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Jareth und René

Los Angelos Summerdrive
von

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Daheim

Mein erster Liebeskummer zu meiner ersten Liebe. Es tat so sehr weh, dass ich tagelang nicht richtig denken konnte. Fühlen noch weniger. Ich funktionierte einfach. Wie, konnte ich jetzt nicht mehr sagen. Am Abendbrottisch sah ich nur niedergeschlagen und müde aus. Meine Mutter schob die roten Augen auf die Müdigkeit und dass ich zu viel an Informationen bekommen hatte.

„Vielleicht solltest du morgen doch nicht zur Schule gehen“, schlug sie besorgt vor.

„Schon ok. Ich brauche nur etwas schlaf“, gab ich monoton wieder.

Sie nickte ab, wenngleich ich weiterhin ihre abschätzenden Augen auf mir spürte.

Keine Ahnung was die Tage danach geschah oder wie meine Klasse und die Lehrer mich aufgenommen hatten. Lange hatte ich verdrängt, was damals geschehen war. Das Krankenhaus, die Schule, mein Leben, ich hatte mich von all dem losreißen wollen. Darum begann ich diesen Schmerz zu hassen. Es zu hassen so niedergeschlagen zu sein, sobald ich alleine war. Zu hassen, wie man mich eine Zeitlang mit Samthandschuhen anfasste. Zu hassen, dass meine Schwester mir nicht sofort Bescheid gegeben hatte, als Oma René das Verbot aussprach. Meine Eltern zu hassen, wie sie mich behandelten, als wüssten sie genau, was in mir vorginge. Oma … Für sie fand ich nicht mal mehr Worte. Zu hassen, dass ich weinen musste, wenn ich an René dachte. Dazu kam dieses dämliche Foto! Mutter rahmte es in der Stube ein, wenngleich wir lange nicht über diesen Tag mit meinem Unfall redeten. Viel später erst, sprachen wir in Auszügen von diesen Tag, über das Cosplay und redeten alles schön. Eine Farce die half eine andere aufrecht zu erhalten. Zunächst jedoch mochte ich dieses Foto nicht mehr ansehen. René und ich sahen viel zu glücklich aus. Wie konnte ich damals nur so glücklich sein?

Wenngleich ich meine Erinnerungen nach dem Sturz zurückerhalten hatte, war ich was meine Psyche anging labil. Gute Miene zu Bösem Spiel gemacht, merkte wahrscheinlich keiner, wie düster es in mir aussah oder dass ich nicht wusste mit all dem umzugehen. Da ich niemanden erzählt hatte, dass ich mich bereits seit dem Krankenhaus vollständig erinnern konnte, warum gab ich dann nicht vor, dass ich mich nicht erinnern konnte? Josi hatte ich den einen Tag zwar einen Hinweis gegeben, aber nachdem ich so niedergeschlagen war, war sie sich nicht mehr so sicher. Was wenn ich mich nur teilweise erinnerte? Ginge das? Lückenhafte Erinnerungen ohne René. Ginge das wirklich? Keine Ahnung, ob so was überhaupt möglich war, ich würde es einfach möglich machen!

Erfolgreich überschrieb ich meine Erinnerungen. Wohlgemerkt dauerte es Monate bis ich mich selbst erfolgreich manipuliert hatte. Tatsächlich war es nicht ungewöhnlich, wenn man sich an bestimmte Teile seines Lebens nicht erinnerte oder Ereignisse abänderte, die zu schockierend und schmerzhaft gewesen waren. Jahre später las ich einen Artikel, bei dem ein Kind seine Erinnerungen an den Tod seines Vaters so überschrieben hatte, dass das Kind komplett vergessen hatte, bei dem Tod des Vaters dabei gewesen zu sein. Erst als Erwachsener mit einer entsprechenden Hypnosetechnik gelang es ihm die Erinnerungen geradezurichten. Josi hatte mir den Artikel gezeigt und war fest davon überzeugt gewesen, dass ich dasselbe mit René machen würde. Ich erinnerte mich daran, sie nur verständnislos angeguckt zu haben und fragte: „Welcher René?“
 

