Zum Inhalt der Seite

Salazar Slytherin

Ein Leben im Schatten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Chapter Seven

Ich war 21, als mein Leben sich für immer änderte.

In der Welt der dunklen Künste sind alle Schwarzmagier Kollegen und Rivalen gleichzeitig. Niemand lässt sich gern in die Karten schauen, da bilde ich keine Ausnahme, aber ab und an tauschen sie Wissen gegen Wissen. Ich war einer der berühmtesten Schwarzmagier unter ihnen, nicht zuletzt auch, weil es mächtig Eindruck schindete, dass ich Saliha so perfekt kontrollieren konnte. Manche gehen sogar so weit zu behaupten, dass ich den Untergrund beherrschte, denn ich hatte die Angewohnheit, mächtige Magier aus der Ferne zu verfluchen, deren Ansichten oder Handlungen mir nicht gefielen – was meistens die Massenmörder und Vampirjäger betraf. Allerdings fand ich solche Gerüchte immer ein wenig übertrieben.
 

Es war ein regnerischer Tag und ich war mal wieder auf einer solchen Jagt. Ich hatte von einem Schlammblut gehört, dass offiziell Hofmagier des Königs und angepriesener Lichtmagier war, in aller Heimlichkeit sich aber auch einen Namen im Untergrund machte, weil er mit Nekromantie herum experimentierte. Das war praktisch eine persönliche Beleidigung. Durch meinen Vater sah ich die Arbeit mit den Toten gewissermaßen als mein Revier an und darin wilderte ausgerechnet ein heuchlerisches Schlammblut. Ich kann diese Menschen sowieso nicht ausstehen, aber wenn sie dann auch noch vorgeben, Lichtmagier zu sein, erinnert mich das einfach zu sehr an den Mörder meines Bruders. Deswegen musste dieses Schlammblut sterben.
 

Wieder schweiften Salazars Gedanken ab. Er saß hinter seinem Schreibtisch im Zaubertrankklassenzimmer und überwachte die Strafarbeit dreier Unruhestifter, die zu dumm waren, einen einfach Schlaftrunk zu brauen. Dafür durften sie jetzt drei Stunden lang Kessel schrubben. Ohne Magie, versteht sich. Hin und wieder warfen sie ihm verärgerte Blicke zu, ansonsten ignorierten sich beide Parteien geflissentlich.

Unruhig tippte Salazar mit der Feder auf das Pergament. Es war nicht leicht für ihn, diese Erinnerung niederzuschreiben, erst recht nicht nach seinem letzten Streit mit Godric. Irgendetwas musste er deswegen tun. Er konnte nicht zulassen, dass ihm diese Brut auch noch seinen besten Freund nahm. Aber war Godric das überhaupt noch? Hatten sie sich nicht schon bereits viel zu weit auseinander gelebt?
 

Wo waren sie hin, die Zeiten, da sie gemeinsam im See geschwommen und Grindelohs gejagt hatten? Wo blieben die langen Gespräche über Politik und ferne Länder, die sie halbnackt und schweißgebadet auf den halb fertigen Mauern des Schlosses sitzend geführt hatten? Wo war sein uneingeschränktes Vertrauen in Godric geblieben, als er seinen Freund ohne zu Zögern zum Paten seines Erstgeborenen ernannt hatte?

Und die Ladys - wann hatte Rowena aufgehört, ihn mit kaum versteckten Flirtversuchen in ihr Bett zu kriegen? Seit wann beschäftigte sich Helga mehr mit Streitschlichtung als mit Hausaufgabenhilfe? Wann nur war alles so furchtbar schief gegangen?

Salazar konnte sich nicht erinnern.
 

