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Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

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4. Kapitel

„Am liebsten würde ich diesen elendigen Hurensohn noch einmal in Stücke reißen!“

Leises Murmeln, das den Worten nichts von seiner Schärfe nahm, drang wie durch einen dichten Nebel zu ihr vor.

Ein zustimmendes Knurren, das beinahe neben dem Klang des fremden Herzschlags und dem Rauschen ihres eigenen Blutes in ihren Ohren unterging.

Es war dunkel und warm. Tröstlich.

Ein gedämpftes Klingeln kämpfte sich durch die wattige Hülle, die ihren Körper umgab, gefolgt von dem leisen Säuseln auseinandergleitender Türen. Fremde Muskeln spannten sich unter ihr und um sie herum an, einen Herzschlag später wurde sie unsanft durchgeschüttelt.

Schmerzvoll winselte sie auf, versank jedoch noch in der gleichen Sekunde wieder in erlösendes Nichts ...

Eine sanfte Berührung an ihrer Stirn weckte sie erneut, doch der glühende Feuerball hinter ihren verklebten Lidern hielt sie davon ab, aufzusehen.

Alles tat weh. Selbst das Atmen.

„Delilah, komm schon, werd wach!“ Die vertraute Stimme ebenso drängend wie das immer noch zärtliche Streichen über ihre schmerzende Schnauze.

Sie lockten sie damit schon eine ganze Weile. Erst jetzt wurde sie sich dessen bewusst.

„Du musst dich verwandeln! Bitte!“

Musste sie? Zu spät erkannte sie den Gedanken, der es auslöste.

Bereits angeschlagene Knochen verschoben sich, Fell zog sich zurück, wurde von nackter Haut besiegt. Krallen wurden zu Finger. Läufe zu Füßen. Ein schmerzerfülltes Aufheulen zu einem erstickten Schrei.

„Ach, du heilige Scheiße!“

Sie wollte fliehen. Weg von dem Schmerz. Weg von dem verbrennenden Licht.

„Halt sie fest!“

Nein!

Verzweifelt riss sie die Augen auf. Das gleißende Licht versengte ihre Netzhaut, fuhr durch ihre geweiteten Pupillen direkt in ihren schmerzenden Kopf und explodierte.

Ein weiterer Fluch, der von ihrem Schrei verschluckt wurde.

Ihre Glieder erschlafften ...

 

Sie lehnte vornüber gebeugt an einer großen Schulter und wurde von zusätzlichen Händen gestützt. Wasser flüsterte leise vor sich hin, und nur gedämpft drang ein Lichtschein zu ihr herüber.

Zu schwach um sich zu wehren, ließ sie es zu, dass man ihre Lider auseinanderzwang und kühlendes Nass darüberlaufen ließ.

Es war unangenehm und doch lindernd.

Das Brennen verschwand allmählich.

Ansonsten war es still. Über allem lag lediglich das ständig begleitende Rauschen in ihren Ohren.

Nach einer schier endlos langen Zeit wurde das Wasser abgedreht und sie wieder aufgerichtet.

Für einen Augenblick lang trafen gerötete graublaue Augen auf vor Überraschung geweitetes Karamellbraun.

Ihr Magen schien plötzlich einen bockigen Sprung zu machen. Im nächsten Moment zerrte sie sich mehr schlecht als recht, aus dem warmen Griff und drehte sich weg, um sich würgend zu übergeben.

Beinahe wäre sie auch noch darin gelandet, hätten nicht starke Hände nach ihr gegriffen und sie von der verschmutzten Stelle wegzogen.

Ihr Kopf rollte scheinbar ohne jeglichen Halt in ihrem Nacken und wurde letztendlich von einer nackten warmen Brust gebremst.

Leben kam in ihre Umgebung, doch sie war zu müde, um ihre Augen noch einmal zu öffnen, dennoch war sie sich des feuchten Tuchs nur allzu deutlich bewusst, das ihr sanft über den Mund wischte und sie säuberte.

„Schlaf ruhig“, raunte es leise an ihr Ohr und brachte den Brustkorb an ihrem pochenden Hinterkopf sanft zum Vibrieren. „Den Rest erledigen wir.“

Der Duft von in der Sonne getrocknetem Wildgras kämpfte sich langsam in ihre Nase, als sie dem Vorschlag nur allzu gerne nachkam.