Eine Hypnose brauchte ich nicht. Mir hatte es gereicht mit der Wurzel meines Leidens konfrontiert zu werden, da René zu meinem Glück noch Lebendig und Fidel war. Die Tage mit René, die Dates, die Neckereien und Küsse. Alles hatte nach und nach die meterdicke Lüge enttarnt. Am Morgen nach unserer gemeinsamen Nacht, konnte ich mir das Weinen kaum verkneifen. Der, den ich die ganze Zeit haben wollte, lag neben mir. Er war zärtlich und liebevoll gewesen. Trotzdem glaubte ich nicht, dass nach all der Zeit und all dem hin und her einfach alles gut und vergessen sein sollte. So lief doch keine Liebesgeschichte ab!

René hatte mich damals verlassen. Ungeachtet der Umstände hatte es sich genauso angefühlt. Was, wenn seine Liebe nicht so war, wie er es sich vorstellte? Wenn ICH nicht war, wie er es sich vorstellte? Besser ich ging und beendete all das, bevor es anfangen konnte und wir es gemeinsam gegen die Wand fuhren. Sicherlich, das wäre am besten.
 

-Flashback Ende-
 

René hielt unseren Kuss ruhig. Seine Zunge umspielte meine, seine Arme hatten sich um mich gelegt und somit etwas vom Türrahmen fortgezogen. Mit weichen Knien hielt ich mich an Renés Armen fest. Noch ehe uns die Luft ausging löste René sich.

„Was?“, fragte er und nahm seine Hände von meinen Rücken, nur um mir die Tränen von den Wangen zu wischen. Es brachte nichts, denn es kamen immer wieder Neue. Heiße, dicke Tränen wie ich sie nur einmal geweint hatte. Damals vor langer Zeit.

„Jay, was hast du? Tut dir was weh? Ist dir schlecht?“

Ich schüttelte meinen Kopf. Wenngleich mir wirklich etwas flau im Magen war und die Kopfschmerzen vom Kater durch das Weinen nur stärker wurden. Ich drückte René von mir weg, griff nach dem Glas mit dem Aspirinwasser und setzte mich auf die Couch. René folgte mir schweigsam, aber mit Argusaugen. Unsicher was er tun sollte, blieb er vor mir stehen. Da ich nicht mehr wie ein Schlosshund heulte, schien er ruhiger zu werden, aber trotzdem noch unschlüssig, was eben los war.

Ich seufzte schwer. „Setz dich, ich … will das hier erstmal wirken lassen, ok?“, meinte ich und hob mein Glas, ehe ich noch einen Schluck nahm. Wie gewünscht setzte René sich. Einen Platz weit von mir entfernt. Den Abstand wahrend, doch nah genug um reagieren zu können. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie angespannt er war, obwohl er eigentlich bequem hätte sitzen können. Ich konnte René wirklich viel an den Kopf werden, aber nicht, dass er nicht aufmerksam genug war. Gott! Wie sein Blick mich taxierte. Ob er fürchtete ich würde mich übergeben oder ich rastete wieder aus? Ein Schmunzeln bahnte sich ein Weg nach oben, dass ich nicht unterdrücken konnte. Natürlich sah René das und spannte sich gleich noch mehr an. Schon süß, ne?

Das Glas geleert, stellte ich es auf dem Couchtisch ab und zog meine Beine heran, um meinen Kopf auf meinen Knien abzulegen. Ich schloss die Augen und seufzte vernehmbar. „Ich hab‘s wirklich verbockt, oder?“

„Was meinst du?“

„Das mit Marry.“ Ich sah es nicht, hörte aber wie René ein unzufriedenes, leises Geräusch von sich gab.

„Marry wird es verkraften“, war seine Antwort.