Als ich ihn endlich fand, war mein Konkurrent allerdings beschäftigt. Scheinbar war ich nicht der Einzige, der sein falsches Spiel durchschaut hatte. Einer der Ritter des Königs, ebenfalls ein Magier, stellte ihn und es kam zum Duell. Das sie sich mitten in einer Stadt befanden, in der es zwar schon dunkel war, aber immer noch Zivilisten in die Schusslinie kommen könnten, schien sie nicht zu stören. Munter begannen die Flüche zu fliegen und ich ließ mich auf dem nächsten Dach nieder, um zuzusehen. Saliha feuerte den rothaarigen Ritter mit den blauen Augen kräftig an und selbst ich spürte im Laufe des Kampfes, wie mich Aufregung erfasste. Dennoch nervten mich die Kommentare der blinden Schlange etwas, denn sie konnte zwar sehr gut riechen und Magieströme feststellen, aber sie hatte eben keinen Durchblick. Deswegen fing ich selbst leise an, das Duell für sie zu kommentieren. Dann aber war der Ritter am Boden und das Schlammblut stand mit gezücktem Zauberstab über ihm. Immerhin, der Schwarzmagier würde jetzt geschwächt sein, leichtes Spiel für mich, dachte ich.
 

Da bat und bettelte Saliha und bearbeitete mich lange, während sich die beiden Magier unten einen letzten verbalen Schlagabtausch lieferten. Schließlich gab ich nach.

Obwohl ich einfach von meinem Dach hätte springen können, apparierte ich lieber und landete mit einem vernehmbaren Knall hinter dem Schlammblut. Dieser fuhr herum und schickte einen Fluch in meine Richtung. Ich blockte ihn mit einer lässigen Geste ab. Sofort zog er einen Schutzschild um sich, aber das brachte ihm natürlich nichts. Ich streckte meine Hand aus und zeigte wortlos auf ihn. Er sah erst nur irritiert aus, betrachtete meine Hand – und sah Saliha in die Augen.

Sofort fiel der Magier zu Boden, nicht einmal meines Zauberstabs würdig, schlaff wie ein Sack Kartoffeln und offensichtlich tot. Saliha jubelte leise.
 

Da plötzlich rappelte sich der Ritter wieder auf. Er hatte keine Ahnung, wer ich war, schien auch meinen Namen nicht zu erkennen, als ich ihn ihm nannte. Ich meinerseits hatte schon von ihm gehört, von Godric Gryffendor, dem temperamentvollen Kämpfer für die Seite des Lichts. Mit einem verächtlichen Schnauben wollte ich mich abwenden, aber der Rotschopf ließ mich nicht gehen und bestand darauf, mich auf einen Drink einzuladen. Schließlich gab ich nach, weil Saliha ihn mochte und ich keine Lust hatte, so früh am Abend schon zu meinem Bett zurückzukehren.
 

Oh, Godric. Sie hatten sich immer gestritten, aber meist waren es einfach nur Kleinigkeiten gewesen. Godrics Mangel an Manieren, wie er schmatzte und rülpste am Tisch und auch noch stolz darauf war. Damals hatte Salazar ihn einfach nur zurecht gewiesen, ihm vielleicht eine Kopfnuss gegeben und Godric hätte ihn einen Spießer und Spaßverderber genannt und sich für den Rest der Mahlzeit zurückgehalten. Heute würde Salazar ihn dafür schelten, dass er sich nicht wie der Reinblüter benahm, der er eigentlich war und Godric würde eine zornige Diskussion über angeblich vollkommen unberechtigte Vorurteile gegen Halbblüter und Schlammblüter vom Zaun brechen.
 

Damals hätten sie gemeinsam Drachen und Chimären und Acrumantulas besiegt, sich gegenseitig auf die Schultern geklopft, einander gelobt und den Vorfall am nächsten Tag vergessen. Heute würde Salazar die Gelegenheit nutzen, Teile der besiegten Kreaturen einzulegen um sie für Zaubertränke zu verwenden, da er nicht mehr die Freiheit hatte, umherzustreifen und das nötige Geld besiegten Schwarzmagiern abzunehmen, um diese Zutaten zu kaufen. Dann würde Godric fragen, warum er die Ruhe dieser magischen Kreaturen auf so taktlose Weise störte und ob er nicht schon wieder an einem schwarzmagischen Ritual arbeitete.
 

