rimashos Wunde und unwillkürlich durchzuckte ein Stich der Eifersucht Kenshin. Er konnte es nicht ansehen, wie zärtlich Hyde mit Rimasho umging.

/Also ist er doch zu all seinen Blutspendern so zärtlich. Ich bin nichts Besonderes ... Er tut es bei jedem so sanft./

Diese Erkenntnis schmerzte, doch wenigstens wusste der Daimyo nun, woran er war. Er war lediglich eine Blutquelle. Mehr nicht ...

Nachdem die Wunde sich geschlossen hatte, sprang der Berater geradezu auf. Dass er dabei ins Straucheln kam, da er kaum Kraft in den Beinen hatte, versuchte er zu überspielen, indem er sich rechtzeitig an eine Wand lehnte.

Auch die anderen erhoben sich nun.

"Berater Kuriyu. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mir ihr Blut gegeben und mir somit das Leben gerettet haben", bedankte sich Hyde förmlich. Wieder winkte Rimasho ab.

"Schon gut, schon gut. Solange ich nicht noch einmal meinen Hals herhalten muss, ist alles schön und gut. Und bitte. Wenn wir unter uns sind, brauchst du nicht so förmlich sein. Ich mag es nicht und du hast dich vorher auch nicht drum geschert."

"Alles klar ... Berater Kuriyu."

"Hab ich nicht gesagt du sollst ... ach, vergiss es! Lasst uns gehen! Ich habe ein für alle Mal genug von diesem Kerker! Ich werde sicher die nächsten zwanzig Jahre nicht mehr herkommen!", murrte der Berater und versuchte mühsam, die Treppe zu erklimmen.

"Äh, Rimasho, schon vergessen, dass Hyde momentan nicht raus kann", mischte sich Kenshin ein. Daraufhin blieb der Berater stehen und drehte sich auf der Stufe um. Er schien nachzudenken. Kenshin kam ihm aber zuvor.

"Ich bleibe hier bei Hyde. Du kannst dich ausruhen gehen. Wenn die Sonne untergeht, werden wir schon rauskommen. Kein Problem."

Der Berater nickte nur zum Einverständnis und erklomm unter leisem Keuchen die Treppe. Als er verschwunden war, drehte sich der Daimyo zu dem Vampir um.

"Wie viel Blut hast du ihm eigentlich genommen?", fragte Kenshin neugierig.

"Nicht mehr als dir vorhin", sagte Hyde grinsend und strich sich seine Kapuze aus dem Gesicht.

Für immer; Entdeckt

Kapitel 25

Für immer; Entdeckt
 

"Ach so ... und jetzt? Wie fühlst du dich denn?", fragte Kenshin etwas unsicher. Hyde hatte so ein eigenartiges Grinsen im Gesicht, das der Daimyo nicht beurteilen konnte. Es wirkte fast so als ob der Vampir den Lord herausfordern würde. Aber wozu?

"Ach, mir geht es soweit ganz gut", meinte Hyde beiläufig, "aber wie steht es um dich? Ich habe dich ja sicherlich um einen guten halben Liter Blut erleichtert."

"Mir geht´s klasse", sagte Kenshin sofort, denn Tatsache war: Er fühlte sich gut. Wirklich gut! Er spürte nicht einmal seinen Blutverlust.

"Bist du dir denn sicher?", hackte der Kleinere aber nach. "Es wäre nicht gut, wenn du mir ohnmächtig werden würdest. Ich kann dir etwas von meinem Blut geben."

/Ach, darauf will er hinaus!/

Bei dem Gedanken, wieder von Hyde zu trinken, wurde dem Daimyo wärmer, beinahe heiß. Es lag nicht daran, dass er sich freuen würde, wieder Blut zu trinken. Bah! Bloß das nicht! Aber falls er es tun würde, müsste er dem Vampir wieder so nah sein. Ganz dicht bei seinem Hals ... die weiche Haut unter seinen Lippen spüren ... den leichten Duft vernehmen, den Hyde verströmte ...

/Stopp! Das reicht! Ich werde NICHT von ihm trinken! Er braucht sein Blut! Ich werde hier nur mit ihm warten. Das ist alles, immerhin habe ich Shiro .../

Kenhsin erstarrte. Shiro. Sein Shiro.

