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Die Odaliske

Das Phantom der Oper
von

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Salâd Shirâzi = Salat (Zwiebeln, Gurken, Tomaten mit Limettensoße)

Äsch = Suppe

Nân = Brot

Tschelo Kabâb (mit Kabâb-e Barg): persisches Nationalgericht bestehend aus Kabâb (Rind-, Lamm-, oder Kalbfilet, das in einer Marinade aus Zwiebeln, Knoblauch, Joghurt, Limonensaft, Salz und Safran eingelegt und dann auf dem/im Holzkohlofen gegrillt)

Kateh = gekochter Reis

Kuku Sabzi = Kräuter-Omelette

Tschâi = Tee (ungesüßt, der Zucker wird stückweise in den Mund genommen)

 

Hezar-O-Yek-Schab = Tausend und eine Nacht (Buch)

 

 

Kapitel 5

 

Beide saßen wir nun hier auf den Kissen und warteten auf die Rückkehr des Dieners, der uns Essen bringen würde. Nicht wissend was ich zu ihm sagen könnte spielte ich mit meinem Fußkettchen. Nach einer Weile spürte ich seinen Blick auf mir haften. Schüchtern sah ich ihn kurz an und wendete den Blick aber sofort wieder ab.

 

“Wie hast du deinen Tag verbracht?”, fragte er mich plötzlich. Kurz sah ich ihn wieder an.

“Ich … ich … “, gewiss würde er sich aufregen, wenn er erfährt das ich nicht das getan hatte, was er mir erlaubt hatte.

“Ich habe auf dich gewartet.” Als ich sah wie sich schon sein Brustkorb hob, versuchte ich mich noch zu rechtfertigen. “Ich hab aber das Bett schon gemacht und … .”

“Ayesha”, seufzte er, “du kannst hier tun und lassen was du willst. Und aufräumen musst du schon gar nicht. Meinetwegen schmeißt du alles hier durcheinander wenn dir danach ist. Ich mach das ebenfalls, wenn ich wütend bin, doch vergiss nicht, du brauchst keine Angst vor mir haben. Und du brauchst auch nicht aufräumen, ich tue das irgendwann selber. Du bist nicht meine Dienerin, du bist meine … .”

Kurz sah er mir traurig in die Augen, doch der Ausdruck wechselte zu Resignation.

“Du bist ein frei denkender, individueller Mensch. Auch wenn du hier gefangen sein magst.” Nun sah ich ihm offen in die Augen, ohne Angst.

“Ich bin nicht gefangen. Nicht hier bei dir”, sagte ich offen und ehrlich, ohne groß über meine Worte nachgedacht zu haben. Ungläubig sah er mich an, aber es lag auch etwas anderes in seinen Augen. Dankbarkeit? Überraschung? Ich konnte es nicht einschätzen.

 

Plötzlich wurde der schöne Moment durch ein Klopfen an der Tür gestört.

 

“Herein”, rief Erik, wieder mit einem wütenden Unterton. Auch ihn schien es zu stören. Wieder musste ich kurz lächeln. Eriks Diener, der sehr blass aussah, brachte mit einem anderen gemeinsam zwei Tablette Essen herein. Beide stellten sie es zu uns auf den Boden neben den Kissen und verschwanden dann wieder ganz flink.

 

Als der leckere Duft mir in die Nase stieg, schloss ich kurz genießend die Augen und das Wasser begann mir im Mund zusammen zu laufen. Meinem Magen ging es genauso und ließ ein lautes Knurren von sich hören. Peinlich berührt wich ich Eriks amüsiertem Blick aus.

“Lang ruhig zu”, sagte er, und sofort nahm ich mir von allem etwas. Ich war so hungrig, das es mir egal war, ob es manierlich war, so schnell und gierig zu essen.

 

Ich nahm etwas vom Salâd Shirâzi, von dem Äsch, und etwas Nân. Ich wollte wenigstens so manierlich sein, das ich die richtige Reihenfolge aß und nicht kreuz und quer, wie es mir gerade sehr gefallen würde. Danach folgte das Tschelo Kebâb, Kateh und etwas Kuku Sabzi dazu. Als ich merkte das ich fast am verdursten war, was mir das Schlucken etwas erschwerte, nahm ich einen großen Schluck von dem Tschâi, auch wenn er mir für gewöhnlich nur mit Zucker mundete. Als ich schon fast fertig mit dem Essen war, bemerkte ich erst das Erik noch gar nichts angerührt hatte und mich beobachtete. Was mir sehr unangenehm war.

 

Während ich versuchte mich mit Teetrinken abzulenken, merkte ich immer mehr das sich nun auch ein anderes Problem eingeschlichen hatte. Nach all dem Essen und dem vielen Trinken begann die Blase schon zu drücken. An sich war es ja nicht schlimm, doch war ich nicht sicher ob ich einfach gehen sollte oder ob ich ihn um Erlaubnis bitten sollte. Denn hier in Persien konnte die Frau nichts tun ohne die Erlaubnis ihres Mannes, doch er war anders. Und er hatte mir ja gesagt das ich machen konnte was ich will. Unsicher rutschte ich auf den Kissen herum. Es ging eine Zeitlang so, seine Blicke bemerkte ich schon nicht mehr, doch stattdessen fing es schon fast an zu schmerzen.