„Hmhm, sicherlich.“ Ich schwieg wieder. Wie sollte ich nur anfangen? Gut war, dass mein Kopf weniger schmerzte und ich langsam wieder denken konnte. Wäre es mit einer Entschuldigung getan? Wahrscheinlich nicht. Ein Zusammenleben würde wohl auch nicht mehr drin sein. Dazu hatte ich viel zu viel verbockt und René wirklich viel Unrecht getan.

Ich merkte nicht, wie lange ich schwieg. Erst als René Anstalten machte sich zu bewegen, drehte ich meinen Kopf so, dass ich ihn ansehen konnte. Er griff nach meinem Glas und wollte es sicher in Ermangelung anderer Tätigkeiten, in die Küche bringen. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, stockte er, hielt inne und setzte sich untätig wieder hin. Was ging nur in seinem Kopf vor?

„Du weißt schon, dass du auf mich keine Rücksicht nehmen musst. Es ist deine Wohnung.“

„Ich weiß“, entkam es René. Seine Stimme war dunkel, sein Blick betrübt auf seine Hände gerichtet.

„Danke für das Aspirin.“

„Mhm.“

„René?“, fragte ich und beobachtete ihn weiter.

„Brauchst du was?“ Er sah nicht wirklich auf, hob aber den Kopf ein Stück.

Ich brummte verneinend.

„…“

„René?“, fragte ich erneut und diesmal hob er den Kopf.

„Hm?“, brummte er fragend und das Grau sah mich endlich an. Mein Kopf war eigentlich ziemlich leer in diesen Moment. Es erinnerte mich etwas an den ersten Tag im Krankenhaus, als ich aufgewacht war. Ein leichter pochender Schmerz, ein leerer Kopf und dieses eine Gefühl.

„Es tut mir leid.“

René hielt unseren Blickkontakt. Ich konnte sehen wie es in seinem hübschen Köpfchen ratterte.

„Wofür entschuldigst du dich“, fragte er langsam und skeptisch nach. Dass er sich zurückhielt, war deutlich zu spüren.

„Für alles, was ich dir bisher angetan habe.“

Verwirrung und Skepsis legte sich auf Renés Gesicht und er zog die Augenbrauen tiefer. „Hä?“

Ich schmunzelte. Klar, dass er nicht wusste wovon ich redete. Beschämt sah ich zur Seite. Meine Hände griffen nach dem braunen Stoff der Cowboyhose, die ich noch immer trug. „Ich habe dich schlecht behandelt, seit ich damals vom Baum gefallen bin“, begann ich. „Ich weiß, du hast dir nur Sorgen gemacht und dir die Schuld an meinem Unfall gegeben, aber das stimmt nicht. Du hast keine Schuld daran, wenn ich zu doof zum Klettern bin.“

Ich fasste etwas Mut und sah auf. René war eindeutig sprachlos, also redete ich schnell weiter. „Als ich damals aufgewacht war, hatte ich ständig diese leichten Kopfschmerzen und mein Kopf war so blank wie ein weißes Stück Papier. Ganz zu Anfang, noch ehe die Schwestern ins Zimmer gekommen waren, hatte ich eine Erinnerung und ein Gefühl. Beides war unheimlich wichtig, aber es verschwand, als mich die Schwestern mit mal ansprachen. Danach war es schwer sich an irgendwas zu erinnern, aber mit den Tagen fiel es mir leichter. Ihr habt mir ziemlich dabei geholfen“, bemerkte ich mit einem Lächeln und sah René an, dass er in der gleichen Erinnerung war wie ich. Zumindest zierte seine Wangen eine feine Röte und Unglauben seine Gesichtszüge. Verständlich, denn Oma hatte ihnen gesagt, dass sie mir mit ihrer Anwesenheit nicht geholfen hatten.