Er hatte sich hier mit Hyde vergnügt, während Shiro sicherlich gefoltert wurde, wenn nicht gar Schlimmeres.

/Na ja, wirklich amüsiert haben wir uns nun wirklich nicht .../

"Kenshin?", fragte der Vampir mit hochgezogenen Augenbrauen, "ist etwas?"

"Nein, nein, alles in bester Ordnung!", sagte der Lord etwas zu schnell und rutsche unbewusst ein Stückchen von Hyde weg. Diese Nähe, die ihm bis eben noch so gut getan hatte, fühlte sich nun so falsch und verlogen an. Ohne es wirklich zu realisieren, hatte Kenshin Shiro betrogen. Es würde dem Jungen das Herz brechen, wie damals ...

Also blieb Kenshin dem anderen Mann so fern, wie es nur ging. Er durfte nicht noch einmal solch einen Fehler begehen und sich auf Hyde einlassen. Deswegen musste er den Abstand zwischen ihnen so groß wie nur möglich halten. Denn die Wahrheit war unbestreitbar: Hyde hatte nun einmal eine sehr große Anziehungskraft auf den Daimyo. Ob der es nun wollte oder nicht. Und damit er nicht wieder von dieser Schönheit bezaubert werden konnte, schaute der Lord bewusst nicht zu Hyde. Was diesem selbstverständlich nicht entging.

"Kenshin, ist etwas?", fragte er erneut vorsichtig.

"Nein." Schweigen.

"Kenshin ... Was ist eigentlich hier passiert? In Kasugayama, meine ich?"

Also das war endlich einmal eine Frage, die er beantworten konnte und auch würde, denn Hyde verdiente es zu erfahren, was passiert war und wieso er beinahe ermordet worden wäre.

"Nun ja, sagen wir es einmal so: Ein gewisser anderer Daimyo will Rache üben. Deswegen hat er auch Shiro entführt", erklärte Kenshin möglichst beherrscht.

"Shiro ... der Junge wurde entführt?", fragte der Vampir verwundert, wurde dann aber wieder still. "Aber wieso sollte ich ermordet werden? Ich habe doch nichts mit euch zu tun?"

/Tja, das ist eine SEHR gute Frage! ... Wie konnte Takeda wissen, dass Hyde mir so wichtig ist, wenn ich es bis vor kurzer Zeit selber nicht einmal wusste?/

Gedankenverloren schüttelte Kenshin den Kopf, was Hyde wohl als eine Art von Antwort interpretierte. Er seufzte und schlug ein anderes Thema ein.

"Dieser Junge, Shiro, ist dir sehr wichtig, oder?", fragte er neugierig, doch hinter dieser Neugier konnte der Lord auch noch etwas anderes heraushören. Doch genau benennen konnte er es nicht. Es war, als läge etwas Bitteres in Hyde Feststellung. Aber wieso?

"Ja, Shiro ist mir wichtig. Sehr wichtig ... ich liebe ihn", gestand Kenshin plötzlich, ohne es wirklich zu registrieren. Erst als er seinen Kopf in Hydes Richtung wandte, wurde ihm bewusst, was er eben gesagt hatte.

"I-ich ... i-ich meinte ...", versuchte er die Situation etwas zu lockern, was ihm aber kläglich misslang.

Mit einem undurchdringlichen, bitteren, vielleicht auch etwas verletztem Blick sah Hyde ihn direkt an. Dies wiederum ließ den Atem des Daimyos stocken. Wieso sah ihn der Vampir so an? Er hatte doch nichts Falsches sagt, oder? Oder?

"Hyde, ich ...", weiter kam Kenshin nicht, da der Vampir sich urplötzlich erhob und sich an der Wand gestützt fortbewegte, weg von ihm. Verwirrt sah der Lord dem anderen Mann hinterher.

"Hyde, wohin gehst du?", fragte er etwas zu laut und sofort erstarrte der andere. Ohne es wirklich zu wollen, hatte Kenshin seinen Herrscher-Befehlston verwendet.

"Nirgendwo hin. Brauche nur etwas Abstand", flüsterte Hyde und ging nur soweit weg, dass Kenshin ihn nicht mehr sehen konnte.

