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Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

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24. Kapitel

Delilah konnte sich nicht lange unter ihrer Bettdecke vergraben und die Welt um sich herum ausschließen, obwohl sie es nur allzu gerne für immer getan hätte. Doch das kleine Etwas in ihrem Bauch – das auch so schon für genug Trubel sorgte – machte ihrer aufkommenden Melancholie ein jähes Ende, in dem es sie auf eine sehr wirksame Art und Weise aus dem Bett zwang. Delilah übermannte eine Übelkeit, die nur einen Schluss zuließ und daher zögerte sie auch keine Sekunde, sondern lief so schnell sie konnte in das kleine Bad, um sich über die Kloschüssel zu hängen.

Es kam zwar nicht häufig vor, dass sie sich übergeben musste, aber für den Fall der Fälle ließ sie schon aus Gewohnheit den Klodeckel hochgeklappt, um keine wertvollen Sekunden zu verlieren, wenn es hart auf hart kam. Diese Strategie machte sich bezahlt, so dass Delilah einige Minuten später nur die Spülung zu betätigen brauchte und die Zähne putzen musste, um alle Spuren ihrer Übelkeit zu beseitigen.

Das Übelkeitsgefühl hatte zwar nachgelassen, aber sie fühlte sich immer noch elend, als sie zurück zu ihrem Bett schlurfte und es einfach nicht über sich brachte, sich darauf fallen zu lassen. Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal daraus hervor gekrochen kam. Außerdem hatte sie etwas zu erledigen.

Dean war vor einer ganzen Weile in sein Zimmer gegangen und seither hatte er es nicht wieder verlassen. James hingegen hatte den 1. Stock nicht einmal betreten, obwohl sie ihn kurz einmal im Erdgeschoss hatte hören können. Irgendwo war auch der alte Werwolf unterwegs, aber momentan war sie mit Dean alleine im Haus. Vielleicht war das auch besser so.

Langsam und mit einem Zögern, das sie einfach nicht ablegen konnte, während sich ihre Gedanken überschlugen, überquerte Delilah mit wild klopfendem Herzen den Flur. Dabei kam sie an James' Zimmer vorbei, das genau neben dem ihren lag und das sie noch nie betreten hatte. Aber seine Witterung hing unverkennbar in der Luft, auch wenn es schon Stunden her sein musste, dass er das letzte Mal hier gewesen war.

Delilah versuchte die Erinnerungsfetzen abzuschütteln, die bei seinem Geruch in ihr hochkommen wollten, während sie sich dazu zwang, weiter zu gehen. Auf die Tür zu, die weiter hinten im Flur direkt gegenüber lag.

Es gelang ihr nicht vollkommen. Sie konnte immer noch James' brennende Küsse auf ihrem Mund fühlen. Wie er sie rau und besitzergreifend berührt hatte. Wie sich ihre Finger in seinem Haar angefühlt hatten…

Ihre Finger zitterten erneut, als sie leise an Deans Tür klopfte und von stiller Selbstverachtung aufgefressen zu werden drohte, während sie wartete. Dean hatte das nicht verdient. Auch wenn es nur ein Ausrutscher gewesen war, so konnte Delilah doch nicht leugnen, dass diese ganzen Emotionen nicht auch einen Grund gehabt hatten und der hatte eben auch mit Deans Zwillingsbruder zu tun, ob sie es nun wollte oder nicht.

Sie fragte sich nicht zum ersten Mal, wieso sie sich nicht einfach für Dean entscheiden konnte.

Sein "Herein" klang abwesend aber neutral. Was sich damit erklärte, dass er gerade in einer Zeitschrift vertieft war, als sie das Zimmer betrat und die Tür leise wieder hinter sich schloss.

Auch Deans Zimmer hatte sie noch nie gesehen und dementsprechend schwer fiel es ihr, sich nicht gründlich umzuschauen. Delilah wusste zwar nicht, womit sie hätte rechnen müssen, da sie schon zu viele 'Männerbuden' gesehen hatte, um direkt von dem Besitzer auf die Einrichtung schließen zu können, weil das bisweilen unmöglich war, aber sie war dann am Ende doch positiv überrascht.