 

“Geh ruhig, du weißt doch das du nicht fragen brauchst”, sagte er einfach, und schon sprang ich auf und erledigte mein Geschäft.

 

Nach einer schier endlosen Zeit kam ich wieder, peinlich berührt, herein. Noch immer saß, oder eher lag er halb auf den Kissen und hatte sich inzwischen auch etwas vom Tschâi genehmigt. Vom Essen noch immer völlig gesättigt, setzte ich mich wieder zu ihm. Plötzlich überkam mich eine bleierne Müdigkeit. Wie auch Erik lag ich mich gemütlich auf den Kissen, doch es dauerte nicht lang bis ich ins Traumland glitt.

 

Es war kuschelig, weich und warm hier. Langsam erwachte mein Geist aus dem Schlaf und auch mein Körper. Verschlafen blinzelte ich, es war recht dunkel. Kurz hob ich den Kopf an, dann setzte ich mich auf. Ich lag in Eriks Bett. Oder sollte ich unser Bett sagen?

 

Erik saß auf den Kissen, eine einzelne brennende Öllampe neben sich, während er mit einem halbvollen Glas vor seinem Gesicht schwenkte. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein. Ich sah an mir herunter, meine Kleider trug ich noch immer. Erik hatte mich nicht genommen. Erleichtert atmete ich aus. Nachdem ich kurz darüber nachdachte was ich tun sollte, ob aufstehen oder weiterlaufen, entschied ich mich zu Erik zu gesellen. Ich war hellwach, und Erik wirkte nun sehr freundlich, weshalb ich mich gerne zu ihm gesellen wollte.

 

Ich stand auf, streckte mich noch einmal und ging dann auf Erik zu.

 

“Kannst du nicht schlafen?”, fragte er, als ich erst den halben Weg geschafft hatte. Während ich mich hinsetzte, bemerkte ich dass das Essen schon fort gebracht worden war. Geschmeidig setzte ich mich zu ihm.

“Ich war nur so müde geworden, weil mein Bauch so voll war”, erklärte ich mich. Zustimmend nickte er, sagte aber nichts dazu. Schweigend saßen wir bei der Lampe, redeten nicht.

“Es ist gewiss sehr spät, wieso schläfst du nicht?”, fragte ich.

“Warum schläfst du nicht?”, kam prompt die Gegenfrage. Kurz sah ich ihn an. War das ein Befehl das ich ins Bett gehen sollte? Verwirrt sah ich ihn an. Doch als ich seinen amüsierten Blick sah, begann ich zu lächeln.

 

“Du solltest öfters lächeln”, sagte er. Wieder lächelte ich, nur noch mehr.

“Es gibt nicht viel zu belächeln”, sagte sie wahrheitsgemäß ernst.

“Ich weiß. Aber auch wenn es nicht viel ist, gibt es dennoch etwas.”

“Ich wüsste nicht was”, sagte ich verbittert. Mir fiel tatsächlich nichts ein. Noch immer war ich hier, ohne Geld das ich meinen Eltern geben konnte, dabei hatten sie so viel Hoffnung in mich gesetzt. “Wirklich nicht?”, hakte Erik nach. Traurig schüttelte ich den Kopf.

“Es ist schade das du in deinen jungen Jahren schon so verbittert bist. Dabei gibt es so Einiges. Du lebst noch. Bist nicht mehr unter der Gewalt der Khanum und deinen Eltern geht es gut … .” Erstaunt blickte ich ihn an.

“Meine Eltern? Hast du sie gesehen? Mit ihnen gesprochen?”, fragte ich aufgewühlt.

“Ich habe sie weder gesehen, noch mit ihnen gesprochen. Doch ich habe das Säckchen, das ich dir zum Austausch unserer gemeinsamen Nacht gegeben hatte, ihnen zukommen lassen. Und mir wurde berichtet, das es ihnen noch recht gut ging. Für ihre Verhältnisse. Ich bin mir sicher das es ihnen nun besser geht.”

“Aber wieso … .” Erik winkte ab.

“Das Geld gehörte nach wie vor dir, und da du es unbedingt deinen Eltern geben wolltest, es aber nicht konntest, habe ich es übernommen.”

Ich war überwältigt, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Es war unglaublich. Freudentränen stiegen herauf und liefen meine erhitzten Wangen herunter.

 

“Stimmt es dich traurig das ich das getan habe? Hättest du es lieber für dich behalten?”, fragte er, wobei er sich versteifte.

“Nein, in Gegenteil. Ich bin sehr dankbar. Ich hätte so was niemals erwartet.”

“Das werde ich dir glauben, aber nur wenn du aufhörst zu weinen”, sagte er, wobei er versuchte ernst zu klingen, was ihm aber nicht sehr gut gelang. Doch ich war mir sicher das er nur so tat als könne er es nicht. Plötzlich lachte ich das erste mal seit langem. Ich hatte schon gedacht es verlernt zu haben.