„Als wir uns dann unterhalten hatten, wusste ich wirklich noch nichts. Nichts vom Baum, nichts davon wie sehr ich dich mochte oder was ich dir damals hatte sagen wollen. Aber dass du mir die Ereignisse von dem Tag erzählt hast, dass du so deutlich und ehrlich warst, haben sehr geholfen. Als ich am nächsten Tag aufwachte, wusste ich es wieder. Gott, war ich aufgeregt“, gestand ich und blinzelte vermehrt. Die Erinnerung war nicht nur peinlich, sondern auch schön. „Ich war total erleichtert. Ich wusste alles wieder. Alles! Darum konnte ich es kaum erwarten, es dir zu erzählen. Aber… du kamst nicht.“

„Deine Oma hatte mich an jenem Tag verwarnt dich weiter zu besuchen“, gestand René. Seine Stimme war dunkel und leicht brüchig. „Ich wäre ein schlechter Umgang für dich und sollte dir nicht zu nahekommen. So einer … seist du nicht, meinte sie.“

Betrübt sah ich auf. „Ja, sie hatte mich den Tag auch verwarnt. Ich sollte mich ja normal verhalten. Normal sein.“ Ich schüttelte meinen Kopf. René ließ den Kopf sinken und ich konnte ihm ansehen, was er dachte. Sicherlich so was wie „Recht hatte sie, du hast dich normal verhalten“.

„Aber ich hatte nicht vor auf sie zu hören“, gestand ich und Renés Kopf schoss hoch. Ein Grinsen zupfte an meinem Mundwinkel. „Hast du vergessen, dass ich ein Sturkopf bin? Erinnerungen oder nicht, das hat sich nie geändert. Gerade weil sie es nicht wollte, wollte ich umso mehr. Außerdem…“, ahh, verdammt, nicht rot werden, „war das Gefühl in deiner Nähe zu sein viel zu schön. Unser Gespräch damals drehte dich darum, ob ich dich nicht nur mögen, sondern lieben würde. Ich wusste damals zwar nicht, ob es wirklich Liebe war, aber das was ich fühlte und wollte, konnte auch unmöglich keine Liebe sein. Deswegen solltest du zuerst erfahren, dass ich mich an alles erinnerte. Ich hatte dir meine Antwort vor allen Anderen laut ins Gesicht schreien wollen, so glücklich war ich damals.“

„Jareth.“ Renés Stimme war noch brüchiger geworden. Er sah mich so schuldig an, als hätte er mich persönlich vom Baum gestoßen. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und wurde etwas ernster.

„Schon gut, hör mir bitte noch zu.“

René nahm sich zurück und saß wieder gerade. Sein Blick aufrichtiger und ungeduldiger auf mich gerichtet.

„Ich habe damals nichts von deinem Umzug gewusst. Oder, dass Oma dir ein Besuchsverbot erteilt hatte. Oder, wie sehr dich das alles mitgenommen hatte. Zuerst verstand ich nicht, warum du nicht mehr ins Krankenhaus kamst, aber da ich einen Tag danach entlassen wurde, dachte ich mir nichts bei und redete mir gut zu, dass ich dich die nächsten Tage sehen würde. Zur Schule durfte ich erst eine Woche später. Meine Eltern waren streng und da noch keiner wusste, dass mit mir alles wieder in Ordnung war, behandelten sie mich wie ein rohes Ei. Nicht rausgehen, nicht wehtun, nicht anstrengen und ohhh stresst den armen Jungen bloß nicht. Er muss sich doch erinnern“, sprach ich mit deutlichem Hohn in der Stimme und verdrehte die Augen. „Dabei wusste ich alles und wollte eben nur mit dir zuerst Reden. Ich rief bei dir an. Hoffte, dass du zu Besuch kämst. Aber ich kam nur einmal durch und deine Mutter war im Stress. C.G. der Arsch hatte mir nichts erzählt und Josi wusste nur von deinem Besuchsverbot im Krankenhaus. Dann … den Tag bevor ich zur Schule durfte, platze plötzlich alles. Ich war so angespannt, dass ich meine Eltern anschrie. Es war ein heiden durcheinander, aber dabei stellte sich, dass mit dem Besuchsverbot heraus, dass du umgezogen bist und mir keiner was sagen wollte, da …“, ich machte eine künstliche Pause, ehe ich wieder sarkastisch wurde, „meine Mutter deine getroffen hatte und die hatte berichtet, dass es dir wegen dem Unfall nicht gut ginge. Sie waren sich einig, dass uns Abstand guttun würde.“ Ich holte Luft und sah erstmals wieder auf. Beim Reden hatte ich mich vollkommen verkrampft und René schien es ebenso gegangen zu sein.

