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Ein Spielmann

Staubfinger x OC
von

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Ein Spielmann

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„Ich bin doch nur ein Spielmann

Spielmann, Spielmann

Ein Blatt im Wind

Lass ich mich treiben

Die Lieder bleiben

Spielmann“

(In Extremo, Spielmann)
 

**********
 

Prinz Andin war eigentlich ein sehr hübscher junger Mann. Er hatte nur ein einziges Problem. Die Wache, die ihn einst mithilfe seiner groben Hände hatte töten wollen, hatte ihn zwar nicht umgebracht, seine Stimme aber schon. Seit diesem Tag vor vielen, vielen Jahren, konnte er nicht ein Wort mehr sprechen. Sie blieben ihm im Hals stecken, er wusste wie man sie aussprach, wusste wie sie sich auf der Zunge und den Lippen anfühlten, doch kein Laut wollte seiner Kehle mehr entweichen. Er hatte gelernt sich mit den Händen auszudrücken, da er nicht lesen und nicht schreiben konnte und manchmal reichte es, wenn er sich mit Blicken anderen mitteilte. Er war damals als Krüppel betitelt worden und die Wachen vor den Stadttoren hatten ihn aus der Stadt geworfen. Noch heute erinnerte er sich an die grinsenden Fratzen der gerüsteten, hochgewachsenen Männer und spürte den bitteren Geschmack von Abscheu. Ja, er hasste Wachen. Diese überheblichen, viel zu stolzen Narren... Wie gerne würde er eines Tages auch sie grinsend aus der Stadt werfen... Wunschdenken...
 

Ein kühler Lufthauch, der ihm durch sein hellblondes Haar fuhr, riss ihn aus den Gedanken. Die Nächte wurden kälter, der Herbst näherte sich dem Ende, bald würde der herannahende Winter den ersten Schnee mit sich bringen. Leicht fröstelnd blickte Andin sich um. Der Winter würde wieder hart für sie werden. So wie jedes Jahr. Ohne wirklichen Unterschlupf, in Zelten schlafend und die Tage außerhalb von steinernen Mauern verbringend, war der Winter für sie die gefürchtetste Jahreszeit. Jeder einzelne musste fürchten die kalten Monate nicht zu überleben, der Kältetod hatte schon mehr als einmal wie eine ansteckende Krankheit den Einem und Anderen geholt. Jemand der den Winter nicht fürchtete, war ein Narr.
 

Andin rutschte etwas näher an das zischende Feuer vor ihm und schlang die Arme um seinen Oberkörper. Die Flammen ließen sich nicht von der Kälte beirren, sie tanzten munter weiter vor sich hin, zischten und flüsterten leise Worte, die nur Diejenigen verstanden, mit denen das Feuer auch sprach. Prinz Andin gehörte leider nicht dazu. Er liebte das Feuer, ja, aber das Feuer sprach nicht mit ihm. Aber es tanzte für ihn, wenn es diese Bitte zugeflüstert bekam.
 

Eigentlich war Andin auch kein Prinz. Man hatte ihm diesen Titel nur gegeben, weil man seinen Bruder als den Schwarzen Prinzen kannte.

Aber genaugenommen, war dieser auch nicht Andins Bruder. Er hatte ihn aufgegriffen, in der Nacht als er aus der Stadt geworfen wurde, hatte ihn mit zu seinen Leuten genommen. Andin hatte Angst gehabt, furchtbare Angst. Seine Stimme war weg, ein Fremder mit schwarzer Haut nahm ihn einfach mit sich und plötzlich war er umgeben von lauten, lachenden Menschen die in kleinen Gruppen um ein paar Feuer saßen und tranken. Der Anblick des riesigen, schwarzen Bären, der leise hinter dem schwarzen Fremden grunzte und schnarchte, verringerte seine Angst keineswegs. Doch der Fremde hatte ihm eine lauwarme Suppe hingestellt, ihn angelächelt und aufgefordert zu essen bevor die Mahlzeit ganz kalt werden würde. Nach langem Zögern und einem ängstlichen Blick um sich, hatte Andin es schließlich gewagt langsam und möglichst leise die Suppe zu löffeln. Er erinnerte sich daran, dass sie nicht sonderlich viel Geschmack hatte, sie war fettig und etwas bitter gewesen. Aber damals hatte er Hunger gehabt und hätte vermutlich sogar ein grün schimmelndes Stück Brot gegessen, hart wie Stein.

Er hatte lange gebraucht um sich an seine Umgebung zu gewöhnen. Und an die Menschen um sich. Aber der Schwarze Prinz und auch sein Bär hatten ihn nicht mehr aus den Augen gelassen. Irgendwie schien er sich verantwortlich für ihn gefühlt zu haben. Andin war auch noch jung gewesen, damals, noch nicht mal in heiratsfähigem Alter. Irgendwann hatten die Anderen gemeint, er und der Prinz könnten Brüder sein, so wie sie aneinander hingen. Der Prinz hatte nur gelacht und war Andin durch sein Haar gefahren. Von dem Tag an waren sie Brüder.

