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Ein Date zu Viert

von

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KAPITEL 2
 

Ruiza war sprachlos, mit großen Augen starrte er den größeren Mann vor sich an. Sein Atem stockte.
 

»Ich lass dich hier nicht raus, bevor du mir nicht geantwortet hast!«
 

»Ich hab doch gesagt, dass ich nicht darüber reden kann«, stammelte der Eingekesselte zurück und zitterte.
 

»Ich weiß, aber ich weiß auch, dass es was mit mir zu tun hat, ich bin weder blöd noch blind ...«
 

»Es hat keinen Sinn ...«
 

Einen Moment war Hide-zou still – er schluckte, senkte den Blick. »Hat unsere Freundschaft dann auch keinen Sinn?« Dann lehnte er sich zurück, schob die Hände wieder in die Hosentaschen.
 

Ruiza fiel von einem Loch ins andere. Was war denn nur los? Warum eskalierte mit einem Mal die ganze Situation? Nun musste auch er schlucken, sein Kopf neigte sich nach unten und dann zur Seite, sein seitlicher Pony verdeckte sein Gesicht, die Augen, die langsam feucht wurden. Was sollte er denn darauf nun antworten? Er saß wie ein Kaninchen in der Falle. Wenn er etwas sagte, zerstörte er womöglich ihre Freundschaft, wenn er nichts sagte, dann irgendwie auch ... oder bewertete er die Sache gerade über?
 

Warum muss alles auf der Welt immer so kompliziert sein?
 

Seine Hand schlich sich zum Tastenpult, er drückte die Taste erneut, der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Er dachte an die anderen, die warteten.
 

»Ich verstehe«, sagte Hide-zou nur ruhig, endgültig und stellte sich wieder mit dem Gesicht zu den Türen, die gleich aufgleiten würden.
 

»Warte! So ist das nicht gemeint. Unsere Freundschaft bedeutet mir unheimlich viel ... Genau deshalb möchte ich nicht reden ...«
 

Es bingte, die Türen öffneten sich.
 

»Und du meinst, es wird besser, wenn ich weiß, dass da etwas ist – das nebenbei bemerkt etwas mit mir selbst zu tun hat – und ich weiß, dass du es mir verschweigst ...? Ist das dein Ernst?«
 

Es folgte eine Pause. Ruiza wusste nicht, was er auf diesen Vorwurf antworten sollte. Er hatte das Gefühl, es mit jedem Satz schlimmer zu machen.
 

»Pah ... ich könnte platzen!«, spie der Ältere beinahe tödlich beleidigt aus.
 

Ruiza wischte sich hektisch eine Träne weg. Das konnte doch nicht wahr sein! Kaum durch die Tür bogen beide in verschiedene Richtungen ab.
 

Hide-zou blieb verdutzt stehen. »Was soll das denn jetzt?«
 

»Ich muss allein sein ...« Mit zusammengekniffenen Augen rannte Ruiza davon.
 

»Du bist doch kein kleines Kind mehr!« Hide-zou grübelte bereits, als er dem anderen hinterherschaute. Er hatte das Gefühl, dass er zu weit gegangen war, aber er war gerade zu stolz, um dem anderen nachzulaufen. Viel mehr fragte er sich, was er ihm sagen sollte.
 

Wie mit der Gedankenpost klingelte sein Telefon. Tsunehito rief ihn an. Genervt und überfordert von diesem Tagesbeginn ging er ran.
 

»Hallo, Schatz«, ertönte es am anderen Ende. Es war nicht Tsune ... es war ... URUHA!
 

»Schatz?«, fragte er skeptisch. Da war sie wieder, die flippende Augenbraue. Seine Arme überzogen sich sofort mit Gänsehaut.

»Ja, Schatz ... alle sehnen sich hier nach dir ... und ich auch ...«
 

Hide-zou konnte das katzenhafte Grinsen durch die Leitung hören. »Woher hast du dieses Smartphone?«
 

»Hab den Besitzer gefesselt und geknebelt.«
 

»Aha.« Er hörte Tsunehito lachen und etwas mit der Hand vor dem Mund in das Mobiltelefon murmeln. Das hatten sie zusammen ausgeheckt. »Bin auf dem Weg.«
 

»Will ich auch hoffen. Als Lösegeld verlange ich eine Packung feiner Mochis mit Schoko-Geschmack.«
 

»Sonst noch Wünsche?«
 

»Ja, beeil dich! Wenn nicht, bin ich so hungrig auf Süßigkeiten, dass ich den Besitzer dieses Smartphones aufnaschen werde und dann findest du nicht mehr als eine leere Verpackung aus Schnallen und Leder!«
 

Hide-zou hatte mit jedem Worte ein wenig mehr Farbe bekommen. Ja, nachdem gestrigen Abend konnte er sich das lebhaft vorstellen. So wie du mich gestern? Das hätte er am liebsten geantwortet, aber er wusste nicht, ob das Smartphone auf Lautsprecher eingestellt war. Na, da verstehen sich ja welche prächtig, dachte er. »Ich mach mich gleich auf den Weg.«
 

»Und bring bitte auch Ruiza mit, aber keine Polizei! Verstanden?«
 

»Das mit Ruiza ist grad schlecht ... Er ...«
 

»Hm? Was ist denn ...?«
 

»Er braucht ein wenig Ruhe. Wir haben uns gefetzt.«
 

»Oh, habt ihr euch geprügelt?«, fragte Uruha entsetzt und hatte spätestens damit die gesamte Aufmerksamkeit aller im Raum erreicht.
 

»Nein, nein, eine Meinungsverschiedenheit ...«
 

»Das klingt ja nicht so gut ...«
 

Mit einem Wisch hatte Tsunehito sein Telefon in der Hand. »Was ist los? Seid ihr Zwei okay?«, fragte er aufgeregt.
 

