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Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

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37. Kapitel

Auch in dieser Nacht schlief Delilah schlecht, obwohl Dean bei ihr war und sogar die Tür zum Flur offen stand, so dass sie James jederzeit hören konnten, sollte er etwas brauchen. Was für sie alle die beste Lösung dargestellt hatte. Aber vermutlich war sie die Einzige, die man durchs ganze Haus hören konnte.

Irgendwie war es von Dean sogar eine Meisterleistung, dass er bei ihrem Herumgezappel nicht schon längst aufgewacht war. Doch als Delilah wieder einmal aus dem Schlaf hochfuhr und schwer nach Atem rang, lag er seelenruhig ganz an der Außenkante des Bettes und schlief tief und fest. Gerade noch so, dass er nicht aus dem Bett fiel. Die dünne Decke hatte er dabei schon lägst an sie abgetreten. Vielleicht lag es aber auch an der vorherrschenden Hitze, die seinen nackten Rücken selbst im Schlaf mit einem feinen Schweißfilm überzog.

Da Delilah jetzt sowieso nicht mehr einschlafen konnte und ihre trockene Kehle unangenehm kratzte, stand sie schließlich auf und schlich sich leise in die Küche, um etwas Wasser zu trinken und sich etwas davon ins Gesicht zu spritzen, was die Hitze in ihrem Körper zumindest etwas linderte.

Auf dem Rückweg blieb sie irritiert im Flur stehen, da jemand ihren Namen geflüstert hatte.

„Dean?“, fragte sie leise und blieb an der Tür zu seinem Zimmer stehen.

Nein, er konnte es nicht sein. Zumindest hatte er seine Position nicht verändert, seit sie das Bett verlassen hatte.

„Nein.“ Die Stimme drang direkt von hinten an ihr Ohr, obwohl sie sich genau wie die von Dean anhörte.

Als ihr endlich ein Licht aufging, drehte Delilah sich um und stellte sich in den Türrahmen zu James’ Zimmer. Er musste sich etwas verrenken, um sie anschauen zu können, aber er war definitiv wach.

„Warum schläfst du nicht?“ Sie betrat leise das Zimmer und umrundete sein Bett, bis er sie richtig anschauen konnte. „Habe ich dich etwa geweckt?“

Das würde sie zumindest nicht wundern. Delilah hatte zwar nicht das Gefühl im Schlaf geschrien zu haben, aber leise war sie ganz bestimmt nicht gewesen.

„Nein. Mir ist nur ziemlich heiß und die Schulter pocht.“, war James’ geflüsterte Antwort.

Kein Wunder, dass er nicht schlafen konnte. Mit den ganzen Verbänden musste ihm noch heißer sein als ohnehin schon.

Delilah blickte kurz zu den beiden Fenstern hinüber. Sie waren nur gekippt, also ging sie hin und riss sie weit auf. Auch wenn die laue Nachtluft nicht wirklich viel Abkühlung versprach, so taten es die ab und an hereinkommenden Luftströmungen.

„Aber Fieber hast du nicht, oder?“

„Keine Ahnung. Ich glaube aber nicht.“

Delilah ging auf Nummer sicher, als sie sich wieder zu ihm stellte und legte ihm ihre Hand auf die Stirn. Diese fühlte sich sogar etwas kühler an, da auch bei ihm ein feiner Schweißfilm seine Haut bedeckte und ihn somit wenigstens etwas kühlte. „Nein. Fühlt sich nicht so an.“

Sie nahm wieder ihre Hand runter und überlegte kurz, was sie für ihn tun könnte. „Warte, ich hole dir etwas Wasser.“

Delilah ging noch einmal in die Küche, füllte eine Schüssel mit kaltem Wasser und schnappte sich auch gleich ein frisches Geschirrtuch. Danach stellte sie die Schüssel auf James’ Nachttischchen und tauchte das Tuch ins Wasser. „Ich hoffe, dass wird dir zumindest etwas helfen.“

Delilah wrang es nur so viel wie nötig aus und strich dann damit sanft über James’ Stirn, seine Wangen, die Augen, seinen Mund und sein Kinn. Seinen Hals ließ sie wegen der Verbände aus, weshalb sie das frisch ausgewrungene Tuch dieses Mal an seiner gesunden Schulter ansetzte und bedächtig damit James’ Arm hinab strich. Es schien zu funktionieren, denn auf seiner Haut begann sich eine Gänsehaut abzuzeichnen, die sich verstärkte, als sie mit dem kühlen Tuch auch noch über seine Brust wischte und schließlich bei seinem Bauch inne hielt, der unter ihrer Berührung zusammenzuckte.