Dann war er allein. Allein in dieser Dunkelheit, die ihm nun viel bedrohlicher vorkam, da Hyde nicht mehr neben ihm war. Das war natürlich vollkommen unsinnig, das wusste der Daimyo, doch konnte er nichts dagegen tun. Er wollte, dass der Vampir sich wieder neben ihn setzte.

Doch anscheinend hatte Kenshin eben diesen vertrieben. Höchstwahrscheinlich durch sein Liebesgeständnis. Doch wieso verschreckte das Hyde? Kenshin konnte es nicht nachvollziehen.

Schweigend saß er da und lauschte auf jedes Geräusch, das er zu vernehmen hoffte. Doch Hyde blieb still. Sehr still.

"Hyde?", fragte der Daimyo leise, da er plötzlich das Gefühl hatte, hier komplett allein zu sein. Ein Lebewesen konnte doch nicht so still sein, oder?

Auf seine Frage aber, ertönte lediglich ein tiefes Knurren. Immerhin ein Lebenszeichen. Damit versuchte Kenshin, sich zu trösten. Denn er hatte wirklich die Befürchtung, dass Hyde nicht mehr mit ihm reden wollte. Und das für eine ziemlich lange Zeit. Natürlich war es nur so eine Vorahnung, aber diese hatten Kenshin noch nie getäuscht.

Resigniert seufzte er einmal laut auf, lehnte sich an die kalte Wand und schloss die Augen.

Er hoffte wirklich, dass es schnell Nacht wurde. Denn er hatte herzlich wenig Lust, sich mit einem bockigen Vampir in einem dunklen Kerker zu befinden. Unter anderen Umständen, die er nun nicht weiter ausführen würde, würde er es sogar ziemlich angenehm finden, hier mit Hyde allein zu sein.

Doch nun da dieser eingeschnappt war, kannte Kenshin tausend andere Orte, an denen er nun lieber wäre.

/Ach, Shiro ... Wieso kann es nicht wieder so problemlos sein wie vor ein paar Wochen?/
 

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Schlecht gelaunt folgte Hyde dem Daimyo aus dem Gefängnis. Wieso er so mies gelaunt war? Wegen diesem Idioten vor ihm! Wieso er auf ihn wütend war?

Hyde wusste es nicht. Na gut, wenn er ehrlich mit sich sein würde, würde er auch den Grund kennen. Doch er wollte sich den Grund seines Zornes einfach nicht eingestehen ...

/Verdammt! Ich kann es einfach nicht fassen! Dieser Kerl ist einfach SO unsensibel! Da sagt er mir glatt, dass er Shiro-/

Weiter konnte ... wollte er nicht denken, denn das würde ihn womöglich sogar einen Ausraster kosten. Und diesen konnte Hyde sich nicht erlauben. Wer wusste schon, was Kenshin mit ihm tun würde, wenn Hyde plötzlich ausrastete?

Aber andererseits ... Der Vampir war nicht mehr gefangen, nicht mehr angekettet, nicht mehr am Verhungern. Also, wer konnte ihm jetzt noch das Wasser reichen? ... Ganz genau! Niemand!

Und trotz dieser Tatsache blieb Hyde ruhig hinter Kenshin, stieg wie befohlen langsam die Treppen hinauf und folgte dem Daimyo nach draußen.

Als sie nun an die frische Luft kamen, konnte Hyde einen wohligen Seufzer nicht unterdrücken. Zu gut fühlte sich die kalte Nachtluft an, die ihm so lange verwehrt geblieben war. So frisch und kühl.

Verwundert wandte sich der Lord um und sah fragend zu dem Kleineren. Dieser beachtete den fragenden Blick jedoch nicht, obwohl er ihn ganz deutlich spüren konnte.

Keinen anderen Blick konnte er so stark spüren, wie den Kenshins. Hyde konnte beinahe fühlen, wie der Blick über seinen Körper glitt und ihn langsam liebkoste, ihn streichelte ...

Augenblicklich erstarrte der Vampir. Was er dort dachte, war nicht gut. Solch einen Mist hatte er zuletzt gedacht, als er ein Teenager gewesen war vor etwa ... na ja, wie auch immer. Dieses Wunschdenken, denn anders konnte Hyde es nicht nennen, musste so schnell wie möglichst aufhören. Am besten sofort. Denn er wollte nicht, konnte sich nicht in diesen adligen Idioten verlieben.

