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Eye, eye die Russen kommen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So voilà das dritte Kapi. Eins der wenigen Male, bei dem ich in einem Stück durchgeschrieben habe und dann ist es wieder so lang geworden. Irgendwie fällt es mir schwer, bewusst kurze Kapis zu schreiben - -°.
Nun ja, hoffe es gefällt trotzdem.
Ach ja, ungeplanter Weise wird male-Belarus auftauchen.
Viel Spaß und bis der Tage.
Lg, Sternenschwester Komplett anzeigen

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I hab das G-fühl

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Kapi 3: I hab das G-fühl
 

Währenddessen in der Abteilung für Spurensicherung-Mordkommission Wien-
 

Scott kaute weiterhin unablässig an seinem Bleistift, während er noch mal Zeile für Zeile seines Berichts durch ging. Aus den Kopfhörer seines Walkman donnerte dröhnte seine Lieblingsband und hielt ihn somit notdürftig wach. Er hasste es, wenn ausgerechnet am Ende seiner Bereitschaft, Arbeit auf ihn zukam. Der ganze Tag war ruhig gewesen und er hatte sich gefreut, endlich nachhause zu gehen, um dort hoffentlich einen wartenden Franzosen anzutreffen, da rief ihm die Hacken (Arbeit), in Form einer Brandleiche. Also hatte er Francis angerufen, um ihm mitzuteilen, dass es spät werden würde. Dieser hatte Verständnis dafür gezeigt und gemeint, dass er sich bis zu seinem Kommen die Zeit schon irgendwie vertreiben würde. Nachdem er ihm auf Französisch die drei berühmten Wörter gesagt hatte, war ein Tuten an Scotts Ohren gedrungen. Er seufzte und gab für einen Moment den abgeschlabberten Stift frei, um damit nachdenklich gegen die Lippen zu tippen. Nach dem Anruf, war er zum Tatort gefahren. Als er dort angekommen war, bedauerte er es ehrlich, dem Täter keinen äußerst unangenehmen Fluch auf den Hals hetzen zu können. Dieser hatten nämlich keinen besseren Ort für sein kleines privates Autodafé gefunden, als eine Kontrollrampe innerhalb der Kanalisation und er hasste solche Arbeitsplätze. Mit viel Widerwillen waltete er seines Amtes und stellte die Spuren sicher. Nach getaner Arbeit und zurück in der Abteilung, hatte er erstmals eine lange Dusche genommen, doch auch jetzt noch kam es ihm so vor, als würde er immer noch in einer sanften Wolke „Eau à la Kanal“ stehen. Wenn er Glück hatte, war Francis zum Zeitpunkt seines Eintreffens zu Hause, eingeschlafen und er konnte sich noch schnell ins Bad stehlen, um diesen penetranten „Beigeruch“ los zu werden. Er griff nach seiner Kaffeetasse und trank einen kräftigen Schluck von dem braunen Gebräu, welches mit der Musik in seinen Ohren das einzige war, das seine Konzentration zusammen aufrechterhielt. Ein leichter Whiskey Geruch, vermischt mit dem herben Kaffeearoma, stach ihm in die Nase und erinnerte ihn an Zuhause. Zwar wollte er es nicht zugeben, aber er sehnte sich nach den britischen Inseln. Sogar ein wenig nach seinen Brüdern, wobei er einstweilen auf Arthurs Gesellschaft getrost verzichten konnte. Insbesondere wegen Francis, da beide, seit sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, eine innige Feindschaft pflegten und zweitens, ein Punkt, mit welchem umzugehen der Schotte große Probleme hatte, war er leicht eifersüchtig auf seinen Bruder, da dieser offenbar eine eigenartige Faszination auf den Franzosen ausübte, welche er selbst mit Skepsis beobachtete. Nein, es war schon gut so, wie es war… Er hatte in Folge eines internationalen Projektes eine Stelle in Wien angenommen, wo Francis gerade eben, nach dem Abschluss eines Publizistikstudiums, den Posten eines Reporters bei einer der größeren Tageszeitungen gefunden hatte. Außerdem durfte er sich sowieso, in weniger als 24 Stunden mit seiner Verwandtschaft aus Übersee auseinander setzen... Mürrisch versuchte er sich wieder auf den Abschluss seines Berichtes zu konzentrieren und war so auf den Text konzentriert, dass er nicht mal merkte, wie die Tür zu seiner Arbeitsstelle geöffnet wurde. Eine junge Frau huschte mit einem Lächeln hinein und schloss vorsichtig die Türe. Wie auf Katzensohlen ging sie auf den Schreibtisch zu und setzte sich immer noch unbemerkt auf die Arbeitsplatte. Mit einem Grinsen nahm sie behutsam die Kopfhörer des Schotten von dessen Ohren, um leise über sein erschrockenes Gesicht zu lachen.
 

