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Role Reversal

von

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Aus der Hölle ...

Nico Robin mochte Herbstinsel, besonders den dortigen Frühling, umso mehr sprach ihr der aktuelle Aufenthaltsort zu. Am Balkon ruhend, lechzte sie nach den ersten wärmeren Sonnenstrahlen, die sich seit dem erst vor kurzem vorüber gezogenen Winter vermehrt blicken ließen und das Land aus dem Schlaf holte; aber so sehr sie danach auch sehnte, so blieb das unliebsame Frösteln ihres Körpers.

Denn der Zustand ihres Körpers – und das spürte sie sehr wohl – war nicht auf das Wetter zurückzuführen. Zwar hatte die Dusche die Spuren der schlaf- und rastlosen Nacht fortgespült, aber verblieb das unnatürliche Rumoren in ihrem Inneren und zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit, erlaubte sich die Schwarzhaarige das Einreißen ihrer sonst so unzerstörbar erscheinenden Mauern. Nico Robin hatte die Maskerade abgelegt.

Das zermürbende Doppelleben war vorüber, doch wo blieb die ersehnte endgültige Erleichterung, das Leichtgefühl, das ihr eine Befriedigung geben sollte? Natürlich hatte sie ein wenig Erleichterung vernommen als sie von Bord des Kriegsschiffes ging, denn sie hatte es heil, ohne gröbere körperliche Verletzungen überstanden und war dem Gefängnis entkommen. Aber warum, fragte sie sich, fühlte sie sich nicht wohl in ihrer Haut? Wo war das Glücksgefühl, das sie sich all die Jahre ausgemalt hatte? Darauf musste sie warten.
 

Drinnen, über die Stuhllehne, hängte ihre Uniform, die sie nie wieder tragen würde. Nie wieder würde Nico Robin ihre täglichen Rundgänge machen oder am Schreibtisch ihres Büros verweilen und der Arbeit nachgehen. War es das? Der Verlust eines Teiles ihres Selbst, der sich mit dem Ablegen der Uniform auf ewig von ihr verabschiedete? Es war ein merkwürdiges Gefühl und noch suchte sie nach einem aussagenden Namen. Denn eines war ihr klar geworden, das Ablegen eines Lebens, das sie über Jahrzehnte hinweg geführt hatte, geschah nicht binnen Stunden. Nicht auf einem Tag auf den nächsten. Es brauchte Zeit.

Für Nico Robin begann in diesen Stunden ein vollkommen neues, teils unbekanntes Leben und hinzu kam eine Frage: Wer war sie nun? Eine einfache Revolutionärin, eine Gesuchte, auf ewig Gebrandmarkte? Während ein Versteckspiel sein Ende fand, entblößte sich bereits ein neues. Als Direktorin stand ihr die Welt offen, nun war sie auf die Liste der Gesuchten geraten und nicht gerade an der untersten Stelle. Jeder falsche Schritt würde sie zurück in jene Welt befördern, aus der sie eben erst ausgebrochen war.

Der Kampf würde nie enden, er hatte lediglich seine Gestalt verändert.
 

Ein Klopfen drang zu ihr durch und ein tiefes Seufzen, das die Resignation eines gesamten Lebens beinhaltete, verließ ihren Mund. Kraftvoll bemüht bat sie den Besucher einzutreten und eilig griff sie nach der Tasse Kaffee vor ihr, führte diese vorsichtig an die Lippen während sie die Schritte wahrnahm, die die Gestalt direkt zur ihr führten. Obwohl die derzeitige Ruhe einladend war, blieben all die Sinne intakt. Ein nie enden wollenden Trieb, zum Schutze des eigenen Überlebens. Auf der anderen Seite, so dachte sie, waren sie gar notwendiger denn je.
 

„Mit dir habe ich erst im Laufe der Tage gerechnet“, kommentierte die ehemalige Direktorin nüchtern, deutete jedoch auf den freien Platz ihr gegenüber.
 