/In diesen adligen Idioten, der mir noch eben gestanden hat, dass er in diesen Shiro verliebt ist .../

Die Erinnerung schmerzte und versetzte Hydes Herz in einen starren, eiskalten Zustand. Und irgendwie musste er es sich einfach eingestehen.

Er war eifersüchtig und verletzt. Er wollte nicht, dass der Daimyo diesen Jungen liebte. Er wollte, dass er Daimyo ... ja, was? Ihn liebte?

/Ach, du Scheiße! Was denke ich da bloß für einen Mist?! Wer will schon einen uralten, verschrumpelten, pessimistischen, humorlosen Vampir haben? Niemand!/

Dies wiederholte der Vampir für sich immer und immer wieder und versuchte damit, jeden Zorn und jede Eifersucht im Zaum zu halten. Niemand wollte ihn und würde es auch nie tun. Wieso also sollte er sich den Kopf über etwas zerbrechen, das er nie haben konnte?

Es hatte keinen Sinn über Liebe, Gefühle und dergleichen zu denken, da er diese Dinge sowieso nie erfahren würde. Diese menschlichen Sachen waren ihm abhanden gekommen, als er zu einem Vampir geworden war.

So! Und nun Schluss, aus, Ende!

Schweigend lief Hyde hinter dem Lord her, da dieser sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, und sah sich ausgiebig um. Was er hier sah, war schon ziemlich beeindruckend, das musste der Vampir zugeben. Er hatte schon Tausende von Palästen in seinem Leben gesehen, doch dieser hier gefiel ihm am besten. Alles wirkte harmonisch und friedlich ...

Doch hatte der Vampir auch andere harmonische Anwesen gesehen, also könnte es diesmal wirklich daran liegen, dass ihm nicht nur das Anwesen, sondern auch der Besitzer gefiel. Sehr gefiel ...

Nachdem sie den Garten verlassen hatten, drangen sie in das verzwickte Netz aus Gängen ein. Schon nach sehr kurzer Zeit hatte Hyde die Orientierung verloren und bereute dies etwas, denn er fühlte sich gar nicht gut, wenn er nicht wusste, wo er war. Aber die Tatsache, dass er mit Kenshin war, milderte seine innere Sorge.

Er hatte keinen Grund zur Unruhe, wenn er bei Kenshin war.

Nun ja, zumindest hoffte er, dass sein Gefühl ihn da nicht trog. Aber er bezweifelte dies. Hätte der Daimyo nämlich die Absicht, gehabt ihm Schaden zu zufügen, so hätte er schon Millionen von Gelegenheiten gehabt, ihn zu töten oder schwerwiegend zu verletzten.

Tief in Gedanken versunken folgte Hyde dem Lord und so merkte er auch nicht, dass ihnen nicht einmal eine Menschenseele begegnete. Somit war es auch ziemlich leise zwischen den beiden, denn keiner von ihnen versuchte, ein Gespräch aufzubauen.

Hyde nicht, da er immer noch beleidigt war. Und Kenshin nicht, weil er wusste, dass Hyde aus irgendeinem Grund beleidigt war.

So liefen sie schweigend durch das Schloss von Kasugayama. Doch plötzlich blieb Kenshin unvermittelt stehen und starrte nach vorne. Neugierig, was hier vor sich ging, blickte Hyde an dem Daimyo vorbei und erblickte nur einen edel gekleideten Mann mittleren Alters. Anscheinend hatte dieser die beiden noch nicht entdeckt, denn er blickte nicht in die Richtung des Daimyos und seines 'Gefangenen'.

Wieso Kenshin plötzlich so steif dastand, konnte Hyde nicht nachvollziehen. Wieso war der Daimyo denn so angespannt?

Jedoch kam kurz daraufhin wieder Leben in den Größeren und er drehte sich zu dem Vampir um, ergriff mit einer Hand seinen Oberarm und signalisierte mit der anderen, dass Hyde still sein sollte.

Dann zog Kenshin den Kleineren den Weg wieder zurück, den sie gekommen waren. Doch wieso, das wusste Hyde nicht. Konnten sie nicht einfach an diesem Mann vorbeigehen? Er sah nicht wirklich gefährlich aus, also verstand der Vampir das Verhalten des anderen nicht.