„Na, na, Heavy Metal am Arbeitsplatz, das gehört sich doch nun wirklich nicht, Herr Kirkland.“, tadelte sie ihn mit gekünstelt strengem Ton. „Außerdem, sollte ein Gentleman nicht nach etwas anderem riechen als Kanal N°5? Wo hast du denn gebadet? In der Kläranlage?“
 

„Fuck, Héderváry, erschreck mich nie wieder so!“, fauchte der Rothaarige sie ungehalten an, wobei er vor Schreck den Bleistift fallen gelassen hat. Spöttisch schlug sie die Beine, übereinander und sah ihn herausfordernd an. Scott erwiderte ihren Blick und konnte sich im Geiste ungefähr ausmalen, was sie wollte, dennoch schaffte er es nicht danach nachzufragen.

„Was verschafft mir die Ehre des späten Besuches?“, fragte er dann, in einem beiläufigen Ton, wobei er vorgab, mehr mit dem Ausschalten seines Walkman beschäftigt zu sein.
 

In ihren grünen Augen begann es zu funkeln. Keck lehnte sie sich leicht nach hinten. „Nun es riecht ziemlich nach verbrannten Fleisch und wurde in einer Gegend gefunden, welche unter der Erde liegt und durch dessen Adern das dreckige Wasser von Wien geschleust wird… du hast drei Versuche es zu erraten.“

„Woher weißt du denn das schon wieder? Und wurde das überhaupt schon für die Medien freigegeben?“ Scott lehnte sich ebenfalls nachhinten, sodass sein Gesicht außerhalb des Scheins der Lampe war, wobei er davor vorsorglich seine Unterlagen umgedreht hatte, sodass die weiße Rückseite der maschinenbeschriebenen Blätter nach oben zeigte.
 

„Mhm, das hat zwar nichts mit unserem Ratespiel zu tun, aber ja, der Kommissar hat mich schon über den Fall informiert, wobei ich leider noch auf Gelb stehe und auf Grün warte. Aber vielleicht bekomme ich ja morgen, äh… Tschuldigung, heute das Ok. Gut, hast noch zwei Versuche.“ Ihre lockere Art übertrug sich nun auch auf ihn. Sie wollte spielen, das konnte sie haben, selbst wenn er ihr es doch nicht einfach machen werde.

„Dann weißt du ja eh schon alles…“ Lässig kreuzte er die Hände hinter den Kopf.
 

„Ist dir aufgefallen, dass du langsam das eh…“, wobei sie das letzte Wort besonders lang betonte. „Der Österreicher, immer mehr benutzt. Langsam aber sicher verlierst du dein Schuldeutsch… aber das war noch immer nicht die richtige Antwort. Der Herr Kommissar hat mir nur sehr sporadisch gesagt, worum es ging[e,] und meinte, für mehr sollte ich mich an dich oder die Gerichtsmedizin wenden.“
 