»Ja, körperlich jedenfalls ...«
 

»Worum ging es denn?«
 

»Das weiß ich nicht ... Es ging um das, was er mir verschweigt. Das kann ich euch nicht am Telefon erzählen ... Ich komm erst mal zu euch.«
 

»Ruiza kann bei dem Interview für die Zeitung fehlen. Trotzdem mache ich mir Sorgen ... Das ist sonst nicht seine Art. Er muss sehr gekränkt sein.«
 

»Danke, dass du mir ein schlechtes Gewissen einredest ...«
 

»Entschuldige ...«
 

»Schon gut. Ich bin in fünf Minuten bei euch.«
 

»Okay, bis gleich.«
 

»Bis gleich.«
 

~~~
 

»Klingt nach Ärger im Paradies«, sagte Aoi ganz unpassend und bereute es im gleichen Moment wieder.
 

»Ich sehs schon kommen; so heißt unser nächstes Album ... Ärger im Paradies. Ich verstehs nicht«, sagte Hiroki, »seit wir hier sind, läuft alles drunter und drüber ...«
 

»Ja, ich kann auch nicht nachvollziehen, dass die beiden sich so fetzen. So eine Reaktion hätte ich von Ruiza gar nicht erwartet. Er geht doch sonst keiner Konfrontation aus dem Weg, sucht immer zuerst das Gespräch ...« Mit dem Denkerfinger am Kinn setzte sich der Drummer von D wieder.
 

Kai versuchte, alle zu beruhigen: »Vielleicht will er auch nur ein wenig allein sein ...«
 

»Oder noch mal kurz nach Hause ...« Alle drehten sich zu Asagi um. »Er hat gestern schon gesagt, dass er gern für eine kleine Weile rüberfahren und nach dem Rechten sehen wolle.«
 

»Dann wird er das auch gemacht haben«, kam es von Reita, während Ruki wieder vom Duschen zurückkam.
 

»Gibt’s Ärger?«
 

»Ja«, sagte Hiroki. »Ärger im Paradies.«
 

~~~
 

Ruiza war tatsächlich auf dem Weg nach Hause. Gleich, aber bestimmt in fünf Minuten würde er sich beim Bandleader Tsunehito melden, aber was sollte er sagen? Was hatte Hide-zou den anderen wohl berichtet? Mist. Dieser Tag war mit Abstand der schlimmste von allen seit Anfang des Jahres ... Er stieg aus und ein paar Augenblicke später war er auch schon angekommen, schloss auf. Er trat ein, in seine kleine Oase. Als die Tür hinter ihm zufiel, fiel auch seine Maske von ihm ab, die er aufgesetzt hatte, falls doch jemand durch die Gläser der Sonnenbrille seine Augen hätte sehen können. Er hätte mit Hide-zou reden sollen ... ihm alles sagen sollen ... sagen sollen, dass er ... verliebt war, in ihn, oh mein Gott.
 

Wie ein nasser Sack rutschte er zu Boden, schmiss die Sonnenbrille durch den Flur, seine Finger gruben sich in seine Haare. Er schluchzte, verdammt, er war doch kein kleines Kind mehr! Was sollte das denn? Nun fühlte er sich noch viel kleiner als irgendwann zuvor. Er war so ein Idiot. Er war doch sonst kein Hasenfuß gewesen.
 

Dies hier war sein schwacher Moment. Aber schon im nächsten Augenblick musste er wieder stark sein.
 