Besonders ähnlich sahen sie sich nicht. Die Haut des Prinzen war dunkel, während Andins nur von der Sommersonne gebräunt war. Die Haare des Prinzen waren genau so schwarz wie seine Augen, die seines Bruders waren grau und seine Haare eigentlich hellblond, doch durch den Staub und den Dreck waren sie dunkler geworden. Der Schwarze Prinz war hochgewachsen, nicht gerade schwächlich und war ein Meister wenn es um das Umgehen mit seinen drei Messern ging. Man sagte, er könnte sogar das Auge einer Libelle treffen.

Andin war nicht sehr geschickt mit Waffen, ganz egal welcher Art, mehrmals hatte er sich schon mit den Messern seines Bruders geschnitten, besonders groß war er auch nicht, er hatte eine gewöhnliche Größe für einen Jungen in seinem Alter, und kräftig war er schon gar nicht.

Aber wenn es etwas gab, das er konnte, dann war es stehlen. Andin konnte alles stehlen, alles was er wollte. Darin war er ein Meister. Niemand in ihren Reihen übertraf ihn darin, niemand.
 

Er zucke zusammen als er etwas Pelziges an seinen Beinen spürte. Erschrocken sah er nach unten und sah wie sich keine pelzige Pfoten mit ihren Krallen leicht in den Stoff seiner Hose gruben. Er lächelte als er die runde Schnauze und die kleinen Knopfaugen sah, genauso wie die kleinen Hörner auf dem Kopf des Tieres. Leise keckerte der Marder als Andin ihm die Hand vor die Schnauze hielt und das Tier seinen Kopf gegen seine Handfläche drückte. Sanft kraulte Andin ihm den Nacken und hob ihn schließlich vorsichtig hoch um ihn auf seinen Schoß zu setzen. Er rutschte ein Stück vom Feuer weg, wohl wissend dass der Marder das Feuer fürchtete und streckte seine Beine etwas um dem Tier mehr Platz zu gewähren. Mit einem Laut der dem einer schnurrenden Katze sehr nahe kam, rollte der gehörnte Marder sich zusammen und beobachtete alles um sich herum mit wachsamen Augen. Andin brauchte nicht lange zu warten, bis der Besitzer des Tieres ebenfalls auftauchte. Er konnte seine Wärme spüren, als er hinter ihm in die Hocke ging und ihm eine kratzige aber warme Decke über die Schultern legte.

„ Bissiges Vieh! Du hast die Hörner auf deinem Dickschädel wahrlich nicht umsonst du kleiner Teufel...!“ Staubfingers warme Stimme hinter Andin ließ ihn seufzen. Der Marder auf seinem Schoß sah seinen Besitzer kurz an und keckerte leise, fast spottend, bevor er seine Schnauze in den Stoff von Andins Ärmel grub um gestreichelt zu werden. Mit einem Schmunzeln kam dieser seinem Wunsch nach und sah über seine Schulter zu dem Feuerspucker hinter ihm. Auf seinen fragenden Blick hin zeigte Staubfinger ihm schnaubend seinen blutenden Daumen.

„ Er beißt nur mich. Er würde seine spitzen Zähne niemals in deine Haut graben. Er mag dich mehr als Farid... Und du streichelst und kraulst ihn auch noch wenn er zu dir kommt nachdem ich ihn fluchend davon gejagt habe...“ Seine Stimme war nichts als ein beleidigtes Murmeln. Andin musste lächeln. Manchmal war sein Feuertänzer wie ein kleines Kind.

Mit einem ahnungslosen Gesichtsausdruck zuckte er die Schultern und Staubfinger seufzte.

„ Ja ich weiß... Du konntest es ja nicht wissen...“ Leise ließ er sich neben Andin nieder, legte einen Arm um seine Schulter und zog ihn an sich. Als er die Wärme des Feuerspuckers spürte, entspannte Andin sich augenblicklich. Er hatte nicht mal gemerkt dass er angespannt gewesen war...
 

Einige Minuten des Schweigens vergingen, bis ihnen beiden zwei Becher vor das Gesicht gehalten wurden. Vorsichtig nahmen sie dem Schwarzen Prinzen die beiden Becher mit warmen Honigwein aus den Händen und Andin sah lächelnd wie sein Bruder sich an seiner anderen Seite niederließ während der Bär sich hinlegte, den schwarzen Kopf auf den Schoß seines schwarzen Herrn bettend. Kurz fuhr Andin dem Bär über die Schnauze und beeilte sich dann aber, wieder den Nacken des Marders auf seinem eigenen Schoß zu kraulen. Gwin wurde sehr schnell eifersüchtig und war generell nicht gut auf den Bären zu sprechen.

Grinsend fuhr der Schwarze Prinz seinem Bruder durch das blonde Haar und blickte dann mit einem Lächeln in die tänzelnden Flammen vor ihnen.