„Aber du hast mit mir gerechnet“, meinte Nami schelmisch und lehnte sich gegen die steinerne Brüstung. Leicht beugte sie sich vor, überblickte das Treiben auf der Straße. Tagsüber war die Atmosphäre wie ausgewechselt, denn erst gegen Abend hin trieben die Scharen an Seeräubern, Kopfgeldjägern und anderen Individuen ihren schallenden und alkoholflüssigen Trubel. Tagsüber hingegen herrschte eine heitere, ausgelassene Atmosphäre. Ein friedliches Flecken inmitten der rauen See der Neuen Welt. Unfassbar, dass sich hier eine enorme Anzahl an Revolutionären und Unterstützer aufhielten, die ein gemeinsames Schauspiel veranstalteten, welches seit Jahren ungesehen blieb. Sowohl Stützpunkt als auch Rückzugsort der besonderen Art.

„Ein nettes Sümmchen haben sie auf deinen Kopf ausgesetzt. Dürfte mich ein paar Monate gut über die Runden bringen.“
 

„Bloß Monate? Dann musst du einen extravaganten Lebensstil führen!“, belächelte die schwarzhaarige Frau, „Zu dumm, dass du meine Auslieferung nicht bewerkstelligen kannst, ohne selbst in Gewahrsam genommen zu werden.“ Aus ihnen waren Gesuchte geworden; anders als gewöhnliche Verbrecher stufte die Marine und Regierung ihre Festnahme ein. Ob die Diebin verstand, was das bedeutete?

„Also … was möchtest du von mir?“

Die andere musternd, neigte Nami den Kopf zur Seite; die ihren wiederum gesenkt hielt und auf einen undefinierbaren Punkt blickte. Fern der Maskerade und dem Schutze des Status, hinterließ Nico Robin einen vollkommen neuen Eindruck. Die eiskalte, einschüchternde Ausstrahlung und – vielleicht nur für diese Stunden – das selbstsichere Auftreten waren verschwunden. Entblößte die Doppelagentin ihr wahres Ich? Neuerlich stellte Nami fest, wie wenig sie über die andere wusste und doch hatte sie bereits mehrere Seiten sehen dürfen.
 

„Wie fühlst du dich?“ Offenbar überraschte Robin diese Fragen, denn das Heben des Kopfes und der irritierende Blick, der auf ihrem Gesicht lag, sprachen Bände.

„Du wirkst zerstreut, wie ein anderer Mensch“, erklärte Nami daher.

Robin verstand, nickte bedächtig und der Griff um ihre Tasse festigte sich, wärmte ihre allzu kühlen Fingerspitzen.
 

„Sag mal, siehst du in mir ein Monster?“, kam die Gegenfrage.

Kurzweilig wandte Nami ihren Blick zurück zur Straße. Nicht gerade die erhoffte Antwort. Ein leises Seufzen drang über ihre Lippen.
 

„Dein Auftreten hat mir eine andere Meinung erschwert, jedenfalls an manchen Tagen“, erwiderte Nami glaubhaft. Plötzlich schien der freie Stuhl wesentlich bequemer und so ließ sie sich darauf nieder, während Robin innerhalb der Bewegung auch ihr Kaffee einschenkte.

„Und Franky hat mir in den ersten Tagen mehrmals eingetrichtert, du seist der personifizierte Teufel.“ Zum damaligen Zeitpunkt schien eine andere Einstellung fatal, obgleich sich Nico Robin an Abmachungen gehalten hatte. Einzig und allein das Überleben zählte.
 

„Franky und ich, wir haben einen eigenen Kampf ausgetragen. Um ehrlich zu sein, er hätte mich ruinieren können, noch bevor ich es selbst getan habe. Es war ein Muss ihn aktiv an Bord zu holen.“ Die Gefährlichkeit, die von dem Cyborg ausging, war spürbar gewesen. Robin hatte keine Sekunde lang an seiner Drohung gezweifelt; Franky hätte jede erdenkliche Gelegenheit beim Schopfe gepackt und ihr gröbere Schwierigkeiten bereitet.

