Zum Inhalt der Seite

Papi mach die Augen auf!

Der Fisch und der Hund
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Masaki

Masaki stand klein und fest vor seinem Vater.

Der Kopf war in den Nacken gelegt – denn der Mann war sehr groß – der Blick trotzig und fordernd.

„Vater. Ich habe heute ein 5 bekommen!“, kam es ohne Reue aus dem Mund des Jungen.

Der Blick blieb fest, die Augen schienen zu blitzen.

Vielleicht erwartete der Junge einen Schlag. Er war nun 9 Jahre alt.

Der ausgemergelt wirkende Mann sah nur kurz zu seinem Sohn, ehe er den Arbeitsmantel auszog und einen Blick durch die Wohnung schweifen lies.

„Hast du Staub gesaugt und abgewaschen?“

Auch der Vater hatte statt einer Begrüßung lieber gleich sein Anliegen vorgetragen.

„Nein. Hab ich nicht!“

Wieder kam es wie aus der Pistole geschossen.

Ohne einen Grund dafür zu verlangen, schüttelte der Mann müde den Kopf.

„Geh ins Bett Masaki.“

„Aber es ist erst halb 7!“

„Ins Bett sage ich.“

„Aber ich habe Hunger! Ich hatte nur heute Mittag-“

Mit einer abwertenden, erschöpften Handbewegung brachte der Ältere seinen Sohn zum schweigen.

Kurz war es, als ob die Kinderaugen feucht glänzten, dann ging der Junge, wie es ihm aufgetragen wurde.

Und wieder konnte er diese Nacht nicht schlafen.

Masaki hatte Angst. Angst vor der fauchenden, flammenden Bestie in dem düsteren Schrank ihm gegenüber. Er wusste, dass sie herauskommen würde, wenn sie Lust hatte und er die Augen zulange schloss. Und wenn sie ihn dann auffraß, würde niemand es bemerken und traurig sein.

Nichtmal er selber, denn er wäre ja tot.
 

Als der Vater am nächsten Tag nach Hause kam, stand Masaki wieder an der Tür und blickte zu ihm hoch. (Er war wirklich sehr klein für sein Alter.)

Dabei hielt er ihm sein Schulheft mit einem langen, roten Eintrag entgegen.

Seine runde Wange wurde von einem Pflaster bedeckt.

Der Vater seufzte, öffnete die Jackentasche und holte einen Kugelschreiber hervor. Er unterschrieb.

Das Kind seufzte.

„Ich hab Hunger!“

„Hast du denn heute abgewaschen?“

„Ja!“

„Na gut. Wir kochen etwas Reis.“
 

Beim Essen saßen sie sich gegenüber. Das Kind kaute geschäftig und lächelte dem abgehalfterten Mann zu. Er verzog keine Miene.

Masaki musste auf einmal an einen toten Fisch denken. Neulich hatte er einen im Fernsehen gesehen. Die starren Augen und der offene Mund hatten sich tief in seine Netzhaut gebrannt. Auch der tote Hund, den er letztes Jahr gesehen hatte. Er war überfahren worden und bot einen gräulichen Anblick am Straßenrand. Masaki musste sehr oft an Fisch und Hund denken. Er ekelte sich schon gar nicht mehr...auch war er nicht traurig. Er musste nur oft daran denken, was ihm irgendwie unheimlich war.

Kurz berührte er das breite, weiße Mullstück an seiner Wange.

Der Vater blieb stumm.

Der Schüler dachte daran, wie er gleich wieder im Dunkeln allein wäre. Mit dem Monster.

Und da fing sein Nacken an zu prickeln, der Magen zog sich zusammen und er hätte weinen können. Masaki aber weinte nie.

So ging er nach dem Essen ins Bett und hatte Angst.
 

Am nächsten Abend – es war wie eine Spirale – glühten die Wangen und Stirn des kleinen Jungen, als der Vater nach Hause kam. Sein Nacken stach wie verrückt, das Herz stolperte manchmal...und immer dieser Kloß im Hals. Das Kind war kreidebleich, sein Schienbein einbandagiert, das Pflaster noch immer auf der Wange.

Die Tür ging auf, der dürre Herr trat ein und begann zu schnuppern.

„Hast du geputzt? Es riecht so nach Seife.“

„Die Waschmaschine ist kaputt. Alles ist ausgelaufen.“

Aufgebracht hastete die müde Gestalt ins Bad – das Wasser stand bis an seine Knöchel.

Die Ursache war schnell gefunden – zu viel Waschmittel und Verstopfung durch eine Plastikfigur, die einzige, die Masaki besaß und schon schmerzlich vermisst hatte.

Der Junge stand mit gesenktem Kopf, er dachte an Fisch und Hund, wie sie so dalagen.

Zum ersten Mal zeigte sich eine Gefühlsregung in des Vaters Gesicht.

Seine Augen sprühten vor Zorn.

„Pack deine Sachen du nutzloser Bengel.“, es klang gefährlich wie ein zischendes Fauchen.

Kurz darauf war der Mann müde und ausdruckslos wie immer.

Sie fuhren mit dem Auto fort. Beide.
 

Und so landete Masaki in Sungarden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Runenmagierin
2014-09-14T12:28:31+00:00 14.09.2014 14:28
Ja, irgendwie hat man das Gefühl das es so gewesen sein könnte.
Es ist schon traurig, hätte beim lesen beinahe geweint, weil es einem doch sehr nahe geht, die Lieblosigkeit des Vaters und die Hilflosigkeit des Jungen, das hast du alles sehr schön rübergebracht und in zusamenhang gesetzt.


Zurück