 

Ein Ziepen und Brennen an ihrer Schulter. Gedämpftes Murmeln und warme Hände in ihrem Nacken.

Immer noch war da dieses Dröhnen und Rauschen in ihren Ohren, begleitet von einem dumpfen Druck in ihrem Kopf.

Köstliche Flüssigkeit wurde ihr sanft zwischen die Lippen gedrängt. Vertrieb den grässlichen Geschmack von Blut und Tod aus ihrem Mund. Löschte das starke Brennen in ihrem Hals und beruhigte ihren Magen.

Sie wurde erneut mit großer Sorgfalt bewegt. Spürte es kaum. Ergab sich vollkommen dem Gefühl der Geborgenheit.

„Schlaf weiter.“

Dieses Mal ein sanft geflüsterter Befehl.

Warmer Atem, der über ihre Wange streichelte.

Sie gehorchte.

 
 

***

 

Delilah kuschelte sich enger in die beschützende Umarmung ihres Vaters.

Ihr Rücken tat weh. Sie hatte mal wieder mit der streunenden Katze gekämpft, die ab und an wie ein Penner auf der Suche nach etwas zu Essen um ihr Haus strich, ohne Angst vor dessen Bewohnern zu haben. Alt, dürr und gemein war sie, aber allen voran hinterlistig.

Delilah hatte oft mit ihr gekämpft, und ihr Vater sich darüber beklagt, warum sie sich überhaupt mit dem Vieh abgab, bis die Katze eines Tages nicht mehr um ihr Haus schlich. Auch den Tag darauf und den darauf kam sie nicht. Sie kam nie wieder.

An dem Blick ihres Vaters konnte sie es erkennen, auch wenn sie es noch nicht verstand. Die Katze war seinetwegen fort und konnte nun nie wieder ihre Krallen in Delilahs Rücken schlagen. Dennoch tat ihr Rücken weh.

Delilahs Fingerspitzen wanderten auf der Suche nach noch mehr Halt über warme nackte Haut. Mit einem zufriedenen Seufzen schmiegte sie ihre Wange dagegen. Sie hatte ihn so vermisst.

Warmherber Duft drang in ihre Nase. Sehnsüchtig sog sie den Geruch nach frischer Walderde und ...

Sie erstarrte.

Die Witterung ihres Vaters hatte zwar wie bei jedem immer wieder leicht variiert, doch die Grundnoten blieben meistens gleich, wenn er seiner täglichen Routine nachging.

Ihr Vater hatte nach Leder und Pferd gerochen, und nicht nach ...

Delilah riss ihre Augen auf.

Die Brust ihres Vaters war stets von blonden Haarlocken beherrscht gewesen. Diese hier war nackt, wenn auch nicht weniger vernarbt und heller als der stark gebräunte Teint von der vielen Arbeit in der Sonne.

Langsam entzog sie sich der lockeren Umarmung, immer noch die Augen auf den nackten Brustkorb vor sich gerichtet, ohne auch nur einmal zu blinzeln.

Sie hielt erneut inne, als sie auch mit ihrem Rücken gegen warme Haut stieß, und wurde sich erst jetzt des dritten Arms bewusst, der um ihre Taille geschlungen war.

Schweiß brach auf ihrer Stirn aus, während ihr Herz wie wild zu schlagen begann.

Sie war gefangen zwischen zwei Körpern, deren Geruch ihr zwar vertraut war, jedoch nicht so sehr wie der ihres Vaters. Außerdem ... Ihr Vater war schon lange tot.

Für einen flüchtigen Moment wollte so etwas wie Panik in ihr aufsteigen, da sie die Situation nicht verstand. Ebenso wenig, wie die Tatsache, dass sie zwischen zwei halbnackten Männern in einem üppigen Bett lag, ohne sich daran erinnern zu können, wie sie dort hingekommen war.

Sie hatte es noch nie mit zwei Männern gleichzeitig getrieben ...

Doch je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr Zeichen fand sie, die ihr deutlich machten, dass hier keine wilde Orgie stattgefunden hatte. Zunächst einmal war sie nicht nackt und auch die beiden Männer nicht. Sie trugen immerhin noch ihre Hosen. Außerdem lag der Geruch von kaltem Essen, Rauch und Blut in der Luft. Dezent zwar nur, aber dennoch deutlich.