Deans Reich war eine Mischung aus chaotischer Studentenbude und sauber aufgeräumter Junggesellenfestung. Die Wände waren voll mit verschiedensten Postern von sportlichen Autos in allen möglichen Variationen. Dazwischen hingen feinsäuberlich ausgearbeitete Skizzen von auseinandergenommenen Autoteilen und egal wie intensiv sie auch danach suchte, sie fand keine Hinweise auf knapp bis gar nicht bekleidete Damen in aufreizender Pose. Stattdessen waren da Fotos von ihm und seinem Bruder mit ihrem Vater. Von Freunden und auch weiblichen Bekanntschaften. Ansichts- und benutzte Kinokarten. Eine kleine Fahne vom hiesigen High-School Basketballteam und diverse kleinere gerahmte Sportauszeichnungen.

Das Mobiliar bestand aus einem riesigen verspiegelten Schrank, in dem sich das große Doppelbett spiegelte, auf dem Dean gemütlich ausgestreckt lag. Neben dem Schrank stand ein Schreibtisch, der wohl schon längst nicht mehr zum Lernen sondern zum Studieren von kleineren Autoteilen benutzt wurde. Denn auch jetzt hatte Dean ein mechanisches Teil auf Zeitungspapier ausgebreitet, das sie nicht identifizieren konnte. Feinere Werkzeuge lagen daneben, ebenso wie aufgeschlagene Fachzeitschriften.

Zwei kleinere Topfpflanzen erfreuten sich auf der breiten Fensterbank neben dem Bett bester Gesundheit – was bei Männern schon sehr viel aussagte, sofern man es nicht mit einem Botaniker zu tun hatte – und darunter stand ein äußerst einladend wirkender Sitzsack. Das alles wurde von mehreren Regalen mit CDs, einer Stereoanlage, vereinzelt angehäuften Büchern und mehreren Baskettballtrophäen abgerundet.

Alles in allem wirkte die Einrichtung weder überladen, noch wirklich geordnet. Aber Delilah kam trotzdem zu dem Schluss, dass sie das Zimmer äußerst gemütlich und sogar in gewissem Sinne gepflegt fand. Zwar lagen die ein oder anderen Klamotten herum, aber der Boden war staubfrei und nirgendwo gammelten irgendwelche Essensreste vor sich hin. Ein Zustand den einige Männer nicht als selbstverständlich betrachteten.

"Willst du dich nicht setzen?"

Deans Stimme riss sie aus ihrer überaus gründlichen Beobachtung und ein Blick genügte, um zu wissen, dass er sie im Gegenzug auch schon eine Weile beobachtet haben musste. Die Zeitschrift, in der er vorhin noch so vertieft gewesen war, lag jetzt verkehrt herum auf dem Nachttisch, während er einen Basketball in den Händen hielt, der vorher definitiv noch nicht da gewesen war.

"Also?" Er hob fragend eine Augenbraue, woraufhin Delilah endlich in die Gänge kam und sich für den Sitzsack entschied. Sie hätte sich auch an den Schreibtisch oder aufs Bett setzen können, aber das schien ihr irgendwie nicht richtig.

"Du hast das Abendessen verpasst.", durchbrach Dean schließlich das aufkommende Schweigen, da sie keinen Ton von sich hatte geben können, nachdem sie schwer auf den weichen Sitzsack gesunken war.

Kurz schenkte sie ihm einen flüchtigen Blick, um abzuwägen wie seine Gefühlslage aussah, da sie seinen ruhigen Worten nichts entnehmen konnte und daher auch nicht wusste, wie viel er von dem was zwischen James und ihr vorgefallen war, mitbekommen hatte. Aber das hatte bei Dean wenig zu sagen. Er konnte stinkwütend sein und trotzdem immer noch ruhig bleiben.

Er sah sie allerdings nicht an, sondern den Ball den er auf seinen Knien balancierte und nur ab und zu mit einem seiner Finger wieder ins Gleichgewicht brachte.

"Ich … hatte keinen Hunger.", gab sie schließlich zu, was ja irgendwie auch stimmte. An Essen hatte sie die letzten Stunden ganz bestimmt nicht gedacht, was dank ihrer Brechorgie wohl auch besser so gewesen war.