Delilah hegte die starke Vermutung, dass James kitzelig war, sagte aber nichts dazu, sondern tauchte das Tuch erneut in das Wasser, wrang es dieses Mal gründlicher aus und legte es dann gefaltet auf James’ Stirn.

„Ist es jetzt besser?“

„Ja, danke. Fühlt sich verdammt gut an.“ Er schenkte ihr ein undefinierbares Lächeln, in das sie besser nicht zu viel hineininterpretierte.

„Ich könnte dir auch noch Eis für die Schulter besorgen.“ Gott, sie konnte diesen intensiven, honiggoldenen Blick sogar bis in ihre Zehenspitzen spüren.

„Nein, schon gut. Zum Essen wäre es mir irgendwie lieber. An der Schulter bin ich mir nämlich immer noch nicht sicher, ob ich es lieber kalt oder warm haben möchte.“

Ja, das konnte sie verstehen. Also das mit dem Eis zum Essen. Bei dieser Hitze wäre es wirklich sehr angenehm und dann auch noch vielleicht eines mit Schoko-

Verdammt! Jetzt hatte er ihr total Lust darauf gemacht. Aber besser, als ihm noch tiefer in die Augen zu blicken. „Hättest du Lust, dir mit mir einen Eisbecher zu teilen?“

James’ Augen wurden größer, was es nicht gerade leichter machte. „Ehrlich jetzt?“, fragte er mit Hoffnung in der Stimme und brachte sie damit erfolgreich wieder auf die Beine und zum Lächeln.

„Klar. Bin gleich wieder da!“ Dieses Mal war sie noch schneller wieder zurück, da zum Glück auch ihre Fußsohlen kaum noch wehtaten, wenn sie auftrat.

Da Delilah nicht wusste, wie viel Eis James mochte da ihr eigener Appetit doch recht groß war, hatte sie gleich eine 1-Liter-Vanilleeis-Packung samt Schokosoße mitgenommen. Nachholen konnten sie ja noch bei Bedarf.

James schenkte ihr ein breites Lächeln, als er auch noch die Flasche mit der Soße in ihrer Hand entdeckte. Offenbar hatte sie da wohl genau seinen Geschmack getroffen.

Leise schloss Delilah auch noch die Tür hinter sich, damit sie Dean mit dem Licht und dem Gerede nicht doch noch aufweckten. Wenigstens einer sollte sich einmal gründlich ausschlafen, da morgen wieder viel Arbeit auf ihn wartete. Zwar hatte sein Vater für die nächsten Tage keine neuen Termine mehr angenommen, aber da James ausgefallen war, musste noch einiges an Arbeit aufgeholt werden.

Delilah würde ihnen gerne helfen, wenn sie sich besser auskennen würde, aber dafür nahm sie den Männern inzwischen so gut wie alles im Haushalt ab. Dabei waren sogar die Waschmaschine und der Staubsauger zu ihren besten Freunden geworden, so absonderlich das auch klang.

Da James zum Schlafen wieder weiter auf dem Rücken gelegen hatte, musste Delilah ihn erneut hochhieven und Kissen in seinen Rücken stopfen, bevor sie sich auf das Eis stürzen konnten. Also stellte sie das Eis samt Schokosoße neben die Schüssel mit dem Wasser und warf dann auch noch das Tuch dort hinein.

Dieses Mal kletterte sie gleich zu James aufs Bett, griff nach kurzer Rücksprache mit ihm nach den besten Punkten, um an seinem Körper ziehen zu können und schaffte es dank James’ Mithilfe in einem Rutsch, ihn in eine aufrechte Position zu bringen.

