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Tune Of Tragedy

von

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Mit einem leisen Seufzen erhob ich meinen Fuß und trat über die weiße Linie am Bahnsteig, die mich und den Zug von einander zuvor noch getrennt hatte.

Gewohnter weise quetschte ich mich durch die Menschenmenge in dem Zug, der wie immer überfüllt war. Ein etwas kleineres Mädchen hinter mir schien ein wenig in Panik zu geraten, als es ihre Freundin verloren hatte.

Doch das war keine Seltenheit hier gewesen. Ich hätte ihr gerne geholfen, aber wenn man einmal in dem Zug war, kam man nicht wirklich dazu sich großartig zu bewegen. Man hatte zwar seinen Platz um sich zu drehen, denn so unhöflich waren die Leute hier nun nicht, trotzdem war es immer wieder ein Krampf sich von der Menge wieder abzukapseln.

Irgendwann verlor ich das Mädchen aus den Augen, und aus der Gewissheit ich würde sie eh nicht wiedersehen, kümmerte ich mich erstmal um mich selbst.

Zu meiner Überraschung war noch genau ein Platz frei, auf den ich sofort ansteuerte. Ich achtete nicht wirklich darauf, wer um mich herum anwesend war, wie so oft, wäre es eh unhöflich gewesen, ihnen direkt ins Gesicht zu sehen. Zudem war ich zu sehr vertieft in den Song, der sich seit einer Stunde ununterbrochen wiederholt auf meinem Player abspielte. Ich mochte ihn wirklich sehr, und da ich wusste, dass ich noch eine etwas längere Fahrt vor mir hatte, vertiefte ich mich immer weiter in die Stimmung des Songs.

'kurenai ni somatta kono ore wo

nagusameru yatsu wa mou inai', summte ich die Melodie in meinem Kopf, während ich den Text gedanklich hinzufügte.

Noch völlig benebelt vernahm ich das hin und her wippen der Füße neben mir. Erst machte ich mir nicht viel daraus, aber ich bemerkte doch recht schnell, dass sie sich immer im selben Rhythmus bewegten, wie meine Musik. Oder bildete ich mir dies nur ein? Verwundert und auch neugierig wagte ich einen Blick auf meinen Sitzplatznachbarn. Eigentlich starrte ich nicht einfach jemanden so an, aber der Gesichtsausdruck des anderen zog mich sofort in seinen Bann.

Ein breites Grinsen auf seinen Lippen verriet mir, dass er mich schon länger beobachtet hatte. Wer zu Hölle war er?

Seine Lippen bewegten sich sachte, doch das Grinsen verflog keines falls dabei. Erst viel zu spät verstand ich, dass er mit mir sprach, was mich unweigerlich lächeln lies und mich dazu brachte einen meiner Kopfhörer aus meinem linken Ohr weichen zu lassen.

„Sorry, Musik ist zu laut.“, entschuldigte ich mich, doch ich wusste sofort, dass das keines falls ein steifes Gespräch werden würde, so wie es schon begonnen hatte.

„Geiler Song, X Japan? Oder nicht?“, grinste mich der Andere an, der seine Hände tief in seinen Jackentaschen vergruben hatte und kleiner schien als ich.

Doch ich war verwundert, es passierte nicht oft, das jemand den gleichen Musikgeschmack hatte wie ich.

„Ja, genau...X Japan...Kurenai.“, wagte ich mich zu antworten und lächelte sachte. „Du magst X Japan?“

Der Kleinere lachte etwas auf, sodass er etwas Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein etwas älterer Herr der vor uns stand und sich an einer der Schlaufen festhielt, sah genervt rüber, andere hingegen ignorierten ihn völlig. Den Blonden neben mir schien dies aber überhaupt nicht zu kümmern, im Gegenteil, irgendwie hatte ich das Gefühl, er genoss es die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Generell, wirkte seine Art sehr temperamentvoll auf mich. Aber so waren kleine Menschen doch meistens, oder nicht?

„Du bist lustig...“, hatte sich mein Nachbar wieder im Griff und klopfte auf meine Schulter, „Natürlich mag ich X Japan, sonst hätte ich dich sicherlich nicht drauf angesprochen!“

Er schien überhaupt keine Scheue vor Fremden zu haben, war überhaupt nicht verklemmt, so wie die meisten Japaner es meist doch waren. Irgendwie gefiel es mir, auch wenn es erst etwas ungewohnt für mich war.

„Ja stimmt auch wieder, Sorry. Wie heißt du?“ Zur gleichen Zeit betrachtete ich ihn genauer. Seine Brille hinderte mich nicht daran, seine doch sehr markanten Augen zu mustern. Seine Lippen hatte ein sehr hübsche Form und seine Hände schienen sehr weich und doch recht Klein. Aber seine Füße waren wirklich riesig verglichen mit dem Rest seines Körpers.

„Takanori, aber nenn mich Taka“, entgegnete mir der Blonde und an seinem Tonfall konnte ich klar hören, dass er den Namen nicht ausstehen konnte und so darauf bestand, ihn nur mit Spitznamen anzusprechen. Unweigerlich musste ich etwas schmunzeln, „Okay Taka also. Ich heiße Kouyou, einfach nur Kouyou.“

„Alles Klar“, nickte der Junge und fing unerwarteter weise an in seiner Tasche zu kramen, die er die ganze Zeit auf seinem Schoß liegen hatte. Ohne ein Wort, zückte er ein kleines Blatt aus dieser und schrieb kurzerhand einige Nummern auf dieses. Das war doch nicht sein ernst?

„Hier nimm“, sagte er während er mir dass kleine Blättchen in die Hand drückte und er mit seiner zweite Hand meine Handoberfläche festhielt. Irgendwie blieb die Zeit in diesem Moment für einige Sekunden stehen, so hatte ich das Gefühl, als ich die Reibung auf meiner Hand verspürte und in die Augen des Anderen blickte.

Doch dann wandte ich meinen Blick von diesen ab, um die Nummern zu erblicken, „deine Nummer?“

„Nein, die Codenummer für mein Tagebuchschloss mit den pinken Pferden drauf.“

Ich schmunzelte wieder, „alles klar.“

Ich mochte ihn und seinen Humor jetzt schon.

Doch die nächste Stationsansage des Zuges unterbrach unsere Unterhaltung.

„Scheiße, ich muss hier raus.“, seufzte ich auf während ich auf die Uhr sah, die bereits 18 Uhr anzeigte.

Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass die Zeit so schnell verfliegen würde, aber wenn man Ablenkung hatte, wie Taka, dann nahm man die Zeit ganz anders wahr. Warum müssen uns die schönen Momente eigentlich immer viel kürzer vorkommen als die, in denen wir uns nach anderen Menschen sehnen?

Doch es half alles nichts, ich musste mich beeilen, wenn ich noch rechtzeitig raus kommen wollte bevor die Tür des Zuges sich wieder schloss. Das ging hier immer viel zu schnell.

„Schade, es war eine sehr unterhaltsame Unterhaltung mit dir, Kouyou.“, schmollte der Kleinere und richtete sich etwas auf an seinem Platz, denn er war schon ziemlich tief gerutscht. Zeitgleich erhob ich mich und machte mich schon auf den Weg durch die Menschenmengen. „Kann ich nur zurückgeben!“

„Ruf mich an ja?!“, rief er mir noch hinterher, doch ich wusste nicht ob er meine positive Antwort darauf noch zu hören bekam. Gerade so schaffte ich es noch, den Zug rechtzeitig zu verlassen. Und obwohl mich eine eilige Frau dabei fast wieder in den Zug zurück gedrückt hätte und ich eigentlich hätte genervt sein müssen, lag noch immer ein Grinsen auf meinen Lippen. Der Kleine ging mir nicht aus dem Kopf. Selbst auf dem Heimweg nicht.

Irgendetwas hatte er an sich, was mich ihn nicht vergessen ließ. Ich war fest entschlossen ihn anzurufen.

Doch es war schon recht spät gewesen, als ich zu hause ankam, also beschloss ich es erst am nächsten Morgen zu versuchen. Zum Glück war nun Wochenende gewesen, und somit hatte ich genug Zeit.
 

Noch immer in meinen gemütlichen Schlafsachen saß ich auf meinem Bett und gab langsam nach und nach die Nummern am nächsten Morgen in meinem Handy ein, bevor ich schließlich auf den grünen Hörer drückte und das Handy an mein Ohr legte. Zeitgleich ergriff meine andere Hand die Fernbedienung, die wenig später das Einschalten des Fernsehers bewirkte. Wenn etwas leise im Hintergrund lief fühlte ich mich nicht ganz so angespannt beim telefonieren, ich hasste es, dieses langsame sich wiederholende Piepen zu hören und darauf zu warten, dass es von der Person auf der anderen Seite unterbrochen würde.

Doch das Piepen schien endlos, so wandte ich meinen Kopf mehr dem Fernseher zu, in dem gerade die Nachrichten liefen.

Doch mir blieb die Luft im Hals stecken, als die Bilder eines Unfalls auf dem Schirm erschienen. Sofort stellte ich den Ton lauter und wurde immer nervöser mit jedem Piepen, dass aus dem Hörer erklang. Es fühlte sich an, wie Stunden, nein Tage. Weil ich nicht fassen konnte und vor allem nicht glauben wollte, was ich sah und hörte.
 

'Um 18 uhr 45 ereignete sich ein Zugunglück in der Hauptstadt Japans, 8 Menschen wurden leicht verletzt, ein älterer Herr und ein junger Mann sind bei dem Unglück ums leben gekommen, noch konnten keine angehörigen gefunden werden. Die Verantwortlichen der Gleise nehmen keinerlei Schuld auf sich, obwohl es schon jetzt klare Beweise dafür gibt, dass es sich hierbei um menschliches Versagen am Bau der Gleise handelt.“
 

Dieses Piepen wurde lauter, und verschlang den Klang, der aus dem Fernseher kam immer mehr, sodass er langsam verstimmte und ich nurnoch das Foto von Taka anstarrte, dass im Fernseher abgebildet wurde.

Das Handy lag noch immer an mein Ohr.

Dieses Piepen würde mir nie wieder aus den Kopf gehen.

Nie wieder.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mayuui
2012-10-02T18:00:14+00:00 02.10.2012 20:00
Ich könnte heulen! Das Ganze ist so traurig :'( aber gut geschrieben!


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