Sex roch anders.

Trotzdem konnte sie das nicht beruhigen, und das Dröhnen in ihrem Kopf wurde wieder stärker. Ihre Gedanken rasten und versuchten die verschwommenen Eindrücke der letzten Stunde irgendeiner Logik zuzuordnen, während ihre Finger vorsichtig durch ihr Haar über den Hinterkopf strichen und auf einer riesigen Beule innehielten.

Kurz blitzte das Bild einer heranschießenden Stiefelspitze in ihren Erinnerungen auf.

Scharf sog sie die Luft ein, als noch mehr Bilder auf sie einstürmten und sie endgültig zum Zittern brachten.

Der Arm an ihrer Hüfte bewegte sich zusammen mit der Matratze unter ihr, als das Gewicht in ihrem Rücken sich verlagerte.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.

Delilah erstarrte unter der Berührung wie ein verängstigtes Kaninchen in seinem Erdloch, den Jäger schon ganz nah bei sich spürend.

„Delilah?“

Warmer Atem, der ihren Nacken streifte.

Ihre Augen wurden noch größer.

„Sie ist wach.“

Delilahs Blick schoss ohne sich zu bewegen weiter nach oben und traf auf den karamellfarbener Augen, die ihr bisher noch nie so erschöpft vorgekommen waren.

Irgendetwas in ihren Augen brachte die Arme um sie herum dazu, sich langsam zurückzuziehen und in einer Geste der Kapitulation zu verharren. Nur die Hand blieb auf ihrer Schulter.

„Vergiss das Atmen nicht.“

Dean musterte besorgt ihr Gesicht, ehe sein Blick sich hob und er den Mann hinter sich anfunkelte.

„J, lass sie los, Mann!“

Ein Moment des Zögerns, dann war auch das Gewicht auf ihrer Schulter verschwunden.

Sofort schoss Delilah von der Matratze hoch, verhedderte sich mit den Beinen im Laken und fiel ziemlich würdelos aus dem Bett, und zugleich auf den Boden der Tatsachen.

Delilah!

Da, sie taten es schon wieder! Nicht ein Ton, der zu früh oder zu spät erklang. So spontan und doch synchron wie zuvor. Delilah bezweifelte nämlich, dass die Brüder das vorher einstudierten. Umso mehr wunderte sie diese Leistung.

„Delilah geht’s dir gut?“

„Sag doch was!“

Die Wange auf den weichen Teppichboden gepresst, ein Bein immer noch auf dem Bett, lag sie da in ihrer unglücklichen Bauchlandung und wunderte sich über den ungewohnt besorgten Tonfall in den Stimmen der Brüder. Irgendeine Sicherung in ihrem Gehirn musste wohl durchgebrannt sein. Denn anstatt noch mehr Panik zu schieben, überkam sie deswegen der übermächtige Drang, zu lachen.

„Autsch“, war ihre nüchterne Antwort, ehe sie tatsächlich zu kichern anfing, obwohl ihr das ihr Rücken mit wütenden Bissen in die Schulter quittierte.

Es war ihr scheißegal, und sie rollte sich herum, um zu den Brüdern aufsehen zu können, die sie anglotzten, als wäre sie ein frisch gelandeter Alien auf Urlaub.

„Mund zu, es zieht.“

Eine Hand gegen ihre schmerzenden Rippen gepresst, wurde ihr Kichern zu einem Lachen.

Das ist nicht witzig!

Kurz hielt sie inne, betrachtete die ernsten Gesichter und schüttelte sich plötzlich endgültig vor Lachen, bis ihr alles wehtat und Tränen in den Augen standen.

Die Zwillinge warfen sich daraufhin noch besorgtere Blicke zu, anstatt in ihr Lachen mit einzustimmen.

Keiner sagte etwas.

Ihr Lachen verschwand. Nun wurde auch sie todernst.

Den Blick an die Decke gerichtet wischte sie sich eine der Lachtränen von der Wange und wunderte sich, dass es mehr wurden anstatt weniger.