Ich lehnte mich zurück, löste meine eingerollte Position auf, nur um meinen Kopf auf die Couchlehne fallen zu lassen. Jetzt kam der schwierige Teil.

„Ich hab’s nicht verstanden“, gestand ich matt und schloss die Augen. „Damals hab‘ ich es einfach nicht verstanden. Wenn dir eine Antwort so wichtig war, warum konntest du nicht anrufen, warum nicht vorbeikommen? Warum konnten wir uns nicht einmal sehen, ehe du umziehst? Irgendwie hab‘ ich mich von allen verraten gefühlt. Wenn mir keiner was erzählte, wenn die mir wichtigen Menschen einfach gingen, dann war ich doch nicht so viel wert. Warum behandelte man mich dann wie ein rohes Ei?“ Ich seufzte schwer. „Ich will mich nicht rausreden, weil ich verletzt und traurig gewesen war. Aber damals schien es mir das Beste, dass zu tun, was man von mir erwartete. Also redete ich mir jeden Tag, jede Stunde ein, dass ich mich nicht erinnern konnte. Dass meine Erinnerungen lückenhaft seien und das führte dazu, dass es dich einfach nicht gegeben hatte. Zu denken: Du hast mich verlassen, tat einfach zu weh… Allein die Version von dir als Mädchen auf dem Cosplaybild blieb zurück. Sowie ich dich vergessen hatte, hörte auch der Schmerz auf. Mir ging es besser.“

Nur seine Augen hatte ich nicht vergessen können. Seine grauen Augen, dich sich an jenem Tag auf dem Baum mit ihrer unheimlichen Strahlkraft so tief in mein Gedächtnis gebrannt hatten, dass es unmöglich war, sie je zu vergessen.

Ich setzte mich gerade hin und sah René direkt ins Gesicht. „Es tut mir leid. Weil ich damals so egoistisch gewesen war, hast du gelitten…“

„Meinst du, die Wutausbrüche von denen ich dir erzählt habe?“

Ich nickte schlicht und René zuckte mit den Schultern.

„Ich glaube, dass hätte ich auch ohne dich hinbekommen. Sicher warst du ein zentraler Punkt dabei, aber zum Teil war das einfach meine rebellische Phase. Ich habe meinen Eltern nie verziehen, dass wir weggezogen sind.“

„Schon, aber ich habe dich auch unheimlich dämlich abserviert.“

„Jay, wenn es dir leidtut, dass du mich abserviert hast, nachdem wir Sex hatten, dann lass es.“

Seine Worte waren ehrlich und harsch. Verletzt sah ich auf und nickte doch nur. Verdient hatte ich es.

„Nein, Jay“, begann René erneut und rückte etwas näher heran. Seine Hand hob mein Kinn an und schmiegte sich an meine Wange. Sie war so unheimlich warm. „Ich meine damit, bleib bei mir.“

„Hä?“, entkam es mir diesmal. Wie kam er jetzt darauf?!

„Sei mein Lover.“

„René … ich … weiß echt nicht, was in deinem Kopf vorgeht“, erklärte ich verwirrt.

„Was verstehst du nicht?“, fragte er auch noch nach.