Früher einmal hatte Godric panische Angst vor Schlangen gehabt. Da hatte Salazar eines Nachts Saliha beauftragt, ihm einen Schrecken einzujagen. Vierzehn Stunden lang hatte sie ihn in ihrem Griff behalten und gegen ihn angekämpft. Irgendwann aber hatte selbst Godric die Müdigkeit überkommen. Er war in einen tiefen Schlaf gefallen und als er wieder erwachte, lag Saliha ganz friedlich und unschuldig neben ihm. Salazar hatte heimlich beobachtet, wie Godric sie verblüfft angesehen hatte – um dann langsam eine Hand auszustrecken und sie zu streicheln.

Später hatte Godric ihn nicht (wie erwartet) zum Duell gefordert, sondern sich sogar bei ihm bedankt, dass er ihn von seiner Angst vor Schlangen befreit hatte.

Wenn Salazar ihm heute erzählen würde, dass Saliha eine der tödlichsten Schlangenarten überhaupt war und dass sie in einer geheimen Kammer unter dem Schloss lebte... Egal was Saliha für Godric getan hatte, egal ob sie es war, die sie beide überhaupt erst zusammen geführt und die sich immer für ihn eingesetzt hatte: Wenn Godric das erfahren würde, würde Salazar heute sicher nicht mehr um ein Duell herumkommen.

Er konnte sich nur nicht erklären... warum.
 

Godric, stellte sich heraus, verträgt eine ganze Menge und so verbrachten wir die ganze Nacht im Pub. Ich war überrascht, dass man eigentlich ganz wunderbar mit ihm reden konnte. Ich dachte bisher immer, die Lichtmagier wären alle dümmliche Schwächlinge, die Angst davor hätten, Mächte zu gebrauchen, die sie nicht verstanden. Aber Godric war nicht dumm und erst recht war er nicht feige. Er war nur leider nicht ganz vorurteilsfrei. Aufgewachsen am Hof des Königs beschäftigte er sich so gut wie nie mit der schwarzen Magie, nicht aus Angst, sondern weil es sich dort nicht gehörte. Jedoch war er überaus erstaunt, als ich ihm erzählte, dass die meisten 'dunklen' Blutrituale überhaupt nicht dazu geeignet waren, anderen Menschen Schaden zuzufügen. Im Gegenzug dazu schockte er mich mit dem Wissen, dass es tatsächlich einen Zauberspruch gibt, mit dem man einen Dementor in die Flucht schlagen kann. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, einen solch mächtigen Spruch wie den Patronus ausgerechnet in einem Buch der Lichtmagie zu suchen.
 

Da Godric kein Schwarzmagier war, war es leicht, ihn zu einem Wissensaustausch zu überreden, wie ich ihn früher schon einmal mit ein paar Kollegen gemacht hatte. Prompt lud er mich, seinen 'Lebensretter', auf sein Anwesen ein.

So begann meine Freundschaft mit Godric Gryffendor. Und was für eine Freundschaft das war! Godric war intelligent und witzig und man konnte ihm irgendwie nie böse sein. Tatsächlich war er der Einzige, in dessen Gegenwart ich meine kühle Maske einmal ablegte und ihm durch ein kleines Lächeln zeigte, wie wichtig er mir war.
 

Natürlich war unsere Beziehung nicht immer nur friedlich. Das wäre langweilig gewesen. Im Großen und Ganzen gab es aber nur drei Themen, bei denen wir uns wirklich heftig stritten. Das erste war Religion. Godric war Christ und ich war, was man als Heide bezeichnete. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie Godric an solch dummen Vorstellungen wie Himmel und Hölle festhalten und dann daraus auch noch moralische Leitsätze ableiten konnte.
 

Das zweite Thema waren natürlich die dunklen Künste. Godrics ewige Beschwerden wegen meiner kleinen Rachefeldzüge gegen andere Schwarzmagier fand ich überaus lästig. Als er sich dann aber auch noch beschwerte, weil ich diskret einen seiner Konkurrenten bei Hof entfernte (womit ich ihm eigentlich einen Gefallen hatte tun wollen) reichte es mir endgültig und ich beschloss, meine Tätigkeiten nicht mehr unter seiner Nase durchzuführen. Zwar war Godric klar, dass ich nicht komplett damit aufgehört hatte, aber er ließ das Thema ebenfalls fallen, sobald die Sprache darauf kam.
 