Auch der dicke Kloß in ihrer Kehle war gerade eben noch nicht da gewesen, ebenso wenig wie der Gedanke, dass sie beinahe ...

Bevor die Zwillinge vom Bett aufstehen und zu ihr konnten, rollte sich Delilah wieder herum und kam selbst auf die Beine, wenn auch für einen Moment noch recht wackelig.

„Entschuldigt mich“, hauchte sie leise, damit die Brüder nicht hörten, wie ihre Stimme brach.

Schnell brachte sie die Badezimmertür zwischen sich und die Zwillinge und drehte zur Sicherheit auch noch den Schlüssel herum, ehe sie an dem harten Holz hinab zu Boden glitt und ihr Gesicht in ihren Händen vergrub.

Sie schluchzte leise, doch die Tränen waren ebenso schnell versiegt, wie sie gekommen waren, und was blieb, war dieses grauenvolle Zittern in ihren Knochen und die entsetzliche Gewissheit, nur knapp dem Tode entkommen zu sein.

Wenn Dean und James nicht gekommen wären, hätte der Kerl ... Er hätte sie umgebracht.

Schaudernd schlang Delilah ihre Arme um die angewinkelten Knie und verbarg ihr Gesicht dahinter. Auf das leise Klopfen nach einer Weile reagierte sie nicht. Ebenso wenig wie auf die besorgten Fragen der Brüder.

Erst als diese ihr vorschlugen, zu gehen, wenn ihr das lieber war, erstarrte Delilah erneut, unfähig zu sagen, wie sehr sie sich wünschte, nicht alleine zu sein.

Doch sie blieb stumm und kurze Zeit später, war es auch im anderen Raum still geworden.

Mit einem Schlag fühlte sie sich so einsam, wie schon lange nicht mehr. Dennoch war sie nicht in der Lage, dagegen etwas zu unternehmen.

 

Wie lange sie dort gesessen und leer in die Gegend gestarrt hatte, wusste Delilah nicht, und es war auch nicht wichtig, denn sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

Wäre da nicht der immer stärker werdende Drang nach Bewegung in ihr gewesen, sie hätte wohl noch bis in alle Ewigkeit so dasitzen können. Doch so zwang sie sich auf die Beine, ignorierte das stechende Kribbeln in ihren eingeschlafenen Muskeln und schlurfte zum Waschbecken hinüber, um sich den trockenen Mund auszuspülen, und sich auch gleich das Gesicht zu waschen.

Als sie das Wasser abdrehte und hochblickte, stockte ihr beinahe der Atem bei ihrem Anblick.

Ihre Augen waren so gerötet, wie nie zuvor – eine Nachwirkung des Pfeffersprays –, und obwohl es schon sehr gut verheilt war, konnte sie immer noch die schwachen Reste eines einstmals blühenden Veilchens um ihr linkes Auge erkennen, dort, wo der Stiefel sie getroffen haben musste.

Es schauderte sie bei dem Gedanken, was sie noch alles an sich entdecken würde, weshalb sie auch zögerte, den Blick weiter hinabwandern zu lassen. Doch als sie es endlich schaffte, war sie tatsächlich überrascht.

Sie trug ein viel zu großes Shirt und Shorts, die definitiv nicht ihr gehörten. Auch diese zu groß, sodass sie sich gerade noch so an ihre Hüften klammern konnten.

Verwirrt fiel ihr Blick ganz zu Boden, dort, wo ihre Reisetasche ungeöffnet vor ihr lag, so wie sie diese, vor einer Ewigkeit wie es schien, zurückgelassen hatte.

Dort wären genug frische Sachen gewesen, um ihr etwas überzuziehen, doch offenbar hatten die Zwillinge davor zurückgescheut, in ihren Sachen zu wühlen. Selbst in dieser Ausnahmesituation. Und zugegeben, so gemütliche Schlabberklamotten hätte sie ohnehin nicht besessen.

Einem weiteren Gedanken folgend zog sie sich langsam das Shirt über den Kopf und legte es zur Seite, um das betrachten zu können, was darunter lag.

Wieder wollte ihr der Atem stocken, doch Delilah zwang sich zur Ruhe. Was sie da sah, war schon so weit abgeheilt, dass es bestimmt nicht mehr mit dem zu vergleichen war, was man vorher vorgefunden hatte.

