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Der Tod und andere Normalitäten

von

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Kapitel 2

Im dunklen Flur zog ich gelassen meine Schuhe aus, ehe ich einige Schritte weiter hinein tat und die Tür hinter mir zufallen ließ. Meine Füße trugen mich in das Wohnzimmer, in welchem wie erwartet der alte Mann lag und vor sich hin schnarchte. Ich seufzte kopfschüttelnd, ehe ich ihn unsanft weckte.

„W-was?“, erwachte dieser und setzte sich ruckartig auf, bevor er mich erkannte und mich böse anfunkelte.

„Soju, musst du einen alten Mann wie mich immer aus dem wohlverdienten Mittagsschlaf reißen?“, meckerte er – sein weißer Schnurrbart bebte dabei und die verrutschte Fliegerbrille auf seinem Kopf wackelte verdächtig, als er dazu noch den Kopf schüttelte.

„Was kann ich denn dafür, dass du so spät schlafen gehst?“, erwiderte ich und stellte meine Tasche ab, entledigte mich dann meiner Jacke.

„Hach, Soju – du treibst mich irgendwann noch in den Wahnsinn, Junge!“

Ich musste Schmunzeln – Soju nannte mich hier nur Knife, denn alle anderen fanden, dass mein Name nicht zu mir passte. Der alte Mann aber sagte jedes Mal, dass gerade solche Ungereimtheiten einen Menschen ausmachten.

„Das will ich doch nicht hoffen – wer soll mir denn sonst bei meiner Arbeit helfen?“, sagte ich breit grinsend und setzte mich auf einen großen dunklen Sessel – viele Nächte hatte ich grübelnd in diesem verbracht, seit ich vor neun Jahren von Knife aufgefunden wurde.

„Und – hast du wieder etwas neues für mich?“, fragte ich lächelnd. Erst grummelte der alte Mann, dann aber nickte er und sprang voller Tatendrang auf. Er bedeutete mir, ihm zu folgen – wo ich mich doch gerade hingesetzt hatte!

Langsam schlurfte ich ihm hinterher, bis wir in seinem versteckten Labor ankamen, welches aufgrund des hellen Anstrichs nicht nur riesig wirkte, sondern wirklich riesig war. Ich wusste dies nur zu gut – als Kind war ich diesen Raum stundenlang abgelaufen.

Knife lief freudig auf einen seiner großen Labortische zu, der bis auf ein paar kleinere Kisten und einem Schweißgerät leer war.

„Soju, nun mach schon!“, murrte er.

„Schon gut, schon gut!“, erwiderte ich seufzend und schulterzuckend und trat neben ihn. Aus einer Kiste holte er schließlich ein Paar Stiefel heraus, die an sich schwarz waren, aber einen dunklen grünen Schimmer ausstrahlten. Er drückte sie mir in die Arme.

„Zieh mal an – und dann sprinte mal eine Runde!“

Ich stutze, tat dann aber, wie mir geheißen. Schnell hatte ich mir die Stiefel übergezogen – sie waren unglaublich bequem –, anschließend lief ich ein paar Schritte, ehe ich kurz Luft holte. Dann tippte ich kurz mit der rechten Fußspitze auf den Boden – und rannte los! In Windeseile hatte ich den riesigen Raum umrundet und stoppte jäh, als ich wieder neben Knife stand. Erstaunt blickte ich ihn an.

„Die sind gut!“, lobte ich. Der alte Mann lächelte überzeugt und nickte.

„Ich habe eine neue Funktion eingebaut – mit der werden deine Beine während den schnellen Bewegungen geschont. Das neue Material ermöglicht dir nicht nur, dich wohl zu fühlen, sondern ist auch Hitzebeständig und zudem Wasserfest – oder wohl eher Blutfest!“, lachte der Alte. Auch ich begann zu lachen – Knife wusste, woran er denken musste.

„Und was ist mit meinem Waffenarsenal? Ich hatte dir vor zwei Monaten meinen Dolch gebracht – hast du ihn reparieren können?“, fragte ich, nun jedoch ruhiger als zuvor. Doch als mein Blick die Augen des Alten trafen, überkam mich Kälte. Mein Dolch – mein Lieblingsstück – war also nicht mehr zu retten gewesen …

„Tut mir Leid, Junge. Ich weiß, dass dir der Dolch viel bedeutet, immerhin ist er dein erster wirklicher Besitz gewesen.“, sagte Knife leise, ich nickte stumm. Diesen langen, geschwungenen Dolch mit der schwarzen, blau schimmernden Klinge – ich liebte ihn. Er hatte mir einst das Leben gerettet.

„Hast du die Stücke noch?“, fragte ich. Knife nickte langsam, führte mich dann zu einem weiteren Tisch und leerte eine weitere Kiste aus – heraus fielen der Griff meines Dolches – wunderbar friedlich glänzte das Silber – und die Einzelteile der Klinge. Ich besah mir die Stücke gut – viele Meiner Erinnerungen waren mit diesem – meinem – Schatz verbunden.

Ich drehte mich weg.

„Knife, kannst du … kannst du die Einzelteile für etwas anderes benutzen? Irgendetwas, das ich behalten kann?“, fragte ich und sah, wie er überlegte. Schließlich zuckte er die Schultern.

„Zu gegebener Zeit, vielleicht.“
 

Zwei Stunden später saß ich wieder in dem großen Sessel und schlürfte eine Tasse heiße Schokolade. Knife war vor etwa fünfzehn Minuten verschwunden und ließ mich warten. In Gedanken versunken bemerkte ich kaum, dass er wieder ins Zimmer trat.

„Soju, den hier hat mir heute ein Falke gebracht.“

Der Alte warf mir einen Brief in den Schoß, den ich sogleich öffnete.

„Hmm … nur wieder eine Nachricht, dass sich mein Honorar verspäten wird.“, murrte ich und ließ den Brief zu Boden fallen, ehe ich mich wieder meiner Schokolade widmete und Knife die Schultern zuckte.

„Dafür habe ich aber eine Nachricht für dich. Berthellyo hat sich gemeldet – er will, dass du dich um den Herzog von Grimmsflur kümmerst – heute noch.“

Augenblicklich ließ ich die Tasse sinken.

„Berthellyo? Aber …“, ich überlegte eifrig.

„Er will also Grindernoff aus dem Weg geräumt sehen … steht er ihm den politisch so nahe, dass er gefährlich wird?“

„Keine Ahnung, Junge. Berthy sagte nur, dass er heute Nacht beseitigt werden muss.“

„Und das Honorar?“

„39 Goldene und 16 Kristalline Tropfen des schwarzen Blutes.“

Ich lächelte.

„Schwarz also … dann muss der Auftrag aber wichtig sein!“



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