Der letzte Streitpunkt waren Muggel und Schlammblüter. Godric war ein strahlender Verfechter des friedlichen Zusammenlebens von Magiern und Muggeln, was komplett unverständlich ist, da es ja seine Glaubensbrüder die Christen sind, die mit ihren Hexenverbrennungen dieses Verhältnis besonders schädigen. Ich bin der unumgänglichen Meinung, dass Magierwelt und Muggel strikt voneinander getrennt werden sollten. Gegen Hexenverbrennungen kann man sich für gewöhnlich ja wehren. Was wirklich gefährlich ist, sind die Schlammblüter, die sich den Muggeln in ihrem Kampf anschließen. Besonders unter den Kreuzrittern und Inquisitoren gibt es eine Menge von ihnen, aber bei denen ist Magie natürlich eine 'himmlische', keine 'dämonische' Gabe. Am besten wäre es, wenn diese Personen einfach nie erfahren würden, dass sie Magie besitzen.
 

Zehn Uhr war vorbei und Salazar beendete das Nachsitzen. Um den erschöpften Schülern noch eins auszuwischen säuberte er die letzten drei Kessel, die sie nicht mehr geschafft hatten, mit einem lässigen Schlenker seines Zauberstabes. Die Schüler sahen ihn missmutig an, wagten aber nicht, irgendetwas zu sagen.

Salazar entließ sie und räumte sein Schreibzeug zusammen. An diesem Abend hatte er wahrscheinlich mehr zu Papier gebracht als in der gesamten Zeit davor. Das zeigte ihm nur wieder aufs Neue, wie viel Platz Godric in seinem Leben einnahm. Irgendetwas war doch an diesem Bild verkehrt.
 

Salazar kehrte müde zu seinen oberen Quartieren zurück. Drei Tage waren seit den Beschlüssen im Lehrerzimmer vergangen. Salazar wusste, dass er nicht allzu bald mit einer Antwort würde rechnen können. Wahrscheinlich erst am Ende des Schuljahres oder Anfang des neuen. Er konnte nicht wirklich sagen, dass er sich darauf freute.

Als Salazar um die Ecke bog, zögerte er einen Moment. Dort, vor dem großen Gemälde mit dem Dschungelmotiv, das den Eingang zu seinen Räumen darstellte, stand Godric und trat nervös von einem Bein auf das andere.

Nach einem kurzen Augenblick des Erstaunens ging Salazar unbeirrt weiter.
 

„Was willst du?“, fragte er, ohne Godric anzusehen.

~Schattenwurzel~, zischte er gleich darauf. Eine kleine weiße Schlange, die sich in dem Bild um eine Liane wand, hob bei der Erwähnung des Passworts den Kopf und ließ das Gemälde aufschwingen.

„Ich wollte dich nur mal besuchen“, behauptete Godric. „Kann ich reinkommen?“

Salazar warf ihm einen undefinierbaren Blick zu, bevor er nickte.

Seine Quartiere hatten zwei Eingänge. Der Haupteingang, den er hier benutzte, war mit einem Passwort in Parsel gesichert. Der zweite, mehr versteckte Eingang lag hinter dem Bild einer riesigen Boa, die den Auftrag hatte, nur Salazar und Godric einzulassen. Selbiger Boa war es neulich ein besonderes Vergnügen gewesen, Godric zu so früher Stunde zu ihm zu schicken, obwohl dieser vergessen hatte zu Klopfen. Was darin resultiert hatte, dass dieser fast erwürgt worden war. Vermutlich war das der Grund, warum Godric ihn diesmal hier abgefangen hatte, anstatt in seinen Gemächern auf ihn zu warten.
 

„Also, was willst du?“, wiederholte Salazar, als sie es sich in seinem Wohnzimmer gemütlich machten.

Godric zuckte mit den Schultern. „Nur ein bisschen reden. Über alte Zeiten und so. Wir gehen immerhin schon auf die vierzig zu, da kann man ruhig mal nostalgisch werden, oder?“ Er lachte nervös.

Salazar zuckte mit keiner Wimper. Er hatte die Hände gefaltet, die Ellenbogen auf den Lehnen seines Sessels abgestützt und sah ihn über seine Fingerkuppen hinweg nur abwartend an.
 