„Netter Ausblick. Kommt es mir nur so vor oder sind sie größer geworden?“

Fragend sah Delilah nach unten in James’ Gesicht, während sie noch die Kissen in seinem Rücken zurecht schob und erkannte dann, wohin er genau starrte.

Sie gab ihm einen sanften Stups gegen die heile Schulter und ließ sich auf ihre Fersen zurücksinken, während sie den Träger ihres dünnen Nachthemds wieder auf ihre Schulter schob.

„Ein wahrer Kenner genießt und schweigt.“ Und ja, ihre Brüste waren tatsächlich schon größer geworden oder besser gesagt, beinahe explodiert, aber davon fing sie jetzt besser gar nicht erst an.

„Ich habe nie behauptet ein wahrer Kenner zu sein.“ James grinste unschuldig, so dass sie ihm gar nicht wirklich böse sein konnte. Denn eigentlich war es doch nicht seine Schuld gewesen, dass sie ihm ihre Brüste beinahe ins Gesicht gedrückt hatte. Darum sagte sie auch nichts weiter dazu, sondern griff lieber nach dem Eisbecher, in dem zwei kleine Löffel steckten.

„Willst du auch Schokosoße drauf?“

„Die Frage ist jetzt aber nicht wirklich ernst gemeint, oder?“

Mit einem breiten Grinsen goss Delilah so viel der Schokosoße auf das Eis, dass es darunter vollkommen verschwand. Nein, eigentlich hatte sie die Antwort schon dank seines Blickes gewusst.

James wollte schon nach seinem Löffel greifen, während sie die Flasche zur Seite stellte, aber Delilah zog den Eisbecher weg und schüttelte vehement den Kopf. „Schlag dir den Gedanken gleich wieder aus dem Kopf. Du musst dich noch schonen.“

Um ihre Worte auch noch zu bekräftigen, hielt sie ihm seinen Löffel mit dem bisschen Eis und der tropfenden Schokosoße hin, während sie ihre Hand darunter hielt, damit nichts auf das Bettlaken ging.

Nur widerwillig fügte James sich in sein Schicksal. „Aber es ist dann deine Schuld, wenn ich mich daran gewöhne.“

„Schon okay. Ich werde es dir zu gegebener Zeit auch wieder abgewöhnen, keine Sorge. Aber bis dahin fügst du dich besser. Denn im Moment habe ich hier das Sagen.“ Sie leckte einmal verstohlen über ihre Handfläche.

„Ja, Ma’am.“ James legte sich mit einem kleinen Grinsen und schon sehr viel entspannter zurück in die weichen Kissen.

So wie er auf sie wirkte, gelang es ihr erfolgreich ihn von seinen Schmerzen abzulenken und das war auch gut so. Auch wenn es ihr vielleicht nicht so gut gefallen sollte, wie intensiv er ihren Mund betrachtete, wenn sie sich selbst einen Löffel von dem Eis gönnte.

Irgendein Gesprächsthema musste her, das ihn auf andere Gedanken brachte, aber ganz ehrlich, ihr fiel nur schwere Kost ein.

Es war James, der sie schließlich rettete.

„Fehlen eigentlich nur noch die sauren Gurken und du würdest dem Klischee schwangerer Frauen gerecht werden.“

„Ich bevorzuge Möpse.“

Eine seiner Augenbrauen hob sich fragend, während sein Blick an ihr hinab wanderte.

Delilah verdrehte gespielt genervt die Augen und ging noch einmal auf Nummer sicher, dass das feine Nachthemd auch sicherlich nicht verrutscht war. „Ich meine Rollmöpse. Also diese kleinen eingelegten Fische im Glas.“

„Achsoo! Ja, klar. Was auch sonst.“

Sein Lächeln gefiel ihr in diesem Augenblick tausend Mal besser, als sein sonst so angestrengtes Gesicht, wenn man ihm ansah, dass er Schmerzen hatte.