„Jedoch hat mir dein Sturkopf nicht minder Kopfzerbrechen bereitet, besonders deine trotzige Ader.“
 

„Ach?“, gluckste Nami unverblümt, „Komm, blieb mir eine Wahl? Nur so erhielt ich deine Aufmerksamkeit.“ Sie rollte die Augen über, nippte am Kaffee. Eine andere Möglichkeit hatte sich nicht ergeben und sie wollte aufzeigen, dass das Spielchen, jemanden ins kalte Wasser zu werfen und in Bredouille zu bringen, auch sie beherrschte. Skeptisch stellte sie die Tasse ab, als Robin schwach lächelnd den Kopf schüttelte.
 

„Ein gut gemeinter Rat … höre auf aus einem hitzigen Impuls heraus zu agieren. Ist dir nie in den Sinn gekommen, nach mir zu fragen?“
 

„Zu dem Zeitpunkt war ich wütend und wollte dir verdammt noch mal eins auswischen!“
 

„Indem du Sady Handanlegen lässt? Für ein fünfminütiges Hochgefühl?“ Die Haltung der anderen verstand Robin ganz und gar nicht. Solche ein Verhalten kostete im Ernstfall das Leben. „Oder bist du ein Freund von Schmerzen?“

Nami stieß hörbar die Luft aus ihren Lungen.
 

„Dasselbe hat sie gefragt. Manchmal sind drastische Maßnahmen notwendig, zudem sind bis auf ein paar Kratzer bereits sämtliche Spuren verblast. Außerdem … deine Laune ist mehr als fünf Minuten lang im Keller gewesen!“
 

„Du kannst vom Glück sprechen, dass du heute noch lebst. Und nein, ich beziehe diese Worte nicht auf Sady.“ Ein kurzweiliges Schweigen, in denen sie starrend fixierten, trat ein. Nur allzu gut erinnerte sich Robin an diese Begegnung, an das Wechselbad ihrer Gefühle.
 

„Nehmen wir an, ich hätte mich geweigert – schließlich war es Franky, der mich überzeugt hat – was hättest du getan? Mich in einer Nacht-Und-Nebel-Aktion hinaus befördert oder die Ausführung solange nach hinten verschoben, bis ich zustimme?“
 

„Ja und nein.“

Die Antwort war sofort, ohne Bedenkzeit gekommen und Nami zog prüfend die Augenbrauen zusammen, suchte nach der Lüge, aber fand sie keine. Solch eine Aktion hätte noch höhere Wellen geschlagen, als es das Schauspiel, das sie dort veranstaltet hatten, nun tat. Warum solch einen Aufwand betreiben?

„Was? So unvorstellbar? Dich aus der Schusslinie zu holen … es war auch mein Anliegen“, beantwortete Robin eine weitere, stumme Frage, die sie in den Augen der anderen erkannte. Offen stand das Gesprochene zwischen ihnen und wie der Wildfang ihre Worte aufnahm war fraglich.
 

„Ich habe Sady gefragt, wem sie vertraut … dein Name ist dabei gefallen. Mich hat sie nie gemocht, aber ist sie ein redseliger Mensch, besonders in Wut versetzt.“

Robin wandte den Blick ab. Plötzlich schien der Himmel, der von einzelnen Wolken bedeckt war, äußerst anziehend.
 