Tja, und da Kenshin allem Anschein nach nicht von diesem Mann gesehen werden wollte, mussten sie umkehren, da der Ausgang des Flurs immer noch durch eben jenen Mann versperrt war.

Ohne Protest ließ sich Hyde von dem Daimyo zurückziehen, sodass sie sich leise, aber schnell wieder entfernten. Danach tauchte auch noch eine Gabelung zu einem anderen Gang auf, den Kenshin wohl benutzten wollte, doch dazu kam er nicht.

Plötzlich rief eine tiefe Stimme nach dem Lord und dieser erstarrte auf der Stelle. Dann wurden Schritte laut und der edel gekleidete Mann näherte sich.

Steif drehte sich Kenshin dann schließlich auch um, um den Ankömmling zu begrüßen. So unauffällig wie möglich schob er Hyde, der nun einmal ziemlich klein war, dabei hinter seinen hochgewachsenen Körper.

Nun, da Hyde nichts mehr sehen konnte, konnte er auch das Geschehen nicht mehr mitverfolgen, und irgendwie stimmte ihn diese Tatsache wütend. Anscheinend hatte Kenshins Rückzug etwas mit dem Vampir zu tun, denn so wie der Lord diesen nun versteckte, konnte man nur eins daraus schließen: Der Daimyo wollte nicht, dass andere erfuhren, dass er seinen Gefangenen herausgelassen hatte. Allein schon die Tatsache, dass Hyde überhaupt noch lebte, kam einigen einem Skandal nahe. Also musste er es in Kauf nehmen, dass der Vampir noch wütender auf ihn werden konnte, als er es schon war.

"Geehrter Daimyo Uesugi! Was macht Ihr zu solch einer späten Zeit noch hier draußen?", fragte der mittlerweile schon angekommene Mann. Seine Stimme klang unschuldig, lediglich ehrliche Neugier konnte man aus ihr heraushören. Kenshin versuchte, möglichst beherrscht zu klingen – wie immer, denn der Mann sollte bloß keinen Verdacht entwickeln, dass hier etwas nicht stimmte.

"Es ist nichts. Der Schlaf wollte nicht kommen", erklärte der Daimyo schlicht.

"Ach, so ist das! Nun denn, wenn es so ist, hättet Ihr vielleicht etwas Zeit für mich?" Und schon fing der Adlige an zu plappern. Natürlich über Geschäftliches, doch konnte Kenshin sich auf das Gesagte nicht konzentrieren. Erstens, weil er es langweilig fand, und zweitens, weil er nervös war. So konnte der Adlige Hyde jeden Moment entdecken.

Und so geschah es auch ...

Plötzlich und ohne jegliche Vorwarnung beugte Hyde sich vor und nieste lautstark. Dabei verließ er die versteckte Position hinter Kenshins Körper. Der Adlige bemerkte ihn sofort.

"Oh ho? Wenn haben wir denn hier?", fragte er auch ohne Zögern und beugte sich leicht vor, um Hyde besser sehen zu können. Der zuckte ertappt leicht zusammen, denn ihm war klar, dass er Kenshin nun Ärger bereitet hatte. Er musste es nicht vermuten, denn er erkannte es deutlich an der angespannten Körperhaltung des Daimyos. Und so beleidigt Hyde auch war, er wollte dem Lord keine Probleme machen.

Unsicher sah Hyde erst zum Daimyo, der ihn geflissentlich ignorierte, und dann zu dem ihm gegenüberstehenden Mann. Dieser betrachtete ihn immer noch eingehend, bis er plötzlich ein Stück von den beiden abrückte.

Irgendwo in seinem Unterbewusstsein atmete Hyde vor Erleichterung auf, da er immer noch seine Kapuze auf hatte. Doch anscheinend genau daran erkannte der Mann Hyde.

"Großer Gott!", rief er entsetzt, "das ist doch das Monster, dass Euch beinahe getötet hatte! Was macht es hier?! Nein! Wieso lebt es überhaupt noch?!"

Und mit diesen Worten griff der Adlige nach seinem Katana, zog es aus der Saya und wollte schon auf Hyde losstürmen. Dieser aber blieb gelassen, denn er wusste, auch mit einem Schwert konnte ihm ein Mensch nichts anhaben. Dieser Mann würde ihn ja nicht einmal treffen können.

Auf den richtigen Moment wartend, stand Hyde ganz ruhig da. Er würde den Adligen nur mit einem Handgriff zu Boden befördern.