Sie war grün und blau geschlagen und auf den Rippenbögen ihrer linken Seite zeigte sich sogar jetzt noch ein tiefblauer etwa handgroßer Fleck, der äußerst empfindlich reagierte, obwohl sie sehr vorsichtig mit den Fingerspitzen darüberstrich.

Es schien Nichts gebrochen zu sein, doch der Färbung nach zu urteilen, mussten ihre Rippen ganz schön geprellt worden sein.

Das Ziehen in ihrer Schulter ließ sie sich schließlich langsam herumdrehen.

Zu Delilahs Überraschung wurde sie hier nicht gleich mit einem weiteren Anblick geschockt, denn ein großes Wundpflaster klebte über ihrem linken Schulterblatt, das sie nach einigem Zögern langsam ein Stück abzog, um darunterblicken zu können.

Der Schnitt war lang und immer noch an den Rändern in wütendem Rot gefärbt, doch die Heftpflaster taten ihre Arbeit und hielten die Wunde zusammen, ohne genäht worden zu sein. Bei einem Menschen hätte das wohl nicht ausgereicht, doch bei ihr war das etwas anderes. Sie würde nur noch eine Weile vorsichtig sein müssen, wenn sie keine allzu große Narbe zurückbehalten wollte. Aber eine Narbe würde bleiben.

Eine Lappalie im Vergleich dazu, dass sie noch am Leben war.

Ihre Finger zitterten, als Delilah das Wundpflaster wieder auf ihre Haut drückte, was nicht allein an den vergangenen Stunden lag. Sie war unruhig und je mehr sie sich langsam wieder zu festigen begann, desto fahriger schien sie zu werden. Es schien völlig unlogisch zu sein, und dennoch war es ihr auch vertraut. Im Moment wollte sich ihr wirrer Verstand allerdings nicht damit beschäftigen. Ebenso wenig mit den anderen Dingen, die ihr durch den Kopf gingen. Also zog sie sich langsam auch die Shorts aus, nahm noch einen kurzen Umweg zur Toilette und setzte sich anschließend in die riesige Badewanne, in die sie nur so viel Wasser einließ, wie nötig war, um sich gründlich waschen zu können, ohne das Wundpflaster an ihrem Rücken zu durchnässen. Was eine ziemliche Herausforderung darstellte, da sie nach einer gründlichen Überprüfung ihrer Haare, entschied, sie sich ebenfalls zu waschen.

Wäre es alleine um den Staub gegangen, der darin hing, hätte Delilah noch darauf verzichtet. Aber ein paar der eingetrockneten braunen Flecken rochen stark nach altem Blut und waren alles, was sie an Überzeugung brauchte.

Es dauerte lange, bis sie wieder aus der Wanne kam. Eine Zeit, in der ihre körperliche Unruhe immer größer geworden war, anstatt durch diese vertraute Tätigkeit abzunehmen.

Während sie sich abtrocknete, wurde ihr zunehmend wärmer. Nicht auf eine Art, als hätte sie Fieber, aber auch nicht einfach als Resultat des heißen Wassers.

Als Delilah wieder vor dem Spiegel stand und aus ihrem Kulturbeutel Zahnbürste und Zahnpasta herauskramte, fiel etwas klimpernd ins Waschbecken.

Erst das vertraute Plastiketui in ihrer Hand öffnete ihr mit einem Schlag die Augen.

Ihr Eisprung würde schon bald einsetzen.

Es war keine gute Zeit für sie, um alleine zu sein. Verletzungen hin oder her, sie hatte schon Schlimmeres ertragen, um dem sehr viel quälenderen Gefühl ihrer aufpeitschenden Hormone irgendwie zu entkommen oder wenigstens entgegenzuwirken.

Langsam, fast ehrfürchtig legte Delilah das Etui gut sichtbar zur Seite und putzte sich die Zähne, während ihr Blick mehrmals darauf fiel, obwohl sie sich dazu zwang, nicht hinzusehen.

Danach kämmte sie sich die Haare, cremte sich ein und tat auch sonst alles, was zu ihrer täglichen Körperpflege dazugehörte, doch immer wieder zog es ihren Blick zu dem schwarzen Etui. Selbst ihre Gedanken kreisten nur noch darum, und je mehr sie es zuließ, umso deutlicher kam ihr Körpergefühl durch die Schmerzen hindurch.