Er starrte auf die Uhr. Es waren schon zehn Minuten vergangen, er hatte nicht angerufen und sollte es auch in den nächsten zwei Stunden nicht tun ...
 

~~~
 

Aoi flippte die Zigarette in seiner Hand. Gleich würde er seinen »Termin« bei der Stylistin haben. Es war ein Uhr zwanzig, eine kurze Pause war drin, dachte er, schnappte sich sein Zippo und das iPhone, das binnen weniger Monate in harmonischer Symbiose ein Teil seiner Selbst geworden war. Den ganzen Tag über hatte er schon über das nachgedacht, was er gestern Abend gesehen hatte. Uruha und Hide-zou. Das wollte immer noch nicht in seinen Kopf. Es versetzte ihm jedes Mal einen Stich. Aber das war er bereits gewöhnt. Es war ihm immer so gegangen, wenn sein Gitarrenpartner eine neue Flamme hatte. – Allerdings war die bis hier hin immer weiblich gewesen. Oder hatte Uruha schon öfters etwas mit einem Mann gehabt und das immer heimlich getan? Aois Blut geriet in Wallung, sein Herz klopfte bei dem Gedanken, dass er selbst eine Kerbe in seinem Brett sein könnte, eine geheime eingefaltete Seite in dem Tagebuch seines Lebens. Nein, das hätte er sich nie getraut! Entweder aus der Sache mit Hide-zou wurde etwas Ernstes oder die beiden hatten sich getroffen, um sich unverbindlich an der Sinnlichkeit eines anderen zu laben.
 

Er wurde rot bei dem Gedanken daran, ob er einen Trend verpasst hatte, ob man sich neuerdings ganz klammheimlich traf für das ein oder andere Stelldichein ohne Gefühle. Der Reiz des Verbotenen. Früher hätte ihn so ein Gedanke aus der Bahn geworfen – ja, er hätte ihn verleugnet, verleugnet, dass er sich für einen Mann interessierte. Aber er machte gerade eine seltsame Wandlung durch. Die Art, wie er sich nach außen gab, hatte sich nicht geändert, aber seine innere Einstellung war nun anders. Früher hatte ihn der Vorwurf schwul zu sein, wütend gemacht, aber mit Uruha hatte diese Abwandlung eines Techtelmechtels eine Art Schick erhalten. Aber er war sich sicher, sollte das mit Hide-zou nur eine Quick-Affäre gewesen sein und er würde sich Uruha anbieten, würde dieser ihn abweisen – schließlich mussten sie auch weiterhin professionell miteinander zusammenarbeiten können – und wenn nicht? Wenn er ihn nicht zurückweisen würde? Was dann? Wenn er sich kopfüber in so ein Abenteuer stürzen würde – nur eine Nacht – das wusste er, würde er nie wieder die Finger von dem honigblonden Gitarristen lassen können ...
 

Aoi schlenderte durch den Flur, er wollte nun eigentlich aufhören zu grübeln. Es brachte ja eh nichts. Er musste abwarten, was sich da nun mit den anderen beiden entwickelte. Nein, er mochte gar nicht darüber nachdenken.
 

Da kam ihm Ruiza entgegen. Er schaute nochmals auf die Uhr. Mannomann, da war der D-Gitarrist aber mächtig spät dran. Er sah gar nicht gut aus. Aoi erinnerte sich an den sehnsüchtigen Blick von Ruiza auf Hide-zou vom Vortag. Das hatte er vor Schock völlig ausgeblendet!
 

Der Blonde bog in einen abgelegenen Raum ein.
 

Er nutzte die Gelegenheit spontan. Es war blödsinnig, was er vorhatte. Warum kam ihm gerade jetzt der Gedanke mit dem anderen zu reden? Vielleicht weil sie beide im selben Boot saßen?
 

Vorsichtig sah er um die Ecke: Es war tatsächlich niemand anderes im Raum. Einen Moment zögerte er noch, vielleicht wäre es auch besser, wenn er ihn in Frieden ließe, vielleicht wollte er auch einfach allein sein?
 

»Oh, Aoi-san«, sagte Ruiza überrascht.
 

Zu spät ... oh, oh ... mehr oder weniger geschmeidig bog er nun komplett um die Ecke ins Zimmer hinein. War er denn vollkommen bescheuert? Wie sollte er denn das jetzt anfangen?
 

»Du hast bestimmt heute morgen mitbekommen, dass ich zu spät gekommen bin«, fing Ruiza von sich aus an.
 

Der Ältere war überrascht. »Ja, habe ich ... Auch, dass du dich wohl mit eurem zweiten Gitarristen gestritten hast.«
 

»Oh, das auch?«
 

»Ja.«
 

»Es tut mir leid, ich wollte keinen schlechten Eindruck hinterlassen ...«
 

»Hast du nicht. Ich weiß, dass es gerade, wenn man so oft und nur aufeinanderhockt, schwierig ist, sich zu vertragen ...«
 

»Ich schwöre, das war eine Ausnahme ...« Ruiza hob die Hand zum Schwur.
 

»Das glaube ich dir ...«
 

Einen Moment lang wussten beide nicht, was sie sagen sollten.
 

»Aoi-san?«, kam es leise von Ruiza.
 

»Ja.«
 

»Ähm ... gestern Abend ... als ich Hide-zou ...« Weiter kam er nicht. Er drehte sich zur Seite. Ach, dachte er, vielleicht hat Aoi-san auch gar nichts gemerkt, gestern, von meinem ...
 

»Du meinst deinen sehnsüchtigen Blick auf Hide-zou gestern Abend? Den habe ich bemerkt ...«
 

Zum dritten Mal an diesem Tag konnte Ruiza die Augen nicht wieder zubekommen. Also hatte Aoi-san das doch richtig verstanden! Er legte unbewusst die Hand auf sein Herz. Das war ihm peinlich. Ihm wurde kalt. »W-wirklich?«
 

Auch Aoi schaute zur Seite. Er hätte nicht so salopp antworten sollen. Nun hatte er den Kleineren wohl in Verlegenheit gebracht. »Du ...« Oh, jetzt wurde er der Bohrer der Nation. »... empfindest mehr für ihn als nur Freundschaft ... habe ich recht?«
 

Ein paar Sekunden lang war nur das Ticken der Uhr zu hören. Eine Träne fiel von Ruizas Wange zu Boden.
 

»Entschuldige, ich wollte dir nicht ...« Dieses Gespräch war wirklich eine blöde Idee. Da hatte er wohl mehr aufgerissen als er dachte.
 

»Ist schon gut ... ich weiß nur nicht ... was ich dazu sagen soll ...«
 

»Weiß er es denn?«
 

»Nein ...«
 

»Möchtest du, dass er es weiß?«
 

Nun war Ruiza wieder sprachlos. Möchtest du, dass er es weiß? Das war wie ene Schlüsselfrage für sein Problem. »Ich weiß es nicht ...«
 

»Ist die Ungewissheit, die dich quält ...«
 

»Ja. Das belastet mich am meisten«, sagte er und schaute überrascht zu dem schwarzhaarigen Mann vor sich.
 

»Wie lange beschäftigt dich das schon?«
 

»Sehr lange ...«
 

Aoi setzte sich auf den Tisch. »Was heißt ‘sehr lange’ konkret?«
 

»In etwa zwei Jahre ... Ich meine, vor zwei Jahren ist es mir erst so richtig bewusst geworden ...«
 

»Aha ... und wodurch?« Aoi war sich schon wieder unsicher. War er hier nicht einfach zu neugierig?
 

»Ähm ... warum interessiert dich das? Du kennst mich gar nicht.« Ja, er war zu neugierig.
 

Aois offenes Gesicht verdunkelte sich. Er machte ein wenig zu, dennoch wollte er Ruiza keine Antwort schuldig bleiben. »Weil es mir ... ähnlich geht wie dir«, sagte er halblaut. Hatte er das wirklich gesagt? Ja, das hatte er. Er begab sich genauso auf Neuland. Vorsichtig hob er das Gesicht wieder; ihre Blicke trafen sich.
 

Ruiza drehte sich zu ihm. Das Eis war gebrochen. »Also bist du auch unglücklich in ein Mitglied deiner Band verliebt.«
 

Langsam nickte Aoi.
 

»Und in wen ...?« Nun durfte der andere ein Mal neugierig sein.
 

»Uruha«, sagte Aoi ganz verheißungsvoll.
 

Ein kurzes Lächeln ging über Ruizas Gesicht. Er fand den Umstand, dass sie beide ihre Gitarrenpartner liebten, grandios niedlich. Seine Mundwinkel hoben sich weiter. Er blinzelte süß und ließ den Blick zur Seite segeln. »Deshalb wusstest du gleich, was mit mir los ist.«
 

»Ja. Na ja, ich hätte auch genauso gut furchtbar in das größte Fettnäpfchen aller Zeiten springen können. Das wäre so groß, dass dort der ganze Aoi hineinpassen würde ...« Er machte ein Gesicht wie ‘Stell dir das mal vor!’, und fuchtelte mit den Armen, und es stimmte: Aoi hatte einfach ins Blaue gefragt und das hätte gehörig schief gehen können. Beide mussten erleichtert aufkichern.
 

»Hast du’s ihm gesagt?« Ruiza war so aufgeregt, dass er sich zu dem anderen auf den Tisch setzte.
 

»Nein, bisher nicht ...« Entspannter als vorher fing der Ältere an, mit seinem Zippo-Feuerzeug zu spielen. »Aber seit ich gehört habe, dass Uruha durchaus nix dagegen hat, etwas mit einem Mann anzufangen, denke ich jetzt wieder intensiver darüber nach. Ich grübel gerade, ob ich das wirklich sooo hochoffiziell machen muss. Oder ob ihn einfach, na ja, verführen sollte ...«
 

Vier rote Ohren gaben sich glühende Zeichen.
 

»Dann bist du wohl schon ein wenig weiter als ich ... das würde ich mich niemals trauen ...«
 

»Ich hab auch nicht gesagt, dass ich mich das trau, nur, dass ich darüber nachdenke ...« Wieder lächelten sich beide an.
 

»Du meinst, du würdest ihm eine Affäre anbieten?«
 

»Wieso nicht?«
 

»Vielleicht sollte ich das auch nun?!«
 

»Vielleicht ...« Jetzt hatte Aoi sich ein Eigentor geschossen. Was, wenn sich zwischen Uruha und Hide-zou etwas entwickelte? Da konnten beide sich doch nicht dazwischenklinken.
 

»Nein, das trau ich mich nicht ... Nicht nach der Aktion heute Morgen.«
 

»Was ist denn passiert?«
 

»Ach, wir haben uns so in Rage geredet. Und eh ich mich versah, hat Hide-zou mich mit sich in den Fahrstuhl eingesperrt und wollte mich zwingen, ihm zu sagen, was los ist. Ich ... ich hab total dicht gemacht ... ich wusste einfach gar nicht, wie ich reagieren sollte. Ich hätte ihm die Wahrheit sagen sollen ...«
 

»Ja, hättest du. Dann wärst du deine quälende Ungewissheit los.«
 

»Ich hab Angst, dass ich unsere Freundschaft kaputt mache ...«
 

»Ich weiß ...« Diesen Satz hatte Aoi sich schon so oft in Gedanken selbst gesagt. »Ich weiß genau, was du meinst.«
 

Nun waren beide wieder nachdenklich.
 

»Aber du musst auch vorwärts kommen. Kannst nicht immer auf einem Punkt bleiben ...« Ihm diesen Ratschlag zu geben, war schmerzvoller als gedacht. Egal für wen Hide-zou sich entscheiden würde, egal ob er sich entscheiden würde, irgendjemand würde verletzt. Es war einfach ... Er fand innerlich keine Worte dafür. Aber irgendwann musste der Knoten ja mal platzen.
 

»Also, wenn ich mich trauen wollte, dann musst du dich aber auch trauen!«, grinste er frech. »Jetzt ehrlich ... Ich mein das ernst ...« Einen kurzen Moment wurde Aoi erwartungsvoll angesehen. Dieser kleine Blonde meinte das wirklich ernst! Aois Herz klopfte. Aber sie waren nun Brüder im Geiste.
 

»Einverstanden!« Ein Handschlag besiegelte die Sache.
 

»So wie es jetzt ist, sind wir wahrscheinlich beide unzufrieden ... Hide-zou und ich, meine ich.«
 

»Wie war denn die Stimmung heute ...?«
 

»Eisig ... Wir haben auch kein Wort miteinander gesprochen.«
 

»Das ist ja ziemlich böse für eure Zusammenarbeit.«
 

»Das tut mir noch zusätzlich weh ...«
 

»Ja.« Aoi holte sein Smartphone heraus. »Ich gebe dir mal meine Nummer. Dann können wir uns gegenseitig auf dem Laufenden halten ... Und wenn du mal reden möchtest ...«
 

Ruiza hatte verstanden. Aoi musste zu seinem Termin, er brauchte die Zeit später schließlich noch, um sich vorzubereiten. Und er selbst hatte auch noch einiges zu tun.

Sie tauschten die Nummern. Kurz vor der Tür blieben sie stehen.
 

»Hab Mut. Wer es wert ist, geliebt zu werden, der ist auch die Wahrheit wert.«
 

Hide-zou war es, definitiv. Aus irgendeinem Grund hatte Ruiza plötzlich einen Impuls, dem er unbedingt folgen musste.
 

Aois Hand an der Klinke rutschte ab, als der Kleinere von beiden ihn umarmte. Sie kannten sich doch gar nicht, aber dennoch waren sie sich verbunden. Diese höchstunjapanische Geste war Aoi jedoch nicht zu viel. Er erwiderte sie einfach. Die Tür klappte unbemerkt auf.
 

»Hau sie heute alle weg, Aoi!«, sagte Ruiza ruhig mit geschlossenen Augen. Er blinzelte und schaute über Aois Schulter auf die Uhr. »Ich glaube, du musst los ...«
 

Sie ließen einander los und lächelten. Sie bemerkten aber in ihren Abschiedsfloskeln nicht, dass Hiroki die ganze Szenerie beobachtet hatte. Verdutzt schaute er beiden Männern hinterher und zählte eins und eins zusammen.
 