„Ich weiß, dass du nicht wirklich... dunkel bist“, begann Godric langsam. „Nicht machthungrig oder so. Sonst hättest du ja niemals diese Schule mit uns erbaut. Du bist eher... grau. Offen für beide Seiten. Damit unterstützt du natürlich auch diejenigen Schüler, die für sich entschieden haben, dunkel zu sein. Schüler, die wir anderen sofort aus Hogwarts verstoßen würden. Ich... Ich hab versucht, das als eine Art Toleranz zu sehen. Ich denke, diese Schüler sind eine weitaus größere Gefahr für die Zaubererwelt als Muggelgeborene, die sich mit Muggeln verbünden. Für mich ist das vollkommen logisch und klar... Aber aus irgendeinem Grund denkst du genau umgekehrt und... Und um deinetwillen kann ich das akzeptieren, denke ich. Es ist nur so, dass... Meine ganze Familie hat schon immer gegen Schwarzmagier gekämpft, die Unschuldige bedroht haben. Ich weiß, dass nicht alle Schwarzmagier so viele Leute töten. Aber alle Magier, die so viele Leute töten, sind Schwarzmagier! Für mich ist... ist einfach selbstverständlich, dass die böse sind.“

„Dann verrate mir doch mal“, sagte Salazar leise, „wie viele Schwarzmagier hast du schon getötet, im Auftrag des königlichen Hofs oder um 'Unschuldige' zu beschützen?“

Godric runzelte die Stirn. „Weiß nicht. Neun oder zehn vielleicht.“

„Und wo genau... fängt bei dir 'viele Leute töten' an?“

Gryffendor starrte ihn an.
 

„Du tötest mit genauso wenig Skrupel wie ich das tue, Godric. Vielleicht benutzt du andere Methoden. Vielleicht sind auch deine Motive anders. Aber am Ende sind es unsere Handlungen, die uns ausmachen. 'Unschuld' ist ein sehr vager Begriff. Ist die Frau mit ihren Kindern unschuldig, die zu Haus bleibt, während ihr Mann in den Krieg zieht? Sie schickt ihm Kleidung und Essen zu, damit er weiter morden kann, sie füttert die Söhne, die ihm folgen werden. Ist der Muggel unschuldig, der jeden Sonntag in die Kirche geht? Wenn der Zug der Hexenverbrennung an ihm vorbeizieht, rührt er keinen Finger, um zu helfen. Ist der Bettler unschuldig, der auf der Straße lebt? Täglich stiehlt er Essen, um zu überleben und hin und wieder schneidet er einem Wanderer die Kehle durch, um ihn auszurauben.“

„Was willst du damit sagen?“
 

„Es gibt keine 'Unschuld'. Es gibt kein hell und dunkel. Die Bedeutung dieser Worte liegt allein im Auge des Betrachters. Definitionen werden von den Stärkeren geschrieben, von denen, die sich durchsetzen, die sich der Gesellschaft anpassen. Was gut und was böse ist, hängt davon ab, wer gegenwärtig den größten Einfluss hat. Wusstest du, dass sich manche Schwarzmagier einzig und allein deshalb als 'böse' bezeichnen, weil dieses Wort ihnen Schutz bietet? Schutz vor einfachen Räubern und dummen Banditen. Der Ruf ist alles, was zählt. Jemand kann nie einem anderen Menschen ein Haar gekrümmt haben. Aber wenn er allgemein als böse betrachtet wird, dann wird er gefürchtet und von den kleinen Übeln dieser Welt gemieden. Selbst Lichtmagier wie du werden sich nicht mit ihm abgeben, wenn sie nicht unbedingt müssen.
 