"Nach heute Morgen fällt mir das schwer zu glauben." Er warf ihr einen eindeutigen Blick zu, den sie unter anderen Umständen vielleicht als Neckerei hätte auffassen können, aber weder war da ein Lächeln in seinem Mundwinkel, noch war sie in der Stimmung um darauf angemessen zu reagieren.

Sie blieben beide ernst.

Wieder kam Schweigen auf, das dieses Mal auch Dean nicht unterbrach und so blieb es wohl an ihr, mit der Sprache herauszurücken. Immerhin war sie ihm eine Erklärung schuldig. In mehrerer Hinsicht.

"James ist weg, oder?", wagte sie vorsichtig zu fragen, um das Gespräch langsam in die Richtung zu drängen, die ihr ganz und gar nicht behagte. Aber es war ihre eigene Schuld. Hätte sie sich besser zusammen gerissen, wäre das jetzt kein Problem. Sie hätte James die Sandwiches gebracht und dadurch vielleicht etwas Frieden zwischen ihnen beiden stiften können, anstatt den Graben noch tiefer zu buddeln, der ohnehin schon zwischen ihnen lag.

"Ja." Zum Glück ersparte Dean ihr Einzelheiten bezüglich des derzeitigen Aufenthaltsortes seines Bruders. Sie konnte es sich auch so denken, wo James mal wieder hingegangen war und alleine daran zu denken, machte sie schon wieder rasend.

Delilah setzte sich bequem in einen Schneidersitz und ließ die Hände locker auf ihren Schenkeln liegen, während sie die Augen schloss, als wolle sie gleich meditieren. Aber eigentlich versuchte sie nur ihre angespannte Haltung zu lockern und etwas Ruhe in ihren Körper zu bringen, der schon wieder gefährlich nahe an der 180 Grenze lag. Nun, eigentlich war das nicht ihr Körper sondern ihre Wölfin, die in ihrem Kopf rumorte, als würde allein Nadines Name sie immer wieder mit Tollwut anstecken. Dieses Miststück war wirklich verdammt gut darin.

"Willst du mir verraten, was vorgefallen ist?"

Delilah zuckte zusammen und öffnete schnell wieder die Augen. Dean sah sie immer noch nicht an, aber auch der Ball in seinen Händen bewegte sich nicht mehr. Er war merklich angespannt.

"Wie kommst du darauf, dass-?", begann sie zögerlich, verstummte jedoch sofort wieder, als sein Blick sich nun doch auf sie richtete. Er war nicht wütend oder bösartig, sondern einfach nur sehr sehr eindringlich.

"Du riechst nach ihm.", begann er zu erklären, nachdem er sich wieder auf den Ball konzentrierte und diesen auf seinem rechten Zeigefinger kreiseln ließ.

"Außerdem ist dein Pulli am Rücken dreckig." Der Ball wechselte von einer in die andere Hand. "Und James hatte frische Kratzspuren am Hals und im Nacken, als ich ihn nach dem Mittagessen gesehen habe." Er warf den Ball direkt gegen den verspiegelten Schrank, doch anstatt dass etwas in die Brüche ging, fing Dean ihn einfach mühelos wieder auf. "Mal von seiner miesen Stimmung völlig abgesehen." Der Ball hielt inne, während sich goldbraune Augen fragend an sie wandten.

Dean wollte eine Erklärung.

Delilah wusste nicht wo sie anfangen oder wie genau sie es ihm erklären sollte. Sie wusste ja noch nicht einmal, warum ihre Gefühle bezüglich der Brüder so hin und her gerissen waren. Normalerweise hatte sie keine Probleme damit, sich nur auf einen einzigen Mann zu konzentrieren. Schließlich hatte sie sich bisher immer für treu gehalten, sofern sie es einmal ein paar Wochen lang mit einem Kerl ausgehalten hatte. Aber seit sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, war nichts mehr so, wie es einmal gewesen war. Und selbst für sie wurde ihr Verhalten langsam immer unberechenbarer. Hinzu kam auch noch die immer deutlichere Präsenz ihrer Wölfin in ihrem Kopf, die sich nicht einfach ignorieren ließ.