~~~
 

Als Aoi nach dem Styling ihren Aufenthaltsraum wieder betrat, hätte er sich am liebsten umgedreht und sich übergeben. Anscheinend hatten D – inklusive Ruiza – ihr Interview bereits beendet, denn der jüngere D-Gitarrist saß auf der Couch gegenüber von Tsunehito und Reita, die anscheinend ziemlich Spaß daran hatten, nur auf ihren Bassgitarren zu schrubben. Hiroki und Kai duellierten sich in der Drumstick-Jonglage und Asagi konnte sich anscheinend nicht entscheiden, ob er sich über diese Szenerie nur wundern oder freuen sollte. Er hob den Blick und nickte Aoi zu, der jetzt schwer schluckte und auf sein persönliches Brechmittel zusteuerte.
 

Uruha strahlte aus sich heraus, während er die neue grüne Hellion nach Gehör stimmte und immer wieder den Kopf hob, weil Hide-zou ihn ansprach. Als er dem älteren D-Gitarristen dann auch noch die Hellion gab, um sie anzuspielen und die Gestimmtheit zu überprüfen, wollte Aois Magen erneut rebellieren, aber er hielt sich zurück und setzte sich auf den freien Platz neben Ruiza.
 

»Wir betreiben hier ziemliches Rudelverhalten, was?«, fragte Ruiza, ohne Aoi anzusehen, aber er wusste, dass der GazettE-Gitarrist ebenfalls die anderen beiden Gitarristen im Auge hatte.
 

Aoi seufzte. »Ja ...« Nach gefühlten zwei Stunden, in denen nichts passiert war, außer dem Lachen der Gitarristen, zufällige Berührungen, Blickwechsel, die Aoi und auch Ruiza beobachtet hatten, holte Aoi sein iPhone heraus – und resignierte. Zähflüssige zehn Minuten waren vergangen. »Hey, Rui-chan?«
 

»Hm?« Dieser Laut klang sehr gedämpft. Ruiza presste sehr verbissen die Lippen aufeinander.
 

»Magst du mit rauskommen? Eine rauchen?«
 

Der blonde D-Gitarrist schaute auf die Uhr und nickte. Dann standen sie gemeinsam auf und verschwanden aus dem Proberaum.
 

Bis zu diesem Augenblick waren Hide-zous Gedanken von Uruha beherrscht gewesen. Ihr Miteinanderumgehen gefiel ihm sehr gut. Er fühlte sich in diesen Momenten frei und gleichzeitig war es so, als würde er ein Geheimnis hüten. Und das tat er ja auch. Aber jetzt zerbiss er sich fast die Unterlippe. Wie konnte er an die Information gelangen, die Ruiza vor ihm verbergen wollte? Er war sich nicht sicher, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. Er hatte klar überreagiert. Und Ruiza hatte das sicher nicht als Freundschaftsbruch gemeint, aber es schmerzte ihn, eine wahrscheinlich so wichtige Sache über seinen Partner nicht zu wissen. Das beschäftigte ihn so sehr, dass er erst etwas anderes wieder wahrnahm, als Uruha ihn an der Hand berührte, die fest umklammert den Gitarrenschaft hielt.
 