„Und dort willst du nicht hin, da du Gefahr läufst deinen ehemaligen Schatzi über den Weg zu laufen. Muss ja echt hart sein, wenn der Ex in seiner nähren Umgebung arbeitet.“ Augenblicke später hätte er sich lieber auf die Zunge gebissen, anstatt in diesen zwei Sätzen auszudrücken, was ihm gerade durch den Kopf ging. Das Lächeln auf Hédervárys Gesicht war im nächsten Moment verschwunden und die Temperatur im Raum fiel um ein paar Grade ab. „Red nicht von etwas, wovon du nichts verstehst, Kikland!“, zischte die Ungarin unheilverkündend. „Außerdem soll man nicht mit Steinen werfen, wenn man selber im Glashaus sitzt. Oder wer von uns beiden legt denn einen meiner Kollegen flach, oder wird von ihm flach gelegt…“ Eine heiße Röte schoss in die Wangen des mit Sommersprossen verzierten Gesichts. Leicht beschämt wandte er den Blick ab. „Sorry, wollte dich nicht darauf ansprechen…“ Eine Weile schwiegen sie, bis die Braunhaarige lässig mit der Hand wedelte. „Ist schon gut. Ist schon verziehen… Aber kommen wir zu unserem Ratespiel zurück…“
 

Scott seufzte erhaben und griff nach seinen Unterlagen. Mit müden Blick überflog er schnell seine eignen Formulierungen. „Also der Typ,… wurde dort unten verbrannt,… in einem der begehbaren Kanaltunnel. Seine Leiche wurde mit Benzin überschüttetet und angezündet... Was die unappetitlicheren Details angeht, wende dich bitte an unsere Leichenfummler. Bei dem bedauernswerten Kerl wurden weder Papiere oder sonstige Gegenstände gefunden, welche über seine Identität Auskunft geben könnten. Blabla…, geht dich noch nichts an… blablabla. Ah, noch was, bisher haben wir keine verwertbaren Spuren gefunden, was die Täter betrifft. Da dürften wohl Profis am Werk gewesen sein. Wer weiß, eine kleinere Keilerei mafiösen Ursprungs. Ich glaube, das war mal das, was ich berechtigt bin, dir zu sagen, vorausgesetzt du hast wirklich beim Kommissar die Erlaubnis eingeholt.“
 

Erbost fuhr sie auf. „Natürlich habe ich das.“ Langsam beugte sich die junge Frau zu ihm nach vorne. „Und du behauptest, da könnte das organisierte Verbrechen dahinter stecken?“
 

„Ich habe nur gesagt, dass die Täter genau wussten, was sie taten und ihre Spuren sehr gekonnt verwischt haben. Mehr habe ich nie behauptet.“

Ein nachdenklicher Ausdruck schlich sich auf das hübsche Gesicht der Journalistin. „Mhm, hier in Wien, eher schwer zu glauben… nun ja die Stadt hat ja aber auch verborgene Seiten und seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat es ja ziemlich zu köcheln begonnen…“

„Ich möchte mich zwar nicht so schnell deiner reizenden Gesellschaft berauben, Héderváry. Aber es ist spät und ich möchte endlich nach Hause.“, meinte er verschmitzt lächelnd zu ihr, während er den dünnen Stoß von Blättern in ein Kuvert packte. „Äh… natürlich.“ Anmutig glitt sie von seinem Tisch runter und wartete bei der Tür auf ihn, während er sich, das Kuvert zwischen den Knien, Mantel und Schal anzog.
 

Schweigend begleitete sie ihn noch zum Büro des Kommissars, wo er das Kuvert unter die Tür schob und sich dann mit ihr mit ihr Richtung Ausgang bewegte. Während sie die Treppen hinunter gingen schaute Scott die junge Ungarin noch einmal kurz an, bevor er zum Sprechen anfing.

„Warum ist das damals eigentlich auseinander gegangen, bei dir und diesem Leichenaufschneider?“
 

Sie hob nicht den Blick, dennoch konnte der Schotte sehen, dass sie sich leicht anspannte. Ein kurzes Schweigen trat ein, während welchem sie sich die Wörter zurecht legte.

„Es ging nicht mehr. Wir sind damals im Studium zusammen gekommen, weißt du. Ich habe jedoch erst sehr spät erfahren, dass er Medizin studiert und nicht Musik, wie ich immer angenommen habe.“ Scott warf ihr einen leicht fragenden Blick zu. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf das Gesicht seiner Begleiterin. „Das erste Mal als ich ihn sah, war an jenem Abend, als mich meine Begleitung hat sitzen lassen. Es war in einem Restaurant, das an diesem Abend Live-Musik bot. Als das Abendprogramm fertig war und die Musiker die Bühne verlassen hatten, kam der Pianist zu meinen Tisch und hat höflich gefragt, ob er sich zu mir setzen könne.“ Während des Redens richtete sie den Blick nach oben. „Nun ja, dann hat eins zum anderen geführt und wir waren dann später ein Paar. Er hat studiert, ich habe studiert… ich habe mich auch gut mit seinem jüngeren Bruder verstanden, wenn der die Ferien bei ihm verbracht hat. Wir lebten ein sehr angenehmes Studentenleben. Er zog nicht saufend durch die Gegend, kam mit keinem Schmiss nachhause, oder hat sonst irgendwelchen Blödsinn angestellt. Dann waren wir beide fertig mit unseren Studien. Ich bekam einen Job bei den Medien und er schaffte es in die Gerichtsmedizin. Am Anfang ging es noch halbwegs, doch mit der Zeit war es nur noch ermüdend. Unser beider Bereitschaft war zu den unmöglichsten Zeiten und natürlich auch nie synchron. Wenn er da war, war ich unterwegs und hatte ich mal längere Zeit frei, musste er arbeiten. So etwas ist Gift für eine Beziehung. Außerdem haben wir uns in dieser Zeit auseinander gelebt, auch nicht gerade förderlich… Nun ja und seit einem halben Jahr sind wir auseinander.“

Ohne ihn während des Monologes angesehen zu haben, blieb Héderváry kurz stehen und richtete sich ihre Schnürsenkel, die in der Zwischenzeit aufgegangen waren. Scott verweilte schweigend neben ihr und fischte nach einer seiner Zigarren, welche[r] er in der Innentasche seines Mantels in dem Etui seines Vaters aufbewahrte. Noch immer schweigend, traten sie gemeinsam auf die Straße raus. Scott zündete sich sofort, kaum umwehte die kühle Morgenluft sein Gesicht, die Tabakwurst an. Die Sonne begann aufzugehen und tauchte die Dächer der Häuser in ihr erstes, goldenes Licht. Langsam und gemütlich erwachte Wien wieder zum Leben. Die feuchte Luft mischte sich mit dem ungesunden Tabakqualm, als der Schotte einen erneuten tiefen Zug nahm. Er erschrak ein wenig, als ihn Héderváry unerwartet umarmte. „Danke nochmal. Und hoffentlich läuft es zwischen dir und Francis, besser.“ Sie ließ ihn los, flüsterte ein „Tschau“ und trottete dem Trottoir entlang bis zu Haltestelle,von der sie ihm noch mal winkte, bis sie in den Bus einstieg und wegfuhr. Er rauchte seine Zigarre noch fertig, beobachtete dabei die ersten Passanten des Tages und machte sich auf den Weg zu seinem Heim, im Wissen, dass er an diesem Abend mit einem nervigen Energiebündel von Cousins konfrontiert sein würde.
 

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Irgendwo zu gleicher Zeit auf der nördlichen Seite der Donau-Wien-Gewebegebiets
 

Ivan musterte spöttisch die Umgebung. Er mochte es nicht, wenn Klischees getroffen wurden, doch nun stand er da, in einem Gewerbegebiet, welches sich in einem der Außenbezirke von Wien befand. Wiener auf der Donauseite des ersten Bezirkes nannten diesen Teil ihrer Stadt hämisch Transdanubien und der Russe konnte sich mit eine wenig Fantasie auch ausmalen, warum. Er befand sich im Niemandsland auf wienerischem Territorium. Die Sonne begann langsam hinter seinem Rücken aufzugehen und er stand mit Laurinaitis vor diesem schäbigen Bürogebäude, welches jedem Mafiafilm eine passende Kulisse geboten hätte. Leicht entnervt drückte er den einzig noch vorhandenen Klingelknopf der Gegensprechanlage. Eine krächzende Stimme, durch die halbfunktionierende Anlage grauslich entstellt, meldete sich und fragte auf Russisch nach dem Codewort. Ivan musste es fast in die Sprechschlitze brüllen, bis ihn der Mann auf am anderen Ende der Leitung verstand. Aber wer sollte das auf diesen gottverlassenen Platz denn mitbekommen?

Sirrend sprang die alte Glastür auf und Ivan betrat, immer noch in mieserer Stimmung, den schmutzigen Gang. Laurinaitis folgte ihm, wenn auch zögerlich. Der Russe drehte sich zu seinem Begleiter um.
 

„Hast du Angst Laurinaitis?”, fragte er mit seinem unschuldigen Tonfall in der Stimme, welcher von seinem typischen Kinderlächeln begleitet wurde. Der Braunhaarige sah sich kurz um und nickte langsam. „Dann bleib ganz dicht bei mir. Der Mann zu dem wir gehen, ist wie eine Bestie und riecht Angst Kilometer weit.“, flüsterte Ivan[,] dem anderen auf Litauisch ins Ohr, als er sich zu diesem hinunter beugte. „Solange ich da bin, wird er dir nicht wehtun.“ Wie mit einem Kind, welchem man erklärt, dass es keine Angst vor dem Gewitter zu haben brauche. Schließlich war er ja auch noch da. Wieder ein Nicken. –Ich Narr, warum sage ich ihm das überhaupt. Er weiß ja am besten wie Arlovskaya so drauf sein kann-, schoss es dem Riesen durch den Kopf, während er sich aufrichtete und seinem Weg unbeirrbar weiter ging.
 

Das Haus hielt auch innen das bereit, was es mit seiner Fassade versprochen hatte. Ivan ging mit seinem nervösen Anhang zwei Stockwerke hinauf, und beschritt dabei alte 70° Jahre Flure, wie auch Treppenhäuser, welche mit denen in Hässlichkeit konkurrierten. Schließlich waren sie bei einer Bürotür angelangt, hinter der Ivan seinen Mann treffen sollte. Dabei hatte er so oft gebetet, nein, falsch ausgedrückt, er hatte Gott so oft angefleht, dass er Arlosvskaya erst wieder bei dessen Beerdigung sehen musste. Es widerstrebte ihn, mit diesem Man etwas zu tun zu haben. Er hatte schon damals nichts mit seiner Zwillingsschwester am Laufen haben wollen, doch die Ablehnung des Bruders war noch stärker ausgeprägt. Eigentlich wollte er von dem allem nichts mehr wissen. Süditalien hatte ihm deutlich vor Augen geführt, dass seine Karriere im organisierten Verbrechen hier zu Ende sei und er lieber so bald wie möglich seine Haut retten sollte. Doch wie sollte das gehen? Er wusste es selbst nicht.

Das zitternde Etwas, hinter sich ignorierend, drückte er entschlossen die Klinke herunter und stieß mit Wucht die Tür auf. Seine andere Hand zog im gleichen Augenblick die Waffe aus der Tasche seines Mantels und richtete sie auf die erste Person im Raum, welche er optisch erfasste.

Mitten im Zimmer stand ein alter, hässlicher und total verstaubter Schreibtisch, hinter dem ein junger Mann saß, den Kopf auf die verschränkten Finger aufgestützt. Man konnte ihn als gutaussehend beschreiben. Zierlicher Körperbau, welcher durch die leicht altmodische Kleidung unterstrichen wurde. Lange, feine Hände, welche eindeutig gewohnt waren, dass jemand anderes die Drecksarbeit machte. Ein zartes und zerbrechlich wirkendes Gesicht, umrahmt von aschblondem Haar. Er hätte Model zum Malen eines alten, barocken Gemälde eines Engels stehen können stehen können, wäre da nicht die eisige Kälte in seinen Augen gewesen. In ihnen konnte er seine wahre Natur nicht verbergen.
 

„Das würde ich an deiner Stelle nicht tun, Ivan.“
 

Selbst in seinem Russisch konnte man die Kälte des Winters ausmachen. Zwei Klicklaute folgten und der Russe konnte sehen, wie zwei Männer leicht schräg vor der Tür, jeweils links und rechts, ihre Waffen auf ihn gerichtet hatte. Laurinaitis gab ein entsetztes Keuchen von sich.
 

„Habe mir sagen lassen, mit einem Loch im Kopf lassen sich die Freuden des Lebens nicht mehr genießen.“ Der fragile Blonde war aufgestanden und ging um den Tisch herum. Er hat den gleichen Gang wie sie, bemerkte Ivan beiläufig, ohne auch nur Anstalten zu machen die Waffe zu senken. Mit wenigen Schritten war der „Gastgeber“ bei ihm angelangt, wobei er sich durch den Lauf der Waffe nicht im mindestens gestört fühlte.
 

„Ivan, nimm die Waffe runter.“
 

„Dann sag deinen Affen sie sollen das Gleiche tun.“, murrte Ivan, in einem ihm untypischen ernsten Ton. Wenn er ernsthaft bedroht wurde, hörte der Spaß auf.

Der Blonde gab seinen Begleitern einen Wink, welche in dem Moment ihre Waffen runter nahmen, als Ivan die seinige wieder in der Tasche seines Mantels verschwinden ließ.
 

„Brav.“, lobte sein Gegenüber, wobei er offen lies, ob er den Russen meinte oder seine beiden Muskelmänner. –Wieder ein verdammtes Klischee-, dachte Ivan. –Das Gehirn und seine Leibwache, welche gerade mal den IQ einer Qualle im Wodkarausch erreichen-
 

„Ach, da ist ja auch Braginskis Schoßhündchen.“, rief „Das Gehirn“ gespielt überrascht, als er Laurinaitis bemerkte, welcher sich bis dahin hinter dem breiten Rücken seines Bosses versteckt gehalten hat und nun beim Anblick des jungen Mannes ziemlich bleich wurde. „Hast also bis jetzt überlebt. Meinen Respekt, Laurinaitis, ich habe dir damals eine Monat gegeben, bis man dich in irgendeinen Säurefass wiederfindet.“
 

„Ich schaue halt auf meine Untergebenen, Arlofsky.“, zischte Ivan bedrohlich, um die Aufmerksamkeit von seinem Laufburschen zu lenken.

„Ach, ich weiß, Braginski. Wahrscheinlich war dein mitfühlendes Herz an dem Debakel in Süditalien schuld.“ Mit einer eleganten Bewegung wandte sich Arlofsky von ihm ab und setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches. „Der einsame Wolf von Moskau ist weich geworden. Nur blöd…“

Das spöttische Lächeln wandelte sich in ein hämisches Grinsen, welches das hübsche Gesicht auf groteske Weise entstellte. „…dass wir kein Samariterverein sind. Braginski!“
 

Ivan versteifte sich. Es war ihm klar gewesen, dass Arlofsky ihn auf den gescheiterten Auftrag im Süden des sonnigen Italiens ansprechen würde…nein, besser gesagt versuchen würde schmerzhaft darauf rumzureiten und seine Niederlage breit zu treten.
 

„Die Kommission ist gar nicht zufrieden mit dir, Ivan.“ Da war er wieder. Der junge russische Mafioso, begann ihn wieder bei seinem Vornamen zu rufen. „Sie sind verärgert und erstaunt wie einer ihrer schärfersten Hunde so plötzlich die Zähne verloren hat…“
 

Ivan ballte die Fäuste. Es gab kaum etwas was er mehr hasste, als Unterhaltungen mit diesem vorlauten Bengel. Selbst der junge Agent des FBI, welcher für sein Versagen in Italien verantwortlich war, wurde von diesem Burschen ohne weiteres in seiner Hassliste getoppt. Um sich zu beruhigen und den kurzen Moment des Schweigens zu nutzen, begann er sich vorzustellen, was er diesem zerbrechlichen Leib alles antun konnte, damit sein Besitzer an einem möglichst langen Tod starb. Dabei war er bei weitem kein Freund des Foltertodes, doch in diesem Falle war es Balsam für seine Seele.
 

„Anatol, ich bin nicht nach Wien geschickt worden, um ein Kaffeekränzchen mit dir abzuhalten.“, versuchte er mit der freundlichsten Stimme zu sagen, welche er unter diesen Umständen aufzubringen im Stande war.
 