Immer verzweifelter fragte sie sich, was sie jetzt bloß tun sollte.

Mit ihrem derzeitigen Gesicht konnte sie nicht einfach irgendeinen Kerl anbaggern und darauf hoffen, dass er sich nicht angewidert von ihr abwandte, und bei jenen, die so eine Verletzung nicht abschreckend fanden, sollte sie sich eher Sorgen machen.

Außerdem ... sie wollte nicht schon wieder ein fremdes Gesicht für emotionslosen Sex, nur damit ihr Uterus glücklich war. Im Augenblick war sie sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt einem Fremden begegnen wollte.

Delilah fühlte sich immer noch spürbar verletzlich, nachdem ihr ihre eigene Sterblichkeit mit so ausschlagkräftigen Argumenten vor Augen geführt worden war, und während sie so das sauber aufgeräumte Badezimmer betrachtete, kamen auch noch andere Gefühle in ihr hoch. Welche, die nichts mit ihren Hormonen zu tun hatten.

Langsam schlang Delilah ihre Arme um sich und betrachtete die Stelle vor der Dusche, an der sie gekauert war, als einer der Brüder ihr die brennenden Augen mit Wasser ausgespült hatte, während der andere sie festhielt.

Sie erinnerte sich auch mit einem tiefsitzenden Schamgefühl daran, wie sie sich hatte übergeben müssen, und da nichts mehr davon zu sehen war, mussten sich die Zwillinge wohl auch darum gekümmert haben.

„Seltsam ...“

Das hätte sie den beiden nicht zugetraut. Ebenso wenig die ernsten Gesichter, die ihr heute beim Aufwachen begegnet waren.

Delilah hatte die Brüder bisher noch nie ernst erlebt und es war merkwürdig, wie gut es sich anfühlte, das über sie zu wissen.

Vielleicht sollte sie ...?

Wieder fiel ihr Blick auf das Etui und ließ sie überlegend erstarren.

Nein. Die Zwillinge hatten sie allein gelassen. Sie ...

Aber doch nur ihretwegen, oder nicht? Damit sie sich wieder in Ruhe sammeln konnte, oder?

Doch selbst wenn, würde einer von ihnen bereit sein, mit ihr zu schlafen?

Ja, natürlich hatten die Brüder oft genug ihre Meinung zu diesem Thema geäußert, aber das waren doch nur blöde Anmachsprüche gewesen. Etwas, das Delilah kaum hätte ernstnehmen können. Und dennoch ...

Langsam lösten sich Delilahs Arme und sie griff so vorsichtig nach dem Etui, als könne sie jeden Augenblick ein Stromschlag treffen.

Nachdenklich ließ sie sich auf den Rand der Badewanne nieder und drehte die kleine Plastikbox zwischen ihren Fingern.

Ein Versuch war es wert.

Sowohl Dean als auch James trafen ihren Geschmack, was Männer anging. Und obwohl sie sich bei solchen Kindsköpfen nicht allzu große Leistungen im Bett vorstellen konnte, so hatte sie es schon oft wesentlich schlechter getroffen.

Von Kerlen angefangen, denen sie den Weg zeigen musste, nachdem sie deren blinde Herumstocherei überdrüssig geworden war, über Typen, die sich eigennützig ein paar Augenblicke lang an ihr abarbeiteten, ehe sie auch schon zum Abschluss kamen, ohne sie auch nur einmal richtig angesehen zu haben, bis hin zu ihrer absoluten Lieblingssorte von Männern, die es zwar schaffte, sie einigermaßen anzuheizen, doch gerade wo es für sie interessant wurde, fertig wurde und dann direkt und ohne Rücksicht auf ihr Recht zu Atmen auf ihr einschlief.

Zum Glück war sie eine Wölfin, sonst hätte sie tatsächlich noch befürchten müssen, einmal dabei einen Erstickungstod zu erleiden.

Also im Lichte dieser Glanzleistungen betrachtet, konnten die Zwillinge auch nicht viel schlimmer sein. Zudem mochte sie es, wie die beiden rochen. Was man von einigen Kandidaten vor ihnen nicht unbedingt behaupten konnte.