»Wollen wir uns ein bisschen die Füße vertreten?« Als er das sagte, jedoch war in Uruhas Stimme kein anzügliches Timbre zu finden, nur ehrliche Sorge und Hilfsbereitschaft leuchteten in seinen Augen.
 

»Ja, ein bisschen frische Luft würde mir ganz gut tun«, sagte er und stellte im Hinausgehen die Gitarre auf ihren Ständer zurück.
 

»Wir sind gleich wieder zurück!«, verkündete Uruha und winkte den anderen Kollegen.
 

Tsunehito hob den Kopf und lächelte. »Alles okay bei euch?«
 

»Ja, wir tanken nur ein bisschen Sonnenlicht«, erklärte Hide-zou, der somit die Türklinke in die Hand nahm, die Tür aufzog, damit Uruha hindurchgehen konnte. Dabei wäre der Größere fast gegen den GazettE-Sänger geknallt, der vom Stylingtermin zurückkam.
 

»Ruki, du siehst aus ...« Uruha ließ den Satz unvollendet.
 

»Ähm ...« Ruki verschränkte die Arme vor der Brust, was die roten Handschuhe fast versteckte. »Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten.«
 

»Ich mag das Outfit, ehrlich, aber diese Mütze ... du siehst aus wie ein schwuler Polizist.« Uruha grinste entschuldigend.
 

»Und wenn das meine Absicht war?«, konterte Ruki schnell.
 

»Dann ist es dir sehr gut gelungen, muss man schon sagen. Also, wir gehen raus.« Wieder winkte Uruha und ließ dieses Mal zuerst Hide-zou durch die Tür gehen, ehe er sie hinter sich ranzog. Im Flur hörten sich noch Reita fragen: »Und? Wolltest du als schwuler Polizist auf der Bühne stehen? Dann hättest du auch beim nächsten YMCA-Festival mitmachen können ...« Ruki wusste wieder, was zu antworten war: »Es tut mir leid, Reita, ich hab dir doch schon gesagt, dass ich an dem Tag keine Zeit habe, um dich zu begleiten!« Die Männer im Raum grölten und Uruhas Grinsen verstärkte sich, bevor er die Augen schloss und kopfschüttelnd die ersten Schritte den Flur hinunter machte.
 

»Das hast du mit Absicht gemacht!«, platzte es aus Hide-zou und erntete dafür einen fast bösen Blick.
 

»Was habe ich mit Absicht gemacht?«, erkundigte sich Uruha mit erhobenen Augenbrauen.
 

»Die Aufmerksamkeit unserer Kollegen von uns abgelenkt«, plapperte er weiter. »Du hast gar nichts gegen Ruki-sans Outfit!«
 

»Doch, ich kann diese Mütze wirklich nicht leiden. Überhaupt ist das ganz schön frech von dir, was du mir da unterstellst!« Uruha grinste noch spitzbübischer und grüßte einen weiteren Musikerkollegen, der ihnen entgegenkam. »Als würde ich meine und auch deine Kollegen je linkisch und mit voller Absicht täuschen wollen! Das käme mir doch nie in den Sinn!« Jetzt lachte er. »Aber es hat hervorragend funktioniert, das musst du zugeben!«
 

»Ja, hat es!« Jetzt lachten sie gemeinsam und stiegen die Treppen zum Dach hinauf, wo sie die schwere Tür aufstemmten und sich beim Einrasten der Tür in die Arme fielen und sich küssten. »Verdammt«, fluchte Hide-zou gedämpft zwischen zwei Küssen. »Ich wollte gar nicht ...«
 

Uruha löste sich von ihm und sah ihm unter schweren Lidern in die Augen. »Dann lass uns aufhören ...«
 

»So war das gar nicht gemeint!« Trotz seiner Worte hielt Hide-zou den jüngeren Gitarristen auf Abstand zu sich, drehte sich um und raufte sich die Haare. »Ich meine, deswegen ... sind wir doch eigentlich nicht hier hochgegangen, oder?«
 

Uruha blinzelte.
 

»Ich dachte, du wolltest mit mir reden ...«
 

Dann ließ der Größere die Schultern sinken, die Anspannung verließ seinen Körper. »Ja, ich wollte mit dir reden. Das mit Ruiza reibt dich mehr auf als du vor deinen Kollegen zugeben willst, stimmts?«
 

»Das siehst du mir an?«
 

»Die anderen wahrscheinlich auch, aber sie sind sich unsicher, ob sie die Erlaubnis haben, dich zu fragen, was genau passiert ist. Komm mit.« Gemeinsam gingen sie zum Dachvorsprung und setzten sich dort nebeneinander auf den Fußboden. »Also, was ist geschehen?«
 

»Ruiza hat mich berührt. Zärtlich berührt, während er dachte, dass ich schlafe.«
 

»Oh.« In Gedanken schien Uruha Worte wie Felsen zu wälzen, die er kaum bewegen konnte. »Und daraufhin hast du ihn angesprochen?«
 

»Natürlich. Ich kann doch so etwas nicht einfach auf mir sitzen lassen. Außerdem verhält er sich in letzter Zeit so merkwürdig. Aber ich kann das nicht einordnen.«
 

»Wenn du mich fragst ... vielleicht empfindet er etwas ... mehr für dich?«
 

»Was meinst du mit etwas mehr? Dass er mich liebt oder so etwas?« Hide-zou wäre fast schockiert gewesen, wenn er nicht vergangene Nacht mit dem heißen GazettE-Leadgitarristen rumgemacht hätte. »Sollte er mir so etwas nicht verraten können? Ich meine, wofür sind wir sonst Freunde?«
 

»Und du hättest ihm was geantwortet?« Der blondierte Gitarrist fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. »Oh, Ruiza, tut mir leid, dass du mich magst, aber wir können nicht mehr als Freunde sein?«
 

»Hältst du mich für so kaltherzig?!«, fuhr der Ältere ihn an.
 

»Ich halte dich für vieles, aber Kaltherzigkeit zähle ich nicht zu deinen Attributen«, erwiderte Uruha ruhig und legte eine Hand auf Hide-zous Schulter. »Ich weiß nur, dass man als Jemand, der etwas mehr empfindet als er sollte, sehr kompliziert sein kann, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen.«
 

Hide-zou stockte der Atem. »Uruha, du ... bist du etwa ... in mich?«
 

Ein verlegenes Kichern erkämpfte sich seinen Weg aus seiner Kehle. »Nein, nein, so war das nicht gemeint. Und ich denke, das ist dir auch ganz recht so, oder?«
 

»Ja, denke ich auch.« Schon waren seine Gedanken wieder woanders. Das war also der Moment, in dem sie darüber reden sollten, was da zwischen ihnen ablief. »Ich fand es gestern Abend sehr schön.«
 

»Und heute Morgen«, fügte Uruha frech hinzu.
 