„Schade, ich wollte gerade nach Kaffee und Kuchen schicken lassen. Aber wenn du es so eilig hast. Ich möchte einen stressgeplagten Mann nicht von seinen Erledigungen abhalten. „
 

Zum ersten Mal, seit dem Beginn des Gespräches, schien Arlofsky endlich den nötigen Ernst aufzubringen.
 

„Nun, eine wichtige Sache veranlasst mich für eine unbestimmte Anzahl an Wochen nach Prag zu vereisen und da diese Sache einfach zu wichtig ist, um sie dir in die Hand zu legen…“ Die Eisaugen blitzen kalt, was den Russen aber nicht im mindestens beeindruckte. „… hast du bis zu meiner Rückkehr die Fäden in der Hand. Ich muss nicht erwähnen, zu meinem größten Bedauern.“
 

„Ist das alles?“
 

„Nein, natürlich nicht.“ Arlofsky lehnte sich auf den Schreibtisch zurück und zog aus einer Lade ein Kuvert heraus. „Ich habe dir natürlich eine einfache Arbeit überlassen. Zum Einarbeiten so zu sagen.“
 

Er richtete sich wieder auf und wedelte mit dem Briefumschlag vor der Nase des Russen herum. „Es steht alles da drin.“

Mit einem Schubs stieß der Blonde sich vom Tisch ab und ging auf Ivan zu, wobei er seinen Männern einen Wink gab. Als er vor dem großen Russen stand und zu ihm aufblickte, wurde sich dieser wieder dessen äußerlicher Ähnlichkeit mit seiner Schwester bewusst. Doch Anatol Arlofskys Zwillingsschwester war im Inneren nicht so verdorben gewesen wie dieser.
 

„Verpatz es diesmal nicht, Braginski.“, zischte der Engel ihm zu, als dieser ihm das Kuvert in die Hand drückte. All der Hass, welcher sich zusehends vermehrt hatte, seit Natalia Arlovskayas Tod, blitzte Ivan aus den blauen Seelenspiegeln an, dass selbst der hartgesottene Russe einen unangenehmen Schauer entlang der Wirbelsäule verspürte. Ein Gefühl das sich verstärkte, als der Kleinere seine Hand hob und mit den Fingerspitzen über seine Wange fuhr. Natalias Gesicht kam ihm in den Sinn und er konnte ein Frösteln nicht verhindern. „Wäre doch schade, wenn nur ein Häufchen Asche von dir übrig bleiben würde, wie von dem letzten Narren, welcher unserer Sache im Weg stand.“
 

Wie von Nadeln gestochen wischte Ivan die Hand weg und machte den Dreien, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, Platz, woraufhin Arlofsky mit Gefolge an ihm vorbeirauschte. Doch dies hatte zur Folge, dass sie auf Laurinaitis stießen, welcher bis dahin, zu seiner größten Erleichterung, im Gang vergessen worden war.

„Laurinaitis…“ Der Blonde wollte zu mehr ansetzen, da klickte es in seine Richtung. Ivan hatte seine Waffe gezogen und richtete sie geradewegs auf das schöne Gesicht des Jüngeren.
 

„Geh und lass ihn in Frieden. Arlofsky!“
 

Die Muskelmänner richteten beide im gleichen Augenblick ihre PSM auf den Russen und hätten wahrscheinlich auch abgedrückt, wenn ihr Boss, sie nicht mit einem Wink aufgehalten hätte.
 

„Ich glaube du vergisst, Ivan, dass du dein treues Hündchen Laurinaitis, mir zu verdanken hast und ihn eher als eine Leihgabe betrachten solltest. Einen schönen Tag noch.“
 

Und mit diesen Worten verschwand zu größten Erleichterung Ivans und zu noch größeren Erleichterung Toris, Anatol Arlofsky für ein ganzes Weilchen aus ihrem Leben. Wobei Ivan innig hoffte, dass diesen blonden Teufel mit Engelsgesicht ein furchtbar tragischer Unfall auf den Weg nach Prag ereilen würde. Dann wäre die Welt um ein ganzes wandelndes Klischee ärmer…



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