Besuch im Krankenhaus
Wie jeden Tag nach der Arbeit, wusch sie sich die Erde von den Fingern und richtete ihre Haare. Sie sahen immer so zerzaust und matt aus, wenn sie fertig war. Außerdem verfing sich immer etwas der Blumenerde in dem hellen Blond ihrer Haare.
Also löste sie flink den Zopf, sodass ihre Haare sich um ihren Kopf auffächerten. Von ihrer einstigen, prachtvollen Länge, war nicht viel übrig geblieben, doch das würde schon wieder nachwachsen.
Träumerisch spielte sie mit einer Haarsträhne, ehe sie sich ihre kurzen Haar durchkämmte, damit sie nicht all zu schrecklich aussah, wenn sie ihn besuchte.
Das Mädchen betrachtete sich im Spiegel und drehte sich. Nach Link. Nach Rechts. Sie betrachtete sich ganz genau, jedoch wusste sie nicht, was sie machen sollte.
Sollte sie sich wieder den Dutt machen, oder ihre Haare heute einmal offen tragen? Was stand ihr mehr?
Sie seufzte und sah zu der Topfblume, die neben dem Spiegel, auf der Kommode stand.
Diese war für ihn bestimmt und passte einfach perfekt.
Kurz um entschied sie sich, ihre Haare heute mal offen zu tragen und sie allein durch eine Blume zu schmücken. Eine dezente in einem sanftem Flieder. Das waren die Farben, die ihr am besten Standen: Flieder und Lila.
Sie war eben keine Person, die durch knallige Farben auffiel, so wie Sakura es allein schon mit ihren rosafarbenen Haaren tat. Nein, dafür musste sie sich etwas anderes einfallen lassen und bestach die Männerwelt mit ihrem Charakter.
„Ich bin weg, Mutter!“, rief sie und nahm den Blumentopf an sich.
„Sei nicht zu spät zu Hause“, antwortete ihre Mutter.
Mit schnellen Schritten verließ sie ihr Elternhaus, durch den eigenen Blumenladen und eilte dann in Richtung des Krankenhauses. Es dämmerte bereits, weswegen sie sich beeilen musste, denn lange würde man sie nicht mehr zu ihm lassen.
Doch sie wollte ihn unbedingt heute noch sehen. Unbedingt!
Die Pflanze schützend an sich drückend rannte sie durch die Straßen bis das Gebäude des Konohakrankenhauses in Sichtweite kam. Jetzt wo sie gemütlich lief, merkte sie, wie allein das bisschen Rennen schon zu schaffen machte. Sie hatte seit Wochen nicht mehr trainieren können und war daher etwas aus der Puste.
Doch diese Erschöpfung überspielte sie gekonnt mit einem Lächeln, als sie die große Eingangstür passierte.
Am Empfang saß eine junge Schwester, die schon ziemlich müde wirkte und wohl auch bald Feierabend hatte.
„So spät noch?“, fragte die Schwester. „Du weißt hoffentlich das die Besuchszeit bald zu Ende ist?“
Das Mädchen nickte. „Ich weiß. Ich konnte nicht früher kommen.“
Die Schwester lächelte. Sie schob sich eine rote Haarsträhne hinters Ohr. „Dein Name?“
„Yamanaka Ino.“
„Zu wem möchtest du?“
„Uchiha Sasuke.“
„Ah“, gab die junge Frau von sich. „Du kennst ja den Weg.“
Ino nickte und verabschiedete sich von der jungen Schwester um zu dem Zimmer Sasukes gehen zu können. Sie war wirklich schon oft hier gewesen. Jeden Tag und jedes Mal hatte sie eine andere Blume dabei gehabt. Auch wenn Sasuke sie mit keinem Blick würdigte. Ino würde nicht damit aufhören.
Als sie vor der Zimmertüre des Uchihas stand, klopfte sie erst sachte, ehe sie die Türe öffnete und eintrat.
„Guten Abend, Sasuke-kun“, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Junge saß zwar wach in seinem Bett, doch er antwortete nicht. Er starrte nur an die ihm gegenüberliegende Wand, so wie immer.
Irgendetwas schien schwer an Sasuke zu nagen, doch Ino wusste nicht was. Nicht einmal Sakura hatte eine Ahnung.
Aber was konnte sie auch wissen? Wo sie doch selbst nicht verstand, was in dem Uchiha vor sich ging.
„Du siehst schon viel besser aus“, sagte das Mädchen, während sie auf das Bett zu ging. Sie sagte jeden Tag das Gleiche, ohne eine Antwort zu erhalten. Jeden Tag.
„Ich habe dir eine Orchidee mit gebracht“, sie hielt ihm die Topfpflanze hin, die der Junge mit keinem Blick würdigte. Ihre wenigen Blüten hatten Farbe, die leicht ins Lila überging.
Ino stellte den Topf auf den kleinen Nachttisch und setzte sich dann auf einen Stuhl um ein wenig mit Sasuke zu reden. Oder eher, um ihm etwas zu erzählen.
„Ich fand sie passend“, fing das Mädchen an. „Sie ist dir wirklich ähnlich, Sasuke-kun.“
Der Junge regte sich nicht. Ino hatte auch nichts anderes von ihm erwartet.
Etwas nervös schob sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Sie ist sehr robust und hat einen starken Lebenswillen, deswegen steht sie für coolness“, erklärte sie. Wenn es um Blumen ging, konnte ihr niemand etwas vor machen. „Sie ist genauso wie du.“
Das Mädchen hatte nicht damit gerechnet, doch Sasuke regte sich. Langsam wand er sich der Blume zu und betrachtete sie eingehend.
Ino schwieg und beobachtete die Gesichtszüge des Jungen, die so fremd wirkten, nach all den Tagen, die er hier im Krankenhaus verbracht hatte.
So vergingen einige Sekunden, in denen Sasuke die Blume betrachtete und das Mädchen schwieg, doch dann, fast schon plötzlich, regte sich der Uchiha und wand sich seiner Besucherin zu.
Sie schwiegen und sahen sich in die Augen.
Es war Sasuke, der das Schweigen brach: „Deine Haare.“
„Hm?“, Ino erschrak, bei der Stimme des Schwarzhaarigen. Sie klang so ungewohnt, so schwach, weil er sie so lange nicht mehr benutzt hatte.
„Sie gefallen mir, offen. Das steht dir.“
Beschämt und mit rötlich gefärbten Wangen, wand sich Ino ab und murmelte ein: „Danke, Sasuke-kun.“