"Wir haben uns gestritten.", gestand sie nach längerer Pause, in der sie ihre Fingerspitzen äußerst gründlich gemustert hatte, um Deans Blick auszuweichen, doch nun hob sie den Kopf, um sich noch einmal in seinem Zimmer umzusehen, während sie ihre Gedanken zu ordnen versuchte.

"Irgendwie sind wir auf diese verdammte Nadine gekommen." Die Wölfin begann lautstark bei Erwähnung dieses Namens in ihrem Kopf zu knurren und Delilah hatte Mühe ihre Hände ruhig zu halten.

"Er hat sie verteidigt – natürlich – und meinte, sie ginge mich nichts an und ich sollte sie gefälligst da raushalten." Ihr sträubten sich sämtliche Nackenhärchen und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Wieder kam ihr nur allzu deutlich der Streit in Erinnerung und was darauf gefolgt war.

Delilah zog ihre Knie eng an ihre Brust und schlang so fest die Arme darum herum, dass sie kaum noch Luft bekam. Aber es war besser, als jeden Moment aufzuspringen und auf irgendetwas einzuschlagen, zumal das hier Deans Zimmer war und sie kein Recht hatte, sich so aufzuführen. Dennoch war sie so verdammt wütend auf James, diese beschissene Schlampe und allen voran auf sich selbst, dass sie das Gefühl hatte, jeden Moment explodieren zu müssen.

Wieder glaubte sie James' brennende Küsse zu schmecken und seine dreisten Finger auf ihrer Haut zu fühlen. Es machte sie schier wahnsinnig, dass sie sich immer noch danach sehnte, obwohl sie das alles und mehr von Dean haben könnte, der sie nicht mit einer anderen Frau quälte. Ganz im Gegenteil war dieser Morgen so absolut wunderbar gewesen, dass sie sich selbst dafür lynchen könnten, was sie daraus gemacht hatte.

Sie hatte Dean hintergangen und das schmerzte sie am Meisten, vor allem weil sie es nicht hatte kommen sehen und irgendetwas dagegen hatte tun können.

Ja, es klang so einfach, etwas zu unterlassen, wenn man wusste, dass es falsch ist! Aber das Schlimmste war doch, dass es sich nicht falsch angefühlt hatte. Nicht zu diesem Zeitpunkt, aber schon wenige Augenblicke später. Und dafür musste sie jetzt wohl oder übel gradestehen.

"Es ging alles so schnell.", zwang sie sich weiter zu erzählen. " Ich konnte ihm noch nicht einmal von der Schwangerschaft erzählen." Vielleicht wäre die ganze Sache dann ganz anders ausgegangen, wenn sie es nicht so dermaßen verbockt hätte!

Nun traten ihr auch noch Zornestränen in die Augen und das war der Punkt, an dem ihre Gefühle endgültig durchdrehten und es einfach nur noch so aus ihr heraussprudelte. Delilah sprang auf und begann wie ein Wolf im Käfig hin und her zu laufen, auf der Suche nach einem Ausweg, wo es keinen gab.

"Wir haben uns geküsst, verdammt!", stieß sie aufgebracht hervor, während dicke Tränen ihre Wangen hinab kullerten. Egal ob der alte Werwolf sie hören konnte oder nicht. Im Augenblick sollte sich Elija besser nicht in ihre Nähe wagen, wenn er noch an seinen Eiern hing.

"Scheiße! Ich weiß noch nicht mal, wie es dazu gekommen ist!" Sie warf verzweifelt die Hände in die Höhe. " In einem Moment streiten wir uns; im nächsten liegen wir bereits wild knutschend am Boden und nur dein Biss an meinem Hals hat ihn letztendlich davon abgehalten, noch weiter zu gehen, denn um ehrlich zu sein-" Sie wischte sich wütend mit dem Ärmel ihres Pullovers übers Gesicht, was nicht besonders viel half, wenn man bedachte, wie ihre nächsten Worte lauteten und ihre Gefühlswelt dazu stand. "Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wann ich mich hätte … bremsen können." Ihre Stimme sank zu einem kaum hörbaren Flüstern herab. Es tat ihr so leid. "Ich wünschte, das alles wäre nie passiert!" Und mit alles meinte sie tatsächlich alles.

