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Der letzte Raubzug

von

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Musik in meinen Ohren

„Vielen Dank für Ihren Besuch.“

Gerade verabschiedete sich Hideto von einem Bauern, der darum gebeten hatte ins Innere des Schreins zu dürfen, um eine kleine Opfergabe als nachträglichen Dank für die reichliche Ernte des vergangenen Jahres zu hinterlassen, wie er es seit vielen Jahren tat.

Für ein paar Augenblicke sah ihm der junge Japaner noch nach, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder zurück in den Raum warf. Hier war er zum ersten Mal auf Camui getroffen. Von einem Moment auf den anderen war sein gewohnter Trott völlig auf den Kopf gestellt worden.

Eine letzte Verbeugung Richtung Heiligtum, dann schloss er die Shogi.

Wo er mit den Gedanken schon mal bei -nein, eigentlich kreisten sie seit Kurzem immer nur ihn- Camui war, so konnte er auch gleich zu ihm gehen. Auf dem Weg nach hinten blieb er jedoch noch einen kleinen Moment stehen und lauschte, als er Vogelgezwitscher vernahm.

„Der Frühling kommt.“ Wenn man genau hinsah, dann erkannte man auch bereits die ersten grünen Triebe an den Bäumen. In wenigen Wochen würde alles wieder in einem leuchtenden, lebensbejahenden Grün erstrahlen. Aus irgendeinem Grund freute er sich gerade bereits darauf sich zusammen mit Camui die Kirschblüten anzusehen. Mit diesem schönen Gedanken führte er seinen Weg fort. Erzählen würde er seinem Freund davon aber noch nichts. Schließlich dauerte es bis dahin noch ein wenig. Beschwingt von der Vorstellung öffnete er die Tür zu ihrem Privatbereich, wo er Camui entdeckte, der mit angestrengtem Blick in das Buch sah, welches er ihm vor einer Weile geschenkt hatte. Vor einiger Zeit hatte er ihm bei schwierigen Kanji die Lesung darüber geschrieben, damit es dem Anderen leichter fiel die einzelnen Geschichten zu lesen. Er musste an einer spannenden Stelle sein. Dieses konzentrierte Gesicht kannte er so gar nicht an ihm. Doch irgendwie fand er es faszinierend. Um ihn nicht zu erschrecken blieb er stehen, wo er gerade war und beobachtete den Mann mit den blauen Augen. Wie sich seine Stirn kräuselte, sich seine Lippen bewegten, während er las und das schöne Blau über das Papier huschte, gierig nach den Worten, die dort standen. Ein Anblick, den der Kleinere unglaublich fand. Unglaublich ansprechend.

Viel zu bald war sein Freund mit dem Text fertig und er klappte das Buch zu. Anscheinend dachte er noch ein bisschen über das eben gelesene nach, so wie er in das Feuer vor sich starrte. Dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Camui griff nach seiner Tasse und füllte sich zufrieden neuen Tee ein. Erst jetzt wanderte sein Blick durch den Raum, welcher auch gleich an Hideto hängen blieb.

„Oh, du bist zurück?“

„Ganz offensichtlich, hai.“

„Wie lange stehst du denn schon da?“

„Noch nicht so lange.“ Hideto trat näher und ließ sich in der Nähe seines Mitbewohners nieder. „Ich wollte dich nicht erschrecken, darum habe ich dort gewartet.“

„Ah. Lieb von dir.“

Mit einem wohligen Seufzer lehnte sder kleine Japaner seinen Kopf an die Schulter seines Sitznachbarn. „Magst du mir etwas vorlesen?“

„Eh... Wenn du das möchtest.“ Er nahm das Buch wieder zur Hand. „Irgendeine bestimmte Geschichte?“

„Iie. Such du ruhig eine aus.“

„In Ordnung.“ Also blätterte er zu einer zufälligen Stelle und von dort aus zum Anfang des Textes. Ein wenig nervös war er. Laut vorgelesen hatte er schon lange nicht mehr. Aber da nur Hideto ihn hören würde, verging das auch schnell wieder, nachdem er ein paar Mal tief durchgeatmet hatte. Also begann er zu lesen.
 

Das Feuer knisterte nur noch leicht, als Camui mit dem Buch durch war. Er hatte immer weiter lesen müssen, da ihn der Andere darum gebeten hatte. Irgendwann hatte er dann auch einfach nur noch gelesen und es als sehr angenehm empfunden, dass sein Retter ihm so nah war. Er bemerkte aber auch erst jetzt, dass genau dieser den Weg ins Reich der Träume gefunden hatte. Mit einem sanften Lächeln legte er die Schrift bei Seite. Vorsichtig brachte er den Körper des kleineren Mannes in eine liegende Position. Sollte er ruhig ein wenig schlafen. Den Abendrundgang würde er auch alleine schaffen. Doch zuerst: „Zuerst sollte ich dir aber eine Decke besorgen.“ Und noch mal etwas Holz ins Feuer legen, bevor es ganz aus ging. Ein weiterer Scheit landete in der Feuerstelle, um dem wärmenden Element ein wenig Appetit zu machen. Anschließend holte er aus ihrem Schlafzimmer eine Decke, die er nun über den Anderen legte. „Ich bin bald wieder zurück“, sagte er noch leise und strich ein paar Strähnen aus dem schlafenden Gesicht.
 

Als Hideto erwachte, war er alleine in dem Raum und das Feuer knisterte nur noch schwach. Sich müde über die Augen reibend, sah er sich um, konnte in dem recht dunklen Raum nicht viel erkennen. Nur eben, dass der Andere nicht da war.

„Camui-kun?“, fragte er dennoch. Vielleicht befand sich der Gesuchte ja noch in Hörweite. Keine Antwort. Also schlug er die Decke, die ihm über gelegt worden war, zur Seite und stand auf. Wo könnte sein Freund nur sein? Um das Feuer hatte sich jedenfalls schon eine Weile niemand gekümmert. Doch wenn er genauer hinhörte, dann vernahm er ganz leise etwas Musik. Das kam von draußen. Jetzt wurde er neugierig. Er ging zur Tür, wo er sich seine Schuhe anzog und den Raum verließ. Hier draußen war es schon etwas lauter. Und es schien von dem Platz vor dem Schrein zu kommen. Tatsächlich wurde die Musik immer deutlicher, je näher er dem vorderen Bereich kam. Dazu konnte er Gesang hören.

„Eh?“, verwundert blieb er stehen. Die eine Stimme kam ihm vertraut vor. Er setzte seinen Weg schneller fort, bis er um die letzte Ecke sehen konnte. Ah, daher kam die Musik. Etwas abseits vom Torii saß eine Gruppe Musiker und unter ihnen befand sich Camui. Daher war ihm diese eine Stimme so bekannt vorgekommen. Er hielt eine Shamisen in seinen Händen und bekam von den Männern und Frauen um sich scheinbar das Spielen auf dem Instrument, sowie Gesang beigebracht.

Langsam näherte er sich der ausgelassenen Gruppe, die sich um den Mann mit den blauen Augen gescharrt hatte und ihm aufmerksam beim Spielen zuhörten.

„Und Ihr wollt mir erzählen, dass ihr noch nie auf diesem Instrument gespielt habt? Das glaube ich nicht.“

„Doch, doch. Ich sage die Wahrheit. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie die Chance gehabt irgendein Instrument zu spielen.“

„Dann seid Ihr einfach ein Naturtalent. So etwas hab ich noch nie gesehen.“

Verlegen kratzte sich Camui am Hinterkopf. Solche Komplimente war er nicht gewohnt. „A- Arigatô.“

„Kommt, wir singen noch ein Mal das Lied, dass wir euch beigebracht haben.“

Hideto war in einiger Entfernung stehen geblieben und erlaubte sich zu lauschen. Er mochte die Singstimme seines Freundes. Da wollte er natürlich in den Genuss davon kommen, wenn sich die Gelegenheit schon mal bot.

Es war ein einfaches Volkslied und Camui sah so glücklich aus, wie er dort mit den Anderen sang. Das Spiel auf dem Instrument forderte zwar noch seine Konzentration, doch alles zusammen wirkte bei ihm so natürlich. Sein Freund sollte wirklich überlegen das auch weiterhin zu machen. Schließlich bereitete es ihm Freunde und schien ihn auch von anderen Dingen abzulenken.

'Gott der Musik', schoss es ihm durch den Kopf, was ihn den Gesang leider nicht mehr genießen ließ. War er also doch göttlicher Abstammung? Unweigerlich stellte er sich den Größeren wieder in der feinen Kleidung vor, die dieser vor einiger Zeit geschenkt bekommen hatte. Hideto merkte, wie sehr ihn diese Vorstellung faszinierte und ein leichtes Rot legte sich auf seine Wangen, weil er merkte, dass er ins Schwärmen geriet.

In der Zwischenzeit war er von Camui entdeckt worden, der sein Spiel unterbrach und zu ihm herüber kam.

„Hideto-kun, du bist wieder wach?“

„Uhm... Hai.“

„Haben wir dich geweckt?“, fragte er nach und sah ihn schuldbewusst an.

„Oh nein. Nein, das habt ihr nicht. Ich bin von alleine wieder wach geworden. Ich habe mich lediglich gewundert, wo du bist.“

„Entschuldige. Ich war los gegangen, um die Lichter zu entzünden und bin dabei auf die Gruppe Musiker getroffen, die ein Gebet gesprochen hat. Wir sind dann ins Reden gekommen und irgendwie dann auch zur Musik.“ Darüber hatte er völlig die Zeit vergessen. Aber es hatte viel Spaß gemacht. Wobei er mindestens ebenso erstaunt war, dass ihm das Spielen auf der Shamisen so leicht fiel. „Das war schön.“

„Das freut mich für dich.“

„Oi, Camui-san. Wollen wir noch weiter machen?“, rief ihm ein junger Mann hinterher.

Er wollte schon gerne, aber... „Magst du dich mit zu uns setzen, Hideto-kun?“

„Gerne doch, wenn die Anderen nichts dagegen haben.“

„Bestimmt nicht.“ Vor Freude strahlend ergriff Camui das Handgelenk des Freundes und zog ihn mit zu den wandernden Musikern, nicht merkend, wie verlegen der Kleinere wurde, da er ein Kribbeln in seinem Bauch spürte. Dieses ehrliche, strahlende Lächeln hatte ihn gerade einfach umgehauen.



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