„Und was das Klischee angeht, darfst du dich ja wohl nicht beschweren, immerhin isst du hier gerade auch bei dem Eis mit, obwohl es mitten in der Nacht ist und die sauren Gurken fehlen.“

„Stimmt. Aber ein guter Film wäre mir lieber, als die sauren Gurken und dem Klischee wäre dann auch endgültig abgeholfen.“

Schon seltsam, jetzt wo er sie daran erinnerte, fiel Delilah ein, dass der Fernseher in ihrem Beisein eigentlich noch kein einziges Mal an gewesen war, seit sie hier wohnte. Die McKenzies schienen wohl nicht gerade zu den Couchpotatos zu zählen. Obwohl: „Dean hat mir erzählt, du stehst auf Horrorfilme. Welcher Art von Horror?“

„Hat er das?“ James schien ehrlich verwundert zu sein. „Also ich mag eher die Filme mit bösen Monstern aus dem All. So was wie die Alien-Reihe mit Sigourney Weaver zum Beispiel.“

Da ihr das nicht wirklich etwas sagte, nickte Delilah nur. Was James nicht im Geringsten zu stören schien. Stattdessen fragte er mit ehrlichem Interesse: „Auf was für Filme stehst du denn so?“

Delilah gab ihm erst noch etwas von dem Eis, bevor sie ihm antworten konnte. „Ich denke, von allem etwas, solange der Film gut ist. Eigentlich schaue ich nicht wirklich viel Fern und wann ich das letzte Mal im Kino war, kann ich dir auch überhaupt nicht sagen.“

„Auch eher eine Seltenheit.“

„Nicht wirklich. Euch sehe ich auch nie vor der Glotze sitzen.“

„Stimmt.“ James schmunzelte über etwas, das ihm wohl gerade eingefallen war, ehe er Delilah wieder anschaute. „Gab ja auch so genug Unterhaltung in letzter Zeit.“

Sie fand nicht, dass es daran etwas zu schmunzeln gab, weshalb sie auch ehrlich meinte: „Also ich könnte darauf gerne verzichten.“

„Ja, schon klar. Ich meinte auch nicht die Umstände, die mich hier ans Bett fesseln, oder dass du beinahe das Baby verloren hättest. Aber sonst...“

Nein, sie war immer noch nicht wirklich überzeugt. Immerhin war sie James gegenüber nicht sehr fair gewesen. Eigentlich hatte sie ihn sogar richtig mies behandelt. Hatte ihm Hoffnung gemacht, während er schon mit Nadine zusammen gewesen war. Hatte ihm das Baby verschwiegen und ihn dann auch noch in eine ziemlich unangenehme Situation gebracht, als sie dieses Weib aus purer Eifersucht – denn mehr war es offenbar wirklich nicht gewesen – angegriffen hatte. Dass sie nur auf ihn aufpassen wollte, war doch eigentlich nur eine Ausrede, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Zumindest so viel sollte sie sich nach allem, was passiert war, eingestehen.

Es gab in letzter Zeit wirklich nicht sehr viel Schönes zu berichten.

„Habe ich dich jetzt traurig gemacht? Was ist denn los, Deli?“ James’ Hand zuckte, als wolle er sie ihr aufs Knie legen, um sie zu trösten, doch am Ende ließ er es bleiben. Vielleicht war das auch besser so.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“ Delilah sah ihn betrübt an.

„Klar. Natürlich.“, stimmte James sofort zu.

„Kannst du bitte damit aufhören, nach allem was passiert ist, immer noch so nett zu mir zu sein?“

Jetzt sah er definitiv verwirrt aus. „Wäre es dir lieber, wenn wir uns wieder streiten und ich dich anspinne?“

„Nein, eigentlich-“

„Denn darauf habe ich wirklich keine Lust mehr.“, unterbrach er sie einfach und wandte sich von ihr ab, um lieber das Muster seine Bettwäsche zu studieren.