Doch so weit kam es nicht.

Kenshin, der bis dahin wie erstarrt neben Hyde gestanden hatte, bewegte sich plötzlich mit solch einer Geschwindigkeit und Präzision, dass nur Hyde als übermenschliches Wesen ihm folgen konnte.

Blitzschnell kam Kenshin dem Adligen entgegen, zog ein Kurzschwert, schlug dem Mann sein Katana aus der Hand und drehte eine Hand des Mannes auf dessen Rücken, sodass dieser erschrocken und auch schmerzvoll aufkeuchte.

"Ich werde nicht zulassen, dass jemand Hand an meinen Gefangenen legt. Er obliegt meiner Obhut. Ihr werdet ihm nichts tun. Habt Ihr verstanden?", flüsterte der Daimyo leise, aber eindringlich ins Ohr des Adligen. Dieser nickte auch sofort hastig. So wollte er doch eigentlich nur, dass der Schmerz in seinem Arm aufhörte.

Also löste der Lord sich von dem Mann und trat einen Schritt von diesem weg.

"Ihr werdet diesem Mann", Kenshin deutete auf Hyde, "nichts tun, solange es nicht mein ausdrücklicher Befehl ist."

"S-sehr w-wohl, verehrter Herr", stotterte der Mann und rieb seinen schmerzenden Arm, "Wenn I-ihr mich nun entschuldigt."

Und schon war der Adlige verschwunden.

Ein leises Seufzen lenke Hydes Aufmerksamkeit auf das Gesicht des Daimyos. Er selbst hatte mit weit aufgerissenen Augen das Geschehen verfolgt. Dass der Lord für ihn, ein Monster, einen seiner Untergebenen so zurechtweisen würde, hätte er nicht gedacht.

Doch nun blickte Hyde in das wunderschöne Gesicht des Lords. Dieser sah über die Entwicklung der Dinge nicht besonders froh aus. Eigentlich wollte Hyde sich entschuldigen, denn ihm war sehr wohl bewusst, dass alles nur seine Schuld war. Doch er bekam einfach keinen Ton heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt.

"Puh ... das wird Probleme geben", murmelte Kenshin vor sich hin und drehte sich erst jetzt zu Hyde um. Langsam trat er auf diesen zu und blieb unvermittelt vor ihm stehen.

"Hyde, darf ich bitte jetzt dein Gesicht sehen?", fragte der Lord mit seiner samtweichen Stimme.

Bei jedem anderen Menschen wäre Hyde empört gewesen. Hätte sich entfernt, ohne auch nur über die Schulter zu blicken. Doch hier und jetzt bei Kenshin brachte er nur ein leichtes, angedeutetes Nicken zustande und das trotz der Tatsache, dass er eigentlich noch beleidigt sein sollte.

Überdeutlich nahm Hyde jede von Kenshins Bewegungen in sich auf. Spürte die sanfte Hand, die ihm die Kapuze aus dem Gesicht strich und sich danach auf seine Wange legte. Sanft drückte sie Hydes Gesicht nach oben, sodass dieser zu Kenshin aufsehen und sich augenblicklich in den dunklen, sinnlichen Augen verlor.

Hyde blieb wortwörtlich der Atem weg, denn er hielt diesen so lange an, bis er dann laut nach Luft schnappen musste, was dem Daimyo ein überirdisch schönes Lächeln ins Gesicht zauberte.

/Kenshin ... könntest du doch bloß mein sein .../

Bei diesem Gedanken schmerzte Hydes Herz, denn er war sich sicher, dass der andere nie ihm gehören konnte. Sie waren verschiedene Wesen, die nicht zusammen verkehren sollten. Und selbst wenn man diese Tatsache außer Acht ließ, so war sich Hyde trotzdem sicher, dass der Daimyo niemals Interesse einem Mann wie ihm gegenüber zeigen würde.

Hyde war klein, schmächtig gebaut und fand sich selbst auch nicht übermäßig schön. Er hatte nicht solch schöne, dunkle Augen wie der Daimyo. Auch hatte er langweilige, hellblonde Haare, die im krassen Gegensatz zu Kenshins schwarzen, seidigen Haaren standen. Kurz gesagt: Hyde fühlte sich wie das hässliche Entlein. Nur dass aus ihm nie ein wunderschöner Schwan werden würde.