»Ja, auch das ...« Der D-Gitarrist errötete bei der Erinnerung. »Was machen wir in Zukunft?«
 

»Hm ...« Uruha schwang sich verführerisch über Hide-zous Schoß, sodass er ihm ins Gesicht sehen konnte, legte sich aber einen Zeigefinger ans Kinn, als müsste er tatsächlich darüber nachdenken, was er ihm antworten sollte. »Wenn du nichts dagegen hast, dann ... könnten wir uns heute nach unserem Konzert wieder treffen? Und überhaupt könnten wir uns treffen, wenn wir, ja, Lust haben, uns zu sehen?«
 

»Was du da gerade machst, gehört verboten«, säuselte Hide-zou, zog an Uruhas lockerem Schlips, um diesen zu öffnen und zog den Blonden an den Stoffenden zu sich an die Lippen. Ein zarter Kuss wurde getauscht. »Ich bin einverstanden mit deinem Vorschlag.«
 

»Das hoffe ich doch!« Ein erneuter Kuss beendete ihre Unterhaltung für den Augenblick.
 

Hide-zous Hände fanden eine bessere Beschäftigung als den Schlips fest zu halten, denn er wusste, dass er Uruha auch anders auf seinem Schoß halten konnte.
 

~~~
 

»Darum bist du also hier ...« Hiroki lugte um die Türkante und nickte zufrieden, als er sah, wie sich Hide-zous Hände unter Uruhas Hemd stahlen und sogar in dessen schwarzer Hose verschwanden. »Das scheint ja hervorragend zu funktionieren ...« Vorsichtig schloss er die Tür wieder, sodass es kein lautes Geräusch gab. Er war nur schnell verschwunden, angeblich, um auf die Toilette zu gehen, aber eigentlich hatte er herausfinden wollen, wohin Hide und Uruha verschwunden waren. Er hatte sein Ziel erreicht.
 

»Würdest du uns bitte verraten, was hier so hervorragend funktioniert?«

Asagis tiefe Stimme ertönte direkt hinter ihm.
 

Hiroki drehte sich um. Jetzt saß er in der Patsche. Nicht nur Asagi, sondern auch Tsunehito standen hinter ihm und betrachteten ihn mit Argusaugen. »Was macht ihr denn hier?«
 

»Seit gestern das V-Rock-Festival gestartet hat, benehmen sich zwei Mitglieder der Band noch mehrwürdiger als sonst. Und du weißt anscheinend genau, warum sie das tun.« Asagis Stimme wurde nicht freundlicher.
 

»Also, genau genommen ... weiß ich gar nichts ... nur, dass Ruiza unseren lieben Hide-zou gern hat.«
 

Tsunehito und Asagi sahen sich an. Tsunehito war es, der dieser Aussage mit Pfeffer kommentierte: »Dass Ruiza in Hide-zou verliebt ist, ist uns schon seit langer Zeit klar. Aber du bist der Erste, der meint, sich in ihr Liebesleben einmischen zu müssen. Allerdings ist mir nicht klar, was Uruha-san mit dieser Sache zu tun hat.«
 

»Ähm ...«
 

»Und Aoi-san ist auch Teil deines Plans?«
 

»Was zwischen Aoi-san und Ruiza abgeht, kann ich nicht kommentieren, weil ich nichts darüber weiß.«
 

Asagi begann zu grinsen. »Ach, zwischen Aoi-san und Ruiza ist etwas?«
 

»Ähm ... Ich glaube, da ist eigentlich nichts. Nur ...« Hiroki dachte über das nach, was er vor ein paar Stunden zwischen den beiden beobachtet hatte. »Eine Verbundenheit würde ich sagen.«
 

»Verbundenheit?«, wiederholten der Sänger und der Bassist im Chor, was ihnen mit einem Nicken beantwortet wurde.
 

»Ja, so würde ich das nennen. Nichts weniger als Verbundenheit.« Er nickte sich selbst zustimmend erneut.
 

Tsunehito seufzte, verschränkte die Arme und sah Asagi an. »Also weiß er nichts von Ruiza.«
 

»Ja, so scheint es wohl.« Der charismatische D-Sänger kniff die Augen missbilligend zusammen. »Dann bleibt uns nichts anderes übrig als abzuwarten, was passieren wird.«
 

»Ja ...« Tsunehito seufzte und drehte sich langsam weg. Diese ganze Situation gefiel ihm nicht. Er hatte gehofft, falls ihre beiden Gitarristen mal zu zweit aufeinander treffen würden, könnte Ruiza Hide-zou endlich seine Gefühle gestehen. Aber das war nicht geschehen. Ruizas Scham und sicherlich auch seine Angst, zurückgewiesen zu werden oder etwas kaputt zu machen, waren zu groß, um diese wahren Worte über die Lippen zu bekommen. Und dass Hide-zou sich wohl gestern Abend schon mit Uruha-san getroffen hatte, war ihnen inzwischen allen klar. Ob sie verliebt waren? Oder war das nur ein Techtelmechtel zwischen ihnen? Oder gar etwas anderes, das er nicht beurteilen konnte?
 

»Tsune, was meinst du?«
 

»Hm? Wozu?«
 

Asagi legte den Kopf leicht schräg. »Hiro fragte, ob wir uns nicht einmischen wollen. Was sagst du dazu?«
 

»Nein.« Tsunehito schüttelte den Kopf. »Es reicht schon, wenn Aoi-san und Uruha-san ‘eingeweiht’ sind. Da sollten wir uns nicht auch noch einmischen. Ich fände es auch nicht gut, wenn ihr euch in mein Liebesleben einmischt.«
 

Hiroki begann zu kichern, Asagi grinste nur breit.
 

»Leute, ich darf euch daran erinnern, dass sich mein Liebesleben nicht innerhalb der Band abspielt.«

Prompt zogen seine Kollegen Schnuten.
 

»Boah, ihr seid doch doof! Warum arbeite ich noch mal mit euch zusammen?!« Tsunehito begann zu schmollen, doch er zog irritiert die Schultern hoch, als sich ein Arm um ihn legte und er Lippen an seiner Halsbeuge spürte.
 

»Weil es mit uns nie langweilig wird?«, fragte Asagi schelmisch und der Bassist lachte leise.
 

»Dass ich euch irgendwie gern hab, hilft auch!«
 

Durch ihr dreistimmiges Lachen hindurch nahmen ihre feinen Ohren noch einen Laut wahr, der ihnen die Nackenhaare aufstellte. Ein Raunen, ein Stöhnen? Sofort war Hiroki wieder an der Tür und schob diese leise auf. Und alle drei hörten, dass eine gewisse Person schimpfte wie ein Rohrspatz.
 

»Sag mal, spinnst du? Du kannst mich doch nicht einfach beißen und dich festsaugen!«
 

Ein tiefes Lachen wurde langsam lauter.
 

»Hide-zou!« Ein Klapsen ertönte.
 

»Au!« Doch das Lachen blieb.
 

»Das ist nicht witzig! Was, wenn ich jetzt nen Fleck bekomme? Weißt du, wie das bei den anderen ankommt? Ich hab so helle Haut, ich hab so leicht Male von solchen Aktionen, das glaubst du gar nicht!« Uruha bekam sich gar nicht mehr ein, aber auch Hide-zou sah anscheinend nicht ein, dass er mit dem Lachen aufhören könnte, um seinen Liebhaber zu beruhigen. »Die wissen doch genau, woher der kommt, wenn sie so was sehen.«
 

»Oh ja, ich bin ziemlich sicher, dass sie wüssten, woher er kommt ...«
 

»Heißt das, da ist einer? Hide-zou!«
 

»Nein«, beruhigte er ihn endlich. »Da ist nichts zu sehen.« Und laut den Geräuschen, die danach zu hören waren, war Uruha wieder versöhnt.
 

»Dein Glück, Hide ...«, hörten sie noch, dann ließ Hiroki die Tür wieder ins Schloss fallen.
 

»Unter anderen Umständen fände ich das ja süß, aber mein Magen sagt mir gerade, dass ich mich in den nächsten paar Minuten mit etwas anderem beschäftigen muss ...« Damit stapfte der Drummer die Treppen herunter. Doch er hielt gleich wieder inne. »Was ist? Kommt ihr mit zum Buffet?«
 

Asagi und auch Tsunehito nickten hektisch, denn der Hunger ärgerte sie schon seit Stunden. So gingen sie zu dritt nach unten zum Buffet.
 