„Weißt du, seit dem ich beinahe draufgegangen wäre, haben sich meine Ansichten dahingehend verändert. Ich meine, das Leben ist zu kurz und kann ganz plötzlich vorbei sein. Ich will einfach nicht, dass es vielleicht endet, während wir beide immer noch sauer aufeinander sind. Ändern können wir jetzt sowieso nichts mehr an der Situation.“ Er seufzte und hielt kurz inne, bis er seinen Blick direkt auf sie richtete. „Du bist jetzt mit D zusammen und das muss ich akzeptieren. Dich deswegen anzuschweigen hätte keinen Sinn. Immerhin gibt es da auch noch das Baby und ich würde gerne dessen Entwicklung miterleben. Das ist für mich das Wichtigste im Moment.“

Als James von dem Baby anfing, legte Delilah automatisch ihre Hand auf ihren leicht gewölbten Bauch. Da sie derzeit nichts spüren konnte, vermutete sie, dass zumindest das Baby gerade schlief. Was sich in ein paar Minuten durchaus wieder ändern konnte, denn es hatte einen ganz anderen Rhythmus als sie.

„Ich will auch, dass du dabei bist.“, meinte sie schließlich. Delilah wusste ehrlich gesagt nicht, was sie sonst noch dazu hätte sagen sollen. Dass sie jetzt mit Dean zusammen war, wollte sie gar nicht leugnen, auch wenn sie glaubte, dass es James doch mehr ausmachte, als er zugeben wollte. Vielleicht war das aber auch nur reines Wunschdenken ihrerseits.

So verrückt es auch war, aber der Gedanke, dass James nur so mit ihr befreundet sein wollte und sonst nichts weiter für sie empfand, störte sie irgendwie. Dabei sollte sie froh sein, dass es so war und er es ihr auf diese Weise sogar einfach machte.

Gott, es war einfach zum Verrückt werden!

„Gut. Das ist gut.“ James gähnte hinter vorgehaltener Hand, bis es ihn regelrecht schüttelte. Offenbar war er doch schon wieder kräftiger als angenommen, immerhin verzichtete er nicht einmal auf diese höfliche Geste.

„Willst du noch etwas von dem Eis?“, wechselte Delilah schließlich das Thema, bevor es ihr noch den Appetit verderben konnte.

„Ja, bitte. Wir können es ja nicht so einfach verkommen lassen.“

„Da gebe ich dir Recht.“ Sie gab ihm gleich einen großen Löffel voll, obwohl das gar nicht mehr so einfach war, da das Eis immer wärmer und flüssiger wurde. Aber sie schafften es, den ganzen Becher restlos leer zu bekommen, ohne zu kleckern und auch ohne noch irgendein schweres Thema auf den Tisch bzw. auf das Bett zu bringen. Eigentlich war das Schweigen sogar recht angenehm.

Auch Delilah musste immer wieder gähnen, bis ihr sogar einmal die Tränen in den Augen standen.

„Glaubst du, du kannst jetzt schlafen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Und du?“

„Keine Ahnung. Aber auf dem Rücken jedenfalls nicht mehr.“

„Das glaub ich dir. Normalerweise schläfst du gerne auf der Seite oder dem Bauch, stimmt’s?“ Delilah packte schon einmal die Sachen ihres nächtlichen Mahls zusammen.

„Genau. Woher weißt du das? Hat D mal wieder alles ausgeplaudert?“

„Nein, nein. Ich erinnere mich nur daran, wie du in diesem Hotel geschlafen hast.“ Sie rutschte vom Bett.

„Ich hol’ dir noch einmal deine Zahnputzsachen.“ Damit verschwand sie mit dem leeren Becher, stellte alles nur in die Spüle und nahm noch ein frisches Glas Wasser für James mit, damit er sich nach dem Zähneputzen den Mund ausspülen konnte.

Während er seine Zähne putzte, ging Delilah schnell in ihr Bad, um es ihm gleich zu tun.

Als sie beide damit fertig waren, stand sie für einen Moment unschlüssig neben dem Bett. Irgendwie hatte sie Angst, sich wieder schlafen zu legen. Delilah wollte nicht schon wieder davon träumen, wie sie erwürgt wurde.

„Willst du noch etwas Musik hören? Mir hilft das manchmal beim Einschlafen und mein Mp3-Player ist noch voll.“

Erleichtert über diesen Ausweg atmete sie auf. „Wenn es dir nichts ausmacht...“

James schüttelte sanft den Kopf, woraufhin Delilah sich schwer auf den bequemen Couchsessel sinken ließ, nachdem sie diesen so neben James’ Bett geschoben hatte, dass sie sich die Ohrstöpsel teilen konnten.