Er war zu einhundert Prozent nicht Kenshins Typ. Der Daimyo bevorzugte nämlich junge, große, schlanke, dunkelhaarige und -äugige Menschen. Und Hyde erfüllte nur eins dieser Kriterien. Er war schlank mehr aber auch nicht.

Kenshin mochte Männer wie ...

/... wie Shiro .../

Augenblicklich versteifte sich Hyde. Dann drückte er die Hand des Daimyos weg, welche bis dahin auf seiner Wange geruht hatte, und zog sich wieder die Kapuze ins Gesicht. Dass der Daimyo reichlich verwundert war, war nachvollziehbar. Immerhin war er sich keines Fehlers bewusst.

"Kenshin, wir haben keine Zeit zum Trödeln", ermahnte Hyde den Lord mit gleichgültiger Stimme.

Er durfte kein einziges seiner Gefühle offenbaren. Denn würde Kenshin jemals von Hydes Eifersucht, seiner Zuneigung, seiner Bewunderung erfahren ... so wusste er nicht, was passieren könnte. Er wollte es auch nicht erfahren.

Schließlich raffte auch Kenshin sich wieder zusammen und sie gingen wieder ihren Weg.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Gebetat von Earu ^^
Lasst mir bitte ein Kommi da ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Gebetat von Earu (wie immer)
So diesmal etwas kurz. Hoffe es ist trotzdem gut.
Hinterlasst mir doch ein Kommi ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hoffe niemand ist allzu wütend auf mich....
Irgendwie musste es so kommen :|
Aber ich hoffe dass es trotzdem einigen gefallen hat

Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und wie findet ihes? Hab ich euch überrascht? x3
hinterlasst mir doch ein Kommi
Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Gebetat von Earu

So hoffe hat euch gefallen ;D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
hoffe es gefällt euch *zwinker*
über Kommentare freue ich mich wie immer riesig ;3

Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hmmmm diesmal etwas kurz ^^'
Kommentare peut-être?

Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo puhh hier endlich wieder was neues.
Sry aber ich hab einfach zu viel Stress in letzter Zeit T.T
Natürlich würde ich mich auch diesmal sehr über Kommentare freuen ^^' Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Sooo endlich Numero 22 ^o^
wie immer freu ich mich über Kommentare
Gebetat von Earu Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So endlich wieder wa neues
Hoffe es gefallt euch
Reviews? *-* Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Reviews? Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (33)
[1] [2] [3]
/ 3

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  aknankanon
2013-10-28T17:14:45+00:00 28.10.2013 18:14
Ich finde, da hat Rockryu Recht, aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass sie auch zu dritt als Paar durchgehen können. Ist ja schließlich genug Kenshin für alle da. Kenshin und sein Harem. *grins*
Von:  Rockryu
2013-10-28T16:27:27+00:00 28.10.2013 17:27
Eifersucht³!
Diesmal find ich es aber nicht ganz so schlimm, dass Kenshin es nicht rallt, würde ich an seiner Stelle wahrscheinlich auch nicht. Es wäre allerdings gesünder für ihn, wenn er es täte.
Hyde ist wohl nicht klar, wie einzigartig ihn sein helles Haar macht. Jede Wette, Kenshin gefällt's. Kenshin, der sich wirklich SEHR zum Besseren entwickelt hat, wenn er an Shiros Gefühle denkt und nicht nur an seine eigenen.
Von:  Rockryu
2013-09-30T13:51:17+00:00 30.09.2013 15:51
Okay, wir wussten alle, dass Shiro mutig ist, aber dass er auch noch intelligent ist, war mir in dem Maße nicht klar. Bin beeindruckt.
Und Hyde sorgt unbewusst dafür, dass Kenshin die Dinge nicht übereilt...
Antwort von:  GothicGirl4ever
30.09.2013 20:43
Nun ja shiro wirkt oft ziemlich hohl und naiv aber etwas hat er doch schon im Köpfchen ;3
Und kenshin ... über den kann man nur den kopf schütteln hahaha
Von:  Rockryu
2013-09-07T19:28:03+00:00 07.09.2013 21:28
Rimasho, diskret aber scharfsinnig. Und in der Lage, die Fragen zu stellen, die sein Herr verpennt. Ich bin so ein Fan von ihm.
Das ist echt ein böööser Cliff!
Von:  aknankanon
2013-08-27T22:06:56+00:00 28.08.2013 00:06
Tondemonai (um Gotteswillen)!!!! Was ist denn da passiert? Der arme Kenshin.