„Und was jetzt?“, fragte sie unsicher das Etui in ihren inzwischen reglosen Händen.

Die einzige Antwort, die sie bekam, war eine weitere hormonelle Woge, die sie dazu brachte, ihre Beine etwas zusammenzudrücken und das sachte Kribbeln dazwischen zu ignorieren.

Leise schnappte der Deckel des Etuis auf und legte den Blick auf eine kleine Kappe aus Silikon frei.

Wie oft ihr diese kleine Barriere schon die Nacht gerettet hatte, konnte Delilah gar nicht mehr zählen. Und obwohl die Handhabung des Diaphragmas Anfangs alles andere als leicht gewesen war, so könnte sie jetzt doch gar nicht mehr darauf verzichten. Zum einen war es schwer, während der aufkeimenden Gefühle an ein Kondom zu denken und zum anderen brachte jedes hormonelle Verhütungsmittel schmerzhafte Nebenwirkungen mit sich, auf die sie gerne verzichtete.

Sie konnte also dankbar sein, dass es diese Erfindung gab. Blieb also nur noch die Frage, ob diese heute Nacht auch zum Einsatz kam, oder Delilah sich allein unter ihrer Bettdecke dem drängenden Verlangen der Natur hingab, was ebenso unbefriedigend sein würde, wie es anstrengend war.

Letzten Endes hatte Delilah sich dafür entschieden, sicherheitshalber zu verhüten, falls sie ihrem eigenen Körper in den folgenden Stunden nicht genug vertrauen konnte und sie sich vielleicht doch zu den Zwillingen schlich, obwohl sie das nicht vorhatte.

Nein, stattdessen würde sie diese heikle Zeit in ihrem Bett verbringen und versuchen, noch etwas die Vorzüge dieses kostenlosen Hotelzimmers zu genießen. Ein paar gute Filme und etwas Anständiges zu Essen könnten sie durchaus davon abhalten, dem Ruf der Natur zu folgen.

Allerdings wurden sämtliche ihrer Pläne mit einem Schlag zunichtegemacht, als sie das Badezimmer verließ und die Brüder erneut schlafend auf ihrem Bett vorfand, lediglich vom flackernden Schein des Fernsehers beleuchtet, der lautlos irgendeine Dauerwerbesendung für Schmuck zeigte.

Damit dürfte wohl die Entscheidung endgültig gefallen sein.

Vorsichtig trat Delilah näher ans Bett und zog James die Fernbedienung aus der Hand, um den Fernseher auszuschalten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  HinkelsteinDompteur
2012-05-27T10:11:24+00:00 27.05.2012 12:11
So, ich bins mal wieder ;)

Ich muss zugeben ich bin richtig geflasht vom ersten Teil des Kapitels. Nicht das der zweite schlecht wäre, er ist nur nicht ganz so spannend.
Der erste Teil ist wahnsinnig gut beschrieben, all das lief wie in einem Film vor meinen Augen ab. Jede Formulierung sitzt perfekt und es war so vom Ablauf her ziemlich real (nicht das ich damit Erfahrungen hätte, aber es las sich sehr logisch und faktisch ^^). Ich hatte richtig Mitleid mit Delilah, aber sie wird ja zum Glück gut versorgt.

Was den Zweiten Teil angeht: ich fand‘s cool wie sie auf einmal anfängt zu lachen. Typische Kurzschlussüberreaktion im Gehirn, trotzdem ziemlich genial. Natürlich wird im zweiten Teil das Tempo etwas herausgenommen und ein ungeduldiger Mensch wie ich neigt dann leicht dazu das ganze nur zu überfliegen, bis es wieder zu den richtig interessanten Dingen geht. Aber an sich trotzdem wie immer sehr gut geschrieben ;)

Bin ja jetzt mal echt gespannt auf das nächste Kapitel. Klar weiß ich was passieren wird (subtilen Andeutungen sei Dank ;)) aber das macht‘s nicht minder spannend, besonders da Erotik nicht gerade leicht zu schreiben ist und schnell flach wird.
Aber ich lass mich einfach überraschen^^

Lg
HinkelsteinDompteur



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