Der Ruf eines Schwarzmagiers ist für viele meiner Schüler genau deshalb erstrebenswert, weil es sie vor all diesen dummen, beschränkten Idioten schützt, die immer mit dem Kopf durch die Wand wollen. Meine Slytherins sind größtenteils Einzelgänger. Es sind gebrochene Kinder, die von ihren Eltern misshandelt oder ignoriert wurden. Es sind Waisen und Einsiedler, die wissen, dass sie sich selbst helfen müssen. 'Böse' zu sein ist ihr Schutz, ein Schutz vor erneuten Verletzungen und Enttäuschungen. Manchmal sind es auch die Sprösslinge großer Familien, auf denen ein ungeheurer großer gesellschaftlicher Druck lastet. Wenn sie nicht tun, was man ihnen sagt, wenn sie kein Vorzeigefamilienmitglied werden, dann werden sie verstoßen. Der einzige Weg, dem zu entkommen, ist, selbst noch größer zu werden und sich zu beweisen. Mein Haus bietet ihnen diese Möglichkeit. Mein Haus bietet ihnen Schutz und ermuntert sie, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Die wenigsten von ihnen haben wirklich Mordgelüste, Godric.“
 

„Ja, aber die, die sie haben, denen gibst du die nötigen Waffen in die Hand!“

„Die Waffen der dunklen Künste, die sie in jeder besseren Bibliothek finden würden. Wer so versessen darauf ist, Menschen abzuschlachten, der wird schon einen Weg finden, egal in welchem Haus. Jedenfalls gilt das für die Reinblüter, die wissen, wo sie suchen müssen.“

Womit sie wieder beim alten Thema wären. Ein Zauberer mit Zugang zu den Dunklen Künsten war gefährlich. Ein Schlammblut mit Zugang zu den Massen der Muggeln ebenfalls. Aber mit beidem konnte man klarkommen. Wirklich gefährlich war die Kombination der Dunklen Künste in den Händen der Muggel. Die Zaubererwelt lebte seit Jahrhunderten mit diesen Möglichkeiten. Für die Muggel wäre es eine neue Entdeckung, die sie, mit ihrer Leidenschaft für unsinnige Kriege, sofort ausprobieren würden. Niemals würden sie diese Waffe wieder aus der Hand geben, was zwangsläufig dazu führen würde, dass sie die Zaubererwelt angreifen würden. Hogwarts als Ausbildungszentrum der Magie schlichtweg wäre da natürlich das erste Ziel. Warum nur verstand Godric das nicht?
 

„Gut, aber... Es ist ja nicht so, als wenn du Dunkle Künste unterrichten würdest. Ich meine, Zaubertränke zum Beispiel. Die können für dunkle ja genauso wie für helle Zwecke genutzt werden, wie die Magie selbst. Dann ist es doch okay, wenn die Muggelgeborenen helle Zaubertränke lernen.“

„Godric... Ich bin diese Diskussionen Leid. Der viele Streit hat mich müde gemacht. Mir ist es inzwischen vollkommen egal, ob Mugelgeborene Zaubertränke oder Verwandlung lernen oder nicht. Auch wenn mir Letzteres immer noch lieber wäre. Ich muss mich nicht auf Biegen und Brechen durchsetzen. Aber das ändert nichts an meiner persönlichen Abneigung gegen sie. Ich kann einfach keine Klasse unterrichten, in der die widerlichen Abkömmlinge dieser niederen Spezies sitzen. Ich kann es einfach nicht. Muggel haben meine Eltern getötet, ein Schlammblut meinen Bruder... Darüber kann ich nicht hinweg, Ric. Es tut mir Leid.“

„Das... Das hast du mir nie erzählt, Sal“, sagte Godric bestürzt.

„Es ist keine besonders angenehme Erinnerung. Ich hoffe nur, du verstehst jetzt, warum ich auf meinem Standpunkt bestehen muss. Du magst vielleicht versuchen, meine Meinung zu ändern, aber nichts was du sagen könntest, könnte meine Gefühle diesbezüglich verändern.“

„Das... Das tut mir Leid, Sal. Ich wünschte, ich hätte das eher gewusst. Aber ich bin froh, dass du's mir gesagt hast. Jetzt kann ich dein Denken wenigstens einigermaßen nachvollziehen.“
 

Aber Salazar ließ sich von diesen Worten nicht täuschen. Seine Vergangenheit änderte nichts am gegenwärtigen Problem. Godric würde dennoch weiterhin darauf bestehen, dass Muggel Zugang zu allen Fächern hätten und zwar noch in diesem Jahrhundert. Eine Lösung des Problems war nicht abzusehen. Aber vielleicht... Vielleicht würde es wenigstens ihre Freundschaft retten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück