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Die Drachenprinzessin

von

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Ein Lied von Freude

Am Morgen wurde Meridia von lautem, merkwürdig quiekendem Gezwitscher geweckt.

„Ein seltsamer Vogel“, fuhr es Meridia noch halb im Schlaf durch den Kopf, ehe sie sich auf die andere Seite dreht, um weiterzuschlafen.

Doch irgendetwas war tatsächlich seltsam. Das Zwitschern klang so nahe, als säße der Vogel, zu dem es gehörte, mit Meridia im selben Zimmer. Hatte sie etwa schon wieder das Fenster offen gelassen? Erschrocken fuhr sie auf und blickte sich um. Das Fenster war geschlossen – doch direkt davor auf dem hohen Stuhl, von dem aus Meridia gerne die gegenüberliegenden Drachenställe beobachtete, hockte der durchscheinend gelbe, frisch geschlüpfte Drache und zwitscherte, hier und da von durch das Fenster fallendem Sonnenlicht beschienen, dann wieder in Schatten getaucht, wenn sich eine Regenwolke über den Himmel schob. Es war das schönste Tag seit Wochen.

Der kleine Drache quiekte eine immer gleiche Folge verschiedener Töne in einem beschwingten Rhythmus vor sich hin, der Meridia dazu verleitete, mit dem Kopf im Takt dazu zu wippen.

„Mh hm, hmhm“, machte sie und probierte so, beinahe ohne es zu bemerken, die Tonfolge einmal selbst.

Sofort hatte sie die Aufmerksamkeit des Drachen auf sich gebannt. Er quiekte vergnügt – zumindest glaubte Meridia, dass es vergnügt geklungen hatte – und flatterte auf das Mädchen zu, doch seine Flügel mochten ihn trotz ihrer im Vergleich zum Körper des Drachen übermäßigen Größe nicht tragen, sodass er hart mit dem Hinterteil neben dem Stuhl auf dem Fußboden aufsetzte, wiederum Kommentiert durch ein, nun deutlich tieferes, Quieken.

Schnell wand sich Meridia aus ihren Laken, um den kleinen Drachen mit beiden Händen hochzuheben und auf ihrem Bett wieder abzusetzen. Für ein gerade Neugeborenes hatte er ein beträchtliches Gewicht.

„Er sollte Carmine heißen“, fuhr es Merdia spontan durch den Kopf, während sie in die dunklen Augen des Drachens starrte. Der Name gefiel ihr – besonders, weil er sowohl weiblich als auch männlich sein konnte. Woran erkannte man das Geschlecht eines Drachen? Sie sollte ihren Vater gleich danach fragen.

Wie auf ein unausgesprochenes Stichwort klopfte es zweimal an Merdias Zimmertür, ehe die Stimme ihrer Amme Elena erklang: „Die Tafel im gelben Salon ist gedeckt.“

„Ich komme!“, gab Meridia reflexartig zurück, ehe sie eines ihrer guten Kleider aus dem Schrank zerrte.

Der gelbe Salon, natürlich. Es war Sonntagmorgen. Und was könnte schlimmer sein, als zum Frühstück gemeinsam mit der ganzen Familie im gelben Salon bei Tisch zu sitzen und die Erwartungen der geliebten Frau Mama zu erfüllen? Merdia fiel nicht viel ein.

Doch ganz gleich, wie sie es drehte und wendete – es half ja doch nichts. Und so machte sie sich nur wenige Minuten später auf den Weg die Wendeltreppe ins Erdgeschoss hinab. Allerdings nicht ohne Carmine, der wie ein skurriler und viel zu großer Vogel auf ihrer Schulter hockte, den Drachenschwanz für besseren Halt um ihren Hals gelegt.

Als Meridia den gelben Salon erreichte und leicht klopfte, ehe sie ohne eine Antwort abzuwarten eintrat, war die Familie bereits versammelt. Der König saß in einem besonders großen Stuhl mit hölzernen Armlehnen am gegenüberliegenden Ende der Tafel, einige Gelehrte und höhere Angestellte des Hofes, darunter auch Pascal O'Sole, der oberste Drachenzüchter, zur linken Seite, die mehr oder weniger entfernten Verwandten Meridias, die ebenfalls das Schloss bewohnten, auf zur Rechten. Und dort, direkt neben ihrer Mutter, der Königin, war ein letzter Stuhl frei geblieben. Das fing ja schon mal gut an.

Auf dem Weg zu dem freien Platz kam Meridia an Elena vorbei, die mit Meridias kleiner Schwester Lyna auf dem Schoß in der Ecke neben der Tür saß. Diese zwinkerte ihr aufmunternd zu, doch Meridia gelang es nicht, im Gegenzug den mürrischen Ausdruck aus ihrem eigenen Gesicht zu vertreiben.

„Guten Morgen, Vater“, brachte Meridia zunächst den erfreulichen Teil der Begrüßung hinter sich, ehe sie knapp ergänzte: „Mutter.“

„Was ist das für ein – Ding?“

Die Stimme der Königin war hell und ganz und gar nicht sympathisch. Sie hatte den Blick ihrer eisblauen Augen, die nicht weniger Kälte als ihre scharfen Gesichtszüge und ihre akkurate Hochsteckfrisur ausstrahlten, auf Meridias Drachen gerichtet.

„Das ist Carmine, mein Drache“, gab Meridia schlicht zurück. Sie hatte nichts dagegen, sich hier, bei Tisch, mit ihrer Mutter anzulegen – zumal sie nach dem Glitzern, das sie im Augenwinkel in den Augen Pascal O'Soles aufblitzen gesehen hatte zu urteilen mit einiger Unterstützung rechnen konnte.



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