Nach diesem Geständnis war es, als würde die Welt den Atem anhalten. Verstärkt wurde dieses Gefühl auch noch dadurch, dass Dean bisher keinen Ton von sich gegeben oder sonst wie reagiert hatte, obwohl sie ihn immer hatte im Augenwinkel sehen können.

Erst nachdem das tobende Gefühlsgewitter überstanden war und Delilah wieder von Verzweiflung gepackt in die Tiefe gezogen wurde, schaffte sie es, ihm einen flüchtigen Blick zuzuwerfen, ehe sie sich zurück zu dem Sitzsack schleppte und sich so schwer darauf fallen ließ, dass es unwahrscheinlich war, sich in nächster Zeit wieder davon zu erheben.

Dean hatte sie nicht angesehen. Er schien gar nichts gesehen zu haben, obwohl seine Augen auf den Ball vor ihm geheftet waren, den er so fest zwischen seinen Fingern hielt, dass seine Knöchel weiß hervortraten und diesem beinahe eine Eiform aufzwangen. Vielleicht würde er auch jeden Augenblick platzen. Der Ball – nicht Dean, obwohl das eigentlich auch nicht auszuschließen war.

Die Sekunden verstrichen. Wurden zu Minuten, in denen er sich immer noch keinen Millimeter bewegt hatte und genau diese Art der Nicht-Reaktion war sogar noch schlimmer, als alles andere, mit dem sie hätte rechnen können, wenn sie die Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken.

Er würde sie rauswerfen. Schwangerschaft hin oder her, nach dieser Aktion würde sie es nur allzu gut verstehen, wenn er sie nicht mehr in seinem Leben haben wollte.

Eigentlich wollte sie nicht, denn Dean bedeutete ihr ebenso viel wie James, der sie so leicht rasend machte, aber es wäre wohl für alle Beteiligten besser, wenn sie ginge. Elija würde sich bei dieser Neuigkeit bestimmt auch einmal zu einem Lächeln durchringen können. Vielleicht war es sogar ganz gut, dass sie das nicht mehr miterlebte. Sie konnte es sich bei dem alten Werwolf ohnehin nicht vorstellen.

Trotzdem tat der Gedanke – Dean und James zu verlassen - so verdammt weh, dass sie es kaum auf die Beine schaffte. Mehr schlecht als recht stolperte sie in Richtung Tür, blind von einem erneuten Tränenschleier in ihren Augen, den sie auch nicht einfach wegblinzeln konnte. Doch gerade, als sie nach dem Türknauf greifen wollte, zuckte sie erschrocken zurück, als der Basketball den Türrahmen traf und haarscharf an ihr vorbei zu Boden ging. Keine Sekunde später spürte sie Deans heißen Atem im Nacken.

"Wenn du deinen Arsch auch nur einen Millimeter über die Türschwelle schiebst, kann ich für nichts mehr garantieren."

Seine Stimme war ein einziges beherrschtes Grollen, das ihr eine Gänsehaut verursachte, ehe er sie herumriss und mit dem Rücken aufs Bett stieß. Die Matratze hatte kaum dazu Gelegenheit, sie weich abzufedern, da wurde sie auch schon von Deans Körper tiefer hinein gedrängt. Sein Geruch hing überall in der Bettwäsche und unter anderen Umständen hätte sie das sogar begrüßt, war sein Duft doch immer irgendwie beruhigend für sie, aber im Augenblick fühlte Delilah sich vollkommen gefangen. Allen voran sein wölfischer Blick hielt sie von jeglichem Protest ab, den sie ohnehin nicht gehabt hätte. Denn langsam bekam sie den Eindruck ihre Wölfin war hier die Wahnsinnige und nicht ihre Hormone oder ihr logisch denkender Verstand. Denn das Tier war vollauf begeistert von Deans aggressiver Reaktion. Was sie nur bedingt nachvollziehen konnte. Denn eine Reaktion war ihr definitiv lieber als gar keine Reaktion. Nur wusste sie nicht, was ihr als Nächstes blühte und das bereitete ihr doch Sorgen, weshalb sie sogar unbewusst die Hände auf ihren Bauch legte, um ihn zu schützen.