“Es klingt wie ein Glockenspiel wenn du lachst”, sagte er, was mich erröten ließ.

“Danke, deine Stimme ist auch sehr schön. Du musst einen achtbaren Lehrmeister gehabt haben”, gab ich das Kompliment zurück.

“Ich hatte nie einen Lehrmeister, meine Mutter lehrte es mich, doch übertraf ich sie bald nach wenigen Jahren bei weitem. Ich war noch ein kleines Kind.” Erstaunt sah ich ihn an.

“Eine Frau hat es dir beigebracht? Geht das denn?”, fragte ich verblüfft.

 

“Natürlich. Nicht in jedem Land ist es so wie hier Ayesha. Aus dem Land aus dem ich komme, sind die Frauen selbstständig, können ohne Mann eine Wohnung besitzen, arbeiten gehen, Geld verdienen. Sie ist nicht gezwungen sich an einen Mann zu binden. Sie kann sich auch scheiden lassen und mehrmals heiraten. Eines solltest du dir merken: Nur weil du es nicht anders kennst, heißt es nicht das es überall auf der Welt so ist.”

“Ja, so wird es wohl sein”, antwortete ich. Ich konnte mir nicht vorstellen das es tatsächlich Frauen gab die selber über sich entscheiden konnten. Selbst die Khanum hatte Einschränkungen.

 

“Wie ist es da wo du herkommst?”, fragte ich schüchtern, doch sah ich ihn gebannt an.

“Wie heißt dein Land und wie klingt die Sprache dort?”, fragte ich immer weiter, ohne ihm Zeit zu geben zu antworten. Es war für mich total aufregend etwas über andere Länder zu erfahren, denn wir schnappten nur so manches Mal Gerüchte auf, doch verstanden wir sie nicht so recht.

“Dürfen die Frauen dann auch mehrere Männer haben?”

 

Prompt stand Erik auf, und ich dachte schon das er nun nicht mehr mit mir reden wollte und wurde traurig. Doch als ich sah das er etwas aus dem Schrank holte und wieder zu mir auf den Kissen zurückkam, machte mein Herz einen Sprung vor Freude. Es war ein eingerolltes großes Papier. Er setzte sich neben mich, legte es vor unsere Füße und rollte es aus. Es war eine große Weltkarte. Noch einen Sprung meines Herzens, ich begann freudig zu lächeln und beugte mich neugierig darüber.

“Darf ich sie anfassen?”, fragte ich.

“Natürlich”, erlaubte es Erik und ich konnte hören das er lächelte.

 

Sanft, als wäre es zerbrechlich, strich ich mit meinen Fingerspitzen darüber.

“Und wo sind wir?”, fragte ich. “Dort?”, erriet ich und zeigte auf ein großes Land.

“Nein”, sagte Erik amüsiert, “Das ist Afrika. Und es ist kein Land, sondern ein Kontinent. Und innerhalb des Kontinentes sind die vielen verschiedenen Ländern.”

“Und wo sind wir?”, fragte ich. Sofort richtete Erik seinen langen Finger auf ein Land, schräg und oberhalb von diesem Afrika.

“Dort sind wir. Siehst du diesen Punkt? Das ist Teheran.” Erstaunt beugte ich mich weit vor und betrachtete den Punkt. Kurz strich ich sogar darüber.

“Was heißt dieses Wort das da steht?”

“Persien! In jedem Land steht auch der Name.”

“Und von wo kommst du her?”

“Von da”, sagte er, “Das ist Frankreich. Und nicht weit von diesem Punkt bin ich geboren worden”, sagte er, und ich glaubte einen bitteren Ton herauszuhören.

 

“Wie heißt dieser Punkt in Frankreich?”

“Das ist Paris, die Hauptstadt von Frankreich.”

“Ist Teheran die Hauptstadt von Persien?”

“Ja”, sagte Erik. “Also ist jeder Punkt in den Ländern die Hauptstadt des Landes?”, hakte ich noch einmal nach.

“Korrekt”, bestätigte mir Erik. “Du lernst schnell”, sagte er und ganz stolz reckte ich den Kopf. “Wie heißt das Kon … Konni … .”

“Kontinent!”

“Ja, wie heißt das Kontinent in dem Frankreich ist?”

“Europa.”

“Und Persien ist auch in Europa richtig?”, fragte ich. Ich war mir sicher das es richtig war was ich sagte.

“Nein, siehst du diese Linie da? Früher war es ein einziges Kontinent, doch wurde es getrennt. Die linke Seite ist Eruopa und die rechte Seite ist Asien.”

“Asien”, sprach ich es nach, “Persien ist also in Asien?”

“Ja.”

“Und wie hieß das Kontinent vor der Trennung?”

“Eurasien.”

“Oh, das klingt ja schön. Deine Heimatsprache klingt bestimmt auch schön. Heißt sie Frankreichisch?”

“Nein”, lächelte Erik, “es heißt französisch.”

“Könntest du mir etwas auf französisch sagen?”

 



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