„ Morgen stehen uns die Tore von Ombra wieder weit offen. Kann ich auf deine Hilfe zählen, Bruder?“ Andin zögerte kurz, nahm dann einen Schluck von dem warmen Gebräu und nickte dann. Obwohl er sich in der Stadt immer noch nicht gut fühlte und die Menschenmassen ihn ängstigten, begleitete er seinen Bruder immer wieder hinter die Stadttore auf die gepflasterten Straßen, hinauf zum Marktplatz. Er stahl Lebensmittel, Gold und Stoffe aus denen die Frauen in ihren Reihen Kleider und Decken flickten.

Nicht alle Spielmänner begleiteten sie dabei, aber ein paar schon um weiteres Geld zu verdienen. Staubfinger war immer dabei. Er war überall bekannt und verdiente immer gut. Die Leute waren fasziniert von seinem Können, niemand konnte besser umgehen mit dem Feuer und das wusste man auch.

Während der Prinz und Staubfinger sich über den morgigen Tag unterhielten, blickte Andin nachdenklich in das Feuer. Die beiden Männer an jeder seiner Seiten waren beste Freunde seit Kindertagen und sie waren die beiden wichtigsten Personen in Andins Leben. Er liebte sie alle beide. Auch nur einen von ihnen zu verlieren, das würde er nicht verkraften. Der Prinz hatte sich stets um ihn gekümmert, seit er ihn aufgelesen hatte und manchmal bemutterte er ihn wie eine alte Glucke. Aber zum Glück nur manchmal... Und Staubfinger... Er liebte ihn anders. Den Prinzen liebte Andin als Menschen. Als seinen Bruder. Staubfinger liebte er als Mann. Er begehrte ihn und wollte ihn ganz alleine für sich haben. Er liebte Staubfinger so heftig, dass er manchmal Angst hatte, dass es zu viel wurde. Dass seine Gefühle zu viel wurden. Doch obwohl Staubfinger ein freiheitsliebender Mann war und nicht gerne Gefühle zuließ, wusste Andin, dass er ihn mit der selben Heftigkeit zurück liebte.
 

In seinen Gedanken vertieft, leerte er seinen Becher und spürte abermals, wie der Honigwein ihn schläfrig machte. Manchmal dachte er, dass sein Bruder sich um seinen Schlaf sorgte, weil er ihm jeden Abend einen Becher mit dem süßen, warmen Honigwein brachte.

Der Prinz wusste natürlich ganz genau dass das warme Gebräu ihn müde machte, er wollte ihm nur einen sicheren und festen Schlaf gewähren und vielleicht wollte er es auch ein bisschen verhindern, dass Andin und Staubfinger sich lieben konnten in der Nacht. Er war eben doch ein großer Bruder.
 

Mit schweren Augenlidern sah Andin hinab zu Gwin, der mittlerweile auf seinem Schoß schlief und ab und zu leicht mit der Schnauze zuckte. Sanft streichelte er ihn hinter den kleinen Ohren und erntete ein leises Schnurren von dem Marder. Mit einem müden Seufzer schmiegte sich Andin etwas mehr an die Brust des Feuerspuckers der ihn sanft an sich drückte und schloss seine mittlerweile schmerzenden Augen. Es dauerte nicht lange, bis er leicht eindöste und seine Umgebung nur noch wie durch Watte wahrnahm. Die Geräusche um ihn herum entfernten sich immer weiter, die Stimmen Staubfingers und die des Prinzen, das leise Reden und Lachen der restlichen bunten Volkes, das leise Schnarchen des Bären. Nur das leise Knistern des Feuers war in Andins Ohren noch deutlich zu hören. Die Laute des tanzenden Feuers beruhigten ihn und lullten ihn immer weiter ein, bis er sanft in einen festen, traumlosen Schlaf glitt.
 

Er wurde halbwegs wach als er spürte dass Gwin mit einem leisen Fauchen von seinem Schoß sprang und Andin kurz darauf auf zwei Arme gehoben wurde. Sein Kopf sank von selbst gegen eine warme Schulter und leicht lächelnd vernahm er den vertrauten Geruch von Ruß und Feuer. Er spürte kurz warme Lippen an seiner Stirn, bevor er von dem Feuer weggetragen wurde. Langsam und blinzelnd schlug er seine grauen Augen auf und sah hoch in Staubfingers Gesicht. Mit seinem typischen leichten Lächeln erwiderte er Andins Blick und duckte sich, als er ihn in ihr Zelt hin-eintrug. Vorsichtig, als wäre er ein Glasmann, ließ er Andin auf die Decken nieder bevor er sich selbst daneben legte und einen Arm um ihn legte. Andin spürte wie ihn die Müdigkeit wieder überkam, doch er lächelte Staubfinger an und fuhr ihm sanft über die narbige Wange.

Ja, er liebte diesen Mann.

Er liebte ihn maßlos.



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