Dean sah es und lehnte sich langsam zurück, damit er sie nicht mehr gar so arg bedrängte, obwohl er immer noch auf ihren Oberschenkeln saß, so dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnte.

"Glaubst du ernsthaft, ich würde dir etwas antun?", wollte er immer noch gereizt wissen und auch der Ausdruck seiner Augen strafte seine Worte Lügen, womit es kein Wunder sein dürfte, dass sie seiner Aussage nicht traute.

Eine Hand wanderte wieder in seinen Nacken und er rang sichtlich um Beherrschung, ließ sie dabei aber keine Sekunde lang aus den Augen.

"Ja, verdammt! Ich bin angepisst wegen dem, was du mit meinem Bruder getrieben hast, aber deshalb würde ich dir trotzdem niemals schaden wollen."

Als Beweis nahm er seine Hand wieder herunter und legte beide Hände so locker wie möglich auf seinen Oberschenkeln ab, aber das änderte immer noch nichts an der Tatsache, dass er auf ihr drauf saß und sie nicht gehen ließ.

"Und was willst du dann?", verlangte sie leise zu wissen; wollte sie ihn doch nicht noch mehr reizen. Seine Wut lag so deutlich in der Luft, dass es beinahe in ihrer Nase brannte und auch wenn ihre Wölfin ganz anders fühlte, so sagte ihr rationeller Verstand, sie sollte besser zusehen, dass sie wieder mehr Abstand zwischen sich und dem Werwolf brachte.

Dean verzog das Gesicht, als hätte er ihre Gedanken gelesen, was ihn noch mehr aufzubringen schien. "Dich! Verdammt noch mal, ist das denn so schwer zu verstehen? Oder glaubst du ernsthaft, ich würde all den Scheiß dulden, den du mir aufzwingst, wenn es nicht so wäre?"

Es brauchte einen Moment, bis sein Geständnis in ihren Gehirnwindungen ankam, doch dann sah sie schon fast verzweifelt zu ihm hoch. Wieso konnte er sie nicht einfach gehen lassen? Es wäre doch auch für ihn so vieles leichter!

"Aber warum, Dean? Ich tu dir weh. Ich hintergehe dich und du kannst nicht einmal wissen, ob ich nicht doch von James schwanger bin. Außerdem, so sehr ich mir auch wünschte, es wäre anders … ich mag ihn ebenso stark, wie ich für dich empfinde…"

Das war schon mehr, als sie hatte sagen oder sich selbst eingestehen wollen, weshalb sie nun nur noch verzweifelter versuchte, von Dean und seinem intensiven Blick wegzukommen. Doch alles was sie damit erreichte, war, dass er ihre Hände nahm und sie neben ihrem Kopf in die Matratze presste, während er sich wieder so dicht über sie beugte, dass sein Atem über ihre Haut strich.

"Glaubst du ernsthaft, das spielt für mich eine Rolle?"

Sie konnte ihn nur verwirrt ansehen. Was meinte er denn damit? Natürlich spielte das alles eine Rolle. Es passte vorne und hinten einfach nicht zusammen!

Dean atmete einmal tief durch, ehe er eine ihrer Hände los ließ, um mit einer Strähne ihres weißen Haares zu spielen und sehr viel ruhiger hinzufügte: "Der Gedanke, Vater zu werden, löst etwas in mir aus, das ich weder beschreiben kann, noch wirklich kapiere. Aber diesem Gefühl – meinem Tier ist es scheißegal, ob das Baby nun von James oder mir ist. Es ist von unserem Fleisch und Blut und das ist alles was zählt. Hinzu kommt, dass mir in meinem ganzen Leben noch keine Frau untergekommen ist, die diese ganzen verrückten Dinge mit mir anstellt, selbst wenn sie nicht einmal in der Nähe ist."

Seine Hand streichelte über ihre Wange, während sein Blick sie unverwandt festhielt, als wolle er sicher gehen, dass sie ihm auch wirklich zuhörte. Doch die Sorge war völlig unbegründet. Delilah hing geradezu mit rasendem Herzen an seinen Lippen. Das was er ihr da zu sagen versuchte, war mehr als sie gedacht hätte. Mehr als ihr je jemand gesagt hatte. Umso schwerer fiel es ihr daher, es wirklich zu begreifen.