„Sieben Jahre in Impel Down … ist eine lange Zeit. Fünf davon habe ich das Gefängnis geleitet. So jung wie niemand vor mir. Weißt du, in dem, das ich tue, bin ich gut. Stets strebe ich nach der besten Leistung.“ Und was hatte sie für ihre Tarnung nicht alles getan. „Abgesehen von Urlauben oder dringlichen Angelegenheiten kommst du dort fort. Den Großteil verbringst du unter dem Meeresspiegel und lebst auf engstem Raum. Kollegen werden recht schnell Gesprächspartner.“ Auf Dauer war dieses Leben der Horror gewesen. Tagein, tagaus kalte, dicke Mauern, umgeben vom Meereswasser. Lediglich die Besuche an der Oberfläche brachten für wenige Minuten eine Ablenkung. Allein diese Umgebung würde Robin nie und nimmer missen. „Sady und Domino, sie sind heraus gestochen. Beide glauben an ihre Arbeit, an ihre Form der Gerechtigkeit. Beide haben ihre Vergangenheit, ihre Päckchen, die sie mit Würde tragen. Ich kenne ihre Geschichten, ihre Gedanken und ich habe stets gewusst, wie sehr sie mich schätzen und mir vertrauen. Glaub mir, mir ist sehr wohl bewusst, welchen Schaden ich angerichtet habe und bei ihnen tut es mir mehr leid, als bei anderen. Denn trotz ihrer rauen Schale, allen voran Sadys … sie sind gar keine so schlechten Menschen und Sady habe ich in doppelter Weise vor den Kopf gestoßen.“
 

„Wegen ihrer Gefühle zu dir …“ Ein Nicken bestätigte Namis Feststellung.
 

„Irgendwann hat es angefangen, wir haben uns amüsiert, aber uns darauf geeinigt, es würde nie mehr daraus werden. Lange Zeit hat es funktioniert, dann wurde von ihrer Seite die Grenze überschritten. Ich habe die Notbremse gezogen, passend zu dem Zeitpunkt in dem ich dir Freiheiten eingeräumt und ihre hingegen eingeschränkt habe. Zusätzlich bin ich generell auf Abstand gegangen. Schließlich musste ich mich um Spandam, Franky und den Überfall kümmern.“
 

„Sie dachte, ich hätte dein Interesse geweckt.“
 

„Sie ist eben nicht auf den Kopf gefallen.“ Robin atmete durch und blickte zurück zur Diebin, die sie eiskalt erwischt hatte. „Etwas an dir hat mein Interesse geweckt. Umso mehr wollte ich dich fort haben. Denkst du, ich habe dir grundlos Schutz vor ihr gewährt, trotz deiner Flunkerei? Oder warum war ich so wütend über dein frevelhaftes Verhalten? Nicht nur Frankys möglicher Reaktion wegen, nein. Und allein in dieser Situation, in diesem Verhörraum konnte ich erst recht nicht aus meiner Haut und deshalb pochte ich so sehr auf deine Einwilligung, egal was du von mir denken würdest. Frankys Leben als Druckmittel war meine einzige Möglichkeit. Denn du hattest dir bereits eine Meinung gebildet, die ich nie und nimmer hätte ändern können. Nicht innerhalb des Gefängnisses.“

Ein verräterisches Blinzeln folgte den Worten; obwohl Nami keine Überraschung zeigen wollte, aber wie konnte sie das verhindern? Hier saß sie vor ihr, die ehemalige Direktorin und sprach etwas aus, das die Diebin nicht zu glauben vermochte. Sichtlich rang sie nach einer Erwiderung, öffnete und schloss mehr als einmal ihren Mund, ehe bei all den Gedanken bloß eine Frage heraus ragte.
 

„Wer ist die echte Nico Robin?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2016-11-02T19:45:00+00:00 02.11.2016 20:45
Na das nenne ich mal eine unverblümte Robin. Auch wenn Robin hin und wieder die Tatsachen einfach auf den Tisch packt.....auf ihr Gefühlsleben hat sich das bisher nie ausgedehnt. Die Art wie sie Nami überrumpelt, zeigt hingegen wieder die gute alte Robin XD! Nami hat recht, wer ist die echte Nico Robin? Ich schätze auch Robin selber muss das erst noch ergründen, das kam am Anfang des Kapitels sehr deutlich rüber und ist auch nicht zu verdenken. Wenn man so eine Scharade über 10 Jahre erfolgreich aufrecht erhält, dann nimmt man sich für diese Zeit alle (bis dato) vorgespielten Eigenheiten an.........jetzt wo es vorbei ist, ist das ein mächtiger Identitätsverlust.

Wie immer sehr gelungen :)!

V(~_^)


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