~~~
 

»Hey ...«
 

Uruha öffnete die Augen und gähnte. Er war auf Hide-zous Schulter eingeschlafen und Hide-zous Kopf ruhte an seiner Brust. »Hm? Ist es sehr spät?«
 

»Nicht sehr spät, aber du solltest langsam losziehen. Deine Band wartet bestimmt auf dich!« Ein Kuss auf seinen Hals folgte.
 

»Hm ... deine bestimmt auch.« Der GazettE-Gitarrist streckte sich und lächelte dann liebevoll auf den anderen Gitarristen herab. »Die Nacht war ganz schön kurz.«
 

»Zu kurz, ja.«
 

Uruha kämpfte sich auf die Beine und streckte sich erneut. Es wurde langsam dunkel. Wahrscheinlich war es wirklich schon spät. »Kommst du mit runter oder bleibst du hier sitzen?«
 

»Ich bleib sitzen«, maulte Hide-zou und rieb sich die Oberschenkel.
 

»Was ist denn?«, fragte Uruha und schnappte sich den Schlips, der auf dem Boden neben Hide-zou lag.
 

»Meine Beine sind eingeschlafen ...«
 

»Oh, wie fies ...« Er ging in die Hocke und band sich dabei den Schlips wieder um. »Na komm, ich warte auf dich!«
 

Hide-zou sah ihn an und erinnerte sich an etwas, das Uruha vorhin gesagt hatte. »Du, sag mal ...«
 

»Hm?« Für ihn so typisch hob er beide Augenbrauen.
 

»Vorhin, als wir über Ruiza gesprochen haben ... Da hast du davon geredet, dass es schwer ist, sich als Verliebter auszumalen, wie derjenige reagieren könnte, wenn er die Wahrheit erfährt. Meintest du das im Allgemeinen? Oder meintest du wirklich von Mann ... zu Mann?«
 

»Oh, das ist dir im Gedächtnis geblieben? Nun ja.« Uruha kratzte sich am Hinterkopf. »Das stimmt schon. Du hast das richtig verstanden.«
 

»Ach ja? Dann bist du also ... doch verliebt? Aber nicht in mich?«
 

Uruha legte den Kopf in den Nacken, wie um sich wieder einen Nerv einzurenken. »Nein, nicht in dich. Aber ja, in einen Mann.«
 

»Kenne ich ihn?«
 

»Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist doch, dass du dich mit Ruiza auseinandersetzt. Selbst wenn er nicht direkt auf dich zugeht, um dir zu sagen, dass er dich mag oder begehrt, dann solltest du trotzdem mit ihm reden. Ruhig, ohne ihm zu drohen oder ihm Vorwürfe zu machen. Wahrscheinlich hat er Angst ... dich zu verlieren.«
 

»Du sprichst aus Erfahrung, was?« Hide-zou wartete seine Antwort nicht ab, seine Beine kribbelten. Uruha antwortete ihm nicht. Er stand auf und sah in den Himmel, während er die Hände in die Taille stemmte. »In Ordnung ... Ich werde zu ihm gehen und mit ihm reden.«
 

»Dann ist gut.« Der Jüngere schien erleichtert zu sein. »Lass uns runtergehen. Vielleicht sollten wir auch noch einen Happen essen, bevor es weitergeht.« Freundschaftlich legte er ihm eine Hand auf die Schulter. »Wenn es das übrigens nicht ist«, sagte Uruha und hielt Hide-zou die Dachtür auf, »kannst du ihm auch sagen, dass er dir alles anvertrauen kann. Warum sollte man befreundet sein, wenn man einander nicht auch oft Unaussprechliches verraten könnte?«
 

»Warum hast du es ihm nicht gesagt?«, wollte Hide-zou wissen und fragte nur deshalb offen, weil er sich sicher, dass niemand auf sie achtete, sie also auch nicht belauschte. »Ich meine, wenn du es ihm gesagt hättest und es geklappt hätte, würdest du nicht mit mir herumknutschen.«
 

»Das stimmt, das würde ich wohl nicht. Es ist trotzdem schön mit dir, auch wenn ... meine Gedanken manchmal abschweifen.« Uruha wurde rot im Gesicht und seine Augen begannen zu funkeln.
 