"Du bringst mich sogar dazu, mich mit James zu prügeln. Wer würde das denn sonst schaffen?" Dean lächelte freudlos und sein Blick wurde um eine Spur dunkler, als seine Finger ihren Hals hinab zu dem zerrissenen Ausschnitt ihres Pullis glitten. "Es macht mich wahnsinnig, zu wissen, dass er dich berührt und geküsst hat. Aber viel schlimmer wäre es, wenn es nicht mein Bruder gewesen wäre, der das getan hat. Ich glaube, ich müsste denjenigen umbringen."

Ein tiefes Grollen brachte seinen gesamten Brustkorb zum Vibrieren, aber es waren seine Worte, die ihr mehr Sorgen machten. Er hatte vollkommen ernst geklungen.

Vorsichtig, um ihn ja nicht zu erschrecken, hob Delilah ihre freie Hand an sein Gesicht und versuchte seinen Blick wieder auf sich zu ziehen. Es gelang ihr erst nach mehreren Sekunden, nach dem das Knurren in seiner Kehle wieder verschwunden war.

"Genau darum sollte ich gehen, damit-"

"NEIN!"

Dean schlang seine Arme um sie und hielt sie so fest, dass sie sich wie in einem viel zu engen Käfig vor kam, aber sie wagte nicht dagegen zu protestieren, waren seine Zähne doch viel zu dicht an ihrem Hals. Zumindest konnte sie seine Lippen auf ihrer Haut fühlen bei jedem Wort, das er sagte: "Kapierst du es denn immer noch nicht? Ich will dich! Und wäre ich mir nicht vollkommen sicher, dass ich dir auch irgendetwas bedeute, dann würde ich dich sogar eigenhändig in James' Arme treiben, nur damit du in meiner Nähe bleibst. Aber…" Er hob den Blick und der Wolf in seinen Augen schien sie direkt anzustarren, während ihre eigene Wölfin zurück starrte. "…du bist hier bei mir. Das muss doch auch etwas bedeuten, oder?"

Sie glaubte immer noch nicht, es ganz zu begreifen. Aber wenigstens in einer Sache konnte sie ihm von ganzem Herzen zustimmen.

Delilah strich vorsichtig seinen Rücken hinauf zu seinem Nacken, um dort ihre Finger in seinem Haar zu vergraben. Es fühlte sich ebenso toll an wie bei James. Aber nicht etwa, weil Dean sich wie James anfühlte, sondern weil er Dean war. Genauso wie er es gewesen war, der diese schönen Stunden mit ihr am Weiher verbracht hatte, die sie auch jetzt nicht bereute und wohl auch nie bereuen würde.

"Es tut mir leid, dass ich dir immer wieder wehtue.", hauchte sie ihm leise zu, während ihre Augen sich schon wieder mit Tränen füllten. Doch dieses Mal waren es diejenigen von der guten Sorte. Immerhin war sie glücklich, bei Dean sein zu können, selbst jetzt noch.

"Aber du hast recht. Ich bin hier bei dir." Sie schmiegte sich an ihn und wollte ihn am liebsten nie wieder los lassen. "Und im Augenblick würde ich nirgendwo anders sein wollen…"

Dean entzog sich ihr daraufhin leicht, damit er sie ansehen und ihr eine Träne wegwischen konnte. "Sicher?"

Sie musste lächeln. "Sicher." Dann nahm sie seinen Kopf zwischen ihre Hände und zog ihn wieder zu sich herunter, damit sie ihm auch noch auf andere Weise gründlich davon überzeugen konnte, dass sie es ernst meinte.

Er wollte sie immer noch. Wie unglaublich war das denn?

Dean musste sich nicht lange darum bitten lassen. Er schien sogar ganz froh zu sein, dass er ihr nach einer Weile den Pulli ausziehen konnte, der immer noch so stark nach seinem Bruder roch. Aber das änderte sich schon bald. Dafür sorgte er. Äußerst gründlich sogar.



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