„Ich habe mich gerade dafür entschuldigt, dir immer und immer wieder wehgetan zu haben. Wie kannst du da noch mit mir zusammen sein wollen?“

„Das ist ok. Zum einem ist es lange her und zum anderen habe ich mich dafür schon gerächt.“

„Du hast dich gerächt? An mir?“ Ein Nicken. „Wann?“

René zog seine Hand zurück und setzte sich gerade vor mich hin. Eine Armlänge trennte uns und er kratzte sich etwas verlegen am Kinn. „Naja. Marry ist, wie du weißt, eine Kommilitonin von mir. Sie ist aber auch dafür bekannt, sehr gute, analytische Fähigkeiten im Menschenlesen zu haben. Und weil ich sauer war, dass du mir mit schläfst, mich abservierst und ignorierst, habe ich sie gefragt, ob sie mit dir zusammenkommt und naja … mit dir Schluss macht.“

„Bitte was?!“ Ich sah ihn ungläubig an. Was stimmte mit ihm nicht? Wie konnte er so was Bösartiges freiwillig tun und „Ah- Warte. Dachtest du, dass ich nach dieser Abfuhr wieder zu dir angekrochen kommen würde?“

„Vielleicht? Die Chancen standen fünfzig fünfzig.“ Ich sprang auf und griff ihm am Kragen.

„Fünfzig zu fünfzig und du Arsch versuchst es auch noch?! Hast du sie noch alle? Gerade du solltest doch genug davon haben, mit den Gefühlen anderer zu spielen! Wie kommt man auf so’n Scheiß?!“, blaffte ich ihn an. René hob abwehrend aber entspannt die Hände.

„Sich sowas auszudenken war nicht schwer und du bist recht berechenbar.“

„Hackt es oder was?!!!“, fauchte ich ihn an. „Das heißt, wenn ich was tu, was dir nicht gefällt, krieg ich es zehnfach zurück?!“

„Jay beruhige dich. Das war einmalig, ich schwöre es.“

„Ah, und das soll ich glauben ja? Ich hab‘ mich eh schon gefragt, wie du dir das vorstellst, zusammen zu leben. Wir kennen einander gar nicht mehr. Wir keifen uns nur an und DAS willst du als Ausgangspunkt für eine Beziehung sehen? Ich kann dir sagen, wie das enden wird. Ich mache was Dummes und du spielst mich aus.“

„Ich sagte doch, es war einmalig. Und ich liebe dich halt. Egal wie sehr du dich verändert hast. Wir können doch ganz langsam anfangen, wenn es sein muss und schauen wohin es führt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemand anderen genauso sehr oder mehr lieben würde als dich.“

René blieb ernst und hatte seine Hände auf meine gelegt, die immer noch seinen Kragen packten. „Lenk nicht vom Thema ab“, forderte ich mit röter werdenden Wangen. „Du hast mich in ein Komplott verwickelt und seelenruhig zugesehen, wie ich mich in die Scheiße reite!“

„Und du hast mich absichtlich vergessen.“

Touché.

Wir schwiegen und starrten uns an. Das Grau war resolut und unnachgiebig. Aber nicht in seinem Trotz, sondern in seinen Gefühlen. Ja, seine Augen wirkten hart, aber zugleich voller Zuneigung. Wie Schneewolken, welche gleich weichen Schnee entsenden würden. Wäre ich nicht so geladen und angetan, hätte ich bei einem solchen Vergleich und Anblick sicherlich im Strahl gekotzt. Gerade jetzt war dieser Blick einfach nur entwaffnend. Also ließ ich von René ab und blieb vor ihm stehen, den Blick zur Seite gerichtet und die Wangen spürbar heiß.

„Und … was machen wir jetzt?“, fragte ich mit brüchiger Stimme nach. René schwieg eine Weile. Dabei setzte er sich entspannter auf die Couch, den Rücken gerade angelehnt und eigentlich perfekt, um auf seinem Schoß Platz zu nehmen.

„Du erinnerst dich also an alles?“, fragte er nach.

Ich nickte.

„Und du empfindest was für mich?“

Angepisst sah ich ihn, nickte aber trotzdem.

„Ich würde sagen, uns bleiben genau zwei Möglichkeiten. Nummer Eins: Wir sagen klipp und klar, dass wir nur Freunde sind und nie wieder eine Grenze überschreiten. Nummer Zwei: Wir kommen zusammen und lernen miteinander umzugehen.“

„Und was ist mit der dritten Möglichkeit?“, fragte ich zu patzig.