Delilah half James auch noch dabei, sich ganz vorsichtig auf die Seite zu drehen, was offensichtlich eine große Erleichterung für ihn war, denn er seufzte entspannt und drückte sich kurz mit geschlossenen Augen in das weiche Kissen, ehe er etwas unbeholfen seine Schublade öffnen wollte, was mit Links gar nicht so leicht war, da er nicht gerade in der richtigen Position dafür lag.

Delilah half ihm, den Mp3-Player herauszuholen, ohne zu genau den Inhalt seines Nachtkästchens zu studieren.

Wenn James auch nur annähernd so war, wie viele andere Männer, dann gab es darin Dinge, die sie gar nicht näher betrachten sollte.

„Ich überlasse dir das Kommando über die Play-list. Vielleicht findest du ja etwas, das dir zusagt. Ich kenne ja nicht deinen Musikgeschmack.“ James gab ihr das kleine Gerät, das er für sie gestartet hatte und steckte seinen Ohrstöpsel in das Ohr, das danach im Kissen verschwand, damit er sie immer noch hören konnte, wenn sie sich unterhielten.

Delilah tat es ihm gleich und schaute einmal die Interpretenliste durch. Viele kannte sie, während sie von anderen noch nie etwas gehört hatte.

Da es schon spät war und sie jetzt keine musikalischen Überraschungen erleben wollte, ging sie auf Linkin Park und drückte Play. So viel konnte sie damit hoffentlich nicht falsch machen.

„Ich mag diesen Song.“, hauchte sie leise und musste ein weiteres Gähnen unterdrücken. Iridescent brachte sie immer irgendwie in eine gemütliche Stimmung und sie schloss schließlich müde die Augen, da sie sich sonst vielleicht in James’ Blick verloren hätte, wenn er sie so derart deutlich anschaute.

„Ja, der ist gut.“

Delilah kuschelte sich gemütlicher in den Sessel und lauschte andächtig dem Sänger. Danach kam etwas Schnelleres, aber da sie so leise hörten, störte das die ruhige Atmosphäre wenig.

„Deli?“

„Hm?“

„Kann ich dich etwas fragen?“

„Klar.“

James atmete einmal tief durch, ehe er seine Frage stellte: „Warum bist du damals im Hotel einfach so verschwunden?“

Milde überrascht von der Frage, öffnete Delilah kurz die Augen. Auch die von James waren immer noch offen, doch er schien ins Nichts zu starren, bis er ihren Blick bemerkte und seine Aufmerksamkeit auf sie richtete.

Delilah schaute weg.

„Abschiede liegen mir nicht besonders.“, antwortete sie schließlich, auch wenn das nur die halbe Wahrheit war.

James schien es auch nicht ganz zu glauben. „Das ist alles? Nur weil dir Abschiede nicht liegen?“

„Ja. Enttäuscht?“

„Hm. Irgendwie habe ich mehr erwartet.“

„Ach ja?“ Delilah sah ihn leicht überrascht an. Sie hätte das jetzt nicht unbedingt erwartet. Es war zwar hervorragender Sex gewesen, aber eben auch nicht mehr.

„Ja. Ich meine, zuerst war da dieser Kampf. Dann haben wir dich wieder zusammengeflickt und dann wäre da ja auch noch diese eine Sache zu dritt gewesen. Dass du dann einfach weg warst, kam doch irgendwie plötzlich.“

Wenn er es so ausdrückte, klang es nachvollziehbar. „War es wirklich so schlimm für euch?“

James sah sie an. Er sah sie wirklich lange an, ehe er schließlich den Blick senkte. „Nein. Schon okay. Es hat uns eben nur gewundert.“

„Hm.“ Delilah schloss wieder die Augen und übersprang ein paar Lieder, bis sie eines fand, das ihr gefiel. Eine Weile lauschte sie und wäre dabei auch fast eingedöst, obwohl sie sich in Gedanken immer noch schleppend mit seiner Frage beschäftigte. Aber ihr Gehirn war einfach zu müde, um näher darauf einzugehen. James hielt sie allerdings davon ab, tatsächlich einzuschlafen, als er ihr mit seiner nächsten Frage noch einmal ein sehr viel stärkeres Herzflattern verursachte.

„Warum eigentlich wir beide und nicht Dean alleine?“

Delilah wusste genau, was er meinte, aber aus reinem Reflex fragte sie. „Was?“

Also formulierte James seine Frage präziser. „Warum wolltest du mit uns beiden schlafen? Wolltest du nur einmal einen Dreier ausprobieren?“

„Nein, ich-“ Schon Dean hatte sie bereits erklärt, dass nicht das der Grund gewesen war, aber offenbar teilten die Beiden nicht alle Informationen miteinander.

„Ich wollte einfach nicht, dass einer von euch beiden gehen musste. Ich meine, klar wenn ihr zwei nicht zugestimmt hättet, wäre es anders ausgegangen. Aber ich hätte mich nicht zwischen einen von euch beiden entscheiden wollen.“

„Und warum nicht?“

Konnte er es denn nicht einfach auf sich beruhen lassen? „Weil ich euch beide gern habe.“ Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er ihr nicht recht glaubte, aber er schloss die Augen, bevor sie irgendeines seiner Gefühle darin hatte lesen können. Danach verfiel er in weiteres Grübeln. Zumindest ließ seine leicht gerunzelte Stirn das vermuten.

„Aber du bist mit Dean zusammen.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Ja.“, murmelte sie leise. Denn irgendwie klang dadurch ihre gerade abgegebene Erklärung widersprüchlich und nicht wirklich logisch. Aber daran konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern. Inzwischen war nun einmal viel passiert.

„Liebst du ihn?“, verpasste James ihr den nächsten Dämpfer.

Jetzt begann ihr Herz wie wild in ihrer Brust zu rasen und ein Kribbeln erfüllte ihren ganzen Körper, das sich nicht besonders gut anfühlte.

Was sollte sie darauf antworten? Auch Dean hatte ihr bisher nicht gesagt, dass er sie liebte und sie empfand das jetzt nicht wirklich als schlimm. Immerhin konnte sie anhand seiner Taten deutlicher erkennen, wie seine Gefühle für sie standen, als durch ein dahergesagtes ‚Ich liebe dich’. Aber galt das für sie ebenfalls?

„Warst du denn schon einmal richtig und bis über beide Ohren verliebt?“, war daher ihre Gegenfrage, da sie keine andere Antwort darauf wusste.

Verknallt zu sein war schließlich etwas ganz Anderes. Das war man schnell einmal. Auch sie hatte es schon des Öfteren erwischt. Aber Liebe...?

„Ja.“

Überrascht sah sie James an. Er hatte es zwar nur leise gesagt, aber sie hatte ihn deutlich verstanden. „Und woher wusstest du, dass es Liebe war? Ich meine, so einfach wie man immer glaubt, ist es nicht.“

Er stieß ein tiefes Seufzen aus und begann mit einem Zipfel seines Polsters zu spielen. „Wissen tut man’s schnell, aber es kann ganz schön lange dauern, bis man es sich auch selbst eingestehen kann.“

Er ließ den Stoff wieder los und versuchte dann eine bequemere Position zu finden. „Ich kann’s nicht genau erklären. Es ist einfach so.“

„Hm.“ Delilah fragte sich, wer wohl die Glückliche gewesen war. Ob es wirklich dieses Miststück gewesen war, so wie Dean es ihr erzählt hatte.

Gott, was wenn seine Gefühle für Nadine immer noch so intensiv waren, egal was inzwischen geschehen war?

Delilah glaubte zwar nicht, dass James der Schlampe so einfach verzeihen konnte, aber er musste trotzdem leiden. Allein deswegen, was dieses Weib ihm alles an den Kopf geworfen hatte.