»Ich glaube, ich kann damit leben, wenn du gelegentlich an ihn denkst.« Er kniff dem anderen in die Wange. »Wir können auch darüber reden, wenn du möchtest.«
 

»Danke, aber heute nicht«, lachte Uruha. »Ich sollte heute wirklich die Gedanken beisammen halten. Das ist ein wichtiger Auftritt heute Abend.«
 

~~~
 

»Wir treffen uns in ner halben Stunde zur Vorbereitung«, erzählte Aoi und Ruiza kaute auf seinem Kaugummi herum.
 

Die Zeit mit Aoi zu verbringen tat ihm gut. Notfalls konnte er ihn fragen, was zu tun war, wenn er Hilfe brauchte. Obwohl er wirklich nicht viel jünger als Aoi war, fühlte er sich als Jüngerer – als Lehrling? »Du, Aoi?«
 

»Hm?« Hier im Backstage-Außenbereich waren sie gerade allein. Was ein seltener Moment. Aoi sah sich um und war verwundert. Tatsächlich war niemand außer ihnen hier. Nichtmals jemand vom Staff war zu sehen.
 

»Hast du einen Mann schon mal geküsst? Ernsthaft geküsst, meine ich, nicht Fan-Service.«
 

Irritiert hob Aoi beide Augenbrauen. »Ähm ... wenn ich küsse, meine ich es immer ernsthaft.«
 

»Du meinst also, dass es egal ist, ob es ein Fan-Service-Kuss oder ein privater ist?«
 

»Nein, nicht egal. Ich meine nur, dass es für mich keinen Unterschied macht.« Was ein komisches Thema, um sich hier draußen darüber zu unterhalten. Und Ruiza war feuerlöscherrot im Gesicht, also war ihm die Frage schon unangenehm genug gewesen.
 

»Würdest du mich küssen?«
 

Oder es gab noch eine Steigerung! »Wie bitte?«
 

»Würdest du mich küssen? Jetzt?« Ruizas Hand langte nach dem Ärmel seiner grauen Bluse.
 

»Warum?«
 

»Weil ich ...« Ruiza lachte nervös auf. »Eben hatte ich noch einen plausiblen Grund, tut mir leid, vergiss es wieder!«
 

»Ruiza, bitte ...« Aoi legte seine Hand an Ruizas Wange, eine Geste, die er nur sehr selten vollführte. Seine Finger berührten sein Ohrläppchen, sodass der Kleinere erschauerte. »Ich hab dich gern, okay?«
 

Ruiza nickte.
 

»Und du weißt, dass das ne echt komische und vor allem unkluge Sache ist.«
 

Ruiza nickte.
 

»Aber ich sag dir mal was: Ich war noch nie ein kluger Mensch. Also werde ich dich küssen.«
 

Ruiza nickte. Dann schüttelte er den Kopf. »Was bitte?«
 

Aoi legte sich einen Finger an die Lippen. »Still jetzt. Und Augen zu.«
 

Prompt schloss Ruiza die Augen. Seine Wangen waren immer noch rot, sein Atem ging recht schnell, seine Lippen waren leicht geöffnet.
 

Er beugte sich zu ihm herunter und beglückwünschte sich innerlich zu seinem Mut zu dieser dummen Aktion. Aber ihm gefiel der Gedanke Ruiza zu küssen. Es gab wirklich schlimmere Vorstellungen. Er spürte Ruizas Atem auf seinen Lippen, erahnte die Wärme, die von seinem Körper ausging. Doch dann war da ein anderer Luftzug. Und dann spürte er eine harte Hand, die ihn unbarmherzig im Nacken packte und von Ruiza wegzog. Fast rechnete er damit, dass er gleich Bekanntschaft mit der Betonwand machen würde, aber dem war nicht so.
 

»Du spinnst doch wohl total!«, donnerte eine männliche Stimme über ihm, ehe er sich traute die Augen zu öffnen. Er selbst war gar nicht gemeint. Nein, vor Ruiza stand ein Mann mit schwarzen Haaren und machte ihn verbal rund. »Ich habe ja mit vielen Sachen gerechnet, aber doch nicht damit, dass du dich in ... in Aoi-san verliebt hast!«, schimpfte Hide-zou.
 

Aoi hörte erst nur die Worte, verstand dann deren Bedeutung und hörte dann das Klatschen einer flachen Hand gegen eine Stirn. Uruha war auch da. Na toll, sie waren schon ein Super-Quartett.
 

»Du bist doch ein kompletter Vollidiot!«, schnauzte Ruiza. »Du verstehst und peilst nichts, wie immer!«
 

Und dies war der finale Augenblick, bevor eine Verfolgungsjagd beginnen sollte, die keiner von ihnen je vergessen würde.
 

Fortsetzung folgt ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  BlackAngelKai
2013-11-28T07:38:47+00:00 28.11.2013 08:38
Interessante Story... :D
Das einzige, was ich mich jetzt frage: 2 tolle Stunden mit Uruha, aber kein Sex, und trotzdem ist Uruha gut drauf und anschmiegsam? Ich wäre ziemlich angepisst, wenn jemand unter mir einpennen würde... bin mal auf die Auflösung gespannt... und auf die Verfolgungsjagd! XD Verspricht ja spannend zu werden...

LG
Von:  Kanoe
2013-04-08T16:56:48+00:00 08.04.2013 18:56
weiter weiter weiter bitte
*ruiza unauffällig eine pfanne reicht um hide-zou damit zu schlagen*
bitte weiter
Von:  Seritoja
2013-04-07T22:09:38+00:00 08.04.2013 00:09
O_____________________O
Weiter?
Bitte? *auf knien rumrutsch*

Von:  DragonSoul
2013-04-05T23:01:20+00:00 06.04.2013 01:01
Naaaarrrgh Dx wie könnt ihr denn jetzt aufhören? das geht ja mal so gar nicht XD
Das wieder ein wirklich tolles Kapitel <3
Von Anfang bis Ende gut zu lesen..wie gesagt ich wollt gar nicht das es aufhört XD
Ich Stock zwar ab und an noch was mit den Namen x"D wer wer war, aber das liegt dran das ich mich nicht so wirklich mit "D" auskenne..trotz allem ich muss unbedingt wissen wies denn nun weiter geht ^.^
hoffe wir bekommen das nächste auch bald zu lesen ;) nur weiter so.
Lg sui :)
Von:  ruhapoopie
2013-04-05T21:03:42+00:00 05.04.2013 23:03
Sehnsüchtige habe ich auf Kapitel 2 gewartet, an der ENS am Mittag regelmäßig die Seite aktualisiert, bis es oben war. :D
Okay, ich kann euch nur anflehen, zügig das 3. Kapitel hoch zu Laden! Das Ende macht mich fertig - kommt jetzt alles raus? AAAAH!
Das Kapitel gefiel mir wieder sehr gut und ich finde Uruhas viel versprechende Andeutungen sehr sehr gut ;D
Weiter so!


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