Okay, Hyde//Kei ist ein Vampir und Kenshin scheint das auch begriffen zu haben. Und was wissen wir über Vampire? Richtig. Man(n) kann sie nicht wirklich töten, da sie ja eigentlich schon tot sind. Ich hoffe, es dauert nicht all zu lange, bis Kei/Hyde die Augen wieder öffnet, liebevoll von unserem Oyakata-sama "gefüttert" wird und sie sich dann zusammen auf die Suche nach Shiro machen und ihn retten, wenn er noch lebt. Ansonsten muss der kleine Beißer etwas nachhelfen. Ich hoffe, Kenshin hat daraus etwas gelernt und wird nicht mehr so unüberlegt seinen Weg mit Leichen pflastern?

Wieso nur nimmt Rima in meinem Kopf die Gestallt und das Aussehen von You an? Es ist ja kein Bild von ihm vorhanden.
Antwort von:  Rockryu
07.09.2013 21:19
Vielleicht, weil er ruhig, zurückhaltend und der engste Vertraute von Kenshin ist, und angeblich ist You genauso gegenüber Gackt. Ich fände ihn auch sehr passend für die Rolle.
Von:  aknankanon
2013-08-18T15:42:08+00:00 18.08.2013 17:42
Das Ende des Teils klingt ja gar nicht gut. Bin ja mal gespannt, ob Shiro da wieder raus kommt und das in einem Stück. Armer Kenshin. Vielleicht kann ja Kei ja was retten?
Von:  Rockryu
2013-08-17T10:27:53+00:00 17.08.2013 12:27
Okay, bei der Überschrift "friedlicher Tag" dachte ich schon, ob das mal was ganz Absurdes werden soll, aber dann, von Wegen. Wäre auch seltsam gewesen, wenn nicht. ich meine, wann ist es bei denen denn schon mal friedlich.
Antwort von:  GothicGirl4ever
18.08.2013 00:12
Joaaaa bei denen muss ja immer was los sein xD
Aber ein bisschen friedlich darfs schon mal werden ... (für nen Moment)
Hoffe auch dieses (mal etwas anderes) Kapitel hat dir gefallen
Von:  Rockryu
2013-08-17T10:27:20+00:00 17.08.2013 12:27
Okay, bei der Überschrift "friedlicher Tag" dachte ich schon, ob das mal was ganz Absurdes werden soll, aber dann, von Wegen. Wäre auch seltsam gewesen, wenn nicht. ich meine, wann ist es bei denen denn schon mal friedlich.
Von:  Rockryu
2013-08-05T14:37:52+00:00 05.08.2013 16:37
Ich bin mal gespannt, was Rimasho macht, wenn er merkt, dass sich hier ne gespannte Dreiecksbeziehung entwickelt. Ob er auch diesmal die Kohlen aus dem Feuer holen kann? Dürfte schwierig werden.
Der einzige, dem das jetzt schon klar ist, ist ja Kenshin, aber von dem eine vernünftige Lösung in einer emotionalen Angelegenheit zu erwarten, ist ein wenig absurd.
Antwort von:  GothicGirl4ever
17.08.2013 11:28
Hmm ich glaub mal rima würde tot umfallen oder so was in der art xD
Und wirklich was ausrichten gegen daimyo kann er ja auch nich ^^'
Und ich glaube kenshin ist selbst noch nicht so recht bewusst worein er sich da reitet. Das könnte (und wird auch) schwierig werden ....
Von:  aknankanon
2013-07-29T20:03:26+00:00 29.07.2013 22:03
Ich glaub es ja wohl nicht. Da ist Kenshin dem kleinen Vampir so nahe, was er ja immer wollte und macht dann einen Rückzieher???? Was ist denn in den gefahren? Oder hat seine "Lordschufft" etwa Angst sich in das süße Reißzähnchen zu vergucken? Mit Shiro und Kei zusammen könnte er den besten Dreier seines Lebens haben. Darüber sollte Kenshin mal nachdenken. ^^ Armes Rimalein. ^^'


Zurück