„Du bist übrigens nicht scheiße im Bett.“

James zuckte richtiggehend zusammen. „Wie kommst du jetzt darauf?“

Ach ja, er hatte ihren Gedankengängen natürlich nicht folgen können. „Ich musste wieder daran denken, wie Nadine dich fast umgebracht hätte. Am liebsten hätte ich zu dem Zeitpunkt, als sie dich nur mit Worten angegriffen hat, widersprochen. Du bist nicht scheiße im Bett und du bist auch nicht schwach.“

„Ja, klar.“, er lachte freudlos. „Darum liege ich auch hier in diesem Bett und kann nicht einmal selbstständig essen. Außerdem war der Sex scheiße. Damit hatte sie vollkommen Recht.“

„Sie hat mit unfairen Mitteln gekämpft und war somit im Vorteil. Aber letzten Endes hast du sie vertrieben. Von Schwäche kann daher nicht die Rede sein.“

„Wenn du meinst.“ Er klang nicht sehr überzeugt oder glücklich.

„Und der Sex den wir hatten, war einfach der Hammer.“ Das konnte sie gar nicht oft genug betonen.

„Ja, weil D auch noch dabei war. Sofern du nicht schon öfters einen Dreier hattest, war das sicher einmal eine außergewöhnliche Erfahrung.“

Nun brachte er Delilah damit zum Schnauben und sie zog sich den Stöpsel aus dem Ohr, während sie sich weiter aufrichtete. „Warum habe ich das Gefühl, gegen eine Wand zu reden?“

James zuckte mit den Schultern und bereute es sofort. Er sog scharf die Luft ein und zwang sich dazu, sie langsam und ruhig wieder aus seinen Lungen zu entlassen. „Keine Ahnung. Warum reden wir überhaupt darüber?“

„Weil du wissen solltest, dass es einfach nicht stimmt, was diese Schlampe dir an den Kopf geworfen hat.

„Und woher willst du das so genau wissen? Nur weil wir einmal Sex hatten, bei dem auch noch mein Bruder dabei gewesen ist? Das eine Mal zählt nun wirklich nicht und sagt auch sicher nichts über meine Fähigkeiten im Bett aus.“

Jetzt stöhnte er fast schon genervt, da ihn das Thema aufzuregen begann. „Lassen wir es einfach, bevor wir uns wieder streiten. Noch dazu wegen so einem Mist.“

Delilah resignierte. Wenn James sich nicht überzeugen lassen wollte, konnte sie auch nichts machen. Aber zumindest kannte er jetzt ihre Meinung dazu. Was er damit anfing, blieb ganz ihm überlassen.

„Okay. Aber wenn jemand etwas gegen deine Kochkünste sagt, werde ich zur Furie. Egal was du davon hältst.“

Er sah sie für einen Moment verdutzt an und begann leise zu lachen.

Anstecken konnte er sie damit zwar nicht, aber ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Es stand James ausgesprochen gut, da das Lachen sogar seine Augen erreichte.

„Ich bin übrigens froh, dass wir uns nach allem was passiert ist, wieder vertragen.“ Ihre Worte waren nur noch ein Flüstern.

Langsam beruhigte er sich wieder und dämpfte ebenfalls seine Stimme. „Ja, ich auch.“

Delilah wurde schließlich von einem weiteren heftigen Gähnen durchgeschüttelt, woraufhin sie es sich wieder auf dem Sessel gemütlich machte und den Ohrstöpsel wieder in ihr Ohr steckte. Danach suchte sie eher etwas Ruhigeres aus der Liste aus.

„Stört es dich, wenn ich hier ein bisschen döse, bevor ich ins Bett gehe? Ich will noch nicht dorthin zurück.“

„Natürlich nicht.“ Auch James suchte sich noch einmal sehr vorsichtig eine bequemere Position, was ihm nicht gerade leicht zu fallen schien, ehe er die Augen schloss und der Musik zu lauschen begann.

Delilah fiel es nicht schwer, sich nach all dem Gesagten dennoch zu entspannen. Denn sie hatte das Gefühl, dass sich zwischen James und ihr etwas verändert hatte, seitdem er hier in diesem Bett lag.

Klar, sie zeigten immer noch deutlich Anzeichen dafür, dass sie sich leicht in die Haare kriegten, aber sie beruhigten sich danach auch wieder sehr viel schneller als früher.

Das war beruhigend zu wissen und Delilah konnte sogar mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen einschlafen.



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