„Welche denn?“

„Wir könnten wieder getrennte Wege gehen. Keine Freunde, keine Bekannten.“

René verzog missmutig sein Gesicht. „Das würde ich nicht können.“

Ich schmunzelte und stimmte ihm innerlich zu. Ja, das würde ich auch nicht mehr können. Wenn ich was aus meinen Erinnerungen und den letzten Wochen gelernt hatte, dann dass ich nicht will, dass René mich verlässt. Das, was ich damals für ihn empfand, war schon groß gewesen. Jetzt, sowie ich es wiederentdeckt hatte, war es gewaltig geworden.

Ich liebte René.

Ich liebe ihn immer noch.

Auch wenn ich fürchtete, dass er mich nach all der Zeit idealisiert hatte und sobald wir zusammen waren, Dinge und Eigenheiten ans Licht kommen würden, welche mir gar nicht mehr auffielen. Es blieb die Angst René durch eine Unachtsamkeit verlieren zu können.

Aber nur Freunde?

Ich schloss meine Augen und sagte im klaren ernsten Ton. „Na dann bleibt ja nur eine Wahl.“

René sah auf und ich auf ihn hinab. Die Spannung steigerte sich, da keiner ein Wort sprach oder sich rührte. Ich sah Hoffnung, aber auch etwas Unsicherheit in Renés Augen. Schließlich hob ich mein Kinn an und sah selbstgefälliger auf ihn hinab. Langsam stellte ich mein Knie neben sein eines Bein, zog mein anderes nach und setzte mich auf seinen Schoß. Automatisch strichen seine Hände meine Oberschenkel hinauf bis sie sich an meine Hüfte legten und dort verweilten wie glühende Handschuhe. Die Wärme sickerte durch das dünne Cowboyhemd, sodass ich eine Gänsehaut bekam.

Ich fasste sein Gesicht ein und beugte mich vor. Noch einmal sah ich in seine Augen. Diese perfekten, grauen Augen. Aufregung und Freude strahlten mir entgegen. Ich schmunzelte und überbrückte die letzte Distanz. Seine Lippen waren weich und dünn. Nach der ersten Berührung, einem ersten sanften Streichen, öffnete er seine Lippen und ich erschloss die neu gewonnene Spielwiese mit meinem Mund. Dies war der erste Kuss, den ich willentlich mit ihm einging, den ich zu dominieren versuchte. Bei dem jede Berührung der anderen Zunge gegen meine ein elektrisches Kribbeln durch meinen Körper sandte. Angetan murrte ich in den Kuss und gestand mir ein, dass ich niemanden so dringend hatte küssen wollen, wie René. Atemlos löste ich mich von ihm. Renés Lippen waren feucht und glänzten, seine Wangen gerötet, aber ich sah wahrscheinlich nicht anders aus. Ein so einfacher Kuss hatte mich dermaßen außer Atem gebracht und zugleich ziemlich angemacht. Was sollte ich lügen? Ich war ihm doch bereits damals hinter der Disco auf dem Leim gegangen. Einen Wildfremden verpasste man für gewöhnlich eine oder zwei, wenn er zu aufdringlich wurde. René hingegen war ich verfallen.

Mit seinen Händen an meiner Hüfte zog er mich näher. Die harte Beule in meiner Hose, drückte sich ihm entgegen und ließ mich nach Luft schnappen. Ich wusste ja bereits, dass René ein toller Liebhaber war. Die Erwartung dessen und der überdeutlichen Begierde, auf welche ich nun saß, konnte ich nur aufgeregt entgegenfiebern.

„Einverstanden?“, fragte René.

„Einverstanden“, bestätigte ich und beugte mich zum nächsten Kuss vor.
 

Möge die Party beginnen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So ihr Lieben,
damit ist es nun wirklich beendet ^^

Ich hoffe, ihr hatten Spaß beim lesen. Bei Fragen und Anmerkungen, schreibt in die Kommentare.

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